OGH 9ObA36/91

OGH9ObA36/9113.3.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Köck und Mag. Wilhelm Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Irene A*****, vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei Brigitte E*****, vertreten durch *****, Rechtsanwälte *****, wegen S 75.150,34 sA (Streitwert im Revisionsverfahren S 11.855,73 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. November 1990, GZ 8 Ra 64/90-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 24. Jänner 1990, GZ 31 Cga 134/89-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.899,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 483,20 Ust) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt mit der Behauptung, von der Beklagten unberechtigt entlassen worden zu sein, einen Betrag von S 75.150,34 brutto sA für Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung gemäß § 9 UrlG.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Die Entlassung sei zu Recht erfolgt, sodaß der Klägerin die begehrten Ansprüche nicht zustünden.

Das Erstgericht gab dem Begehren der Klägerin mit einem Betrag von S 11.855,73 sA statt und wies das Mehrbegehren von

S 63.294,61 sA ab. Es stellte fest, daß die Klägerin, die im Modegeschäft der Beklagten als Verkäuferin tätig war, am 21. April 1989 einer Arbeitskollegin einen mit

S 1.598,-- ausgepreisten Damenrock um S 1.000,-- verkauft, sich den Betrag von S 1.000,-- angeeignet und einen etwa ein Jahr zuvor von ihr gekauften Damenrock an die Stelle des verkauften gehängt habe. Hieraus zog das Erstgericht den Schluß, daß die Entlassung der Klägerin gerechtfertigt sei, sodaß ihr Begehren auf Leistung der Kündigungsentschädigung und der Urlaubsentschädigung nicht berechtigt sei. Anstelle der Urlaubsentschädigung gebühre der Klägerin jedoch eine Urlaubsabfindung in der Höhe des zuerkannten Betrages.

In der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung wendete sich die Beklagte gegen den Zuspruch der Urlaubsabfindung an die Klägerin. Diese habe ihr Begehren lediglich auf den von ihr behaupteten Anspruch auf Urlaubsentschädigung gestützt; daß ihr unter dem Titel der Urlaubsabfindung noch eine Leistung zustehe, habe sie nicht behauptet. Bei der Urlaubsabfindung handle es sich um einen von der Urlaubsentschädigung verschiedenen Anspruch. Das Erstgericht sei daher nicht berechtigt gewesen, der Klägerin eine Urlaubsabfindung zuzuerkennen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Für die Ansprüche auf Urlaubsentschädigung und Urlaubsabfindung seien zwar verschiedene Tatbestände Voraussetzung; in beiden Fällen sei aber die Auflösung des Dienstverhältnisses vor Verbrauch des Urlaubs erforderlich. Beide Ansprüche stellten eine Abgeltung für nicht verbrauchten Urlaub dar. Die Urlaubsabfindung sei ein Teil der Urlaubsentschädigung und sei auch beim Zuspruch der Urlaubsentschädigung einzurechnen. Wenn die Klägerin auch Urlaubsentschädigung begehrt habe, so sei in ihrem Begehren auch der Anspruch auf Urlaubsabfindung eingeschlossen. Die Urlaubsabfindung sei gegenüber der Urlaubsentschädigung nicht ein aliud, sondern ein minus.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Klageabweisung abzuändern.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

In der Revision vertritt die Beklagte weiterhin ihre bereits in der Berufung dargelegte Auffassung, die Urlaubsabfindung sei gegenüber der Urlaubsentschädigung ein aliud; das Begehren auf Zahlung der Urlaubsentschädigung umfasse nicht auch den Anspruch auf Urlaubsabfindung. Die Vorinstanzen seien daher nicht berechtigt gewesen, der Klägerin eine Leistung unter dem Titel der Urlaubsabfindung zuzuerkennen.

Der Fall, daß das Gericht einen anderen Klagegrund als den von der klagenden Partei vorgebrachten zur Urteilsgrundlage nimmt, ist in der Zivilprozeßordnung nicht ausdrücklich geregelt, ist aber dem im § 405 ZPO geregelten Problem ähnlich und gleich diesem als Mangelhaftigkeit des Verfahrens zu werten (EvBl. 1958/258; JBl 1969, 399; SZ 42/138). Ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 405 ZPO bildet keinen Rechtsfehler im Sinne des § 503 Z 4 ZPO und kann als Verfahrensmangel nur vom Rechtsmittelgericht in der nächsthöheren Instanz aufgrund einer Verfahrensrüge beachtet werden (JBl 1969, 399). Die in der Berufung vorgetragenen Ausführungen bildeten inhaltlich einen Verfahrensmangel. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen dieses Mangels jedoch nicht für gegeben erachtet. Ein Mangel des Verfahrens erster Instanz, dessen Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, kann auch in Arbeitsrechtssachen mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RZ 1989/16 mwN; 9 Ob A 306/90, 9 Ob A 309/90). Dem Revisionsgericht ist daher eine inhaltliche Überprüfung des mit der Revision (in Wahrheit) geltend gemachten Verfahrensmangels verwehrt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Stichworte