OGH 1Ob30/91

OGH1Ob30/9110.7.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei STADT GRAZ, vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1) A***** Gesellschaft mbH, *****

2) E*****-Gesellschaft mbH, ebenda, beide vertreten durch Dr. Harold Schmid, Rechtsanwalt in Graz, wegen 1,660.428,90 S sA, infolge ao. Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 28. Juni 1990, GZ 3 R 55/90-11, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 15. November 1989, GZ 17 Cg 124/89-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1) Der Antrag der beklagten Partei, die Kanalabgabenordnung der klagenden Partei idgF dem Verfassungsgerichtshof zur Überprüfung auf deren Gesetzesgemäßheit vorzulegen und das anhängige Verfahren bis zur Beendigung des Normenkontrollverfahrens zu unterbrechen, wird zurückgewiesen.

2) Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 24.423,30 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 4.070,55 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagten Parteien, die 1971 auf verschiedenen Grundstücken in der Katastralgemeinde R*****, somit außerhalb des Gemeindegebietes der klagenden Stadt Graz, ein Industrieobjekt errichten ließen, richteten am 31. Mai 1971 an den Magistrat der klagenden Partei das Ersuchen um Anschluß ihrer Grundstücke mit Industrieanlagen in R***** an das öffentliche Kanalnetz der klagenden Partei. Mit der schriftlichen Vereinbarung der Streitteile vom 10. Jänner 1972 wurde den beklagten Parteien das Recht eingeräumt, Schmutz-, nicht aber Niederschlagswässer aus ihren auch noch zu errichtenden Anlagen in das öffentliche Schwemmkanalnetz der klagenden Partei einzuleiten, sie übernahmen die Verpflichtung, für den Kanalanschluß ein Entgelt in Höhe der jeweils für die Stadt Graz geltenden Anschlußgebühr zu entrichten. Von den beklagten Parteien erhoffte und von Organen der beklagten Partei in gewissem Umfang auch in Aussicht gestellte Ermäßigungen wurden letztlich nicht gewährt. Die beklagten Parteien errichteten die geplante Industrieanlage in drei Etappen, die klagende Partei stellte ihnen die dem jeweiligen Ausbauzustand entsprechende Anschlußgebühr in Rechnung. Für die ersten beiden Ausbaustufen bezahlten die beklagten Parteien die ihnen vorgeschriebene Anschlußgebühr von 721.133 S vorerst nicht, weil sie nur Schmutz- und keine anderen Wässer einleiten dürfen, überwiesen den geforderten Betrag aber letztlich am 22. November 1982. Die der dritten Ausbaustufe entsprechende und den beklagten Parteien am 23. Juni 1988 vorgeschriebene Anschlußgebühr beträgt auf der Basis des nach § 4 Stmk. KanalabgabenG 1955 idgF festgelegten Einheitssatzes für die Berechnung des Kanalisationsbeitrages 2,213.905,10 S. Aufgrund eines von den beklagten Parteien eingeholten Gutachtens über das Verhältnis zwischen anfallenden Schmutz- und anderen Wässern (1 : 9) bezahlten die beklagten Parteien für die dritte Ausbaustufe am 31. August 1988 nur den ihnen angemessenen erscheinenden Teilbetrag im Ausmaß von 25 % des errechneten Kanalisationsbeitrages (553.476,27 S). Die klagende Partei lehnte mit Stadtsenatsbeschluß vom 23. Dezember 1988 den Vorschlag der beklagten Parteien vom 4. Juni 1986 auf Vertragsänderung durch Abgeltung der künftig entstehenden Kanalanschlußgebühren in Form einer einmaligen Zahlung von 800.000 S unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Zahlungen für die bisherigen Bauabschnitte ab.

Die klagende Partei begehrte von den solidarisch haftenden beklagten Parteien die restliche Kanalanschlußgebühr von 1,660.428,90 S sA; der Höhe nach steht die Forderung außer Streit.

