Spruch:
Aus Anlaß der beiden Rekurse wird der angefochtene Beschluß als nichtig aufgehoben.
Die Außerstreitsache wird an das Rekursgericht mit dem Auftrag zurückverwiesen, die Zustellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses vom 11.7.1988, ON 16, sowie des dagegen erhobenen Rekurses der Antragsteller (ON 18) an den ausgewiesenen Vertreter der Zweitantragsgegnerin zu veranlassen und nach Einlangen einer Rechtsmittelschrift dieser Partei oder nach Ablauf der hiefür vorgesehenen Frist neuerlich über die Anfechtung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses zu entscheiden.
Text
Begründung
Die Antragsteller sind Mieter der Wohnhausanlage auf der Liegenschaft EZ ***** der KG P*****. Diese Liegenschaft steht im Miteigentum der Antragsgegner; errichtet wurde der Gebäudekomplex allerdings allein von der Erstantragsgegnerin, bei der es sich um eine gemeinnützige Wohnbaugesellschaft handelt.
Die eigentliche Wohnhausanlage besteht aus 210 Wohnungen und zwei Geschäftslokalen mit einer Gesamtnutzfläche von 16.248,15 m2 (inkl.Loggien), wovon 165,06 m2 auf zwei Hausbesorgerwohnungen entfallen. Dazu sind noch große Gemeinschaftsräume, ein Schwimmbecken auf dem Dach und ausgedehnte Grünanlagen vorhanden. Vermietet wird diese Anlage von der Erstantragsgegnerin.
Die Zweitantragsgegnerin betreibt auf dem streitgegenständlichen Grundstück eine Tankstelle. Zu dieser Tankstelle gehören geschlossene Räume mit einer Nutzfläche von 543,41 m2, eine überdachte Fläche von 2.052,16 m2 sowie Zu- und Abfahrten. Ein Teil der Tankstelle befindet sich unter dem Wohnhaus, ein weiterer Teil wird von einer Lärmschutzschürze (einem terrassenartigen Vorbau des Wohnhauses) überragt.
Wohnhaus und Tankstelle haben völlig getrennte Zugänge. Die Versorgung mit Strom, Wärme und Wasser erfolgt über gemeinsame Anlagen, es sind jedoch für die Tankstelle eigene Zähler angebracht.
Die Art der Nutzung des gemeinsamen Objekts, wonach die Erstantragsgegnerin die Wohnungen und Geschäftslokale vermietet, während die Zweitantragsgegnerin das Tankstellenobjekt (aber auch nur dieses) allein benützt, beruht auf einer Benützungsregelung. Es ist beabsichtigt, daß die Tankstelle ins Wohnungseigentum der Zweitantragstellerin übergeht, wofür auch schon ein Nutzwertfeststellungsbescheid existiert.
Hinsichtlich der laufenden Bewirtschaftungskosten haben die Antragsgegner schon im Vertrag über die Errichtung der Gebäude vereinbart, daß die Zweitantragsgegnerin nach Maßgabe der separaten Verbrauchsmessung die auf sie entfallenden Kosten für Wasser, Heizung und elektrischen Strom trägt, für gemeinsame Betriebskosten nach Maßgabe ihres Grundanteils (975/10.000stel) aufkommt und daß sie dazu noch die Tankstelle samt Straßenbelag auf eigene Kosten erhält; dafür soll die Zweitantragsgegnerin an den allein die Wohnhäuser betreffenden Betriebskosten (hier geht es primär um die Kosten der Gemeinschaftseinrichtungen und Grünanlagen) nicht teilnehmen.
Bezogen wurde die Wohnhausanlage schon vor dem 1.1.1980.
Über die Aufteilung der seit dem Jahr 1982 angefallenen Bewirtschaftungskosten für diese Wohnhausanlage besteht nun Streit. Die Antragsteller haben zunächst bei der zentralen Schlichtungsstelle der Gemeinde Wien in der Folge (§ 40 Abs 1 MRG) bei Gericht beantragt, einen Aufteilungsschlüssel festzusetzen, und zwar dergestalt, daß die Mieter und die Zweitantragsgegnerin grundsätzlich im Verhältnis ihrer Nutzflächen zur Gesamtnutzfläche des Objekts an den Kosten beteiligt werden, wobei unter Einrechnung des Tankstellenareals (543,41 m2 für das Gebäude und 2.052,16 m2 für den überdachten Bereich) von einer Gesamtnutzfläche von 18.642,75 m2 auszugehen sei. Demgegenüber vertreten die Antragsgegner den Standpunkt, daß zwei getrennt zu behandelnde Objekte, nämlich das Wohnhaus und die Tankstelle vorlägen. An der bisherigen, der Vereinbarung folgenden Aufteilung der Betriebskosten sei daher nichts auszusetzen.
