OGH 1Ob565/91

OGH1Ob565/9110.7.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei und Gegners der gefährdeten Partei Erwin Max O*****, vertreten durch Dr. Peter Banwinkler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte und gefährdete Partei Augustine O*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Moringer, Rechtsanwalt in Linz, wegen vorläufigen Unterhalts infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 11. April 1991, GZ R 232/91-38, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Schwanenstadt vom 28. 1. 1991, GZ 1 C 1124/89-32, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs vom 20. 3. 1989 war der Kläger und Gegner der gefährdeten Partei (im folgenden kurz Kläger) zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 5.400,- an die beklagte und gefährdete Partei (im nachstehenden Beklagte) ab 1. 4. 1989 verhalten; im Verfahren zur Entscheidung über einen Antrag des Klägers auf Bewilligung der gesonderten Wohnungsnahme einigten sich die Parteien auf die Herabsetzung der monatlichen Unterhaltsverpflichtung des Klägers ab 1. 6. 1989 auf S 5.100,-.

Im Zuge des seit 9. 11. 1989 zwischen den Streitteilen anhängigen Scheidungsverfahrens beantragte die Beklagte am 27. 11. 1990, den Kläger zu einem einstweiligen Unterhalt von monatlich S 7.200,-

vom 22. 11. 1990 an zu verpflichten.

Diesen Antrag wies das Erstgericht ab. Es nahm als bescheinigt an, die Beklagte führe seit der Eheschließung (19. 11. 1977) allein den gemeinsamen Haushalt und betreue auch die beiden Kinder. Sie lebe nach wie vor mit den Kindern in der Ehewohnung; der Kläger sei nach einer nächtlichen Auseinandersetzung im April 1989 ausgezogen und seither bei seinen Eltern gemeldet. Er habe im Kalenderjahr 1990 unter Einbeziehung der Sonderzahlungen sowie der halben Taggelder im Monatsdurchschnitt rund S 26.000,- netto verdient. Für seine beiden Kinder zahle er seit 1. 6. 1990 an Unterhalt insgesamt S 6.500,-.

Rechtlich meinte das Erstgericht, der Unterhaltsanspruch der Beklagten bestehe auch für die Zeit nach Aufhebung der Haushaltsgemeinschaft weiter. Aufgrund der vorhandenen Unterhaltstitel müsse der Kläger für seine Ehegattin und die beiden Kinder monatlich insgesamt S 11.600,- aufbringen. Damit sei sein monatliches Nettoeinkommen bereits mit 45 % belastet. Der Unterhalt einer nicht berufstätigen Ehefrau sei bei weiteren Sorgepflichten für zwei Kinder grundsätzlich mit 25 % des Einkommens des Ehegatten auszumessen. Die bestehende Unterhaltsverpflichtung von S 5.100,- schöpfe aber die Leistungsfähigkeit des Klägers bereits aus.

Das Rekursgericht trug dem Kläger - zusätzlich zum vergleichsweise vereinbarten Unterhalt von S 5.100,- ab 22. 11. 1990 einen weiteren einstweiligen Unterhalt von S 1.400,-

monatlich auf, wies das Mehrbegehren von S 5.800,- im Betrag von S 5.100,- zurück und im restlichen Teil von S 700,- ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nur so weit zulässig sei, als es um die Anrechnung der Familienbeihilfe als Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten gehe. Die beantragte einstweilige Verfügung sei insoweit unzulässig, als der Beklagten bereits ein vollstreckbarer Titel zu Gebote stehe. Da sie monatliche Unterhaltsbeträge von S 5.100,- aufgrund des modifizierten Vergleichs vom 20. 3. 1989 ohnedies erzwingen könne, sei ihr Begehren auf einstweiligen Unterhalt in diesem Umfang zurückzuweisen. Für die Bemessung des einstweiligen Unterhalts sei bis zur Auflösung der Ehe die Bestimmung des § 94 ABGB maßgeblich. Liege - wie hier - eine "Hausfrauenehe" vor, bestehe demnach der Unterhaltsanspruch nach Aufhebung der Haushaltsgemeinschaft weiter; die Frage der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit der Unterhaltsberechtigten sei dann nicht zu prüfen. Dem Einwand des Rechtsmißbrauchs durch den Kläger sei entgegenzuhalten, daß ein solcher nur dann angenommen werden dürfe, wenn sich der fordernde Ehegatte schlechtweg über alle Bindungen aus der ehelichen Partnerschaft zu seinem Eigennutzen hinwegzusetzen bereit sei, aber vom Ehepartner dennoch die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Eheverhältnis begehre. Eine Unterhaltsverwirkung sei somit nur bei besonders schweren Eheverfehlungen anzunehmen; solche könnten der Beklagten aber nicht vorgeworfen werden. Soweit der Kläger damit argumentiere, daß seit der letzten Unterhaltsbemessung keine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten sei, übersehe er, daß er ab Oktober 1989 die Bezahlung der Kosten für die von der Beklagten und den ehelichen Kindern benützten Ehewohnung von S 5.065,-

