Spruch:
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird in seinen Aussprüchen über die Nichtigerklärung des Verfahrens und die Klagezurückweisung in Ansehung der für die Zeit vom 1.6.1986 bis 31.5.1989 geforderten Unterhaltsrückstände im Umfang von 144.000 S samt 4 % Zinsen aus 48.000 S seit 1.6.1987, aus 96.000 S seit 1.6.1988 und aus 144.000 S seit 1.6.1989 bestätigt.
Die klagende Partei hat insoweit die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Im übrigen, also im Umfang der Nichtigerklärung des Verfahrens und der Klagezurückweisung in bezug auf das Mehrbegehren an Unterhaltsrückständen von 69.200 S samt 4 % Zinsen aus 21.200 S seit 1.6.1987, aus 45.200 S seit 1.6.1988 und aus 69.200 S seit 1.6.1989 sowie in bezug auf das den mit Teilanerkenntnisurteil vom 24.10.1989 zugesprochenen Betrag von monatlich 5.000 S übersteigende Mehrbegehren an laufenden Unterhalt von monatlich 1.700 S ab 1.6.1989 - ausgenommen die Verpflichtung der beklagten Partei zur Zahlung eines Betrages von 467 S an die klagende Partei -, wird der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Berufungsgericht in diesem Umfang die Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind insoweit weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung
Die Ehe der Streitteile ist ungeschieden, die Eheleute leben jedoch getrennt.
In dem durch eine Protokollarklage der Klägerin vom 8.10.1982 eingeleiteten Rechtsstreit wurde der Beklagte mit Urteil des Erstgerichtes vom 22.11.1982, GZ C 109/82 -7, schuldig erkannt, der Klägerin ab 8.10.1982 einen monatlichen Unterhalt von 4.000 S, fällig jeweils am 1.eines jeden Monats im vorhinein, zu zahlen; das Mehrbegehren auf monatliche Zahlung weiterer 2.000 S wurde abgewiesen. Dem Urteil lag ein monatliches Nettoeinkommen des Beklagten von 19.411 S und dessen Sorgepflicht für vier der Ehe der Streitteile entstammende Kinder zugrunde; sein stattgebender Teil ist in Rechtskraft erwachsen. Der von der Klägerin gegen den abweisenden Teil erhobenen Berufung gab jedoch das Kreisgericht Krems an der Donau mit Beschluß vom 27.7.1983, GZ 1 a R 103/83-17, Folge, hob das Ersturteil in diesem Umfang auf und verwies die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Nach Zustellung der Berufungsentscheidung und der Ladungen zu der vom Erstgericht für den 14.10.1983 anberaumten Streitverhandlung langte am 23.9.1983 nachstehendes Schreiben der Klägerin vom 22.9.1983 (ON 19 des Voraktes) ein:
"Ich ziehe meine Unterhaltsklage gegen den Gatten Ing.J***** Johann zurück.
Begründung: Ich bin wieder berufstätig und erhalte mich und die Kinder wieder selber."
Das Schreiben war von der Klägerin unterfertigt, nicht aber von dem ihr im Verfahren beigegebenen Verfahrenshilfeanwalt.
Das Erstgericht faßte daraufhin am 27.9.1983 - in Urschrift auf dem Schreiben ON 19 - den Beschluß "Klagsrückziehung dient dem Gericht zur Kenntnis" und verfügte die Zustellung des ZPForm 43 an beide Teile. Laut angeschlossenem Rückschein ist die "Abberaumung mit ON 19" dem Beklagten am 30.9.1983 zugestellt worden.
Mit der Behauptung, daß sie bisher keine Unterhaltsklage eingebracht habe, der noch für drei Kinder sorgepflichtige Beklagte aber über ein monatliches Nettoeinkommen von ca 25.000 S verfüge, begehrt die Klägerin nunmehr mit der vorliegenden, am 20.6.1989 beim Erstgericht eingelangten Klage die Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 6.000 S, und zwar für die Vergangenheit (1.6.1986 bis 31.5.1989) in der Höhe von insgesamt 216.000 S sA und ab 1.6.1989 laufend in der Höhe des genannten Monatsbetrages. In der mündlichen Streitverhandlung vom 24.10.1989 dehnte die Klägerin ihr Begehren auf laufenden Unterhalt ab 1.6.1989 mit der Begründung auf monatlich 7.000 S aus, daß der Beklagte jetzt nur noch für ein Kind unterhaltspflichtig sei und überdies noch eine Invaliditätspension von 2.000 S beziehe.