Das Erstgericht, das den Streitfall nach den Bestimmungen des WGG 1940 beurteilte und sich mangels konkreter Vorschriften über die Aufteilung der Betriebskosten für die Anwendung des Nutzflächenschlüssels entschied, teilte den Standpunkt der Antragsgegner, daß die Tankstelle und die Wohnhausanlage als wirtschaftlich selbständige Einheiten zu betrachten seien. In derartigen Fällen habe schon die Judikatur zu § 4 Abs 1 MG bei der Betriebskostenverrechnung eine unterschiedliche Behandlung mehrerer Bestandteile eines Grundbuchkörpers zugelassen und sich am Verursacherprinzip orientiert. Im gegenständlichen Fall sei dies umso mehr gerechtfertigt, als das WGG 1940 ohnehin eine Aufteilung der Betriebskosten nach Billigkeitserwägungen vorsehe. Demnach gelangte das Erstgericht in seinem Sachbeschluß zu dem Ergebnis, daß die Aufteilung der Betriebskosten des streitgegenständlichen Objekts für die Tankstelle und die Wohnhausanlage jeweils getrennt zu erfolgen habe. Im Spruch kam dies dadurch zum Ausdruck, daß die Betriebskosten der Wohnhausanlage auf der Basis der Nutzfläche aufzuteilen sind und die (hiefür) betriebskostenrelevante Nutzfläche 16.083,09 m2 beträgt.
Dieser Sachbeschluß wurde dem ehemaligen Vertreter der Antragsteller und dem Vertreter der Erstantragsgegnerin zugestellt, nicht jedoch dem für das Verfahren bestellten (vgl auch S.30 f und 37 ff des Schlichtungsaktes) und dem Gericht ausgewiesenen Vertreter der Zweitantragsgegnerin (AS 85 und 86). Es wurde lediglich noch der Anschlag des Sachbeschlusses in den drei Stiegenhäusern des Hauses H***** verfügt und vollzogen (AS 85 und 87). Gleichermaßen wurde mit dem Rekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluß verfahren; auch er wurde dem Vertreter der Zweitantragsgegnerin nicht zugestellt (AS 89 und 93). Dieser erfuhr auch nichts von der Rekursbeantwortung der Erstantragsgegnerin (ON 20).
Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Antragsteller Folge, ohne die Zweitantragsgegnerin am Rekursverfahren zu beteiligen. Es hob den angefochtenen Sachbeschluß auf und verwies die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Bei der Beurteilung der Parteistellung der als "Beteiligte" angeführten Zweitantragsgegnerin ging das Rekursgericht zumindest erschließbar davon aus, die Tankstelle sei ein Teil des streitgegenständlichen Hauses. Abweichend von der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes vertritt nämlich das Rekursgericht den Standpunkt, daß die Aufteilung der Bewirtschaftungskosten nach § 17 MRG zu erfolgen habe, der grundsätzlich die Abrechnung nach dem Nutzflächenschlüssel vorschreibe. Eine Sonderbehandlung der Zweitantragsgegnerin nach dem Verursacherprinzip sei zwar möglich und im konkreten Fall sogar geboten, habe sich jedoch auf jene Bewirtschaftungskosten zu beschränken, die entweder nur für die Tankstelle (etwa die eigens gemessenen Verbrauchseinheiten an Wasser, Wärme und Strom) oder nur für die Wohnungsmieter anfallen (das könnten z.B. die Kosten des Schwimmbades oder der Aufzüge sein). Das erfordere zunächst eine genaue Feststellung der aufzuteilenden Kosten, dann aber auch eine nähere Auseinandersetzung mit dem Inhalt der von den Antragsgegnern getroffenen Vereinbarung. Sollte sich ergeben, daß die Vereinbarung den aufgezeigten Kriterien der Billigkeit entspricht, könne sie vollinhaltlich auf die Antragsteller überbunden werden, die diesfalls den nach Abzug des Betriebskostenbeitrags der Zweitantragsgegnerin verbleibenden Rest auf Grund eines eigenen Nutzflächenschlüssels unter sich aufzuteilen hätten; andernfalls wäre die Erstantragsgegnerin nicht berechtigt, den von der Zweitantragsgegnerin schuldig gebliebenen Betriebskostenanteil auf die Antragsteller zu überwälzen, sondern hätte ihn selbst zu tragen. Es müßte dann ein eigener (wenn auch für die Zweitantragsgegnerin nur fiktiver) Schlüssel festgestellt werden, der die Aufteilung der verbleibenden Betriebskosten auf die Antragsteller regelt. Zu Unrecht sei das Erstgericht von einer generellen Wirksamkeit der zwischen den Antragsgegnern getroffenen Vereinbarung über die Aufteilung der Betriebskosten ausgegangen.
