OGH 7Ob517/91 (7Ob518/91)

OGH7Ob517/91 (7Ob518/91)21.3.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef H*****, vertreten durch Mag. iur. Alfred Bergthaler, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagten Parteien 1.) Franz S*****,

2.) Aloisia S*****, 3.) Johann S***** vertreten durch Dr. Herbert Stüger, Rechtsanwalt in Frankenmarkt, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 2 C 34/83 des Bezirksgerichtes Frankenmarkt (Streitwert S 20.000,-) infolge Rekurses und Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 17. September 1990, GZ R 723, 724/90-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 17. April 1990, GZ 2 C 127/90-4, hinsichtlich des Drittbeklagten als nichtig aufgehoben und hinsichtlich der beiden Erstbeklagten bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:

"Die gegen den Drittbeklagten erhobene Wiederaufnahmsklage wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Drittbeklagten S 841,98 (darin S 140,33 Umsatzsteuer) an Prozeßkosten erster Instanz und S 2.497,83 (darin S 416,27 Umsatzsteuer) an Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Alleineigentümer der Parzelle ***** (Wiese) in der EZ *****. Die beiden Erstbeklagten waren 1983 je zur Hälfte Alleineigentümer der benachbarten Waldparzellen Nr. *****. Sie haben ihr gesamtes Anwesen und daher auch diese Parzellen am 4. 8. 1986 ihrem Sohn, dem Drittbeklagten, übergeben. Mit Urteil vom 5. 12. 1988 wies das Erstgericht zu 2 C 34/83-81 das Begehren des dortigen und nunmehrigen Klägers, gegenüber dem Erst- und der Zweitbeklagten möge festgestellt werden, daß sie kein Fahrrecht mit Wirtschaftsfuhren aller Art sowie kein Umkehrrecht über das dem Kläger gehörende Grundstück ***** haben, ab und gleichzeitig mit Beschluß den vom Kläger gestellten Zwischenantrag auf Feststellung, daß der Erst- und die Zweitbeklagte eine rechtlich gesicherte (andere) Zufahrt zu ihren Grundstücken hätten, zurück. Der vom Kläger nur gegen das Urteil erhobenen Berufung wurde mit Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 3. 4. 1989 zu R 150/89-88, nicht Folge gegeben und ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, S 60.000,- nicht übersteigt.

Am 9. 3. 1990 erhob der Kläger gegen Franz und Aloisia S***** einerseits und gegen Johann S***** andererseits auf die Tatbestände des § 530 Abs.1 Z 2, 3 und 7 ZPO gestützte Wiederaufnahmsklagen mit dem Begehren auf Beseitigung des im Vorverfahren erflossenen Urteils. Er bewertete seine Begehren gleich jenem des wiederaufzunehmenden Verfahrens mit S 20.000,-. Das Erstgericht verband in der ersten mündlichen Streitverhandlung am 10. 4. 1990 die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Es wies den Antrag des Klägers auf Fällung einers Versäumungsurteiles gegen den Drittbeklagten ab. Gleichzeitig wies es auch beide Klagebegehren ab bzw. mit der Begründung zurück, daß sämtliche geltend gemachte Wiederaufnahmsgründe nicht vorlägen bzw. einige der geltend gemachten Gründe bereits verfristet seien.

Mit der angefochtenen Entscheidung hob das Berufungsgericht aus Anlaß der Berufung des Klägers das den Drittbeklagten Johann S***** betreffende Urteil und das diesem vorangehende Verfahren als nichtig auf und wies die gegen diesen gerichtete Klage zurück. Es sprach gleichzeitig aus, daß zu diesem Punkt die Erhebung des Rekurses zulässig sei. Im übrigen gab es der Berufung des Klägers gegen das (nur mehr die beiden Erstbeklagten betreffende) Urteil nicht Folge, bestimmte den Wert des Streitgegenstandes als mit S 50.000,- nicht übersteigend und sprach aus, daß die Revision jedenfalls unzulässig sei. Da der Veräußerung der streitverfangenen Sache auch im Wiederaufnahmsverfahren kein Einfluß zukomme und kein Eintritt des Übernehmers Johann S***** in den Streit nach § 234 Satz 2 ZPO erfolgt sei, sei dieser passiv nicht legitimiert. Das gegen ihn ergangene Urteil und das diesem vorausgegangene Verfahren seien daher nichtig. Ansonsten teilte das Berufungsgericht die Rechtsansicht des Erstgerichtes, es liege kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund vor. Es begründete die Bewertung des Steitgegenstandes mit der geringen wirtschaftlichen Bedeutung der vom Kläger gewünschten Feststellung.