monatlich unbestrittenermaßen eingestellt habe. Die Rechtsprechung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien und des Oberlandesgerichtes Wien billige der Ehefrau je nachdem, ob sie über eigenes Einkommen verfüge oder nicht, 33 bzw. 40 % des Nettoeinkommens des Mannes bzw. des Familieneinkommens abzüglich des eigenen Einkommens zu; bei Sorgepflichten des Mannes für zwei Kinder würden diese Hundertsätze um 8 % verringert. Solche Prozentsätze seien aber lediglich Orientierungshilfen. Bei Bedachtnahme auf die vorliegende Einkommens- und Vermögenslage sei eine monatliche Unterhaltsleistung des Klägers von insgesamt S 6.500,-, das seien etwa 33 % seines um die Unterhaltsbeträge für die Kinder verminderten Nettoeinkommens, angemessen und zumutbar. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Linz müßte sich die unterhaltsberechtigte Ehefrau bei der Unterhaltsbemessung die von ihr bezogene Familienbeihilfe anrechnen lassen. Auch der Oberste Gerichtshof beurteile die Familienbeihilfe als Einkommen desjenigen, der sie bezieht und dessen Haushalt das Kind teilt. Nach der Judikatur des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien und des Oberlandesgerichtes Wien sei die Familienbeihilfe indessen Ausgleich für die Mehrbelastung der Person, die das Kind betreut, und nicht als eigenes Einkommen des Unterhaltsberechtigten zu veranschlagen; dieser Ansicht schließe sich das Rekursgericht an. Der Elternteil, der die Familienbeihilfe für das Kind bezieht, könne über sie nicht frei verfügen. Dafür spreche auch § 12 Abs.1 FamLAG, wonach das Gericht eine geeignete Person zu ermächtigen habe, die Familienbeihilfe anstelle der anspruchsberechtigten Person zu beziehen, wenn diese zum Unterhalt oder zur Pflege des Kindes, für das die Familienbeihilfe gewährt wird, nicht angemessen beitrage. Im übrigen wäre bei Anrechnung der Familienbeihilfe wohl von einer Quote von 40 % des Familieneinkommens abzüglich des Einkommens der Ehefrau auszugehen: Dann läge der Unterhalt der Beklagten aber auch nur wenig unter dem zuerkannten Betrag.

Der Revisionsrekurs des Klägers ist nicht berechtigt.

Er wendet sich in erster Linie gegen die Auffassung des Gerichtes zweiter Instanz, die Familienbeihilfe sei bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts nicht als dessen Einkommen anzusehen und deshalb auch nicht vom ermittelten Unterhaltsbetrag abzuziehen.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 12 a FamLAG idF BGBl. 646/1977 gilt die Familienbeihilfe nicht als eigenes Einkommen des Kindes und mindert dessen Unterhaltsanspruch nicht; sie gehört demnach nicht zu den dessen Unterhaltsanspruch gemäß § 140 Abs.3 ABGB verringernden Einkünften. Die genannte Bestimmung ordnet - im Unterschied zu ihrer Fassung vor der zitierten Novelle - an, daß die Familienbeihilfe zur Gänze dem Haushalt, in dem das Kind betreut wird, zuzukommen und nicht etwa jener Person, die zwar dem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, deren Haushalt es aber nicht teilt, zu entlasten habe (RV 636 BlgNR, 14.GP, 11). Gilt die Familienbeihilfe nun nicht als Einkommen des Kindes, sondern des Haushalts, in dem dieses betreut wird, ist sie als Einkommen des nach § 2 Abs.2 bzw. § 11 Abs.2 FamLAG des zu ihrem Bezug Berechtigten und damit in erster Linie jener Person, die die Beihilfe bezieht und deren Haushalt das Kind angehört, anzusehen (SZ 54/52 mwN). Damit ist aber für den Standpunkt des Klägers nichts gewonnen:

