OGH 6Ob512/91

OGH6Ob512/9111.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Aloisia Herta K*****, vertreten durch Dr. *****, wider die beklagte Partei Gebhard G*****, vertreten durch Dr. *****, wegen S 165.000 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 20. September 1990, GZ 2 R 178/90-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 4. April 1990, GZ 10 Cg 349/89-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.154 (darin S 1.359 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte und seine Ehefrau Elfriede G***** waren Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit dem Wohnhaus *****. Die Ehe wurde 1984 rechtskräftig geschieden. Nach der Scheidung bewohnten beide Eheleute räumlich getrennt zunächst noch das Haus *****. Das nacheheliche Aufteilungsverfahren war noch anhängig. Da es zwischen den geschiedenen Eheleuten immer wieder zu massiven Auseinandersetzungen kam, war eine räumliche Trennung geboten. Elfriede G***** war zum Auszug aus dem gemeinsamen Haus bereit, begehrte aber ausgehend davon, daß der Beklagte nach ihrem Auszug das Haus allein benützen und auch über Mieteinnahmen verfügen könne, ein monatliches Entgelt von S 6.000 ohne jeden Abzug. Der Beklagte, der diesem Vorschlag zunächst reserviert gegenüberstand, ließ sich von seinem Rechtsberater davon überzeugen, daß es ihm S 6.000 im Monat "wert sein" müsse, wenn seine geschiedene Frau ausziehe und die Streitigkeiten ein Ende hätten. Es wurde daher im Korrespondenzweg (Schreiben vom 12. August 1984, Bestätigung vom 13. August 1984) folgende Regelung getroffen: "Um weitere Auseinandersetzungen im Haus zu vermeiden, wird Elfriede G***** so rasch wie möglich eine Ersatzwohnung suchen und aus dem Haus ***** ausziehen. Der Beklagte verpflichtet sich, ab dem Tage des Auszuges Elfriede G***** einen monatlichen Betrag von S 6.000 im vorhinein als Benützungsentgelt für die alleinige Nutzung des Hauses bzw. des Hälfteanteiles zu bezahlen. Eine Kompensation des als Benützungsentgelt zu leistenden Betrages mit anderen Forderungen oder Verpflichtungen aus welchem Titel immer ist vereinbarungsgemäß nicht zulässig. Elfriede G***** wird den Betrag von S 6.000 daher für die Dauer der Gültigkeit dieser Vereinbarung monatlich ohne jeden Abzug erhalten und mit diesem Betrag die Kosten der von ihr zu beschaffenden Wohnung bestreiten. Diese Vereinbarung gilt bis zum Vorliegen einer endgültigen Regelung betreffend das Gebrauchsvermögen. Elfriede G***** behält sich weiters alle sonstigen Ansprüche (Unterhalt etc) ausdrücklich vor".

Der Beklagte ging bei Abschluß dieser Vereinbarung davon aus, daß das anhängige Aufteilungsverfahren in ein bis zwei Jahren abgeschlossen sei. Tatsächlich war das Verfahren noch zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Rechtsstreit nicht rechtskräftig erledigt.

Der Beklagte zahlte ca. durch 1 1/2 Jahre hindurch die vereinbarten S 6.000 monatlich. Dann stellte er die Zahlungen ein, weil ein Abschluß des Aufteilungsverfahrens nicht in Aussicht war.

Mit Kaufvertrag vom 14. Oktober 1987 erwarb die Klägerin von Elfriede G***** deren Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ *****.

In Punkt 3.1 des Kaufvertrages ist vereinbart: "Die Übergabe und Übernahme des Eigentumsanteiles erfolgt mit allen Rechten und Vorteilen, mit denen die Verkäuferin diesen besessen und benützt hat oder zu besitzen und benützen berechtigt gewesen wäre."