Die beklagten Parteien wendeten im wesentlichen ein, die Vereinbarung vom 10. Jänner 1972 sei nicht rechtswirksam zustande gekommen, weil das Stmk. KanalabgabenG 1955 idgF das Kanalwesen der Hoheitsverwaltung zurechne (Unzulässigkeit des Rechtsweges). Die Vereinbarung sei auch deshalb unwirksam und daher sittenwidrig, weil ein Umgehungsgeschäft mit dem einzigen Zweck der Umgehung eines Verwaltungsverfahrens vorliege. Der der Vereinbarung zugrundeliegende Einheitssatz für die Berechnung des Kanalisationsbeitrages differenziere nicht bezüglich der verschiedenen einzuleitenden Wässer, weshalb die klagende Partei für die Entgeltsvereinbarung nur von einem, auf die Einleitung von Schmutzwässern abgestellten Einheitssatz ausgehen könne. Die ausschließliche Einleitung von Schmutzwässern durch die beklagten Parteien rechtfertige eine Reduktion des Einheitssatzes, weil der Aufwand für die Schmutzwasserbeseitigung weitaus geringer sei als der für die Entsorgung der Niederschlagswässer. Die fehlende Differenzierung verstoße gegen das Stmk. KanalabgabenG 1955 idgF und sei daher gesetzwidrig, worüber der Verfassungsgerichtshof zu befinden haben werde. Angeregt werde daher die Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens.

Das Erstgericht wies die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges ab und gab dem Klagebegehren statt. Der geltend gemachte Anspruch gründe sich auf einen privatrechtlichen Vertrag, gegen dessen Zulässigkeit und Wirksamkeit keine Bedenken bestünden. Eine inhaltliche Abänderung der getroffenen Vereinbarung sei nicht erwiesen.

Das Berufungsgericht wies den Antrag der beklagten Parteien auf Unterbrechung des Rechtsstreites sowie Einleitung eines Verfahrens zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Kanalabgabenordnung der klagenden Partei vor dem Verfassungsgerichtshof ab und bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes; die ordentliche Revision ließ es nicht zu. Die zweite Instanz übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und billigte im wesentlichen die Rechtsauffassung der ersten Instanz. Ergänzend führte das Berufungsgericht aus, die von den beklagten Parteien verbauten Liegenschaften lägen nicht im Stadtgebiet der klagenden Partei, so daß das Übereinkommen zwischen den Streitteilen ausschließlich nach Privatrecht und nicht nach öffentlichem Recht zu beurteilen sei. Da die klagende Partei auch für ihr Stadtgebiet keinen differenzierten Wertmesser (Einheitssatz) für die Errechnung der Kanalanschlußgebühr, getrennt nach den jeweiligen Abwässern, vorsehe, sei diese Regelung als Vertragsinhalt auch für die beklagten Parteien verbindlich.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wendet sich die außerordentliche Revision der beklagten Parteien, die zwar zulässig, aber nicht gerechtfertigt ist.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagten Parteien stellen den Antrag, gemäß § 57 Abs 3 VfGG iVm § 89 Abs 2 B-VG, die Gesetzmäßigkeit der Kanalabgabenordnung der klagenden Partei vom 13. Mai 1971 durch den Verfassungsgerichtshof überprüfen zu lassen; diese trage wegen der fehlenden Differenzierung zwischen Schmutz-, Regen- und Mischwasserkanälen dem § 7 Stmk. KanalabgabenG 1955 idgF nicht Rechnung. Die Gesetzmäßigkeit dieser Verordnung sei Vorfrage für die Bestimmung des Entgelts.

Das von den beklagten Parteien zu leistende Entgelt für den Kanalanschluß ("Kanalisationsbeitrag") richtet sich entsprechend der Vereinbarung der Streitteile vom 10. Jänner 1972 nach den Ansätzen der Kanalabgabenordnung der klagenden Partei in der jeweils geltenden Fassung. Voraussetzung einer Anfechtung dieser Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit durch den Obersten Gerichtshof nach Art 89 Abs 2, 139 B-VG ist, daß deren Bestimmungen in einem anhängigen Verfahren unmittelbar anzuwenden sind oder doch die Frage der Gesetzmäßigkeit mittelbar eine Vorfrage für die Entscheidung der Rechtssache bildet (VfSlg 3213 = JBl 1958, 67; ÖBl 1984, 5; Arb 9089; 6 Ob 2/86, 7 Ob 509/77). Hier fehlt dem Obersten Gerichtshof zum Antrag beim Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung der nach Auffassung der beklagten Parteien gesetzwidrigen Verordnung der klagenden Partei die Legitimation iS des § 57 Abs 2 VfGG, weil die genannte Verordnung nicht in ihrer Eigenschaft als Norm, sondern deshalb anzuwenden ist, weil sie zum Inhalt einer Vereinbarung gemacht wurde (VfSlg 1790).

