Spruch:
Im Verfahren 2 U 129/90 des Bezirksgerichtes Enns wurde durch die Durchführung der Hauptverhandlung und Urteilsfällung in Abwesenheit des Beschuldigten Walter E***** ohne dessen gehörige Vorladung sowie durch den Schuldspruch wegen Verletzung der Unterhaltspflicht auch im Monat Oktober 1990 das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 454 und 459 StPO verletzt.
Das Urteil des Bezirksgerichtes Enns vom 17.Oktober 1990, GZ 2 U 129/90-6, und alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen werden aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Text
Gründe:
Aus dem Akt 2 U 129/90 des Bezirksgerichtes Enns ergibt sich:
Am 28.September 1990 beantragte der Bezirksanwalt bei diesem Bezirksgericht die Bestrafung des Walter E***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB. Diesem Antrag lag eine Anzeige der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land zugrunde, wonach der Genannte seiner Unterhaltspflicht gegenüber seinem am 15.April 1977 geborenen außerehelichen Sohn Andreas H***** "bisher nur unregelmäßig nachgekommen ist und seit Jänner 1989 überhaupt keine Unterhaltsbeträge mehr leistet(e)". Walter E***** wurde dazu am 5.Oktober 1990 vor dem Bezirksgericht Enns als Beschuldigter verantwortlich abgehört. Er bekannte sich des ihm zur Last gelegten Vergehens schuldig und gab zu, seit Jänner 1989 keine Unterhaltszahlungen geleistet zu haben (ON 1 bis 3). Die Vorladung zu der für den 17.Oktober 1990 anberaumten Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Enns wurde dem Beschuldigten am 10.Oktober 1990 durch Hinterlegung beim Postamt Enns zugestellt (RS S 19). Zu dieser Hauptverhandlung ist Walter E***** nicht erschienen, sie wurde daher gemäß § 459 StPO in seiner Abwesenheit durchgeführt. In ihrem Verlauf konkretisierte der Bezirksanwalt den Strafantrag dahin, daß dem Beschuldigten die zumindest seit dem 15.Oktober 1987 begangene Unterhaltsverletzung zur Last gelegt werde (S 20). Das Bezirksgericht erkannte hierauf Walter E***** in Abwesenheit des Vergehens nach § 198 Abs. 1 StGB, begangen dadurch, daß er seit dem 15.Oktober 1987 mit Ausnahme zweier Zahlungen von je 2.000 S am 2.März 1988 und 7.Dezember 1988 bis einschließlich Oktober 1990 für das erwähnte Kind keinen Unterhalt leistete und keiner Beschäftigung nachging, die ihm die Erfüllung der Unterhaltspflicht ermöglicht hätte, schuldig und verurteilte ihn nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten (ON 6). Dieses Urteil ist nach Zustellung durch Hinterlegung an den Beschuldigten in Rechtskraft erwachsen. Der Verurteilte verbüßt diese Strafe seit dem 2.Jänner 1991.
Die Durchführung der Hauptverhandlung und die Fällung des Urteiles in Abwesenheit des Beschuldigten standen nicht mit dem Gesetz im Einklang:
Rechtliche Beurteilung
Eine der Voraussetzungen für die Durchführung der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht in Abwesenheit gemäß § 459 StPO ist die "gehörige" Vorladung des Beschuldigten. Eine solche Vorladung hat (ua) die "wesentlichen Tatsachen" der dem Beschuldigten zur Last gelegten strafbaren Handlung zu enthalten (§ 454 StPO). Im gegenständlichen Fall enthielt die Vorladung diesbezüglich lediglich das Zitat "§ 198 Abs. 1 StGB" (siehe die vom Postamt rückgelangte Vorladung samt Kuvert auf S 21). Damit aber wurde dem Gebot des § 454 StPO in nur unzureichendem Maße entsprochen. Denn die "wesentlichen Tatsachen" des § 198 Abs. 1 StGB in der Bedeutung der oben angeführten Gesetzesstelle bestehen insbesondere in der Tatzeit und im Umfang der angeschuldigten Verletzung der Unterhaltspflicht.
Mangels gehöriger Vorladung des Beschuldigten iS des § 454 StPO waren demnach die Voraussetzungen für eine Verhandlungsführung und Urteilsfällung in Abwesenheit des Beschuldigten gemäß § 459 StPO nicht gegeben. Die Durchführung der Hauptverhandlung am 17.Oktober 1990 und die dabei erfolgte Fällung eines Strafurteils in Abwesenheit des nicht gehörig vorgeladenen Beschuldigten verstieß gegen die Bestimmungen der §§ 454 und 459 StPO.
Dazu kommt, daß es unzulässig war, den Beschuldigten in seiner Abwesenheit auch im Umfang der Ausdehnung des Strafantrages, von der er keine Kenntnis haben konnte, weil die über die im ursprünglichen Antrag auf Bestrafung hinausgehende Tatzeit auch in der Vorladung keine Erwähnung hätte finden können, schuldig zu erkennen (EvBl. 1976/123; 12 Os 21/87).
Gemäß § 292 letzter Satz StPO war daher das erwähnte Urteil des Bezirksgerichtes Enns mit allen darauf beruhenden Beschlüssen und Verfügungen in Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes aufzuheben und dem Erstgericht die Verfahrenserneuerung aufzutragen.
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