Die Familienbeihilfe ist ihrem Wesen nach Betreuungshilfe (RZ 1991/26; SZ 59/20 ua), soll deshalb die Pflege und Erziehung des Kindes als Zuschuß erleichtern sowie die mit dessen Betreuung verbundenen Mehrbelastungen - zumindest zum Teil - ausgleichen. Sie ist als Sozialbeihilfe des öffentlichen Rechts eine besondere Form der Drittzuwendung. Der Staat verfolgt mit ihr einen doppelten Zweck: Den Mindestunterhalt des Kindes zu gewährleisten und gleichzeitig die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht zu entlasten ("Familienlastenausgleich"). Die Familienbeihilfe wird demgemäß zwar dem Unterhaltspflichtigen ausbezahlt, ist aber ausschließlich für den Unterhaltsberechtigten zu verwenden (vgl. Huber in JBl. 1983, 225 ff und 306 ff, insbesondere 231 f und 311 f). Weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus dessen Materialien kann abgeleitet werden, daß die Familienbeihilfe dem Bezugsberechtigten als frei verfügbares Einkommen überlassen wird. Mit Recht haben Lehre und Rechtsprechung aus der weiter oben genannten Zielsetzung geschlossen, daß die Familienbeihilfe zwar Bestandteil des Einkommens des Bezugsberechtigten ist, daß sie aber dieser für den Unterhalt bzw. die Pflege des Kindes zu verwenden hat (2 Ob 19/90; 2 Ob 49/90; vgl. auch EFSlg. 44.871/9; Huber aaO; Schwimann in Schwimann, ABGB § 94 Rz 54). Dafür spricht, wie das Oberlandesgericht Wien etwa in EFSlg. 42.589 zutreffend hervorgehoben hat, auch § 12 Abs.1 FamLAG, nach dem das Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht eine geeignete Person zu ermächtigen hat, die Familienbeihilfe anstelle des Anspruchsberechtigten in Empfang zu nehmen, wenn dieser zum Unterhalt oder zur Pflege des Kindes, für das ihm die Familienbeihilfe gewährt wird, nicht angemessen beiträgt.

Kann der unterhaltsansprechende Ehegatte aber über die von ihm bezogene Familienbeihilfe für Kinder, die er in seinem Haushalt betreut, nicht frei verfügen, sondern hat er sie den Kindern, für die sie gewährt wird, für deren Unterhalt bzw. Pflege zuzuwenden, so kann sie auch den Einkünften im Sinne des § 94 Abs.2 erster Satz ABGB nicht zugezählt werden (Schwimann aaO Rz 17, 46, 54). Als solche Einkünfte kommen nur solche Einkommensbestandteile in Betracht, die der Ehegatte voll und ganz für sich selbst verwenden darf; nur diese mindern seinen Bedarf.

Mit diesem Ergebnis stehen auch die vom Rekursgericht als gegenteilige Rechtsprechung zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes - SZ 54/52 und EFSlg. 44.871/9 - keineswegs im Widerspruch: Die erstere Entscheidung hat bloß zum Ausdruck gebracht, daß die Familienbeihilfe bei Beurteilung der Frage, ob und wann die subsidiäre Unterhaltspflicht der Großeltern einzutreten habe, mitberücksichtigt werden müsse; diese Konsequenz ergibt sich schon aus dem Wesen der Betreuungshilfe. Letztere gelangt überhaupt zum Schluß, daß die Familienbeihilfe, die die Mutter für die Kinder bezogen hat, nicht auf den Unterhalt, den der Mann seiner Frau in seiner Eigenschaft als Ehegatte zu zahlen hat, angerechnet werden dürfe.

Ist die Familienbeihilfe auf den Ehegattenunterhalt somit nicht anzurechnen, so darf sie auch nicht von dem vom Rekursgericht ermittelten Unterhaltsbetrag abgezogen werden.

Soweit er schließlich unter Berufung auf zweitinstanzliche Rechtsprechung ins Treffen führt, im Provisorialverfahren sei nicht streng zu prüfen, welcher Betrag dem Ehegatten an Unterhalt zustehe, genügt es, darauf hinzuweisen, daß die dennoch erfolgte präzise Ermittlung der Bemessungsgrundlagen weder als Verfahrensmangel noch als rechtliche Fehlbeurteilung geltend gemacht werden kann.

Dem Rekurs ist ein Erfolg zu versagen.

Da einstweilige Verfügungen stets auf Kosten der gefährdeten Partei getroffen werden, hat diese die Kosten ihrer Rechtsmittelbeantwortung jedenfalls vorläufig selbst zu tragen (§ 393 Abs.1 EO).

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