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

Von der Zulässigkeit des Rechtsweges ist auszugehen, weil einer Behandlung dieser Frage die den Obersten Gerichtshof bindende Verwerfung der von den beklagten Parteien erhobenen Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges durch beide Vorinstanzen entgegensteht (§ 42 Abs 3 JN; SZ 61/170 mwN uva). Gleichwohl stellt sich die Frage, ob der aus dem Vertrag der Streitteile vom 10. Jänner 1972 abgeleitete Klagsanspruch in merito zu Recht besteht, insbesonders ob allenfalls hoheitlich zu gestaltende Rechtsbeziehungen in Vertragsform gekleidet und damit zum Gegenstand eines bürgerlich-rechtlichen Anspruches gemacht werden können, sei es auch nur in der Form, daß neben das öffentlich-rechtliche Schuldverhältnis ein privatrechtliches gleichen Inhalts tritt.

Eine Form nicht-obrigkeitlicher Hoheitsverwaltung ist der verwaltungsrechtliche oder öffentlich-rechtliche Vertrag zwischen Organen eines Verwaltungsträgers und Privaten (Öhlinger, Der verwaltungsrechtliche Vertrag in Rechtsfragen des Verwaltungsverfahrens 45 ff, 45; Puck, Nichthoheitliche Verwaltung, Typen und Formen in Ermacora-Winkler-Koja-Rill-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 275 ff, 296; Doralt, Der verwaltungsrechtliche Vertrag in Ermacora-Winkler-Koja-Rill-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 205 ff). Während der verwaltungsrechtliche Vertrag in der Bundesrepublik Deutschland durch den Gesetzgeber die Anerkennung als Handlungsform der Verwaltung ausdrücklich gefunden hat, ist seine Zulässigkeit in Österreich nach wie vor umstritten (Öhlinger aaO, 46; Fröhler, Fortschritte zu einem Verwaltungsprivatrecht ? in FS Strasser, 961 ff, 963 f mwN in FN 14; Doralt aaO, 206 mwN in FN 4 bis 8; Nowotny, Zur Möglichkeit der Einführung des verwaltungsrechtlichen Vertrages in die österr. Rechtsordnung, ÖJZ 1973, 57 ff, 57). Es ist heute aber in Rechtsprechung und Lehre grundsätzlich anerkannt, daß der verwaltungsrechtliche Vertrag einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf (VwSlg 8004 A; Antoniolli-Koja, Verwaltungsrecht2 496 mwN in FN 185; Puck aaO, 297; Doralt aaO, 206 mwN in FN 9; Rummel in Rummel2, Rz 40 zu § 860, Rz 6 zu § 867 mwN). Erst damit erscheint der mögliche Anwendungsbereich umrissen: Die Verfassung schließt eine Verminderung der Legalität durch die Wahl einer bestimmten Rechtsform im Bereich der Hoheitsverwaltung aus. Der verwaltungsrechtliche Vertrag soll also keine Einrichtung sein, die es der Behörde und der Partei generell erlauben würde, bloß im Rahmen der Gesetze - wie dies bei zivilrechtlichen Verträgen üblich ist - statt auf Grund der Gesetze Verträge abzuschließen. Es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers vorzusehen, daß bestimmte Rechtsfolgen Gegenstand einer Übereinkunft zwischen Behörde und Partei sein können. Die Zulässigkeit des verwaltungsrechtlichen Vertrages wird also nicht als Vertragsfreiheit iS des bürgerlichen Rechts verstanden; vielmehr muß sein Abschluß gesetzlich ausdrücklich vorgesehen sein (Antoniolli-Koja aaO, 496; Fröhler aaO, 964; Doralt aaO, 207 f). Dabei müssen gesetzliche Regelungen, die einen verwaltungsrechtlichen Vertrag vorsehen, den für die Setzung individueller Verwaltungsakte verlangten Determinierungserfordernissen entsprechen (Antoniolli-Koja aaO, 496; Doralt aaO, 206 ff; Puck aaO, 297; vgl auch Wielinger, Was bringt der verwaltungsrechtliche Vertrag ? ZfV 1983, 14 ff mwN ua). Den Forderungen des Legalitätsprinzips wird nur dann entsprochen, wenn das Gesetz Zuständigkeit, Verfahren und Inhalt des verwaltungsbehördlichen Handelns bestimmt (VfSlg 9226 mwN; Antoniolli-Koja aaO, 496; Mayer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag im Österr. Abgabenrecht in JBl 1976, 632 ff, 634; Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht3 292), wobei die Ermächtigungsnorm für einen verwaltungsrechtlichen Vertrag freilich auch dann dem Art 18 Abs 1 B-VG entspricht, wenn sie der Behörde einen Handlungsspielraum nach Art des Ermessens einräumt (Antoniolli-Koja aaO, 496). Es wird auch die Auffassung vertreten, daß die behördliche Entscheidungsbefugnis in Form einer Zuständigkeit zur bescheidmäßigen Gestaltung des Rechtsverhältnisses im Streitfall gewahrt bleiben muß (Adamovich-Funk aaO, 292; Fröhler aaO, 964).

