OGH 10ObS71/91

OGH10ObS71/9126.2.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf (AG) und Otto M. Schmitz (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hendrica H*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr. Ingrid Huber, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT DER ARBEITER (Landesstelle Graz), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. November 1990, GZ 8 Rs 93/90-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 27. März 1990, GZ 34 Cgs 125/89-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 15. Juni 1989 lehnte die beklagte PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT DER ARBEITER den Antrag der Klägerin vom 27. Februar 1989 auf Zuerkennung einer Invaliditätspension ab, weil sie nicht invalid sei.

Das Erstgericht wies das auf Gewährung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. März 1989 gerichtete Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest, daß die am 21. Februar 1942 geborene Klägerin, die keinen Beruf erlernt hatte und als Hausgehilfin, Näherin, Endkontrollorin in der Bekleidungsindustrie und als Löterin tätig war, auf Grund gesundheitsbedingter Einschränkungen nur mehr leichte Arbeiten verrichten kann. Tätigkeiten über dem Kopf kann sie links nicht durchführen. Die Fingerfertigkeit ist nicht eingeschränkt. Arbeiten unter zeitlicher Belastung wie Akkord- oder Fließbandarbeit scheiden aus. Nach Darlegung verschiedener Berufsbilder stellte das Erstgericht schließlich fest, daß der Klägerin zwar die bisher ausgeübten Tätigkeiten einer Endkontrollorin (wegen der erforderlichen Arbeiten über Kopfhöhe) und einer Löterin (wegen des besonderen Zeitdruckes) nicht mehr zumutbar sind, daß sie aber nach wie vor als Maschinnäherin arbeiten kann und auch auf die Tätigkeiten einer Telefonistin oder einer Mautnerin verweisbar wäre. Damit seien die Voraussetzungen für eine Invaliditätspension nach § 255 (Abs. 3) ASVG nicht gegeben.

Gegen dieses Urteil erhob die Klägerin Berufung wegen Nichtigkeit (§ 477 Abs. 1 Z 9 ZPO), Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit, unrichtiger Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

Das Berufungsgericht verwarf die Nichtigkeitsberufung mit Beschluß und gab (im übrigen) der Berufung nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen der gerügten Aktenwidrigkeit und der Verfahrensmängel, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen mit der Einschränkung, daß sich der im Ersturteil zu findende Satz, es bestehe Verweisbarkeit auf alle bisher durchgeführten Tätigkeiten, nur auf die Lern- und Umstellungsfähigkeiten der Klägerin beziehe, und führte rechtlich aus, daß die Klägerin jedenfalls auf die Tätigkeit einer Telefonistin verweisbar sei.

Die von der Klägerin erhobene Revision mit den Anträgen auf Abänderung im Sinne einer Klagsstattgebung, hilfsweise Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht, ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Nichtigkeit des Urteiles des Berufungsgerichtes wegen des in § 477 Abs. 1 Z 9 ZPO bezeichneten Mangels liegt nicht vor. Es ist richtig, daß sich das Berufungsgericht auf den Verweisungsberuf Telefonistin beschränkte und - aus rechtlichen Gründen - auf die weiteren im Ersturteil genannten Verweisungsberufe nicht mehr ausdrücklich einging. Dadurch ist das Urteil des Berufungsgerichtes aber weder unüberprüfbar, noch mit sich selbst in Widerspruch oder überhaupt unbegründet. Ob das Vorliegen eines (einzigen) Verweisungsberufes auslangt, ist eine Rechtsfrage, zu der weiter unten Stellung genommen wird.

Soweit die Revision inhaltlich erkennbar (§ 84 Abs. 2 Satz 2 ZPO) auch den Beschluß des Berufungsgerichtes bekämpft, mit dem es die Nichtigkeitsberufung verwarf, ist auf die im Einklang mit der herrschenden Lehre stehende Rechtsprechung zu verweisen, wonach die Verwerfung einer Nichtigkeitsberufung unanfechtbar ist (Judikaturnachweise in Stohanzl JN und ZPO14 E 4 zu § 503 ZPO; ebenso Fasching ZPR2 Rz 1905 und 1979). Dies gilt auch in Sozialrechtssachen (Kuderna ASGG 244; SSV-NF 1/36).

Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 2 und 3 ZPO) liegen gleichfalls nicht vor; diese Beurteilung bedarf gemäß § 510 Abs. 3 Satz 3 ZPO keiner Begründung. Dennoch sei den Rechtsmittelausführungen in Kürze folgendes erwidert:

Die Revisionswerberin behauptet Mängel des Verfahrens erster

Instanz, die das Berufungsgericht nicht für gegeben erachtete und

die daher nach ständiger Rechtsprechung (SSV-NF 1/32 = SZ 60/197,

SSV-NF 3/115 = JBl. 1990, 535 uva) mit Revision nicht mehr

geltend gemacht werden können.

Ob die von den Tatsacheninstanzen aufgenommenen Beweise ausreichen oder ob noch weitere Beweisaufnahmen erforderlich sind, insbesondere ob weitere Sachverständige vernommen werden sollen, sind Fragen der Beweiswürdigung, die an den Obersten Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, nicht herangetragen werden können (Judikaturnachweise Stohanzl aaO E 57 bis 66 zu § 503 ZPO). Folgen die Tatsacheninstanzen einem Sachverständigengutachten, das weder gegen zwingende Denkgesetze noch gegen Gesetze des sprachlichen Ausdrucks verstößt, so können deren Feststellungen im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden (SSV-NF 3/14 ua). Ob der Klägerin ein Heben des linken Armes "über die Horizontale" oder "über Kopfhöhe" nicht zumutbar ist, spielt angesichts der in Frage kommenden Verweisungstätigkeiten keine entscheidende Rolle. Daß das Berufsbild einer Telefonistin eine besondere Fingerfertigkeit erfordere, wurde nicht festgestellt; im übrigen ist die Fingerfertigkeit der Klägerin nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen gar nicht eingeschränkt. Auch diesbezüglich versucht die Revision eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen. Daß die Klägerin gegen ihre Fähigkeit, als Telefonistin zu arbeiten abgesehen von der Fingergeschicklichkeit irgendwelche weitere Einwände geltend gemacht hätte (vgl. S 7 des angefochtenen Urteils), ist nicht zutreffend, weshalb auch insoweit eine Aktenwidrigkeit nicht erkennbar ist.

Die Rechtsrüge (§ 503 Z 4 ZPO) geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, weil sie - entgegen den ausdrücklichen Feststellungen auf S 3 und 6 des Ersturteils - unterstellt, daß die Klägerin über keine Fingerfertigkeit mehr verfüge und daß dies für den Beruf einer Telefonistin wesentlich sei. Darüber hinaus begehrt die Revisionswerberin unter diesem Rechtsmittelgrund weitere Feststellungen betreffend die Einschränkung ihres Leistungskalküls, die eben von den Tatsacheninstanzen nicht getroffen wurden, wie etwa, daß die Klägerin Kälte und Nässe meiden müsse. Damit wird kein für die rechtliche Beurteilung erheblicher Feststellungsmangel aufgezeigt. Die Rechtsrüge, die sodann neuerlich die Nichtaufnahme weiterer Beweise rügt, ist nicht in bezug auf irgend eine materielle Rechtsfrage gesetzmäßig ausgeführt. Davon abgesehen, muß bei Beurteilung der Verweisbarkeit einer Pensionswerberin das Vorliegen eines Verweisungsberufes - sofern in diesem eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen vorhanden ist - als hinreichend bezeichnet werden (vgl. SSV-NF 2/128). Da für Telefonistinnen jedenfalls eine solche ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen in Österreich gegeben ist, mußte das Berufungsgericht nicht mehr prüfen, ob die Klägerin etwa auch auf den Beruf der Maschinnäherin in gewerblichen Betrieben (ohne Zeitdruck) verwiesen werden konnte.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG (SSV-NF 1/19, 2/26, 2/27 ua).

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