OGH 12Os75/91

OGH12Os75/918.8.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.August 1991 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Felzmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Werner P***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Anklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 22.März 1991, GZ 7 Vr 3143/90-39, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Jerabek, und des Verteidigers Dr. Sääf, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 6 (sechs) Jahre herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 17.Mai 1970 geborene Werner P***** wurde auf Grund des einstimmigen Wahrspruchs der Geschwornen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 und Abs. 3 dritter Fall StGB und des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB (II), sowie der (zum Teil versuchten) schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 und 15 StGB (III) sowie der Vergehen des Hausfriedensbruches nach § 109 Abs. 1 StGB (I)und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (IV) schuldig erkannt.

Darnach hat er am 23.November 1990 in Graz

I./ den Eintritt in die Wohnstätte der Margarethe K***** durch Gewalt erzwungen, indem er eine Fensterscheibe einschlug und in ihre Wohnung hineinkletterte;

II./ Margarethe K***** dadurch, daß er ihr mehrere Faustschläge gegen Kopf und Körper versetzte und ein Küchenmesser mit dem Beifügen gegen sie richtete, daß er sie, wenn sie seinen Anordnungen nicht nachkomme, umbringen werde, wobei er ihr in der Folge befahl, den Geschlechtsverkehr, den Analverkehr und den Oralverkehr durchzuführen bzw. zu dulden, eine Person mit schwerer gegen sie gerichteter Gewalt und durch gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme des Beischlafes, zur Duldung des Analverkehrs sowie zur Duldung als auch zu Vornahme des Mundverkehrs, sohin zu geschlechtlichen Handlungen, die dem Beischlaf gleichzusetzen sind, genötigt, wobei er die vergewaltigte Person dadurch in besonderer Weise erniedrigte, daß er eine Salatgurke mehrmals in ihre Scheide einführte und die Tathandlungen vornahm, obwohl Margarethe K***** die Regelblutungen hatte, sowie

mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe die nachangeführten fremden beweglichen Sachen, nämlich einen Bargeldbetrag in der Höhe von 1.800 S und Lebensmittel im Wert von ca. 200 S mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

III./ Margarethe K***** dadurch, daß er

a) sie im Zuge der unter Punkt II./ angeführten Tathandlungen auch aufforderte, ihm ihre Bankomatkarte auszufolgen und den dazupassenden Code bekanntzugeben und

b) sagte, daß er sie umbringen werde, wenn sie die Polizei verständige,

mithin durch Gewalt und durch Drohung mit dem Tode zu den sich aus dem Wortlaut seiner Äußerungen ergebenden Handlungen und Unterlassungen teils genötigt und teils zu nötigen versucht,

IV./ die nachangeführten fremden Sachen in einem nicht näher bekannten, 25.000 S jedenfalls nicht übersteigenden Wert teils zerstört und teils unbrauchbar gemacht, und zwar

a) eine Fensterscheibe zur Wohnung der Margarethe K*****, indem er sie mit einem Sturzhelm einschlug und

b) den Telefonapparat der Margarethe K*****, indem er das Kabel herausriß.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Angeklagten dagegen aus § 345 Abs. 1 Z 13 und 10 a StPO erhobenen, nur die Schuldsprüche wegen Vergewaltigung und schweren Raubes betreffenden Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung nicht zu:

Entgegen der zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund (der Sache nach: Z 12) vertretenen Beschwerdeauffassung haftet der Subsumierung des im Verdikt der Geschwornen in Ansehung des Verbrechens der Vergewaltigung festgestellten Sachverhaltes auch unter die Qualifikation des dritten Falles des § 201 Abs. 3 StGB kein Rechtsirrtum an. Denn durch die laut Wahrspruch erzwungenen, eine funktionale Einheit darstellenden verschiedenen geschlechtlichen Handlungen, die insofern in der exzeptionellen Herabwürdigung des Opfers zum bloßen Objekt gipfelten, als der Beschwerdeführer die Duldung des Geschlechtsverkehrs trotz der Regelblutung der Margarethe K***** erzwang und ihr überdies eine Gurke mehrmals in die Scheide einführte, wurde die in ihrer Menschenwürde tief verletzte Frau, die die Mutter des Angeklagten sein könnte, in einem den durchschnittlichen Fall einer Vergewaltigung erheblich überschreitenden Ausmaß erniedrigt. Gerade dieses tataktuelle Überschreiten des mit jeder Vergewaltigung verbundenen Maßes an Demütigung des Opfers, das in seinen Auswirkungen insbesondere in seelischer Sicht im Sinne des in der Beschwerde aufgestellten Postulates durchaus mit einem längeren qualvollen Zustand (§ 201 Abs. 3 zweiter Fall StGB) vergleichbar ist (EvBl. 1990/119), entspricht aber dem in Rede stehenden Qualifikationsmerkmal der besonderen Erniedrigung gemäß dem dritten Falle der zitierten Gesetzesbestimmung (vgl. 927 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, XVII, GP, 4). Die Beschwerdeforderung nach "ungefährer Gleichwertigkeit" dieses strafsatzändernden Begleitumstandes der Vergewaltigung auch mit einer schweren Körperverletzung (§ 201 Abs. 3 erster Fall StGB) findet im Gesetz keine Deckung; ein derartiger Vergleich wäre im übrigen schon angesichts der Verschiedenartigkeit der betroffenen Schutzsphären und der Bandbreite der vom Rechtsbegriff der schweren Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) erfaßten Folgen vom Ansatz her nicht zielführend.

Der Tatsachenrüge (Z 10 a) zuwider erweist sich auch die dem Schuldspruch wegen schweren Raubes zugrundeliegende Feststellung der Tatverübung unter Verwendung eines Messers als unbedenklich. Davon ausgehend, daß entgegen dem in der Beschwerde vertretenen Standpunkt nicht nur der tatsächliche Einsatz einer Waffe, sondern schon deren Benützung als Mittel der räuberischen Drohung qualifikationsbegründend ist (vgl. Mayerhofer-Rieder3, EGr 12 zu § 143 StGB, SSt. 56/73), findet die in Zweifel gezogene Annahme selbst in der vom Beschwerdeführer herangezogenen Aussage der Zeugin Margarethe K***** hinreichend Deckung. Die Genannte hat nicht nur unmittelbar nach dem Tatgeschehen im Zuge der polizeilichen Sachverhaltsaufnahme ausdrücklich davon gesprochen, daß der Beschwerdeführer nach der Vergewaltigung wiederum ein Küchenmesser ergriff und mit Todesdrohung Geld forderte (S 24), sondern auch vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung, wenngleich in abgeschwächter Form, dessen Wirksamkeit als der Drohung Nachdruck verleihendes Mittel unmißverständlich bekräftigt (AS 166, 287 f).

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 28 Abs. 1, 201 Abs. 3 (erster Strafsatz) StGB eine Freiheitsstrafe von acht Jahren. Erschwerend war dabei das Zusammentreffen von drei Verbrechen mit zwei Vergehen, drei auf derselben schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen, der rasche Rückfall, die Wiederholung der schweren Nötigung und der Sachbeschädigung, der Grad der Alkoholisierung sowie die gegenüber rechtlich geschützten Werten gleichgültige Einstellung des Angeklagten, die Verletzung des Opfers und die Verbrechenshäufung, mildernd dagegen das reumütige Geständnis, der Umstand, daß es einmal beim Versuch der schweren Nötigung geblieben ist sowie die Tatbegehung vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres.

Die Berufung des Angeklagten, mit der er Strafherabsetzung anstrebt, ist begründet.

Da der Alkoholkonsum vor den urteilsgegenständlichen Verfehlungen nach den gegebenen Umständen und dem aktenkundigen Vorleben des Angeklagten nicht in einem solchen Maße vorwerfbar ist, daß dadurch die durch den Rauschzustand bewirkte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit aufgewogen würde, war die beträchtliche Alkoholisierung des Angeklagten im Tatzeitraum (siehe dazu S 291) unter gleichzeitiger Ausschaltung des vom Geschwornengericht - ohne nähere Begründung - angenommenen Erschwerungsgrundes des "Grades der Alkoholisierung" zusätzlich als mildernd in Betracht zu ziehen.

Auf der Basis der solchermaßen korrigierten Strafzumessungsgründe erschien dem Obersten Gerichtshof die vom Erstgericht geschöpfte Unrechtsfolge beträchtlich überhöht; sie war daher in Stattgebung der Berufung spruchgemäß zu reduzieren.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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