Die durch Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes erfolgte Eröffnung des Rechtszuges begründete das Rekursgericht damit, daß zu den Fragen, wie bei Vorliegen eines Betriebskostenverteilungsschlüssels zwischen einer gemeinnützigen Bauvereinigung und einem Miteigentümer vorzugehen sei, ob die Mieter eine solche Vereinbarung gegen sich gelten lassen müßten und ob die Aufteilung von Betriebskosten überhaupt nach unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten erfolgen könne, keine Judikatur des Höchstgerichtes vorliege.
Den Beschluß des Rekursgerichtes fechten sowohl die Erstantragsgegnerin als auch die Zweitantragsgegnerin fristgerecht (siehe dazu die Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Rekursfrist in ON 26) mit Rekurs an. Sie begehren die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses, weil die Sonderbehandlung der Zweitantragsgegnerin in Ansehung der Bewirtschaftungskosten ohnehin von beiden Instanzen als gerechtfertigt erklärt worden sei und der Ergänzungsauftrag Probleme betreffe, die von den Parteien gar nicht zum Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung gemacht worden seien. Vom Erstantragsteller liegt dazu eine im Namen "der Antragsteller" eingebrachte Rekursbeantwortung mit dem Antrag auf Bestätigung des angefochtenen Beschlusses vor.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlaß dieser Rekurse ist eine den Vorinstanzen unterlaufene Ungesetzlichkeit aufzugreifen, die zur Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses führt.
Wie bereits erwähnt, wurde die Zweitantragsgegnerin zwar dem erstinstanzlichen Verfahren beigezogen; ihrem Vertreter wurde aber weder der Sachbeschluß des Erstgerichtes noch der dagegen von den Antragstellern erhobene Rekurs zugestellt. Eine solche Zustellung wäre durch § 37 Abs 3 Z 8 MRG geboten gewesen und wurde durch den Anschlag der beiden Schriftstücke in den Stiegenhäusern des streitgegenständlichen Hauses nicht ersetzt (arg. "jedenfalls zuzustellen" in leg.cit; vgl: Würth, Handbuch zum MRG, 529).
Der Zustellfehler hat die Zweitantragsgegnerin daran gehindert, von der in § 37 Abs 3 Z 17 lit d MRG vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen, zum Rekursvorbringen der Antragsteller in einer Rekursbeantwortung Stellung zu nehmen. Mangels Durchführung einer mündlichen Rekursverhandlung (§ 37 Abs 3 Z 17 lit f und g MRG) konnte diese Stellungnahme auch nicht nachgeholt werden. Es liegt daher eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, die die Entscheidung des Rekursgerichtes iS des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nichtig macht (RZ 1986/48 ua, zuletzt etwa 8 Ob 574/87 und 4 Ob 38,39/90; vgl auch Fasching, Zivilprozeßrecht2, Rz 704). Eine nachträgliche Genehmigung der Prozeßführung durch die vom Rekursverfahren ausgeschlossene Zweitantragsgegnerin (vgl WoBl 1990, 163/83) ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil sie auf den Zustellfehler in ihrer Rechtsmittelschrift aufmerksam gemacht hat (vgl Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen IV, 130 und 134). Es bleibt daher nur zu untersuchen, ob der Zweitantragstellerin wirklich Parteistellung zukam und ob sich ein ihr gegenüber gesetzter Nichtigkeitsgrund auch auf die Erstantragsgegnerin auswirkt.
