OGH 6Ob514/91

OGH6Ob514/9128.2.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin und gefährdeten Partei Herta S*****, vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner und Gegner der gefährdeten Partei Johann S*****, vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse (hier Erlassung einer einstweiligen Verfügung), infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin und gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 28. Juni 1990, GZ 47 R 439/90-38, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Döbling vom 4. Mai 1990, GZ 8 F 2/90-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die am 23. Mai 1964 geschlossene Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 19. Dezember 1988, GZ 1 C 519/87-36, rechtskräftig geschieden. Das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe traf den Gegner der gefährdeten Partei. Zwischen den Parteien ist ein von der Antragstellerin und gefährdeten Partei (im folgenden Frau) eingeleitetes Verfahren nach den §§ 81 ff EheG anhängig.

Die Frau beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Z 8 lit c EO dahin, daß ihr die ehemalige (Eigentums)Ehewohnung in *****, zur einstweiligen alleinigen Benützung zugewiesen und dem Antragsgegner und Gegner der gefährdeten Partei (im folgenden Mann) aufgetragen werde, die Wohnung binnen drei Tagen zu verlassen. Der Mann sprach sich dagegen aus.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung, allerdings mit einer Leistungsfrist von 14 Tagen, und stellte dazu fest: Das von beiden Teilen angestrebte Ergebnis des Aufteilungsverfahrens sieht die Zuteilung der ehemaligen Ehewohnung an die Frau, die daran ein dringendes Wohnbedürfnis hat, sowie eines vermieteten Reihenhauses in ***** an den Mann vor. Dieser weigert sich, bis zur endgültigen Entscheidung die Ehewohnung zu verlassen, obwohl ihm bewußt sein muß, daß seine Frau schon auf Grund des vorangegangenen Scheidungsverfahrens durch das weitere enge Zusammenleben psychisch belastet ist. Bereits im Scheidungsurteil wurde auf den psychischen Druck hingewiesen, den der Mann, etwa durch den Abbruch jeglichen Sprechkontaktes, auf seine Frau ausübte. Während des Aufteilungsverfahrens übte der Mann dadurch psychischen Druck auf die Frau aus, daß er ihren Schlaf störte. So räuspert er sich vor 6.00 Uhr früh im Bad bzw WC so laut, daß die im Nebenzimmer schlafende Frau aus dem Schlaf schrickt, und hinterläßt den abgesonderten Schleim am Badenwannen- bzw WC-Rand. Überdies stört er die Nachtruhe der Frau, indem er bei nächtlicher Heimkehr die Türen absichtlich laut auf- und zuschlägt. In der Folge bemühte sich die hiedurch psychisch noch stärker belastete Frau um eine Therapie, doch wurde ihr mitgeteilt, daß eine solche erst nach Abnahme der äußeren belastenden Einflüsse sinnvoll sein könne. Sie nimmt nunmehr in erhöhtem Ausmaß Schlaf- und Beruhigungsmittel ein. Der stark angegriffene psychische Zustand der Frau ist sowohl für ihre Kinder als auch für die Wohnungsnachbarin offensichtlich. Der Mann, der ein heizbares Schrebergartenhaus mit integriertem WC in Wien hat und auch schon während aufrechter Ehe bewohnte, will jedoch hievon nichts bemerkt haben und hält alles für "gespielt".

Rechtlich folgerte die erste Instanz, daß die Ehewohnung der gefährdeten Partei zur einstweiligen alleinigen Benützung zugewiesen werden könne, wenn ihr der Gegner das weitere Zusammenleben unerträglich mache, wobei auch die Gefahr einer psychischen Beeinträchtigung hinreiche. Gerade im Hinblick auf die näheren Begleitumstände, die bereits durch das Scheidungsverfahren und das vorangegangene Verhalten des Mannes hervorgerufene psychische Belastung der Frau, erreiche die noch zusätzliche psychische Beeinträchtigung durch die Schlafstörungshandlungen des Mannes bereits den Grad der Unerträglichkeit, was sich auch im gesteigerten Schlaf- und Beruhigungsmittelkonsum der Frau und ihrem Bedürfnis nach Therapie äußere. Auch die Einstellung des Mannes, nicht "seiner Frau zuliebe" schon jetzt aus der ehemaligen Ehewohnung auszuziehen, obwohl diese nach dem von beiden beabsichtigten grundsätzlichen Aufteilungsmodus ohnehin der Frau zukommen solle, sowie die Mißachtung der offensichtlichen psychischen Beeinträchtigung der Frau bestätigten das Vorliegen ihrer psychischen Gefährdung durch den Mann, der nicht ausschließlich auf diese Wohnung angewiesen sei.

