OGH 2Ob614/51

OGH2Ob614/5124.10.1951

SZ 24/283

Normen

ABGB §163
ZPO §1
ZPO §6
ZPO §527 Abs2
ABGB §163
ZPO §1
ZPO §6
ZPO §527 Abs2

 

Spruch:

Zur Frage der Aktivlegitimation bei der Vaterschaftsklage eines vertauschten Kindes.

Entscheidung vom 24. Oktober 1951, 2 Ob 614/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Gänserndorf; II. Instanz: Kreisgericht Korneuburg.

Text

Das Bezirksjugendamt hat als Berufsvormund des von Stefanie P. geb. H. außer der Ehe geborenen Kindes Franz H. eine Klage auf Feststellung der Vaterschaft und Leistung des Unterhaltes gegen den Beklagten eingebracht. Im Zuge des Verfahrens wurde mit einer jeden Zweifel ausschließenden Gewißheit festgestellt, daß der als Franz H. einschreitende Kläger mit dem von Stefanie P. geborenen Kind Franz H. nicht identisch ist. Auf Grund der Blutgruppen- und Faktorenbestimmung ist nämlich die Mutterschaft der Stefanie P. zu dem als Kläger unter dem Namen Franz H. einschreitenden Kind ausgeschlossen worden. Es liegt offenbar eine in einem Kinderheim unterlaufene Kindesverwechslung vor. Von dem laut Geburtsurkunde von Stefanie P. geborenen Franz H. ist zur Zeit nur soviel bekannt, daß er durch die Geburt Rechtspersönlichkeit erlangt hat.

Das Prozeßgericht hob mit Rücksicht auf diesen Sachverhalt mangels Parteienidentität auf der Klagsseite das bisherige Verfahren einschließlich der Klagszustellung als nichtig auf und wies die Klage zurück.

Das Rekursgericht gab den Rekurs der klagenden Partei Folge, hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem die Fortsetzung des Verfahrens auf. In den Gründen seiner Entscheidung führte es folgendes aus: Kläger sei der außer der Ehe von Stefanie P. im Inquisitenspital des Landesgerichtes für Strafsachen Wien geborene minderjährige Franz H. Daß das zu Beweiszwecken beigezogene Kind ein anderes Kind sei als der Kläger, mache das Verfahren keineswegs nichtig. Der Kläger sei immer noch derselbe, nur das zur Blutgruppen- und Faktorenbestimmung herangezogene Kind sei mit dem Kläger nicht ident. Dem Beklagten sei demnach, da er den Geschlechtsverkehr mit der Kindesmutter innerhalb der Empfängniszeit nicht in Abrede stellt, der Nachweis der Unmöglichkeit der Zeugung nicht gelungen. Daß das klagende Kind außer der Ehe von Stefanie P. geboren und als Franz H. in der Geburtsmatrik eingetragen worden sei, stehe fest. Eine Nichtigkeit des Verfahrens liege demnach keineswegs vor. Solange indessen der Kläger nicht aufgefunden werden könne, sei wohl die Entscheidung über die Feststellung der Vaterschaft möglich, weil die Tatsache der außerehelichen Geburt und des Geschlechtsverkehres des Beklagten innerhalb der Empfängniszeit mit der Kindesmutter feststehe, nicht aber über das Unterhaltsbegehren, weil nicht feststehe, ob das Kind überhaupt noch am Leben sei.

Der Oberste Gerichtshof hat dem Rekurse des Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die prozessuale Zulässigkeit des Rekurses ergibt sich daraus, daß die Entscheidung der Rekursinstanz materiell nicht eine bloße Aufhebung, sondern eine Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung darstellt, so daß § 527 Abs. 2 ZPO. nicht zur Anwendung kommt (SZ. XII/17, ZBl. 1931, Nr. 14 u. a.).

Sachlich ist der Rekurs aber nicht begrundet.

Der Rekurs räumt selbst ein, daß im zivilgerichtlichen Verfahren - soweit nicht die Untersuchungsmaxime zu gelten hat - die Identität der Parteien von Amts wegen nicht zu prüfen ist. Es muß vielmehr den Prozeßparteien überlassen werden, eine nicht vorhandene Personenidentität zu behaupten und zu beweisen oder mit anderen Worten: den Mangel der aktiven oder passiven Klagslegitimation einzuwenden, sofern sich nicht schon aus der dem Gericht obliegenden rechtlichen Würdigung des unbestrittenen oder festgestellten Parteienvorbringens über die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden materiellen Rechtsverhältnisse der Mangel der Aktiv- oder Passivlegitimation von selbst ergibt. Klagt zum Beispiel A unter dem Namen des B das vom letzterem dem Beklagten C gewährte Darlehen ein, dann ist es Sache des C, die mangelnde Aktivlegitimation des A geltend zu machen. Wird die Einwendung vom Gericht als begrundet erachtet, dann kommt es zu einer Sachentscheidung durch Abweisung des Klagebegehrens. Zu einer Nichtigerklärung des Verfahrens und Zurückweisung der Klage liegt kein Anlaß vor. Nichtig wäre das Verfahren nur dann, wenn dem an Stelle und unter dem Namen des B einschreitenden A die Prozeßfähigkeit mangelte. In einem Prozeß des B gegen den C kann C mit Erfolg die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Streitfrage nicht erheben, denn zwischen A und B besteht zwar Namens- nicht aber Personengleichheit. A hat sich nur fälschlich des Namens des B bedient.

Auch der vorliegende Fall ist nicht anders zu beurteilen. Es liegt die Klage eines Kindes vor, das vorgibt, Franz H. zu heißen und von Stefanie P. geboren zu sein. Der Beklagte, der die Vaterschaft bestritt, hat nachgewiesen, daß dieses Kind von Stefanie P. nicht geboren wurde. Das Erstgericht wird demnach ohneweiters in der Lage sein, über das ihm vorliegende Vaterschafts- und Unterhaltsbegehren eine Sachentscheidung zu treffen.

Insoweit daher das Rekursgericht dem Erstgericht in Abänderung seines Beschlusses die Fortsetzung des Verfahrens auftrug, ist seine Entscheidung im Ergebnis richtig.

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