OGH 2Ob10/91

OGH2Ob10/9110.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner, Dr. Schwarz und Dr. Schinko als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Rupert L*****, vertreten durch seinen Vater Josef L*****, dieser vertreten durch Dr. Günther Stanonik, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) Cornelia ***** W*****, und 2.) ***** Versicherungsaktiengesellschaft, 5020 Salzburg, ***** beide vertreten durch Dr. Ernst Blanke, Rechtsanwalt in Hallein, wegen S 508.628,- sA (Revisionsinteresse S 258.628,- sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 30. November 1990, GZ 4 R 84/90-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12. Jänner 1990, GZ 12 Cg 428/88-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, den Beklatgen die mit S 11.971,08 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 1.995,18 Umsatzsteuer) je zur Hälfte binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 25.5.1986 ereignete sich in E***** aus dem Alleinverschulden der Erstbeklagten ein Verkehrsunfall, bei welchem der Kläger schwer verletzt wurde. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer des PKWs der Erstbeklagten. Die Zweitbeklagte bezahlte dem Kläger bisher S 700.000,-- an Schmerzengeld und S 150.000,-- an Verunstaltungsentschädigung.

Der Kläger begehrte noch weitere S 200.000,-- sA an Schmerzengeld und S 50.000,-- sA an Verunstaltungsentschädigung; außerdem beantragte er die Zuerkennung eines Betrages von S 258.628,-- sA für die Errichtung eines Schwimmbeckens.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten eine Gegenforderung von S 195.800,-- aufrechnungsweise gegen die Klageforderung ein.

Das Erstgericht stellte die Klageforderung mit S 100.000,-- als zu Recht, das Mehrbegehren und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend fest, sprach dem Kläger S 100.000,-- sA zu und wies das Mehrbegehren von S 408.628,-- sA ab. Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Parteien nicht Folge. Es erklärte die ordentliche Revision zur Frage des Ersatzes der Kosten für die Errichtung eines Schwimmbeckens für zulässig. Nur diese sind Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Die Vorinstanzen trafen in diesem Belang folgende Feststellungen:

Der am 19.6.1972 geborene Kläger erlitt bei dem Verkehrsunfall eine traumatische Amputation des rechten Oberschenkels und des linken Unterschenkels, einen Bruch der rechten Elle, einen Pneumothorax links, Prellungen des Brustkorbes und des Brustbeines, einen Blutungsschock und ein psychisches Trauma. Nunmehr sind die Amputationsstümpfe zwar fest verheilt, im Röntgen sieht man jedoch bereits eine Auflockerung des Weichteilmantels besonders im Bereich des rechten Oberschenkelstumpfes. Bedingt durch das noch nicht abgeschlossene Wachstum und durch die Inaktivitätsatrophie der Oberschenkelmuskulatur ist ein Durchspießen der Amputationsstümpfe durch den Weichteilmantel nicht auszuschließen. Es sind dann weitere Kürzungen des Knochens und neuerliche Weichteiloperationen durchzuführen. Auf Grund des jugendlichen Alters und des Ehrgeizes des Patienten, sich mit Prothesen fortzubewegen, wird eine solche Komplikation nicht zu vermeiden sein. Als Spätkomplikation ist eine Früharthrose im Bereich beider Hüftgelenke durch die schlechte Gewichtsverteilung anzunehmen.