Elfriede G***** hatte die Klägerin vor dem Vertragsabschluß über die mit dem Beklagten getroffene Vereinbarung informiert und ihr auch eine Kopie des Schreibens vom 12. August 1984 übergeben. Die Klägerin erklärte ihrer Vertragspartnerin gegenüber, daß sie in diese Vereinbarung eintreten und nach Vertragsabschluß monatlich vom Beklagten S 6.000 kassieren werde.

Der Beklagte focht den zwischen Elfriede G***** und der Klägerin abgeschlossenen Kaufvertrag vom 14. Oktober 1987 mit Klage beim Landesgericht Feldkirch an, drang aber mit dieser Klage nicht durch.

Da die Klägerin der Meinung war, ein monatliches Benützungsentgelt von S 6.000 sei zu gering, forderte sie vom Beklagten mit Schreiben vom 14. April 1988 ein monatliches Nutzungsentgelt von S 10.000 und verlangte für den Zeitraum vom 14. Oktober 1987 bis 31. März 1988 einen Betrag von S 55.000. Der Beklagte reagierte auf dieses Schreiben nicht.

Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten, gestützt auf die zwischen den Eheleuten G***** als den seinerzeitigen Miteigentümern getroffene Benützungsregelung, in welche die Klägerin eingetreten sei, ein Benützungsentgelt von monatlich S 6.000 für den Zeitraum vom 14. Oktober 1987 bis Jänner 1990, insgesamt S 165.000 samt stufenweisen Zinsen, für die alleinige Benützung der Liegenschaft durch den Beklagten. Dieser wandte unter anderem ein, die mit seiner geschiedenen Frau nur befristet getroffene Vereinbarung sei nicht auf die Klägerin übergegangen.

Das Erstgericht gab der Klage (mit Ausnahme eines geringfügigen Zinsenmehrbegehrens) statt. Rechtlich sei davon auszugehen, daß die zwischen den Eheleuten G***** getroffene Vereinbarung vom 12./13.August 1984 nach ihrem Inhalt und Zweck eine für die Dauer des Aufteilungsverfahrens befristete Benützungsregelung darstelle. In diese Regelung sei die Klägerin eingetreten. Da die Ansprüche aus einer Benützungsregelung übertragungsfähig seien und auch abgetreten werden könnten, sei der Beklagte verpflichtet, der Klägerin das festgelegte Benützungsentgelt zu zahlen. Der Beklagte habe die Benützungsvereinbarung nicht aufgelöst und auch keinen Antrag im außerstreitigen Verfahren auf eine andere Benützungsregelung gestellt. Er müsse die mit seiner geschiedenen Frau getroffene Benützungsregelung daher gegen sich gelten lassen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Entgegen der in MietSlg. 16.041/34 vertretenen Rechtsansicht sei der vom Obersten Gerichtshof in SZ 54/163 dargelegten rechtlichen Beurteilung zu folgen, daß bei Veräußerung eines Miteigentumsanteiles die verbleibenden Miteigentümer an eine bisherige Gebrauchsregelung nur dann gebunden seien, wenn sie im Wege einer Vertragsübernahme dem Eintritt des neuen Miteigentümers ausdrücklich oder stillschweigend zustimmten. Wie bei allen im Gesetz nicht näher geregelten Dauerschuldverhältnissen müsse der dem Wesen des Schuldrechtes allein entsprechende Grundsatz gelten, daß die Parteien nur dann Dritten gegenüber an ein Schuldverhältnis gebunden blieben, wenn sie der Übernahme des Vertrages zustimmten.