Der Beklagte anerkannte daraufhin die laufende Unterhaltsforderung der Klägerin im Umfang von 5.000 S monatlich ab 20.6.1989. Das Mehrbegehren - auch jenes für die Vergangenheit - blieb (ua) auch deshalb bestritten, weil insoweit ein Unterhaltsverzicht der Klägerin vorliege. Auf deren Antrag verkündete das Erstgericht am 24.10.1989 in Gegenwart beider Parteien ein Teilanerkenntnisurteil, mit dem es den Beklagten schuldig erkannte, "der Klägerin an laufendem Unterhalt ab 20.6.1989 einen Betrag von monatlich 5.000 S, abzüglich bereits geleisteter Zahlungen, bei sonstiger Exekution zu zahlen, wobei die Beträge jeweils am 15. eines jeden Monates im vorhinein und die bis zur Rechtskraft dieses Urteils fälligen Beträge binnen 14 Tagen zu zahlen sind." Dieses Teilanerkenntnisurteil ist mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen.
Mit Endurteil vom 23.5.1990 erkannte das Erstgericht den Beklagten schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen 213.200 S sA und an laufendem Unterhalt zusätzlich zu dem mit Teilanerkenntnisurteil vom 24.10.1989 zugesprochenen Betrag von 5.000 S monatlich einen weiteren Betrag von 1.700 S monatlich ab 1.6.1989, jeweils am 1. eines jeden Monates im vorhinein, zu zahlen; das Mehrbegehren von 2.800 S sA und von 300 S monatlich ab 1.6.1989 wurde - rechtskräftig - abgewiesen.
Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der vom Beklagten erhobenen Berufung den gesamten stattgebenden Teil des Ersturteils - mit Ausnahme der Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung eines (einmaligen) Betrages von 467 S für laufenden Unterhalt - und das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage in diesem Umfang zurück; es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Dem für die Vergangenheit und die Zukunft erhobenen Unterhaltsbegehren der Klägerin stehe in Ansehung des Teilbetrages von 4.000 S monatlich die Rechtskraft des im Vorprozeß ergangenen Urteils vom 22.11.1982 entgegen. In bezug auf die darüber hinausgehenden Unterhaltsforderungen von 2.000 S monatlich bestehe das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit, weil die Zurücknahme der Klage im Vorverfahren mangels Zustellung des entsprechenden Schriftsatzes und des darüber gefaßten Beschlusses des Erstgerichtes an den Beklagten in diesem Umfang gar nicht wirksam geworden sei. Der noch in Rede stehenden ausgedehnten laufenden Unterhaltsforderung von 700 S monatlich ab 1.6.1989 stehe ab 20.6.1989 die Rechtskraft einerseits des stattgebenden Urteils im Vorprozeß und andererseits des Teilanerkenntnisurteils vom 24.10.1989 entgegen, seien doch damit insgesamt bereits 9.000 S monatlich zuerkannt worden.
Der dagegen von der Klägerin erhobene Rekurs ist - unabhängig vom Wert des Entscheidungsgegenstandes und dem Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne der §§ 502 Abs 1, 528 Abs 1 ZPO (Petrasch in ÖJZ 1989, 750), somit auch ungeachtet des überflüssigen und verfehlten Ausspruches des Berufungsgerichtes - zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO).
Der Beklagte hat sich an dem analog zu § 521 a Abs 1 Z 3 ZPO zweiseitigen Rekursverfahren nicht beteiligt.
Der Rekurs ist teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Meinung der Klägerin hat das Berufungsgericht - jedenfalls für das über den mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Unterhaltsrückstand abgewickelte Verfahren und das darüber gefällte stattgebende Endurteil - zutreffend die Nichtbeachtung der Rechtskraft des im Vorprozeß ergangenen stattgebenden Urteils vom 22.11.1982, mit dem der Klägerin gegenüber dem Beklagten bereits ab 8.10.1982 ein monatlicher Unterhalt von 4.000 S zugesprochen worden ist, wahrgenommen. Die materielle Rechtskraft eines Urteils über Ansprüche auf Gewährung des gesetzlichen Unterhalts, mit dem gemäß § 406 Satz 2 ZPO in Zukunft fällig werdende Leistungen zugesprochen wurden, hält - wie auch sonst - erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingetretenen Änderungen des rechtserzeugenden Sachverhaltes nicht stand; eine solche neue Sachlage wird vielmehr von der Rechtskraft des Urteils nicht mitumfaßt und ermöglicht daher eine Klage auf Erhöhung (oder Herabsetzung) der zugesprochenen Unterhaltsbeträge (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 1532 und Kommentar III 724 f; EvBl 1958/323; EFSlg 8927/7, 25.325, 25.326, 30.014/2, 46.668). Im vorliegenden Fall hat aber die Klägerin mit ihrem Begehren auf Zahlung des Unterhaltsrückstandes seit 1.6.1986 keineswegs wegen nachträglicher Änderung des rechtserzeugenden Sachverhaltes eine Erhöhung des ihr bereits rechtskräftig ab 8.10.1982 zugesprochenen Unterhalts von monatlich 4.000 S verlangt, sondern auch in diesem Umfang - sogar mit der tatsachenwidrigen Behauptung, bisher noch gar keine Unterhaltsklage eingebracht zu haben - einen neuerlichen Urteilsantrag gestellt. Die Nichtbeachtung der materiellen Rechtskraft des stattgebenden Urteils vom 22.11.1982 in Ansehung des bis zu einem monatlichen Unterhaltsbetrag von 4.000 S identischen Begehrens der vorliegenden Unterhaltsklage bewirkte daher eine gemäß § 240 Abs 3 ZPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 1539; SZ 30/48; MietSlg 31.702; EFSlg 41.718 uva).
