Spruch:
1. Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird hinsichtlich des Ausspruches über S 86.000 samt 4 % Zinsen aus
S 68.000 vom 1.6.1986 bis zum 30.6.1986 und 4 % Zinsen aus
S 86.000 ab 1.7.1986 sowie hinsichtlich eines Kostenzuspruches von S 8.432,75 (darin S 488 Barauslagen und S 722,25 Umsatzsteuer) aus dem verbundenen Verfahren 45 C 429/86 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO); in diesem Umfang ist die Entscheidung als Teilurteil anzusehen;
2. im übrigen wird der außerordentlichen Revision Folge gegeben und das angefochtene Urteil hinsichtlich des Ausspruches über
S 300.000 samt 4 % Zinsen seit 1.6.1986 und der Kosten im Verfahren 45 C 423/86t des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien aufgehoben; insoweit wird die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger schloß mit der beklagten GmbH am 5.4.1986 einen den Betrieb des Gastgewerbeunternehmens namens ***** betreffenden Vertrag; dabei traten der Kläger als "Geschäftsherr" und die beklagte GmbH als "Verwalter" auf. Die beklagte GmbH, die zum Betrieb des Unternehmens keine gewerberechtliche Befähigung besaß, verpflichtete sich, das Unternehmen unter der Aufsicht und Kontrolle des Klägers als Geschäftsherr auf eigene Rechnung zu führen und zu verwalten; ihr wurde das Nutzungsrecht an sämtlichen mit dem Betrieb verbundenen Räumlichkeiten und dem Inventar laut angeschlossener Inventarliste eingeräumt. Der Vertrag war für die Dauer des ersten Vertragsjahres beiderseits unkündbar. Der Pachtzins betrug im April 1986 S 12.000, für die Folgemonate S 18.000. Die beklagte GmbH verpflichtete sich, dem Kläger eine Kaution von S 200.000 und einen Vertragserrichtungskostenbeitrag von S 20.000 samt USt zu bezahlen. Sie übergab dem Kläger bei Vertragsabschluß einen von ihr akzeptierten Blankosicherungswechsel, der überdies von einer Wechselbürgin mitunterfertigt wurde, und erklärte sich einverstanden, daß dieser "im Falle des Verzugs mit einer geldwerten Verpflichtung auf Grund des gegenständlichen Vertrages vom Geschäftsherrn als Aussteller und Begünstigten vervollständigt werden kann". Weiters vereinbarten die Streitteile, daß der Kläger im Fall von schuldhaften Verletzungen des Vertrages durch die beklagte GmbH eine ausdrücklich als angemessen bezeichnete Konventionalstrafe von S 300.000 beanspruchen könne; das richterliche Mäßigungsrecht schlossen sie aus.
Die beklagte GmbH hat überhaupt nichts bezahlt; anstelle der vereinbarten Kaution übergab deren Geschäftsführerin dem Kläger ein Armband von nicht feststellbarem Wert.
Der Kläger begehrte zuletzt die Verurteilung der beklagten GmbH zur Zahlung von S 386.000 sA (rückständiger Pachtzins für die Monate April bis Juni 1986 in der Höhe von S 66.000, die Vertragserrichtungskosten von S 20.000 und eine Konventionalstrafe von S 300.000) sowie der Kosten des verbundenen Räumungsverfahrens 45 C 429/86 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien.
Die beklagte GmbH beantragte Klageabweisung und wendete Gegenforderungen ein, die nicht erwiesen wurden.
