OGH 13Os23/91

OGH13Os23/9117.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.April 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rosemarie H***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3, 148, zweiter Fall, StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 13.Dezember 1990, GZ 10 Vr 84/89-220, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt bzw. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung der Schuldspruchfakten laut Punkt A des Urteilssatzes sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 2.November 1947 geborene, beschäftigungslose Rosemarie H***** zu A 1 bis 7 des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 (zu ergänzen: Abs. 3), 148 (zu ergänzen: zweiter Fall) und dem § 15 StGB, zu B des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt. Ihr liegt - kurz zusammengefaßt - zur Last, in der Zeit vom 18.November 1988 (letzte Haftentlassung) bis zum 21.Jänner 1989 (neuerliche Festnahme) gewerbsmäßig durch Vortäuschung ihrer Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit, insbesondere durch Hingabe ungedeckter Schecks, in 22 Fällen Personen zum Abschluß von Beherbergungsverträgen (Faktum 1), zu verschiedenen Verkäufen (Fakten 2 und 3), einer kosmetischen Behandlung (Faktum 4), zur Herstellung und Lieferung kunstgewerblicher Gegenstände (Faktum 5), zur Ausfolgung von Flugscheinen (Faktum 6), zur Vermittlung eines zum Kauf geeigneten Hauses, zur Errichtung eines Kaufvertrages über eine angekaufte Liegenschaft sowie zur Übergabe dieser Liegenschaft und Vorkehrungen für deren Bewirtschaftung (Faktum 7) verleitet zu haben, wobei ein Schaden von (gerundet) 3,3 Mio S teils entstanden ist, teils entstehen sollte. Davon entfällt der Betrag von 2,75 Mio S allein auf den Erwerb der Liegenschaft (Faktum 7 d), worin entgegen der Annahme des Erstgerichtes im Hinblick auf die erfolgte Übergabe des Kaufgegenstandes sogar vollendeter und nicht bloß versuchter Betrug gelegen ist (SSt. 55/71).

Zu B hat sie den Untersuchungsrichter in ihrer Strafsache wissentlich falsch verdächtigt, zwei Briefe (entlastenden Inhalts) des Apostolischen Nuntius in Österreich an sie nicht weitergeleitet, ihr dadurch einen 500.000 S übersteigenden Schaden zugefügt und damit das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 und 2 StGB begangen zu haben.

Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer ausdrücklich auf den § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 9 lit. a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt die Angeklagte die Abweisung des Antrages auf zeugenschaftliche Ladung und Vernehmung des Apostolischen Nuntius in Österreich, DDr. Donato S*****, zum Beweis ihres diplomatischen Status und ihrer Tätigkeit für den Vatikan (S 188/IV). Der Antrag wurde vom Schöffengericht mit der Begründung abgewiesen, daß der Zeuge nicht zum Erscheinen gezwungen werden könne (S 197/IV). Tatsächlich hat DDr. S***** dreimaligen Ladungen zu Hauptverhandlungsterminen nicht Folge geleistet und zweimal durch seinen Rechtsvertreter mitteilen lassen, daß er das Erscheinen vor Gericht ablehne, weil er einerseits zur Person der Angeklagten, die er nur aus Briefen kenne, nichts sagen könne, und andererseits im Hinblick auf seinen diplomatischen Status nicht verpflichtet sei, vor österreichischen Gerichten zu erscheinen (ON 185, 217).

Die Verfahrensrüge versagt, denn die Beweisaufnahme ist unter den angeführten Umständen unmöglich, weil der Ladungszwang österreichischer Gerichte (§ 150 StPO) bei exterritorialen Zeugen aufgehoben ist (§ 61 StPO).

In der Mängelrüge (Z 5) wird dem Urteil Undeutlichkeit, Unvollständigkeit und offenbar unzureichende Begründung in Ansehung einerseits der subjektiven Tatseite beim Betrug, andererseits der beiden angeblichen von der Nuntiatur an die Angeklagte gerichteten Briefe vorgeworfen. Die zahlreichen als Betrug behandelten Rechtsgeschäfte der Angeklagten beträfen nur zivilrechtliche Verpflichtungen, zu denen sie sich bekenne. Sie habe sich weder bereichert, noch auch eine Schädigung ihrer Vertragspartner in Kauf genommen.

Dabei setzt sich die Beschwerdeführerin nicht mit der von den Tatrichtern für die Annahme eines Betrugsvorsatzes gegebenen Begründung auseinander und zeigt insbes. nicht auf, daß das Erstgericht den Urteilsannahmen entgegenstehende Verfahrensergebnisse übergangen hätte. Schon die Behauptung, sich in keinem Fall bereichert zu haben, ist besonders angesichts der Fakten unter 1/ bis 3/ und 6/a unverständlich, weil die Angeklagte in diesen Fällen vermögenswerte Leistungen tatsächlich empfangen hat, insbesondere durch die Betrügereien zu 1/ ihren Wohnbedarf während des ganzen Deliktszeitraumes befriedigte und sich dabei noch zusätzlich Bargeld verschaffte. Die dafür hingegebenen Schecks waren nach den Urteilsfeststellungen durchwegs nicht gedeckt, was die Angeklagte wußte, die über kein Einkommen verfügte und sich Bargeld nur durch Herauslockung von Geldbeträgen bei der Hingabe ungedeckter Schecks beschaffen konnte (US 17, 27). Mit der Behauptung der Angeklagten, über beträchtliches Vermögen zu verfügen, setzt sich das Gericht ausführlich auseinander (US 34 f) und kommt zu der zweifelsfreien Feststellung, daß es sich dabei um eine Erfindung der Angeklagten handelt.

