European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1991:0020OB00019.91.0529.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.387,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.064,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Am 7. 7. 1986 war Josef G* Lenker eines LKW, der einen schweren Anhänger zog, er hatte im Stadtgebiet von Wels mehrere Zustellungen durchzuführen. Da ihm die Örtlichkeiten bei den einzelnen Unternehmen nicht bekannt waren, entschloß er sich, den Anhänger auf der H*-Straße abzustellen und nach den Zustellfahrten wieder abzuholen. Gegen 16 Uhr stellte er den Anhänger unmittelbar am rechten Fahrbahnrand der genannten Straße derart ab, daß der Anhänger maximal 2,6 m in die Fahrbahn reichte. Die H*-Straße ist eine Einbahnstraße, die Fahrbahn ist in dem Bereich, in dem der Anhänger stand, 9,2 m breit, in einem Abstand von 4,9 m vom rechten Fahrbahnrand befindet sich eine Leitlinie. Zwischen der linken Seite des Anhängers und der Leitlinie verblieb also noch eine freie Fahrbahnbreite von 2,3 m. Der Anhänger war für Fahrzeuglenker schon aus einer Entfernung von mehr als 500 m sichtbar. Gegen 17 Uhr herrschte in der H*-Straße Berufsverkehr, in beiden Fahrstreifen fuhren Fahrzeugkolonnen mit einer Geschwindigkeit von etwa 40 km/h. Der Kläger fuhr auf seinem Motorfahrrad mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h auf dem rechten Fahrstreifen, zum rechten Fahrbahnrand hielt er einen Abstand von 1,3 m (bezogen auf die Radaufstandspunkte) ein. Er prallte ungebremst und ohne erkennbare Auslenkbewegung gegen die Rückseite des Anhängers. Dabei erlitt er schwere Verletzungen.
Der Kläger fordert den Ersatz von einem Viertel seines Schadens, nämlich S 372.296,- s.A. Außerdem begehrt er die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für ein Viertel seiner Unfallsfolgen. Zur Begründung führte er aus, der Lenker des bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten Zugfahrzeuges habe durch das Abstellen des Anhängers gegen die Vorschriften des § 23 Abs 6 StVO verstoßen. Der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen diesem Verhalten und dem Unfall sei gegeben.
Die beklagte Partei wendete ein, sie sei passiv nicht legitimiert, weil der Anhänger bei ihr nicht haftpflichtversichert gewesen sei. Überdies treffe den Lenker des Zugfahrzeuges kein Verschulden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es lastete Josef G* wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs 6 StVO zwar ein Mitverschulden von einem Viertel an und vertrat die Ansicht, auch der Halter des Zugfahrzeuges würde haften, weil sich der Unfall noch im Zusammenhang mit dem Betrieb des LKW ereignet habe; den Haftpflichtversicherer des Zugfahrzeuges treffe jedoch keine Haftung. Aus der zur Unfallszeit geltenden Bestimmungen des § 21 Abs 1 und 2 AKHB 1985 ergäbe sich, daß die für das Zugfahrzeug abgeschlossene Haftpflichtversicherung in bezug auf den Anhänger nur jene Versicherungsfälle mitumfasse, die mit dem Ziehen des Anhängers durch das Kraftfahrzeug im Zusammenhang stehen. Da der Kläger gegen den abgestellten Anhänger geprallt sei, hafte der Haftpflichtversicherer des Zugfahrzeuges nicht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es führte aus, nach der im Zeitpunkt des Schadensfalles geltenden Bestimmung des § 21 Abs 1 AKHB 1985 (nunmehr § 20 AKHB 1988) umfasse die Versicherung von Anhängern unbeschadet hier nicht in Betracht kommender Ausnahmen nur diejenigen Versicherungsfälle, die nicht mit dem Ziehen des Anhängers durch ein Kraftfahrzeug zusammenhängen. Mitversicherte Personen seien dabei der Eigentümer des Anhängers und derjenige, der mit Willen des Eigentümers den Anhänger verwende. Daraus habe aber das Erstgericht mit Recht den