Das Erstgericht stellte fest, daß die Klageforderung zu Recht bestehe, die Gegenforderungen nicht zu Recht bestehen und sprach die beklagte GmbH daher schuldig, dem Kläger S 386.000 samt stufenweisen Zinsen sowie die Kosten des Verfahrens einschließlich des verbundenen Verfahrens 45 C 429/86 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien zu bezahlen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision nicht zu. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, der von der beklagten GmbH im Berufungsverfahren allein noch erhobene Einwand, daß der Kläger seine Forderungen bereits aus dem mit S 300.000 ausgefüllten Blankowechsel hätte abdecken können und ihm die Konventionalstrafe nicht zustehe, sei unzutreffend, weil er bereits aus dem Wechsel einen wirtschaftlichen Vorteil erhalten habe. Durch die Hingabe des Wechsels sei keine Zahlung erfolgt; durch die Indossierung an einen Dritten sei der Kläger wegen der Abstraktheit der Wechselschuld weder bereichert noch sei dadurch eine Zession des vertraglichen Anspruchs auf Zahlung einer Konventionalstrafe erfolgt. Im übrigen habe die beklagte GmbH nicht behauptet, daß eine Befriedigung des Klägers dadurch erfolgt sei, daß die beklagte Partei aus dem Wechsel dem Indossanten geleistet hätte. Die bloße Wechselbegebung befreie die beklagte GmbH nicht von der Bezahlung der im übrigen nicht bestrittenen Konventionalstrafe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten GmbH wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Der Kläger, dem die Revisionsbeantwortung freigestellt wurde, beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist hinsichtlich eines Betrages von S 86.000 sA und der Kosten des Verfahrens 45 C 429/86 als unzulässig zurückzuweisen, weil diesbezüglich keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vorliegt und Rechtsausführungen überhaupt fehlen. Im übrigen ist die Revision zulässig und im Sinn des Eventualantrages auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die beklagte GmbH meint, die außerordentliche Revision sei zulässig, weil das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, daß der Kläger durch die Weitergabe des von der beklagten GmbH akzeptierten Wechsels an einen Dritten wegen der Abstraktheit der Wechselschuld keinen wirtschaftlichen Vorteil erhalten haben könne. Das Berufungsgericht übersehe, daß die beklagte GmbH bereits im Verfahren 25 Cg 486/86 des Handelsgerichtes Wien rechtskräftig zur Zahlung der Wechselschuld an den Indossatar verurteilt wurde; es könne nicht richtig sein, daß sie zur Doppelzahlung verurteilt werde. Jedenfalls sei das Verfahren mangelhaftig geblieben, weil nicht festgestellt worden sei, inwieweit "auf Grund des oben genannten rechtskräftigen Urteils eine Befriedigung des Klägers bereits erwirkt" worden sei.
Damit wirft die beklagte Partei eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf, zu der - soweit ersichtlich - eine oberstgerichtliche Judikatur fehlt.
Es ist tatsächlich nicht bedeutungslos, ob der Kläger durch die Weitergabe des Wechsels an einen Dritten bereits befriedigt wurde. Auch wenn die beklagte GmbH dem Kläger den Wechsel - was im Zweifel anzunehmen ist - nur zahlungshalber und nicht an Zahlungs statt gab, könnte der Kläger durch die Weitergabe des Wechsels eine Gegenleistung erhalten und hiedurch (ganz oder teilweise) befriedigt worden sein:
Wechsel werden nämlich gewöhnlich nicht ohne Rechtsgrund ausgestellt, angenommen oder indossiert. Rechtsgrund der Wechselbegebung ist die zwischen den Parteien getroffene Zweck- oder Zuordnungsvereinbarung, nach der der Wechsel zur Erfüllung - zahlungshalber oder an Erfüllungs statt -, zur Sicherung oder einem sonstigen Zweck, zB einer Schenkung gegeben wird. Die Wechselhingabe steht somit im rechtlichen Zusammenhang mit einem bereits bestehenden oder zu begründenden Rechtsgeschäft, dessen Rechtsnatur verschiedener Art sein kann. Bei mehrfacher Begebung sind mehrere Grundgeschäfte und Grundforderungen vorhanden, auf denen die einzelnen Begebungen beruhen, so zwischen Aussteller und Bezogenen (Deckungsverhältnis), Aussteller und Nehmer (Valutaverhältnis), diesem und dem ersten Indossatar sowie zwischen den Nachmännern. Gegenüber dem Wechselanspruch des ersten Nehmers oder seines bürgerlich-rechtlichen Nachfolgers steht dem Schuldner die Bereicherungseinrede zu. Zwischen den Parteien des Grundgeschäftes bewirkt daher die Abstraktheit des Wechsels in der Regel nur eine Umkehr der Beweislast. Nach der Weiterbegebung ist dem Schuldner die Berufung auf Mängel des Grundgeschäftes und auf die Zweckvereinbarung gegenüber dem Dritterwerber nach Art 17 WG grundsätzlich verwehrt.
Da die Hingabe und Annahme eines Wechsels, und zwar auch die eines Wechselblanketts, im Zweifel nur erfüllungshalber erfolgt (JBl 1991, 378 uva), kann der Gläubiger auf die Grundforderung zurückgreifen, an deren Fortbestand er auch im Hinblick auf für sie bestehende Sicherheiten Interesse hat. Die zugrunde liegendeForderung bleibt, wenn der Gläubiger oder Schuldner nichts Gegenteiliges vereinbart haben, bis zur Befriedigung des Gläubigers bestehen.