Der Kläger begründete die Zulässigkeit seiner "außerordentlichen" Revision, daß für die Bewertung nicht nur das Interesse des Hauptbegehrens des wiederaufzunehmenden Verfahrens, sondern auch das mit S 45.000,- bewertete Interesse am im wiederaufzunehmenden Verfahren gestellten Zwischenantrag auf Feststellung maßgeblich sei. Der zusammenzurechnende Streitwert dieser beiden Rechtsschutzbegehren stelle daher auch den Streitwert des wiederaufzunehmenden Verfahrens dar. Eine Bewertung unter S 50.000,- sei daher unzulässig gewesen. Gleichzeitig erhob er gegen die Nichtigkeitserklärung hinsichtlich des Drittbeklagten einen (Revisions-)Rekurs.

Das Erstgericht wies mit Beschluß vom 15. 1. 1991 zu 2 C 127/90w-18 die "außerordentliche" Revision des Klägers gemäß § 502 Abs.2 ZPO als unzulässig zurück.

Dem dagegen erhobenen Rekurs des Klägers gab das Berufungsgericht als Rekursgericht Folge und trug dem Erstgericht die Vorlage der außerordentlichen Revision auf. Dem Höchstgericht müsse (in jedem Fall) eine Überprüfung der Bewertung des Berufungsgerichtes dort zustehen, wo der Streitgegenstand nicht in Geld bestehe. Der Bewertungsausspruch des Berufungsurteils sei nur belehrend und schließe daher nicht die Erhebung einer außerordentlichen Revision aus.

Rechtliche Beurteilung

Der (Revisions-)Rekurs des Klägers gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes, womit dieses das gegen den Drittbeklagten Johann S***** geführte Verfahren als nichtig aufhob und die Klage zurückwies, ist zulässig, aber nur teilweise berechtigt, die "außerordentliche" Revision erweist sich als Bekämpfung einer nicht revisiblen Entscheidung und daher als absolut unzulässiges Rechtsmittel.

1.) Zum (Revisions-)Rekurs:

Nach der nunmehrigen Fassung des § 519 Abs.2 ZPO ist, wenn erstmals das Berufungsgericht die Unzulässigkeit der Klage oder der Berufung aufgreift und daher funktionell gleichsam als erste Instanz entscheidet (ein Rekurs gegen seine Entscheidung nicht durch § 502 Abs.1 nF ZPO beschränkt (vgl. Petrasch, ÖJZ 1989, 750; sowie 6 Ob 639/90 und 7 Ob 615/90).

Dem Rekurs des Klägers kommt jedoch nur insoweit Berechtigung zu, als das Berufungsgericht eine Nichtigkeit annahm. Richtig ist, daß ein Wiederaufnahmsklagebegehren grundsätzlich nur gegen die Parteien des Vorprozesses gerichtet werden kann (MGA ZPO14 § 543/4 iVm § 529/3 ff) und der Drittbeklagte mangels eines Eintrittes nach den §§ 19 Abs.2, 234 Satz 2ZPO vom Kläger nicht in Anspruch genommen werden konnte. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes bewirkt die Klage gegen eine Person, die mangels Zutreffens der aus der Klage abgeleiteten Rechtsfolgen, dem Rechtsschutzbegehren des Klägers nicht entsprechen kann (mangelnde Passivlegitimation) keine Nichtigkeit (SZ 24/283), sondern führt zur Abweisung des Klagebegehrens (vgl. Fasching LB2 Rz 338). Die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung betrifft einen rechtswidrig vorgenommenen Parteiwechsel und kann daher zur Lösung der vorliegenden Frage nicht herangezogen werden. Aufgrund der eindeutigen Rechtslage war aber das gegen die drittbeklagte Partei erhobene Wiederaufnahmsbegehren nach § 543 ZPO mit Beschluß zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs.1 ZPO. Der Prozeßerfolg der klagenden Partei mit einer rein formellen Änderung des Spruches, die das Endergebnis in keiner Weise beeinflußt, kann ihr nicht als Prozeßerfolg zugerechnet werden.

