OGH 12Os21/87

OGH12Os21/8719.2.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Februar 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Aumann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alfred S*** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 30.April 1986, GZ 1 U 25/86-5, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Hauptmann, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Alfred S*** wegen Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB, AZ 1 U 25/86 des Bezirksgerichtes Vöcklabruck, ist das Gesetz verletzt:

1) durch das Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 30. April 1986 (ON 5), womit Alfred S*** auch wegen Verletzung der Unterhaltspflicht in der Zeit vom 10.April 1986 bis 29. April 1986 schuldig erkannt wurde, in der Bestimmung des § 459 StPO;

2) durch den in diesem Abwesenheitsurteil ohne Anhörung des Beschuldigten ergangenen Zuspruch von 31.000 S an die Privatbeteiligte Ursula S*** überdies in der Vorschrift des zweiten Satzes des § 365 Abs. 2 StPO.

Das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 30.April 1986 wird im bezeichneten Teil des Schuldspruchs sowie überdies gemäß § 289 StPO auch im verbleibenden Teil des Schuldspruchs sowie demgemäß im Strafausspruch und im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Text

Gründe:

Aus dem angeschlossenen Akt 1 U 25/86 des Bezirksgerichtes Vöcklabruck ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Zufolge Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Attnang-Puchheim vom 2.April 1986 stand der am 20.August 1954 geborene Kraftfahrer Alfred S*** im Verdacht des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB, begangen seit etwa September 1985 an der Ehefrau Ursula S*** und den beiden gemeinsamen Kindern (Kerstin, geboren am 23.Mai 1983, und Manuel, geboren am 15.Oktober 1984). Auf Grund dieser Anzeige beantragte der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Vöcklabruck am 9.April 1986 die Bestrafung des Alfred S*** wegen Vergehens nach § 198 Abs. 1 StGB. Die Vorladung (StPOForm Lad 4) zur hierüber vom Bezirksgericht Vöcklabruck (unter AZ 1 U 25/86) für den 30. April 1986 angeordneten Hauptverhandlung wurde im Wege der Gendarmerie (§ 80 Abs. 3 StPO) zugestellt und vom Beschuldigten am 26. April 1986 persönlich übernommen (Rückschein bei ON 4); in ihr wurde als Gegenstand der Hauptverhandlung der Verdacht des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB zum Nachteil der Gattin und der beiden ehelichen Kinder seit September 1985 bezeichnet (AS 2 oben).

Als der Beschuldigte ungeachtet dieser Vorladung am 30.April 1986 nicht erschien, wurde die Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit durchgeführt. Nach Schluß des Beweisverfahrens, in welchem vor allem Ursula S*** als Zeugin einvernommen worden war, die sich dem Strafverfahren gegen ihren Ehegatten mit einem Betrag von 31.000 S als Privatbeteiligte angeschlossen hatte, beantragte der Bezirksanwalt "Bestrafung des Beschuldigten mit Ausdehnung des Strafantrages bis heute" (AS 22 unten). Hierauf wurde Alfred S*** in Abwesenheit schuldig erkannt, seit

September 1985 bis 29.April 1986 in Vöcklabruck dadurch, daß er für seine Gattin Ursula S*** und seine beiden oben erwähnten ehelichen Kinder mit Ausnahme der Zahlung von 2.000 S zu Weihnachten 1985 und von 1.000 S im Jänner 1986 keinerlei Zahlungen leistete, seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt zu haben, daß der Unterhalt der Unterhaltsberechtigten ohne Hilfe von anderer Seite, nämlich Unterstützung seitens Olga R***, gefährdet gewesen wäre, und hiedurch das Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB begangen zu haben. Nach dieser Gesetzesstelle wurde über ihn eine Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Wochen verhängt. Der Privatbeteiligten Ursula S*** wurde gemäß § 369 Abs. 1 StPO ein Betrag von 31.000 S zugesprochen.

Dieses Urteil (ON 5 des Aktes) wurde samt Rechtsmittelbelehrung Alfred S*** zu eigenen Handen zugestellt und erwuchs am 31. Mai 1986 in Rechtskraft. Infolge Gewährung eines Strafaufschubs bis Jahresende 1986 hat der Verurteilte die über ihn verhängte Freiheitsstrafe bisher nicht angetreten.

Rechtliche Beurteilung

Das Gesetz ist durch Urteilsfällung in Abwesenheit dieses Beschuldigten auch in bezug auf die Unterhaltsverletzung während des vom schriftlichen Bestrafungsantrag des Bezirksanwaltes nicht erfaßt gewesenen Zeitraumes vom 10.April 1986 bis 29.April 1986 in der Bestimmung des § 459 StPO, und durch den Zuspruch an die Privatbeteiligte überdies im zweiten Satz des § 365 Abs. 2 StPO verletzt worden.

Gemäß § 459 StPO kann der Richter bei Ausbleiben des Beschuldigten von der Hauptverhandlung ungeachtet gehöriger Vorladung - sofern er nicht dessen Vernehmung nötig findet - das Verfahren beginnen, die Beweise aufnehmen und nach Anhörung des Anklägers das Urteil fällen und verkünden, welches sodann dem ausgebliebenen Beschuldigten in amtlicher Abschrift zuzustellen ist. Gehörig ist die Vorladung aber nur, wenn sie auch der Vorschrift des § 454 StPO entspricht, derzufolge sie insbesondere die wesentlichen Tatsachen der dem Beschuldigten zur Last gelegten strafbaren Handlung enthalten muß.

Die Bezeichnung der Straftat in der Vorladung des Bezirksgerichtes Vöcklabruck für den 30.April 1986 konnte sich - trotz fehlender Angabe eines Endtermins der Deliktsbegehung - nur auf jene Begehungszeit der Unterhaltsverletzung beziehen, die auch vom schriftlichen Bestrafungsantrag des Bezirksanwaltes vom 9.April 1986 erfaßt gewesen war. Eine künftige Fortsetzung der Unterhaltsverletzung im über den letzterwähnten Tag hinausgehenden Zeitraum war ursprünglich nicht als Gegenstand der Hauptverhandlung vorgesehen gewesen und hatte daher auch in der Vorladung keine Erwähnung finden können. Über den insoweit erst in der Hauptverhandlung ausgedehnten Antrag des Bezirksanwaltes auf Bestrafung hätte das Bezirksgericht daher in Abwesenheit des Beschuldigten nicht verhandeln und entscheiden dürfen (EvBl. 1976/123; 12 Os 127/76; JBl. 1968, 378 = RZ 1967, 199 ua).

Ebensowenig war es zulässig, der Privatbeteiligten den von ihr erst in der Hauptverahndlung begehrten Betrag in Abwesenheit des Beschuldigten - sohin ohne dessen Anhörung - zuzusprechen; handelt es sich doch bei der Vorschrift des zweiten Satzes des § 365 Abs. 2 StPO, wonach der Beschuldigte über gegen ihn erhobene privatrechtliche Ansprüche zu vernehmen ist, um ein zwingendes - dem Grundsatz des beiderseitigen Gehörs Rechnung tragendes - Gebot (Mayerhofer-Rieder 2 , § 365 StPO, EGr. 19 bis 21). Die Gesetzesverletzung nach § 459 StPO hatte nicht nur die Aufhebung des betroffenen Teils des Schuldspruches, sondern infolge untrennbaren Zusammenhanges die Kassation des gesamten Schuldspruches gemäß § 289 StPO zur Folge. Im erneuerten Verfahren wird im Falle eines Privatbeteiligtenanspruches zu prüfen sein, ob nicht bereits (ganz oder teilweise) ein Exekutionstitel vorliegt. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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