Die klagende Partei durfte somit bei einem durch das Stmk. KanalabgabenG 1955 idgF vorgeschriebenem hoheitlichen Handeln und bei Fehlen einer gesetzlichen Ermächtigung zum Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages nicht ins Privatrecht ausweichen. Es besteht eben keine generelle Wahlfreiheit zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Handlungsformen (Mayer aaO, 634), jedenfalls dort nicht, wo der Gesetzgeber zu erkennen gibt, daß die hoheitliche Gestaltung zwingend ist (Puck aaO, 298 mwN; Raschauer, Grenzen der Wahlfreiheit zwischen den Handlungsformen der Verwaltung im Wirtschaftsrecht in ÖZW 1977, 1 ff). Diese Auffassung ist schon wegen des im öffentlichen Recht anders gearteten Rechtsschutzes zu billigen.

Das Stmk. KanalabgabenG 1955, LGBl 1955/71 idgF ermächtigt auf Grund des § 8 Abs 5 F-VG die Gemeinden des Landes Steiermark, welche öffentliche Kanalanlagen zur Ableitung von Abwässern errichten und betreiben, durch Beschluß des Gemeinderates eine einmalige Abgabe zur Deckung der Kosten der Errichtung und der Erweiterung der öffentlichen Kanalanlage (Kanalisationsbeitrag) nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu erheben (§ 1 leg.cit.). Der Kanalisationsbeitrag ist einmalig für alle Liegenschaften im Gemeindegebiete zu leisten, für welche eine gesetzliche Anschlußpflicht an das bereits bestehende öffentliche Kanalnetz besteht, ohne Rücksicht darauf, ob sie an das Kanalnetz tatsächlich angeschlossen sind oder nicht (§ 2 Abs 1 leg.cit.). Für außerhalb des "Verpflichtungsbereiches" gelegene Liegenschaften entsteht die Beitragspflicht mit dem freiwilligen Anschluß an das öffentliche Kanalnetz (§ 2 Abs 4 leg.cit.). Gemeint sind damit aber Eigentümer von zwar innerhalb des Gemeindegebietes gelegenen Liegenschaften, die aber nach § 5 Abs 1 Stmk KanalG 1955 LGBl 1955/70 idgF nicht zum Anschluß an das öffentliche Kanalnetz verpflichtet sind und in diesem Sinn außerhalb des "Verpflichtungsbereiches" liegen und nicht, wie die Revisionswerberinnen meinen, Eigentümer von außerhalb des Gemeindegebietes gelegenen Liegenschaften. Die Höhe des Kanalisationsbeitrages ist durch § 4 Stmk. KanalabgabenG 1955 idgF geregelt. Die Erhebung von laufenden Gebühren für die Benützung von öffentlichen Kanalanlagen (Kanalbenützungsgebühren) obliegt dem freien Beschlußrecht der Gemeinden (§ 6 Abs 1 leg.cit.). In jeder Gemeinde mit einer öffentlichen Kanalanlage ist eine Kanalabgabenordnung zu beschließen, welche zu enthalten hat: die Erhebung der Kanalisationsbeiträge (§ 1);

die Erhebung der Kanalbenützungsgebühren (§ 6); die Höhe des

Einheitssatzes für die Berechnung der Kanalisationsanlage (§ 4),

erforderlichenfalls getrennt für Schmutzwasser-, Regenwasser- und

Mischwasserkanäle ... (§ 7 Abs 1 lec.cit.). Der

Kanalisationsbeitrag ist im Einzelfall auf Grund dieses Gesetzes

und der Kanalabgabenordnung der Gemeinde vom Bürgermeister in

einem Abgabenbescheid festzusetzen, ... (§ 8 Abs 1 leg.cit.). Die

in diesem Gesetz geregelten Aufgaben der Gemeinde sind solche des eigenen Wirkungskreises (§ 10 leg.cit.). Auf dem Stmk. KanalabgabenG 1955 beruht die Verordnung des Gemeinderates der klagenden Partei vom 13. Mai 1971, Zl. A 8-400/29-1971 idgF, mit der eine Kanalabgabenordnung erlassen wurde (VfSlg 8188).