Mit Recht weist aber die Klägerin darauf hin, daß eine solche Nichtigkeit für ihr Begehren auf laufenden und künftigen Unterhalt ab 20.6.1989 nicht mehr berücksichtigt werden kann, weil sie mit der Rechtskraft des ab diesem Zeitpunkt einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 5.000 S zusprechenden Teilanerkenntnisurteils vom 24.10.1989 jedenfalls geheilt ist. Es liegen somit zwei rechtskräftige Urteile für die ab 20.6.1989 in Zukunft fällig werdenden Unterhaltsbeträge vor, von denen aber das ältere mit seinem Zuspruch von monatlich 4.000 S im jüngeren mit seinem Zuspruch von monatlich 5.000 S aufgeht. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes kann daher für die Zeit ab 20.6.1989 keineswegs von einem rechtskräftigen "Gesamturteil" mit einem Zuspruch von 9.000 S ausgegangen werden.
Ebenso zutreffend macht die Klägerin geltend, daß in Ansehung ihres den monatlichen Betrag von 4.000 S übersteigenden Mehrbegehrens für die Vergangenheit und für den laufenden Unterhalt, also im Umfang weiterer 2.000 S monatlich, keineswegs das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit bestanden hat, weil insoweit der Rechtsstreit zu C 109/82 des Erstgerichtes über das dort noch offene Begehren in gleicher Höhe weiterhin unerledigt anhängig wäre. Wenngleich der Klägerin in dem nicht anwaltspflichtigen Vorprozeß ein Verfahrenshilfeanwalt beigegeben wurde, konnte sie doch selbst und ohne dessen Wissen oder Mitwirkung Prozeßhandlungen vornehmen, insbesondere die Klage zurücknehmen (Fasching, Kommentar II, 250; ZBl 1923/207). Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung beendet die Zurücknahme der Klage den Rechtsstreit ipso facto; ein Beschluß des Gerichtes, mit dem die Beendigung des Verfahrens infolge Klagerücknahme festgestellt wird, kann zwar mit Rekurs angefochten werden, hat aber nur deklarative Bedeutung. Zum Eintritt der Wirkungen des § 237 Abs 3 ZPO bedarf es weder eines konstitutiven Beschlusses noch des Eintrittes der Rechtskraft eines deklarativen Beschlusses (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 1244 und im Kommentar III 149; EvBl 1967/160 = JBl 1967, 269; EvBl 1978/103 ua; zuletzt etwa 6 Ob 516/91). Da ein Verzicht auf den nach dem Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes im Vorverfahren noch streitverfangenen Anspruch aus dem Schreiben der Klägerin ON 19 nicht eindeutig zu entnehmen war, lag nur eine Klagerücknahme ohne Anspruchsverzicht vor, für welche aber im damaligen Verfahrensstadium die Zustimmung des Beklagten erforderlich gewesen wäre, die allerdings nach der Rechtsprechung auch konkludent erfolgen konnte (AnwZ 1937, 217; EvBl 1962/476). Eine solche Zustimmung des Beklagten liegt hier entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes auch vor, weil ihm nach der Aktenlage nicht nur das Schreiben der Klägerin ON 19 (= die Klagerücknahme), sondern auch die Verständigung von der Terminabsetzung als Folge dieses Schreibens zugestellt worden waren und er es dabei bewenden ließ, ohne sich weiter darum zu kümmern, ob der Anspruch der Klägerin gegen ihn damit ein für alle mal und unter allen Umständen erledigt war (EvBl 1962/476). Damit stehen aber der Klägerin mit der vorliegenden Klage noch alle jene Rechte offen, die sich für sie aus einer mit ausdrücklicher Zustimmung des Beklagten erfolgten Zurücknahme der Klage im Vorprozeß ableiten lassen.
Der angefochtene Beschluß war demnach in Ansehung der wahrgenommenen Nichtigkeit wegen Nichtbeachtung der materiellen Rechtskraft des stattgebenden Urteils vom 22.11.1982 im Umfang des für die Vergangenheit geforderten Unterhalts(teil)betrages von 144.000 S sA zu bestätigen; insoweit hat die Klägerin gemäß §§ 40, 50 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen. Im übrigen war aber der angefochtene Beschluß in Stattgebung des Rekurses aufzuheben und dem Berufungsgericht die meritorische Erledigung der Berufung des Beklagten aufzutragen; der Kostenvorbehalt beruht hier auf § 52 ZPO.
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