Es entspreche auch der weit überwiegenden Judikatur, daß das Gebrauchsrecht des einzelnen Miteigentümers sich auf die ganze Sache beziehe und nur im Mitgebrauch der übrigen seine Schranke finde. Auch die Alleinbenützung des gemeinschaftlichen Gutes sei nicht rechtswidrig, wenn der andere Miteigentümer, aus welchem Grund auch immer, keinen Gebrauch der gemeinschaftlichen Sache in Anspruch genommen habe. Wolle dieser seinerseits Anteilsrechte geltend machen, ohne daß er sich auf eine schon zustandegekommene Benützungsregelung berufen könne, so stehe es ihm frei, eine Änderung des bisherigen Gebrauches durch eine einvernehmliche Regelung oder, wenn eine solche nicht zu erzielen sei, durch Anrufen des Außerstreitrichters anzustreben. Eine solche Neuordnung des Gebrauches wirke als konstitutiver Akt jedoch nur für die Zukunft; Benützungsentgelt für die Vergangenheit könne daher nicht begehrt werden.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil zur Frage der Bindung des verbleibenden Miteigentümers bei Veräußerung eines Liegenschaftsanteiles an eine vorher bestehende Benützungsregelung nur zwei einander widersprechende Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes auffindbar gewesen seien und hinsichtlich des Anspruches auf Benützungsentgelt für die Vergangenheit zwar eine überwiegende, aber keine völlig einheitliche Rechtsprechung bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung SZ 54/163 = MietSlg. 33.075/22 unter ausdrücklicher Ablehnung der in MietSlg. 16.041/34 vertretenen Rechtsansicht ausführlich dargelegt, daß eine vertragliche Überbindung einer bestehenden Benützungsregelung auf den Einzelrechtsnachfolger diesen binde, davon aber die Frage zu trennen sei, ob verbleibende Miteigentümer ohne ihre ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung auch an eine Vereinbarung des früheren Miteigentümers mit dem neuen gebunden seien. Bei Dauerschuldverhältnissen sei die Fortsetzung des Rechtsverhältnisses mit einem Neueintretenden nur mit Zustimmung der verbliebenen früheren Vertragspartner möglich. Auch für Benützungsregelungen zwischen Miteigentümern habe der allgemeine Grundsatz Anwendung zu finden, daß selbst bei Überbindung der Gebrauchsregelung an den neuen Miteigentümer jeder verbleibende Miteigentümer an die seinerzeit getroffene oder gerichtlich angeordnete Benützungsregelung nur dann gebunden bleibe, wenn er dieser Vereinbarung durch Vertragsübernahme ausdrücklich oder stillschweigend zustimme. Diese Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof seither beibehalten (6 Ob 712/87). Sie findet auch Zustimmung in der Lehre (Gamerith in Rummel ABGB2 Rz 4 zu § 834, der noch darauf hinweist, daß die Einräumung des Benützungsrechtes häufig aus persönlichen Rücksichten auf einen Teilhaber erfolgt). Dies trifft in ganz besonderem Maße auf die hier vorliegende Benützungsregelung der früheren Miteigentümer zu. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch darauf hingewiesen, daß selbst die Entscheidung MietSlg. 16.041/34 eine Bindung der verbleibenden Miteigentümer an eine frühere Benützungsregelung nur bei Fehlen einer ausdrücklichen Einschränkung in der Vereinbarung angenommen hat, sich aber im vorliegenden Fall eine Einschränkung der Regelung auf die Personen der früheren Miteigentümer nach dem Zweck der Regelung und deren vereinbarter Dauer zweifelsfrei ergibt.

Darin aber, daß ein Miteigentümer, solange er es unterläßt, eine seinem Miteigentumsanteil entsprechende Benützungsregelung herbeizuführen, von dem anderen für die Vergangenheit kein Benützungsentgelt verlangen kann, wenn dieser das gemeinsame Gut über seine Quote hinaus gebraucht oder nutzt, stimmen die neuere einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und die Lehre überein (SZ 58/10 = JBl 1985, 614 - unter ausdrücklicher Ablehnung der vereinzelt gebliebenen Entscheidung JBl 1983, 486 = MietSlg. 34.171 -; SZ 60/83, 7 Ob 1509/90, Gamerith aaO Rz 2 zu § 839 uva).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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