OGH 7Ob551/91

OGH7Ob551/9123.5.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Karin R*****, geboren am 7.September 1976, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie für den 13. und 14.Bezirk (Magistratsabteilung 11) infolge ao. Revisionsrekurses des Kindes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 7.März 1991, GZ 47 R 144/91-91, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 28.Jänner 1991, GZ 7 P 159/88-88, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt.

Text

Begründung

Der am 30.9.1950 geborene Franz S***** ist der nichteheliche Vater der am 7.9.1976 geborenen Karin R*****. Er verpflichtete sich zunächst mit Vergleich vom 15.11.1976 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 750 und wurde letztmalig mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 11.5.1978 zu 2 P 97/77-17 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.400 ab 1.3.1978 verhalten. Er war damals für drei weitere Kinder sorgepflichtig und bezog ein monatliches Nettoeinkommen von rund S 12.800 als Zuschneider bei der Firma P***** GesmbH. In der Folge war der Vater nur sporadisch bei verschiedenen Dienstgebern beschäftigt und erzielte dabei ein monatliches Durchschnittseinkommen von S 7.300. Er war zuletzt bei der Firma T***** vom 4. bis 12.12.1978 beschäftigt. Insgesamt hat er die Berufe eines kaufmännischen Angestellten, eines Handelsangestellten, eines Tischlers, eines Verkäufers und eines Monteurs ausgeübt. Er war vom 23.1.1979 bis 16.2.1979 (richtig: 24.2.1979) arbeitslos und bezog einschließlich der Familienzuschläge eine Unterstützung von S 6.288. Er ist seit 26.3.1980 unbekannten Aufenthaltes und ging seither in Österreich keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung mehr nach. Derzeit könnte der Vater ein monatliches Nettoeinkommen von S 12.500 einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen verdienen. Er ist derzeit außer für Karin R***** noch für den am 19.4.1974 geborenen minderjährigen Thomas S***** mit monatlich S 1.500 und für die am 24.4.1973 geborene minderjährige Natascha K***** (für dieses Kind wurde noch keine Unterhaltszahlung festgesetzt) sorgepflichtig. Die einkommens- und vermögenslose mj. Karin R***** befindet sich in Pflege und Erziehung ihrer Mutter, die als selbständige Blumenfrau monatlich S 8.000 netto verdient.

Das Erstgericht gab dem Erhöhungsantrag der mj. Karin R***** teilweise statt und verpflichtete den Vater ab 17.3.1989 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von insgesamt S 2.000, gleichzeitig wies es das Unterhaltsmehrbegehren auf Zahlung weiterer S 850 monatlich ab. Dem unterhaltsberechtigten Kind stünde unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten und eines erzielbaren Einkommens des Vaters von monatlich S 12.500 ein Anteil von 16 % daran zu. Obwohl der Durchschnittsbedarfssatz für Kinder der Altersgruppe der mj. Karin bei S 3.020 liege, könne sie mit den zuerkannten monatlich S 2.000 die dringendsten Bedürfnisse begleichen. Da der Vater offensichtlich keinen Beruf "ausgelernt" habe, sei nicht anzunehmen, daß er derzeit ein monatliches Durchschnittseinkommen von S 17.500 erreichen könnte.

Das Rekursgericht wies über Rekurs des Abwesenheitskurators des Vaters das Erhöhungsbegehren des Kindes ab. Mangels nachgewiesener Verringerung der finanziellen Leistungsfähigkeit des derzeit nicht greifbaren unterhaltspflichtigen Vaters sei von seiner Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt der letzten Beschlußfassung auszugehen. Das damalige Einkommen sei zufolge der zwischenzeitig eingetretenen Geldwertverdünnung entsprechend aufzuwerten. Als letztbekanntes Einkommen könne aber nur das Arbeitslosenentgelt des Vaters von monatlich S 6.288 herangezogen werden. Selbst bei Aufwertung dieses Betrages könne dem Vater keine S 1.400 monatlich übersteigende Unterhaltsleistung auferlegt werden.

Der gegen diesen Beschluß erhobene ao Revisionsrekurs des Kindes mit dem Abänderungsantrag auf Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Da die Eltern zur Deckung des Unterhaltsbedarfes eines Kindes gemäß § 140 Abs 1 ABGB nach ihren Kräften beizutragen haben, ist für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit nicht nur das tatsächlich erzielte, sondern das bei zumutbarer Anspannung der Leistungskraft des Unterhaltspflichtigen erzielbare Erwerbseinkommen maßgebend (EvBl 1990/128; 7 Ob 628/90; 8 Ob 509/91). Der Rechtsmittelwerberin ist darin beizupflichten, daß eine Unterhaltserhöhung bei unbekanntem Aufenthalt des Unterhaltsschuldners nach den Grundsätzen der Anspannungstheorie nicht ausgeschlossen ist (SZ 53/54; Jus extra 1990/436 = ÖA 1990, 109). In einem solchen Fall ist bei einem Erhöhungsantrag von jenen Verhältnissen auszugehen, die der letztmaligen Festsetzung des Unterhaltsbeitrages zugrunde lagen. Sache des Unterhaltsverpflichteten wäre es dann, nach den allgemeinen Beweislastregeln eine ihn entlastende Änderung der Verhältnisse im Sinne einer verminderten Leistungsfähigkeit zu beweisen. Pichler hat dem in der Entscheidungsbesprechung "Zur Beweislastverteilung in der Unterhaltsbemessung (ÖA 1981/3) zugestimmt und die Ansicht geäußert, es gelten dann die vom Verpflichteten "unwidersprochenen Verhältnisse zur Zeit der letzten Bemessung, vorbehaltlich der allgemeinen realen Änderungen" (vgl Jus extra 1990/436 = ÖA 1990, 109). Der zunächst häufige Wechsel des Arbeitsplatzes des unterhaltspflichtigen Vaters im Zusammenhalt mit den immer kürzer werdenden Arbeitsperioden läßt mit dem in der Folge nach einem relativ kurzfristigen Arbeitslosenentgeltbezug folgenden Untertauchen seine Absicht erkennen, sich seiner Unterhaltspflicht zu entziehen. Daraus ergibt sich, daß sich der Vater seit März 1978 nicht in der zumutbaren Weise um die Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes tatkräftig bemüht hat (vgl EvBl 1990/128. Nach § 18 ALVG kann ein noch nicht 40 Jahre alter Versicherter nur maximal für die Dauer von 30 Wochen Arbeitslosenentgelt beziehen. Ein darüber hinausgehender Bezug wäre von einem weiteren mindestens 20 Wochen andauernden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis abhängig. Für die Annahme des Rekursgerichtes, die einen Nachweis einer Verschlechterung der finanziellen Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt der letzten Unterhaltsbemessung am 11.5.1978 inkludiert, vom Vater könne auch heute nicht mehr als der Bezug von Arbeitslosenentgelt verlangt werden, mangelt es daher auch an einer rechtlichen Grundlage. Diese Rechtsansicht des Rekursgerichtes ist auch sonst verfehlt, weil davon auszugehen ist, daß der unterhaltspflichtige Vater unter Berücksichtigung der auch für ein vom Untersuchungsgrundsatz beherrschtes Verfahren geltenden Beweisregeln (SZ 53/54 mwN) nicht den Beweis dafür erbracht hat, daß ihm derzeit nicht mehr die Erzielung eines gleich hohen Einkommens wie 1978 möglich ist. Da das Rekursgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abwich, war daher der außerordentliche Revisionsrekurs des Kindes zulässig und war in dessen Stattgebung die erstgerichtliche Entscheidung wieder herzustellen.

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