Die Parteistellung der Zweitantragsgegnerin ergibt sich bereits aus ihrem Miteigentum an der Liegenschaft EZ 378 der KG Penzing. Schließt nämlich einer von mehreren schlichten Miteigentümern, der auf Grund seiner Anteilsmehrheit im Rahmen der ordentlichen Verwaltung der gemeinsamen Sache oder auf Grund einer Benützungsregelung zur Vermietung berechtigt ist, Mietverträge ab, dann kommen die Mietverhältnisse mit allen Miteigentümern zustande (vgl Würth in Rummel, ABGB2 Rz 4 zu § 2 MRG und Würth in Rummel, ABGB1 Rz 9 zu § 1092 bis 1094; JBl 1989, 526 mwN; zuletzt 7 Ob 611/90). Das Begehren der Antragsteller, einen Aufteilungsschlüssel für die Bewirtschaftungskosten des gegenständlichen Objekts festzusetzen, richtet sich daher gegen alle Miteigentümer.
Ein weiterer Umstand, der die Zweitantragsgegnerin zur Partei des Verfahrens macht, besteht darin, daß sie nach dem Vorbringen der Antragsteller Teile des gegenständlichen Objekts benützt, sodaß ihre Interessen durch die Stattgebung des Begehrens der Antragsteller unmittelbar berührt werden. Die Einbeziehung des gesamten überdachten Tankstellenareals in die Gesamtnutzfläche des streitgegenständlichen Hauses würde dazu führen, daß sich der nach dem Nutzflächenschlüssel abzurechnende Betriebskostenanteil der Zweitantragsgegnerin vergrößert. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß sich die Erstantragsgegnerin vertraglich verpflichtet hat, die Zweitantragsgegnerin von jenen Betriebskostenbelastungen freizuhalten, die allein durch die Wohnanlage verursacht werden. Abgesehen davon, daß der genaue Inhalt dieser Vereinbarung noch nicht feststeht, könnte sie immer nur rein obligatorische Wirkungen zwischen den Antragsgegnern erzeugen. Die hier angestrebte Entscheidung über die Nutzflächenfeststellung müßte die Zweitantragsgegnerin bei unveränderter Sachlage auch dann gegen sich gelten lassen, sollte die Vereinbarung mit der Erstantragsgegnerin einmal außer Kraft treten oder durch einen Eigentümerwechsel hinfällig werden.
Die Zweitantragsgegnerin hätte also gemäß § 37 Abs 3 Z 2 und 17 lit d MRG am Rekursverfahren beteiligt werden müssen. Die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift erfaßt notwendigerweise auch die Erstantragsgegnerin, weil die Feststellung des Verteilungsschlüssels für die Bewirtschaftungskosten des streitgegenständlichen Hauses aus den bereits dargestellten Erwägungen für alle am Verfahren Beteiligten gleich lauten muß. Es liegt somit der dem § 14 ZPO vergleichbare Fall vor, daß sich die Wirkung des zu fällenden Sachbeschlusses kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses auf alle Streitgenossen, ja sogar auf alle Verfahrensbeteiligten erstreckt. Der gegen die Zweitantragsgegnerin gerichtete ungesetzliche Vorgang war geeignet, auch die Erstantragsgegnerin vom rechtlichen Gehör auszuschließen, da ja beide durch die Aufhebung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses in gleicher Weise betroffen sind (vgl SZ 61/155 und Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen IV, 127).
Aus Anlaß der zulässigen Rekurse war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Bei einer Wiedervorlage des Aktes nach Behebung des Nichtigkeitsgrundes wäre zu beachten, daß der Erstantragsteller in der Rekursbeantwortung alle Mitantragsteller anführt, die er zu vertreten behauptet. Außerdem wären die entsprechenden Vollmachten vorzulegen, falls die Mitantragsteller die Rekursbeantwortung nicht selbst unterfertigen.
Zur Überprüfung der gesetzmäßigen Vertretung der Antragsteller im Verfahren erster und zweiter Instanz werden schließlich noch die weder im Gerichts- noch im Schlichtungsakt auffindbaren Vollmachten an OAR i.R. Walter Nagl zu beschaffen sein.
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