Der Kläger wollte sich nach Schulabschluß einer Kochlehre unterziehen. Auf Grund der Folgen des Unfalles war er dazu nicht mehr in der Lage. Er absolviert derzeit eine Lehre als kaufmännischer Angestellte in seiner Heimatgemeinde E*****. Durch die Beinprothesen ist es ihm möglich, ohne Zuhilfenahme von Krücken aufrecht zu gehen, in der Regel allerdings nur für einen Zeitraum von 15 bis 20 Minuten einmal pro Tag. Das Gehen selbst ist unregelmäßig und "unrund", sodaß für Außenstehende auch ohne Erkennen der Prothesen eine Behinderung sichtbar ist. Die seelische Rehabilitation des Klägers verlief bisher günstig, da keine Zeichen einer neurotischen Entwicklung oder einer Persönlichkeitsstörung feststellbar sind. Erlebnisreaktiv ist das Selbstvertrauen noch vermindert, eine Affektlabilität wird verstandesmäßig gut kontrolliert, sodaß der junge Mann stimmungsmäßig stabil ist. Er verfügt über eine gute soziale Kontaktfähigkeit. Sein Freundeskreis hat sich seit dem Unfall nicht verändert. Er besucht auch Tanzlokale, ohne jedoch auf die Tanzfläche zu gehen. Der Kläger findet sowohl in seiner Familie als auch im Freundeskreis einen guten Rückhalt. Er spielte bereits vor dem Unfall Tennis und übt nun gelegentlich diesen Sport wieder in der Weise aus, daß ihm für die Dauer von ungefähr 20 Minuten von Freunden die Bälle zugespielt werden. Er ist außerdem in der Lage, Rad zu fahren. Seit kurzem verfügt er über ein von der zweitbeklagten Partei finanziertes behindertengerechtes Moped mit Automatik. Von jenen Sportarten, die der Kläger vor dem Unfall ausübte, ist Schwimmen jener Sport, bei welchem sich seine Behinderung am geringsten auswirkt. Nach der Entlassung aus dem REHAB-Zentrum war Schwimmen die einzige Möglichkeit für ihn, sich sportlich zu betätigen. Schwimmen war nicht nur ein optimales körperliches Rehabilitationsmittel, sondern war auch für die psychische Gesundung von erheblicher Bedeutung. Auch wenn es nun noch andere sportliche Möglichkeiten für den Kläger gibt, ist Schwimmen die beste Möglichkeit davon. Zum Schwimmen muß der Kläger die Beinprothesen abnehmen. Es gibt auch sogenannte Wasserprothesen, die über ein Ventil beim Einsteigen ins Wasser geflutet werden müssen. Solche Prothesen müssen zum Schwimmen nicht abgenommen werden; in einem öffentlichen Bad ist die Behinderung jedoch deutlich für jedermann erkennbar.

Im Frühjahr 1987 ließ der Vater des Klägers auf einem benachbarten Grundstück, das dem Großvater des Klägers gehörte, ein Schwimmbad errichten. Die Kosten dafür betrugen insgesamt S 258.592,--. Um das Schwimmbad möglichst lange nutzen zu können, wird das Wasser bis in den Herbst hinein geheizt. Der Vater des Klägers errichtete für diesen deshalb das Schwimmbad, um ihm den Besuch eines öffentlichen Bades zu ersparen. Im Heimatort des Klägers gibt es kein öffentliches Schwimmbad; das nächste befindet sich in dem ungefähr 6 bis 7 km entfernten Altenmarkt. Während der Kläger vor dem Unfall sehr oft in dieses Bad fuhr, lehnt er nun auf Grund seiner Verletzungen den Besuch eines öffentlichen Bades ab. Wenn der Kläger in sein Bad schwimmen geht, so nimmt er vorher in seinem Zimmer die Beinprothesen ab, fährt dann mit dem Rollstuhl bis zum Schwimmbad und geht schwimmen. Aus dem Wasser in den Rollstuhl zurück gelangt der Kläger ohne fremde Hilfe. Wollte der Kläger ein öffentliches Bad ohne Verwendung des Rollstuhles aufsuchen, so könnte er zwar ohne Hilfe am Schwimmbeckenrand die Prothesen abnehmen und schwimmen gehen, bräuchte allerdings nach dem Verlassen des Bades fremde Hilfe, um die Oberschenkelprothese anzuziehen, da er dabei stehen muß. Würde er ein öffentliches Bad aufsuchen, so würde diese Zurschaustellung seiner Behinderung zumindest eine schwere seelische Belastung für den Kläger darstellen. Die zweitbeklagte Partei finanzierte verschiedene behindertengerechte Umbauarbeiten im Haus des Klägers; unter anderem bezahlte sie für einen Behindertenaufzug S 195.800,--. Bisher wurde ein solcher Aufzug noch nicht eingebaut.

