OGH 14Os81/91

OGH14Os81/913.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.September 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loub als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erna W***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 11.April 1991, GZ 20 v Vr 6327/90-57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Erna W***** wurde des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 1 WaffenG schuldig erkannt, weil sie am 18.Juni 1990 in Wien ihren Ehegatten Josef vorsätzlich zu töten versuchte, indem sie aus einer Entfernung von mindestens 150 cm fünf Schüsse aus dem von ihr unbefugt geführten Revolver der Type Smith und Wesson, Modell 49 Bodygard, Kal. 38 Spezial, gegen ihn abgab.

Die Geschwornen hatten die beiden diesbezüglichen anklagekonformen Hauptfragen (stimmeneinhellig) bejaht und ebenso einhellig die (erste) Zusatzfrage nach Notwehr und die (vierte) Eventualfrage nach deren etwaiger Überschreitung aus asthenischen Effekten verneint. Es blieben daher die erste, zweite und dritte Eventualfrage nach versuchtem Totschlag (§§ 15, 76 StGB), versuchter absichtlich schwerer Körperverletzung (§§ 15, 87 Abs. 1 StGB) und schwerer Körperverletzung (§§ 83 Abs. 1 84 Abs. 2 Z 1 StGB), aber auch die (zweite) Zusatzfrage nach schuldhafter Notwehrüberschreitung unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagte hat Nichtigkeitsbeschwerde nach § 345 Abs. 1 Z 10 a StPO ergriffen. Aus den Akten ergeben sich jedoch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der von den Geschwornen festgestellten Tatsachen.

Auch wenn in der in der Beschwerde genannten, bereits längerandauernden "eherechtlichen Streitsituation" zwischen dem Ehepaar W***** das Motiv zur Abgabe von fünf Schüssen auf den Gatten lag, kann daraus nichts Entscheidendes gegen den festgestellten Tötungsvorsatz oder gar für eine Notwehrsituation der Angeklagten gewonnen werden. Richtig ist, daß Josef W***** von dem der Tat unmittelbar vorangehenden Streit mit seiner Gattin eine Tonbandaufnahme machte. Die Beschwerdeführerin muß aber selbst einräumen, daß ihr diese Tatsache vor der Tat nicht bekannt war und - wie die Tonbandauswertung ergab - die von ihr behaupteten Drohungen des Gatten am Tonband nicht aufgezeichnet sind.

Die von der Beschwerdeführerin behauptete wörtliche Provokation durch Josef W***** geschah, wie sie selbst vorbringt, um allenfalls eine "günstige Ehescheidung" zu erreichen und liefert damit für den von der Angeklagten behaupteten drohenden Angriff keinen Anhaltspunkt.

Mit dem Vorbringen, daß "sich die Geschwornen wesentlich eingehender mit der Frage des Vorliegens einer allgemein begreiflichen und heftigen Gemütserregung bzw. auch mit der Frage des Vorliegens einer Notwehrsituation (wenn auch allenfalls Überschreitung) auseinandersetzen hätten müssen", werden Bedenken gegen die Richtigkeit der Urteilsfeststellungen nicht geltend gemacht. Bei der Überprüfung einer Tatsachenrüge kommt es nicht auf die Stichhältigkeit der von den Geschwornen angestellten Erwägungen, sondern ausschließlich darauf an, ob sich für den Obersten Gerichtshof selbst aus den relevierten Verfahrensergebnissen erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der dem Verdikt zugrundeliegenden Beweiswürdigung ergeben (15 Os 141/88, 14 Os 94/90). Dies gilt auch für den Vorwurf der Beschwerde, daß die Geschwornen offensichtlich dem in der Hauptverhandlung (einverständlich bloß auszugsweise: siehe S 114/II) verlesenen psychiatrischen Sachverständigengutachten (ON 23) "viel zu wenig Bedeutung beigemessen hätten". Am Schluß dieses Gutachtens spricht zwar der Sachverständige davon, daß die von der Angeklagten gemachten Angaben darauf hinweisen, daß zum Zeitpunkt der ihr vorgeworfenen Handlung eine Affektstörung, gekennzeichnet durch einen angstvollen Zustand, vorlag und daß dieser Zustand im Sinne einer heftigen Gemütsbewegung interpretiert werden kann. Diese Ausführungen des Sachverständigen gründen sich jedoch ausschließlich auf die Angaben der Angeklagten ihm gegenüber und weichen diese, wie auch im Gutachten selbst erwähnt (ON 23, S 9), bereits teilweise von ihrer Aussage gegenüber der Polizei ab. Außerdem hat die Angeklagte vor dem Geschwornengericht ihre bis dahin und auch noch vor dem Sachverständigen aufgestellte Behauptung, daß ihr Gatte knapp vor der Tat mit seinem Jagdgewehr "herumgetan" habe (Gutachten ON 23, S 13), ausdrücklich zurückgezogen (S 95/II). Ferner steht das auch in der Hauptverhandlung verlesene Gutachten des Schießsachverständigen (ON 35), wonach nur die Angabe des Josef W*****, seine Gattin habe, während er auf einer Bank gesessen sei, aus ca. 3 m Entfernung auf ihn geschossen, mit den objektiven Schußspuren und den festgestellten Verletzungen nicht in Widerspruch, während für die gegenteilige, auch gegenüber dem Psychiater aufgestellte Behauptung der Angeklagten (s. ON 23, S 8 und 14), sie habe die Waffe aufgenommen, als ihr Mann auf sie zugekommen sei und sie habe geschossen, um zu verhindern, daß er ihr zu nahe komme, auf Grund der objektiv vorhandenen Schußspuren keine Anhaltspunkte zu finden waren (S 513/I).

Den Erwägungen der Beschwerde, die Angeklagte hätte aus der Entfernung von drei Metern wohl "gezieltere" Schüsse gegen ihren Gatten abgegeben, wenn sie tatsächlich den Vorsatz gehabt hätte, zu töten, liegt zugrunde, daß sie mit der Schußwaffe vertraut war, während sie nach ihrer eigenen Aussage in der Hauptverhandlung den Revolver nur "ein- bis zweimal" in der Hand hatte (S 91/II). Auch der Umstand, daß nicht alle aus der genannten Entfernung abgegebenen Schüsse getroffen haben, ist nicht geeignet, erhebliche Zweifel am Tötungsvorsatz zu erwecken, zumal nur eine geringfügige Abweichung der tatsächlichen (zwei) Treffer für Josef W***** tödlich gewesen wäre (S 113(II).

Soweit die Beschwerde aus einzelnen Verfahrensergebnissen für sie mögliche genehme Schlüsse zieht und diese dann mit den anderslautenden Feststellungen im Urteil zu vergleichen sucht, ist sie nicht den Prozeßgesetzen gemäß ausgeführt. Mit dem Vorbringen, die Geschwornen hätten auf Grund der Beweislage "zumindest" die (dritte) Eventualfrage nach schwerer Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB bejahen müssen, versucht die Beschwerdeführerin lediglich die ausschließlich den Geschwornen zustehende Beweiswürdigung in nach wie vor unzulässiger Weise anzufechten. Im übrigen war angesichts der Bejahung der ersten Hauptfrage nach versuchtem Mord den Geschwornen die Beantwortung der eingangs erwähnten Eventualfrage gar nicht mehr gestattet.

Die demnach unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 344 StPO).

Zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten ist demnach das Oberlandesgericht Wien zuständig (§§ 285 i, 344 StPO).

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