Der Gläubiger, der von seinem Schuldner einen Wechsel in Zahlung nimmt, hat daher zwei Ansprüche: Den Anspruch aus dem Grundgeschäft und den Anspruch aus dem Wechsel. Beide Ansprüche beruhen auf verschiedenen Rechtsgründen, sind aber auf Grund der Zweckvereinbarung miteinander verkettet. Der Schuldner hat nur einmal zu leisten. Trotz der "Zweigleisigkeit" kann daher der Gläubiger aber nicht ohne weiteres die Grundforderung geltend machen. Eine gleichzeitige Inanspruchnahme aus Wechsel und Grundgeschäft würde dem Zweck der erfüllungshalber erfolgten Wechselbegebung widersprechen. Eintritt und Umfang der Haftung aus dem Grundgeschäft bestimmen sich nach dem Schicksal des Wechsels.
Der Gläubiger, der einen Wechsel in Zahlung genommen hat, ist nach dem Sinn dieser Abrede verpflichtet, seine Befriedigung zunächst aus dem Wechsel zu suchen. Die Haftung aus dem Grundgeschäft ist somit durch die Wechselhingabe zu einer subsidiären geworden; sie wirkt sich erst aus, wenn der Gläubiger keine Befriedigung aus dem Wechsel erlangt hat. Bis dahin "ruht" die Grundforderung.
Die Grundforderung ist erloschen, wenn der in der Hingabe des Wechsels liegende Zahlungsversuch zur endgültigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat. Auch ohne die Einlösung des Wechsels durch den Annehmer ist die Grundforderung als erloschen anzusehen, wenn der Wechselnehmer durch die Weitergabe des Wechsels einen Gegenwert erhalten hat, den er auch behalten darf.
Hat der Gläubiger einen ihm in Zahlung gegebenen Wechsel seinerseits in Zahlung gegeben, so ist er - vom Fall der Einlösung des Wechsels gegenüber dem Nachmann
abgesehen - endgültig erst befriedigt, wenn er infolge Präjudizierung des Wechsels weder wechselrechtlich noch bügerlich-rechtlich in Anspruch genommen werden kann. Nur soweit der Nachmann nicht mehr gegen den Gläubiger vorgehen kann, hat dieser endgültige Befriedigung erlangt.
Gelingt es dem Nehmer nicht, sich aus dem Wechsel zu befriedigen, so kann er gegen Rückgabe des Wechsels auf die Grundforderung zurückgreifen. Da die Abstraktheit des Wechsels zur Folge hat, daß die Wechselforderung einem anderen Gläubiger zustehen kann als die Kausalforderung und daß es daher wie hier zu einer Trennung von Wechsel und Kausalforderung kommen kann, besteht die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme. Davor ist der Schuldner dadurch geschützt, daß er die Kausalforderung nur Zug um Zug gegen die Rückgabe des Wechsels zu bezahlen braucht. Folgerichtig entfällt diese Einrede, sobald die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme nicht mehr gegeben ist; dies kann zB bei Verjährung oder Präjudizierung der Fall sein. Das allerdings genügt für sich allein nicht, um die Einrede der Wechselrückgabe gegenstandslos zu machen, weil der Schuldner unter Umständen noch dem Wechselbereicherungsanspruch aus Art 89 WG ausgesetzt ist. Hinzukommen muß daher, daß entweder auch der Bereicherungsanspruch verjährt ist oder der Schuldner der Kausalforderung nicht als Schuldner der Bereicherungsforderung in Betracht kommt (hiefür für alle Baumbach-Hefermehl, Wechsel- und ScheckG17 Rz 38 ff, insbes 40, 42, 45; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere12 165 ff, insbes 169, 172 ff jeweils mwN; BGH WM 1975, 1256).
Hat also der Kläger durch die Weitergabe des Wechsels eine Gegenleistung erhalten (wozu auch die Befreiung von Schulden zählt), die er behalten darf, wäre er hiedurch (ganz oder teilweise) befriedigt und die Grundforderung wäre erloschen (Baumbach-Hefermehl aaO Rz 42). Er könnte daher nicht mehr auf das Grundgeschäft, nämlich die wegen Vertragsverletzung vereinbarte Konventionalstrafe, zurückgreifen. Gleiches gilt, wenn der Kläger den Wechsel nicht mehr zurückgeben und die beklagte Partei noch aus dem Wechsel in Anspruch genommen werden könnte, weil anderenfalls die Gefahr der doppelten Inanspruchnahme besteht (Hueck/Canaris aaO 169).
Hiezu fehlen jedoch - offenbar auf Grund der anderen rechtlichen Beurteilung - jegliche Feststellungen. Um diese nachzuholen, ist daher das angefochtene Urteil im Umfang von S 300.000 sA aufzuheben und an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)