An der grundsätzlich hoheitlichen Gestaltung des Kanalisationswesens der klagenden Partei kann daher kein Zweifel bestehen. Zu prüfen ist aber weiters, ob die hoheitliche Regelung auch gegenüber den beklagten Parteien Platz zu greifen hat, deren an das Kanalnetz der klagenden Partei angeschlossene Liegenschaft außerhalb des Gemeindegebietes der klagenden Partei gelegen ist.

Die Verwaltungsaufgaben der Gemeinde werden in den Gesetzen als Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde bezeichnet. Dieser umfaßt neben den im Art. 116 Abs 2 B-VG angeführten Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung, der Haushaltsführung und der Abgabenausschreibung, die im Art. 118 Abs 2 B-VG allgemein umschriebenen örtlichen Angelegenheiten, die im Art. 118 Abs 3 B-VG gewährleisteten behördlichen Aufgaben und das selbständige Verordnungsrecht nach Art. 118 Abs 6 B-VG. Art. 118 Abs 2 B-VG normiert, daß der eigene Wirkungsbereich alle Angelegenheiten umfaßt, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Auch die beispielsweise Aufzählung des Art. 118 Abs 3 B-VG läßt eine besondere Nahebeziehung der zu besorgenden Angelegenheiten zum Gemeindegebiet erkennen. Was die Befugnis der klagenden Partei zur Einhebung des Kanalisationsbeitrages betrifft, so normiert § 48 Abs 2 der Stmk. Landesabgabenordnung (LAO) vom 8. März 1963, LGBl 158 idgF, daß die Verwaltung der Gemeindeabgaben den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich obliegt, wobei gemäß § 49 Abs 1 LAO sich die örtliche Zuständigkeit - wenn nichts anderes bestimmt ist - in Sachen, die sich auf ein unbewegliches Gut beziehen, nach der Lage des Gutes richtet. Aus dieser Regelung ist im Zusammenhalt mit den dargestellten verfassungsrechtlichen Grundsätzen des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde abzuleiten, daß auch im vorliegenden Fall eine Abgabenfestsetzung mittels Bescheides durch die klagende Partei wegen des bewilligten Anschlusses der Liegenschaft der beklagten Parteien an das Kanalnetz der klagenden Partei nicht in Betracht kam, weil sich die Liegenschaft nicht im Gemeindegebiet der klagenden Partei befindet. Soweit aber die hoheitliche Regelung nicht Platz greift, führt die Gemeinde ihre wirtschaftliche Tätigkeit im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung (Art. 116 Abs 2 B-VG) auf der Grundlage der Bestimmungen des Privatrechts durch (MietSlg 38.736, SZ 51/184; SZ 55/126 ua).

Die klagende Partei konnte daher ihre Rechtsbeziehungen zu den beklagten Parteien betreffend den Kanalanschluß für außerhalb ihres Gemeindegebietes gelegenen Liegenschaften durch Vertrag regeln. Die Frage, welche Rechtsfolgen es nach sich zieht, wenn die Gemeinde - anders als hier - unzulässigerweise vom hoheitlichen ins privatrechtliche Handeln ausweicht, insbesondere ob ein solches Vorgehen die Unwirksamkeit des entsprechenden privatrechtlichen Vertrages nach sich zieht, bedarf dann keiner Prüfung.

Das Vorbringen der beklagten Parteien, daß es redliche Vertragspartner nicht anstrebten, gesetzwidrige

Verordnungen - wie die Kanalabgabenordnung der klagenden Partei - zum Vertragsbestandteil zu machen, strebt erkennbar die richterliche Kontrolle der Festsetzung der Anschlußgebühr an. Nach herrschender Auffassung kann ungeachtet fehlender gesetzlicher Bestimmungen die Festlegung der Gegenleistung für eine Leistung nicht nur beim Kauf, sondern bei jedem Rechtsgeschäft (JBl 1987, 803; NZ 1986, 207; SZ 56/32, jeweils mwN ua) iS des § 1056 ABGB nicht nur einer dritten bestimmten Person, sondern auch einer der Parteien übertragen werden. Eine solche Entgeltsbestimmung durch eine Partei unterliegt insofern richterlicher Kontrolle, als eine Partei an eine grob unbillige Entgeltsfestsetzung der anderen Vertragspartei nicht gebunden ist