Umkehrschluß gezogen, daß die Haftpflichtversicherung für das Zugfahrzeug in bezug auf den Anhänger nur diejenigen Versicherungsfälle umfasse, die mit dem Ziehen des Anhängers durch das Kraftfahrzeug zusammenhängen. Die Richtigkeit dieses Umkehrschlusses ergäbe sich auch aus der Bestimmung des § 21 Abs 2 AKHB 1985 (nunmehr § 20 Abs 2 AKHB 1988). Danach seien Anhänger mit ausländischem Kennzeichen, die das Kennzeichen des inländischen Zugfahrzeuges führen, für alle Versicherungsfälle in die Versicherung des Zugfahrzeuges eingeschlossen. Eine solche gesetzliche Anordnung wäre überflüssig, wenn die Haftpflichtversicherung des Zugfahrzeuges auch dann für durch den Anhänger verursachte Schäden haften würde, wenn diese nicht im Zusammenhang mit dem Ziehen des Anhängers entstanden seien. Eine Auslegung, daß die Haftpflichtversicherung des Zugfahrzeuges auch für durch den abgestellten Anhänger entstandene Schäden hafte, würde den Bestimmungen des § 21 Abs 1 und 2 AKHB 1985 weitgehend ihren Anwendungsbereich entziehen, weil dann in der Regel jeder Versicherungsfall mit einem Anhänger durch die Haftpflichtversicherung des Zugfahrzeuges abgedeckt wäre, so daß sich eine eigene Haftpflichtversicherung für den Anhänger, von deren notwendigem Bestand jedoch insbesondere die Bestimmung des § 21 AKHB 1985 ausgehe, erübrigen würde. Zutreffend verweise die Berufungsbeantwortung bei vergleichbarer Rechtslage auch auf die Bestimmung des § 10a dAKB, wonach die Versicherung des Kraftfahrzeuges auch jene Schäden umfasse, die durch einen Anhänger verursacht werden, der mit dem Kraftfahrzeug verbunden ist oder der sich während des Gebrauches von diesem löst und sich noch in Bewegung befindet. Die Haftpflichtversicherung des Anhängers hingegen umfaßt nach Abs 2 leg cit nur jene Schäden, die durch den Anhänger verursacht werden, wenn er mit einem Kraftfahrzeug nicht verbunden ist oder sich von dem Kraftfahrzeug gelöst hat und sich nicht mehr in Bewegung befindet, sowie Schäden, die den Insassen des Anhängers zugefügt werden. Diese Regelung gehe von dem auch auf den österreichischen Rechtsbereich übertragbaren Grundsatz aus, daß abgesehen von den Fällen, in denen der Unfall des losgelösten Anhängers noch durch den Betrieb des Zugfahrzeuges verursacht wurde und diesem zuzurechnen ist, mit der Trennung der beiden Fahrzeuge in der Regel auch der Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Zugfahrzeuges und dem Gebrauch des Anhängers entfällt. Im vorliegenden Fall sei der Schadenseintritt nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ziehen des Anhängers durch das Zugfahrzeug gestanden. Insoweit bestehe auch durchaus eine gewisse Ähnlichkeit im Sachverhalt zu der in SZ 54/118 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes. Auch bei der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung der AKHB 1985 bestehe ein hinreichender Versicherungsschutz für den Geschädigten.
Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zur erheblichen Rechtsfrage der Haftung des Haftpflichtversicherers des Zugfahrzeuges für Schäden, die durch den abgestellten Anhänger entstanden seien, eine Rechtsprechung fehle.
Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne der Klagsstattgebung abzuändern. Hilfsweise stellt der Kläger einen Aufhebungsantrag.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Der Kläger vertritt in seiner Revision die Ansicht, die Vorinstanzen hätten die Bestimmung des § 21 Abs 1 AKHB 1985 unrichtig ausgelegt, die Haftung der beklagten Partei als Haftpflichtversicherer des Zugfahrzeuges sei zu bejahen. Auf diese Ausführungen braucht jedoch nicht eingegangen zu werden, weil das Klagebegehren schon deshalb abzuweisen ist, weil auch den Lenker und den Halter des Zugfahrzeuges keine Haftung trifft.