Soweit die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit ihrem (noch zu behandelnden) Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund der Z 10 eine zureichende Begründung für das ihr angelastete gewerbsmäßige Vorgehen vermißt, weil ihr "eine besonders gefährliche innere Einstellung und damit ein hohes Maß an Charakterschuld" oder "eine Neigung zu chronischer Kriminalität" nicht (ausdrücklich) attestiert worden seien, ist ihr gleichfalls nicht zu folgen. Die vom Schöffengericht angestellten Überlegungen (vgl. insbes. US 39 f) vermögen die bekämpfte Feststellung zu tragen.

Aber auch hinsichtlich des Faktums B/ liegt kein Begründungsmangel vor. Angesichts der ausdrücklich gegen den Untersuchungsrichter Dr. W***** gerichteten auf Amtsmißbrauch lautenden Verdächtigung der Angeklagten (s. ON 152) bestand für das Gericht keine Notwendigkeit, ein anderwärtiges Verbleiben der angeblichen Briefe festzustellen.

Die Mängelrügen, die zum Teil auf eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung hinauslaufen, müssen daher versagen.

Die Rechtsrüge nach dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO hinsichtlich des Betruges übergeht die eindeutigen Feststellungen des Urteils zur subjektiven Tatseite. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, "daß bei Durchführung sämtlicher angebotener Beweismittel ihr eine betrügerische Vorgangsweise nicht angelastet werden könne, weil ihre Vermögenslage sehr wohl eine gut fundierte und vor allem auch liquide (!) war, ihr aber lediglich durch die Inhaftnahme die Möglichkeit genommen worden ist, die Korrektheit ihrer Vorgangsweise unter Beweis zu stellen", erschöpft sich nach Art einer Schuldberufung in einer Bekämpfung der Beweiswürdigung.

Hinsichtlich des Tatbestandes der Verleumdung wird zwar an sich richtig vermerkt, daß eine tatbestandsmäßige falsche Verdächtigung geeignet sein muß, die konkrete Gefahr einer wenn auch nur kurzfristigen behördlichen Verfolgung herbeizuführen (SSt. 47/19, 50/12 ua). Es wird aber vernachlässigt, daß es nach den Urteilsfeststellungen zu staatsanwaltschaftlichen Erhebungen gegen den angezeigten Untersuchungsrichter kam (US 29). Das Urteil stellt auch fest, daß sich der Angeklagte der Unrichtigkeit seiner Verdächtigung "voll bewußt" war (US 41), was nichts anderes als Wissentlichkeit bedeutet. Die Rüge geht daher nicht vom Urteilssachverhalt aus und ist nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt. Gleiches gilt für die (neuerliche) Behauptung eines exterritorialen Status, womit sich die Angeklagte von den einen solchen mit zureichender Begründung verneinenden Urteilsfeststellungen (US 33 f) entfernt.

Unter der Z 10 wird die Qualifikation des Betruges als gewerbsmäßig nach dem § 148 StGB bekämpft und behauptet, daß nach der Aktenlage von einer Absicht der Angeklagten, sich durch die wiederkehrende Begehung dieser Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nicht die Rede sein könne. Damit werden aber die gegenteiligen Urteilskonstatierungen (vgl. US 39 f) übergangen, sodaß auch diese Rüge einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung der behaupteten materiellen Urteilsnichtigkeit entbehrt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung teils gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO iVm dem § 285 a Z 2 StPO als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO als offenbar unbegründet zurückzuweisen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich jedoch der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, daß das angefochtene Urteil mit einer von der Angeklagten nicht geltend gemachten Nichtigkeit nach der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist.

Das Erstgericht hat zur Gewerbsmäßigkeit lediglich festgestellt, daß die Angeklagte "mit der Absicht laufend strafbare Handlungen begangen hat, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen" (US 39), wobei die von ihr "gesetzten Betrugshandlungen teilweise als schwere Betrugshandlungen im Sinn des § 147 Abs. 2 StGB zu werten" seien (US 40). Diese Konstatierungen reichen wohl für die Heranziehung des § 148, erster Fall, StGB aus, rechtfertigen aber nicht die Unterstellung der Taten unter den zweiten Fall dieser Gesetzesnorm. Dafür wäre nämlich erforderlich gewesen, unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen, daß das erkennende Gericht sachverhaltsmäßig als erwiesen annahm, es sei der Angeklagten darauf angekommen, sich gerade durch die wiederholte Begehung schwerer Betrügereien (hier: wertqualifiziert nach dem § 147 Abs. 2 StGB) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Die vorzitierten Urteilsfeststellungen, denen nur entnommen werden kann, daß die gewerbsmäßiger betrügerischer Delinquenz entsprechende Absicht des Täters auch die bloß gelegentliche Begehung eines schweren Betruges umfaßte, reicht für die Heranziehung des § 148, zweiter Fall, StGB ebensowenig aus wie der Umstand, daß schwerer Betrug infolge der Zusammenrechnung der Schadensbeträge vorliegt (vgl. Leukauf-Steininger Komm.2 § 148 RN 4; Kienapfel, BT II.Auflage § 148 RN 3; SSt. 47/63, 12 Os 135/85 ua).

Dieser Feststellungsmangel, der Nichtigkeit im Sinn der bereits zitierten Gesetzesstelle bewirkt, war als der Angeklagten zum Nachteil gereichend gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen aufzugreifen.

Da sich sohin zeigt, daß insoweit die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war gemäß dem § 285 e StPO in nichtöffentlicher Sitzung das angefochtene Urteil in den von Nichtigkeit betroffenen Aussprüchen aufzuheben und in diesem Umfang die Erneuerung des Verfahrens anzuordnen.

Mit ihrer dadurch gegenstandslos gewordenen Berufung war die Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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