Beide Vorinstanzen erachteten das Begehren des Klägers auf Ersatz der Kosten für die Errichtung des Schwimmbades als unberechtigt. Es handle sich dabei weder um Heilungskosten noch um solche für vermehrte Bedürfnisse. Die Unlustgefühle des Klägers, den Schwimmsport allein um der Freude an der Bewegung willen nicht mehr ausüben zu können, seien bei der Bemessung des Schmerzengeldes zu berücksichtigen, begründeten aber keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten eines eigenen Schwimmbades.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers aus den Anfechtungsgründen des § 503 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und ihm auch die Kosten für die Errichtung des Schwimmbades von S 258.628,-- zuzuerkennen.

Die Beklagten beantragten in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger vertritt den Standpunkt, daß die Errichtung des eigenen Schwimmbades zweckmäßig gewesen sei, um den guten Heilungserfolg zu erzielen. Die Kosten der Errichtung desselben habe daher der am Unfall schuldige Schädiger zu tragen.

Grundsätzlich ist es richtig, daß dem Verletzten unter dem Titel der Heilungskosten im Sinne des § 1325 ABGB alle Aufwendungen zu ersetzen sind, die durch die Körperverletzung veranlaßt wurden und die gegenüber den ohne den Unfall erforderlich gewesenen gewöhnlichen Aufwendungen in der Absicht gemacht wurden, die gesundheitlichen Folgen des Unfalles zu beseitigen oder doch zu bessern (vgl Wolff in Klang2 VI, 129 f; Ehrenzweig II/1, 627; ZVR 1957/61; 1963/144, ZVR 1983/281 ua). Auch die Kosten aus einer unfallsbedingten Vermehrung der Bedürfnisse im Sinne des § 13 Z 3 EKHG fallen darunter (ÖRZ 1984/12; ZVR 1982/67 ua). Zu den zu ersetzenden Heilungskosten gehört jeder Aufwand, der zweckmäßig zur gänzlichen oder teilweisen Heilung erforderlich ist (ZVR 1963/144; ZVR 1976/264; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 14 zu § 1325). Auch Auslagen zur Linderung der Schmerzen oder des Leidens sind Heilungskosten (vgl Reischauer aaO Rz 16; Grunsky in Münchener Kommentar Rz 6 a zu § 249). Die Aufwendungen müssen sich aber im Rahmen des Angemessenen halten (vgl BGH NJW 69, 2281; Palandt BGB 49, 266). Sie finden ihre Grenze in der Pflicht zur möglichsten Geringhaltung des Schadens. Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof in vergleichbaren Fällen nicht die Kosten des Ausbaues eines Eigenheimes für den invaliden Geschädigten, sondern nur jene zusätzlichen Mehrauslagen als Schadenersatz zuerkannt, die für den behindertengerechten Ausbau des Hauses erforderlich waren (8 Ob 60/86); ebenso erachtete er die Kosten des Erwerbes einer angemessenen Eigentumswohnung nur in jenem Ausmaß, das durch die behindertengerechte Ausstattung einer solchen Wohnung oder die sonstige Befriedigung unfallsbedingt vermehrter Bedürfnisse der Klägerin verursacht wurde, für berechtigt (2 Ob 2/89).

Die gleichen Grundsätze haben auch im vorliegenden Fall zu gelten. Dem Verletzten - gegen dessen Aktivlegitimation zur Geltendmachung des Schadens grundsätzlich keine Bedenken bestehen (vgl RZ 1984/12; 8 Ob 82, 149/80 ua) - gebührte daher nicht Ersatz der Auslagen für die Errichtung des Schwimmbades, sondern nur jener, die zur Adaptierung desselben auf die Benützbarkeit durch den behinderten Kläger unmittelbar erforderlich waren. Der Kläger hat dazu jedoch nichts vorgebracht. Er hat zwar in der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung (AS 75) ein Konvolut von Rechnungen über das Schwimmbad vorgelegt (Beilage C); daraus läßt sich aber kein Posten entnehmen, aus dem auf zusätzliche Auslagen zur behindertengerechten Nutzbarmachung des Schwimmbeckens für den Kläger geschlossen werden könnte. Auch in der Revision bringt er dazu nichts vor. Die Vorinstanzen sind daher zutreffend auf den zuletzt angeschnittenen Themenkreis nicht eingegangen und haben das Begehren auf Ersatz der Kosten für die Errichtung des Schwimmbeckens mit Recht abgewiesen.

Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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