2.) Zur "außerordentlichen" Revision des Klägers:

Der Ausspruch, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 50.000,- übersteigt, ist gemäß § 500 Abs.3 und 4 ZPO unanfechtbar und bindend, sofern nicht zwingende Bewertungsvorschriften (§ 500 Abs.3 ZPO) verletzt wurden (vgl. Petrasch aaO mwN).

Nach § 56 Abs.2 (und § 59) JN kann der Kläger sein nicht in Geld bestehendes (Unterlassungs-)Begehren soweit keine bindenden Bewertungsvorschriften verletzt wurden, frei bewerten; unterläßt er dies, so ist der Streitwert mit S 30.000,- anzunehmen. Nach § 500 Abs.2 Z 1 ZPO hat das Berufungsgericht in einem solchen Fall in seinem Urteil auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 50.000,- übersteigt oder nicht; nach Z 2 leg.cit. ist bei einer Bewertung unter S 50.000,-, falls nicht die Ausnahmsregelung nach § 502 Abs.3 ZPO zutrifft, auszusprechen, daß die Revision jedenfalls unzulässig ist.

Richtig ist, daß die Aufzählung der Bewertungsbestimmungen der JN im § 500 Abs.3 ZPO idF der WGN 1989 im Gegensatz zur früheren Fassung laut ZVN 1983 nicht mehr die Bestimmung des § 56 Abs.2 und des § 59 JN erwähnt. Dies ist aber nur auf die durch die Eröffnung des Revisionsverfahrens in Unterhaltsbemessungsfragen unter gleichzeitiger Aussetzung der S 50.000,- Wertgrenze in bestimmten Bestandsachen redaktionell notwendig gewordene Zusammenfassung all jener Bestimmungen, die zwingende Bewertungsvorschriften enthalten, im nunmehrigen § 500 Abs.3 ZPO zurückzuführen. Mit der nunmehrigen Neuformulierung sollte daher nicht der Ausspruch des Berufungsgerichtes über den Wert eines nicht in Geld bestehenden Streitgegenstandes, für den keine gesetzliche Bewertungsvorschrift besteht, durch den Obersten Gerichtshof überprüfbar gemacht, sondern nur zum Ausdruck gebracht werden, daß allein die im § 502 Abs.3 ZPO bezeichneten Personenstands- und Bestandsstreitigkeiten von der wertmäßigen Revisionsbeschränkung bis zu S 50.000,- ausgenommen sein sollen. Dementsprechend zählt § 500 Abs.3 ZPO nur mehr zwingende Bewertungsvorschriften auf. Daraus ergibt sich, daß es bei all denjenigen Bewertungen, die keinerlei gesetzlicher Normierung unterliegen, bei der Rechtslage, wie sie durch die ZVN 1983 geschaffen worden ist, zu verbleiben hat. Diese Bewertungen des Berufungsgerichtes bleiben daher weiterhin unüberprüfbar (vgl. AB, 991. der Blg zur XVII GP des NR 67, im Zusammenhalt mit den Ausführungen auf S. 65). Eine Änderung dieser Bewertungsfreiheit durch das Berufungsgericht durch die WGN 1989 ist weder dem Gesetz noch den Materialien zu entnehmen. Der gegenteiligen Meinung Stohanzls (MGA ZPO14 § 500 Anm 4) und Steiningers (RZ 1989, 236 und 258) ist der Oberste Gerichtshof nicht gefolgt (vgl. JUS Extra 1990, 493). Der Ausspruch des Berufungsgerichtes, daß der Streitgegenstand S 50.000,- nicht übersteigt ist daher für den Obersten Gerichtshof bindend und die Erhebung einer Revision gegen dieses Berufungsurteil unzulässig. Die Ausführungen des Berufungsgerichtes in der Rekursentscheidung vom 6. 2. 1991 (ON 21) enthalten keine Berichtigung dieses Bewertungsausspruches.

Das gegen eine nicht revisible Entscheidung gerichtete unzulässige Rechtsmittel einer Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40 und 50 ZPO.

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