Auf der 9,2 m breiten Einbahnstraße bestand kein Halte- oder Parkverbot. Allerdings dürfen gemäß § 23 Abs 6 StVO Anhänger ohne Zugfahrzeug nur während des Beladens oder Entladens auf der Fahrbahn stehengelassen werden, es sei denn, sie können nach der Ladetätigkeit nicht sofort entfernt werden, das Entfernen wäre eine unbillige Wirtschaftserschwernis oder es liegen sonstige wichtige Gründe für das Stehenlassen vor. Das Erstgericht bejahte den Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen einem Verstoß gegen diese Vorschrift und dem Unfall mit dem Hinweis auf Entscheidungen, denen Fälle zugrunde lagen, bei denen Vorschriften über das Halten verletzt worden waren. Nun ist es richtig, daß der Oberste Gerichtshof einen Rechtswidrigkeitszusammenhang bei Verstößen gegen Halteverbote mit der Begründung bejaht, diese Vorschriften dienten auch der Sicherheit des Verkehrs (ZVR 1984/170 mwN). Auch bei Verstößen gegen § 23 Abs 1 und 2 StVO wurde der Rechtswidrigkeitszusammenhang bejaht (ZVR 1977/127, ZVR 1980/340 ua). Selbst in Fällen, in denen halten erlaubt gewesen wäre, hat der Oberste Gerichtshof bei Verstößen gegen Parkverbote den Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Begründung angenommen, es handle sich um eine das erlaubte Risiko zeitmäßig begrenzende Norm (ZVR 1990/126 mwN). Anders ist hingegen ein Verstoß gegen § 23 Abs 6 StVO zu beurteilen. Wohl könnte daraus, daß das Abstellen eines Fahrzeuges für die Zeit des Beladens oder Entladens gestattet ist, der Schluß gezogen werden, es handle sich auch hier um eine Norm, die ein Risiko nur für eine begrenzte Zeit erlaubt. Dagegen spricht aber, daß die durch die dritte StVO-Novelle geänderte Bestimmung ein Stehenlassen des Anhängers wegen unbilliger Wirtschaftserschwernis oder aus anderen wichtigen Gründen gestattet, bei Vorliegen dieser Gründe also auch für einen längeren Zeitraum. Überdies ist insbesondere zu berücksichtigen, daß es - anders als bei Verstößen gegen § 23 Abs 1 und 2 StVO oder gegen Halte- und Parkverbote - zulässig ist, den Anhänger auf der Fahrbahn zu belassen, wenn er an ein Zugfahrzeug angekuppelt ist. Für die Sicherheit des sich von hinten dem Anhänger nähernden Verkehrs ist es aber ohne jegliche Bedeutung, ob der Anhänger mit oder ohne Zugfahrzeug abgestellt ist. Der erkennende Senat verneint daher einen Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Verstoß des Lenkers des Zugfahrzeuges gegen § 23 Abs 6 StVO und dem Schaden des Klägers. In der Entscheidung SZ 41/73 wurde eine Haftung in einem Fall, in dem ein Anhänger ohne Zugfahrzeug abgestellt war, zwar bejaht. Abgesehen davon, daß durch das Abstellen des Fahrzeuges in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall auch gegen das Halteverbot des § 24 Abs 1 lit b verstoßen worden war, erging diese Entscheidung vor der dritten StVO-Novelle. Erst durch diese wurde aus wirtschaftlichen Gründen das Verbot des § 23 Abs 6 StVO aber gelockert (vgl 879 BlgNR 11.GP 13). Mangels eines Rechtswidrigkeitszusammenhanges haften daher Lenker und Halter des Zugfahrzeuges nicht für den Schaden des Klägers und daher auch nicht die Haftpflichtversicherung des Zugfahrzeuges, so daß auf die Frage, ob diese Haftpflichtversicherung bei Verschulden des Lenkers haften würde, nicht eingegangen werden muß. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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