(SZ 58/45; SZ 56/32; JBl 1980, 151 = EvBl 1980/38

= MietSlg 31/31, alle mwN ua; Aicher in Rummel2, Rz 6, 9 zu

§ 1056 mwN; Binder in Schwimann, Rz 2 f, 14 f zu § 1056; Mayer-Maly in Klang2 IV/2 257 ff; Koziol-Welser, Grundriß8 I 204 f mwN in FN 12 f, 307 f). Daß der klagenden Partei ein derartiges Gestaltungsrecht zur Preisfestsetzung (Koziol-Welser aaO, 308) eingeräumt war, ist nicht sittenwidrig und schafft grundsätzlich zwischen den Parteien verbindliches Recht, sofern der Gestaltungsberechtigte nicht die ihm schon durch den Vertrag selbst gesetzten Grenzen überschreitet oder das Ergebnis offenbar unbillig ist. Eine Überschreitung der durch den Vertrag gesetzten Grenzen wird nicht einmal behauptet. Offenbar unbillig ist das Ergebnis der Ausübung des Gestaltungsrechtes dann, wenn die Maßstäbe von Treu und Glauben in gröbster Weise verletzt wurden und die Unrichtigkeit der Preisfestsetzung einem sachkundigen und unbefangenen Beurteiler sofort erkennbar ist (JBl 1987, 803; SZ 53/104 = MietSlg 32/25; JBl 1980, 151 ua). Auch davon kann hier keine Rede sein. Die beklagten Parteien haben in erster Instanz kein konkretes Vorbringen erstattet, weshalb die Entgeltfestsetzung durch die klagende Partei in ihrer Kanalabgabenordnung die sie auch gegenüber den Kanalbenützern im eigenen Stadtgebiet anwendet, grob unbillig sein soll. Gerade dadurch, daß alle Kanalbenützer, sei es, daß sie ihr Benützungsrecht aufgrund eines Hoheitsaktes, sei es aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung ausüben, an die Kanalabgabenordnung der klagenden Partei gebunden werden, ist deren materielle Gleichstellung garantiert. Im vorliegenden Fall begehrt die klagende Partei ein Entgelt für den Kanalanschluß und nicht für dessen Benützung. Schon deshalb rechtfertigt die Annahme der beklagten Parteien, daß der Aufwand für die Schmutzwasserbeseitigung weitaus geringer sei als der für die Entsorgung der Niederschlagswässer, keine Entgeltanpassung. Die Höhe des Kanalisationsbeitrages bestimmt sich gemäß § 4 Abs 1 KanalabgabenG 1955 nach dem sog. Einheitssatz, der gemäß § 7 Abs 2 KanalabgabenG 1955 vom Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung nach den durchschnittlichen ortsüblichen Baukosten je Meter der Kanalanlage festzusetzen ist. Dabei ist der Einheitssatz erforderlichenfalls getrennt nach der Art des Kanals festzusetzen. Daß der vom Gemeinderat der klagenden Partei festgesetzte Einheitssatz die Bedachtnahme auf die ortsüblichen Baukosten vermissen ließe, wurde nicht behauptet. Demnach ist die Festsetzung als vertraglich geschuldeten Entgelts unter dem Gesichtspunkt einer grob unbilligen Preisbestimmung nicht zu beanstanden (vgl SZ 58/76, SZ 56/32, SZ 55/44).

Die Ausführungen im Urteil des Berufungsgerichtes, erstmals in der Berufung sei die Prozeßbehauptung aufgestellt worden, es liege eine einvernehmliche Vertragsänderung vor, weil die klagende Partei den von den beklagten Parteien einseitig errechneten Teilbetrag von 553.476,27 S angenommen habe, widerspricht zwar dem Akteninhalt, weil die beklagten Parteien ein derartiges Vorbringen in der Klagebeantwortung erstattet haben (ON 2 AS 13), doch liegt in der unbeanstandeten Annahme einer Teilzahlung allein, entgegen der Auffassung der Revision unter dem Gesichtspunkt des § 863 ABGB noch kein Einverständnis zu einer Vertragsänderung.

Der außerordentlichen Revision ist nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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