Das Rekursgericht änderte über Rekurs des Mannes den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, das es den Sicherungsantrag abwies. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für zulässig. Die zweite Instanz übernahm die erstgerichtliche Sachverhaltsgrundlage und führte zur Rechtsfrage unter Anführung zahlreicher Vorentscheidungen im wesentlichen aus, daß die festgestellten Verhaltensweisen des Mannes zwar als grob störend empfunden werden und vom Betroffenen als unzumutbar empfunden werden könnten; eine objektive Unerträglichkeit iS einer ernstlichen Bedrohung für Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und in größerem Ausmaß für Vermögen könne aber darin nicht erblickt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist unzulässig. Das Verfahren über den Sicherungsantrag nach § 382 Z 8 lit c EO richtet sich ausschließlich nach den Bestimmungen der EO und den nach diesem Gesetz anwendbaren Bestimmungen der ZPO (SZ 60/60; 1 Ob 635/88 ua). Gemäß den §§ 78, 402 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO ist ein nicht gemäß § 528 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässiger Revisionsrekurs nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. An den Ausspruch des Rekursgerichtes, daß eine solche Rechtsfrage vorliege, ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 526 Abs 2 ZPO). Erheblich ist eine Rechtsfrage immer dann, wenn ihre Lösung über den konkreten Rechtsstreit hinaus Bedeutung erlangen kann (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1890), wenn also keine vergleichbaren Vorentscheidungen vorliegen (Petrasch in ÖJZ 1985, 296). Die Kasuistik des Einzelfalles wird bei Anwendung der im Gesetz vorgezeichneten und in der Rechtsprechung entwickelten Wertungen in der Regel eine beispielgebende Entscheidung ausschließen (MietSlg 36.789).

Gemäß § 382 Z 8 lit c EO kann die einstweilige Regelung der Benützung ... ehelichen Gebrauchsvermögens ... ua im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Aufteilung dieses Vermögens - wie hier - angeordnet werden. Für die einstweilige Regelung der Benützung reicht die Dartuung eines Regelungsbedürfnisses aus; die Bescheinigung einer Gefährdung iS des § 381 EO ist dafür nicht erforderlich (RZ 1989/42; SZ 58/68, SZ 57/89). Eine Ehewohnung, die der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses eines Teiles - hier der Frau - dient, kann diesem daher zur alleinigen Benützung zugewiesen werden, wenn ihm der andere Teil das weitere Zusammenleben unter dem Gesichtspunkt einer Auflösung der gemeinsamen Lebensbereiche - die Verwendung des Wortes "Ehegatten" in der Entscheidung der zweiten Instanz meint erkennbar "geschiedene Ehegatten" - im partnerschaftlichen Sinn unerträglich macht (RZ 1989/42; SZ 58/68). Unerträglichkeit ist ein Zustand, der das Leben, die körperliche oder seelische Gesundheit, die Freiheit, die Ehre oder in größerem Ausmaß das Vermögen ernstlich bedroht und deshalb umgehend geändert werden muß (MietSlg 35.886, 33.757). Bloße Unzumutbarkeit reicht nicht aus (SZ 50/81 zur vergleichbaren Bestimmung des § 382 Z 8 lit b EO). Wenn nun das Rekursgericht zur Annahme gelangte, daß die als bescheinigt angesehenen Vorfälle doch nicht jenes erhebliche Ausmaß erreichten, daß der Antragstellerin ein Zusammenleben mit dem Antragsgegner unerträglich geworden sei, und eine erhebliche Gefährdung und körperliche Bedrohung der Antragstellerin in Zukunft noch nicht besorgen ließen, so hat es bei seiner Entscheidung die in der Judikatur des Obersten Gerichtshofes als Maßstab entwickelten Grundsätze herangezogen. Stützt sich die Lösung der zu entscheidenden Rechtsfrage aber auf gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen, dann kommt den von der Revisionsrekurswerberin für den konkreten Einzelfall aufgeworfenen Abwägungsfragen nicht die Qualität der Erheblichkeit zu (in diesem Sinn bereits 1 Ob 650/90, 2 Ob 557/83 zu § 382 Z 8 lit b EO).

Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

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