OGH 15Os2/91

OGH15Os2/917.2.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Feber 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Paulin als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rudolf M***** wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 2.Oktober 1990, GZ 15 Vr 282/90-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 32-jährige Rudolf M***** der Verbrechen (zu 1) der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB und (zu 2) des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB sowie der Vergehen (zu 3) des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB, (zu 4) des Hausfriedensbruches nach § 109 Abs. 1 StGB, (zu 5) der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und (zu 6) der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Mogersdorf

1. seine leiblichen Töchter Claudia D*****, geboren am 8. März 1986, und Eva Maria D*****, geboren am 8.Juli 1987, sohin unmündige Personen, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, und zwar

a) Claudia D***** in der Zeit zwischen Frühjahr 1987 und Anfang Mai 1988, ferner Mitte September 1988, Ende Jänner und Anfang August 1989 sowie Anfang Feber 1990, indem er jeweils zu wiederholten Malen ihren Geschlechtsteil betastete und daran leckte, wobei er am 7. und 22.Dezember 1989 außerdem die Arme des Kindes erfaßte, an sein erigiertes Glied drückte und dergestalt onanierte,

b) Eva Maria D***** am 22.Dezember 1989, indem er anläßlich des oben unter Punkt a zuletzt angeführten Vorfalles auch die Hände dieses Kindes erfassend und an sein Glied haltend Selbstbefriedigung übte;

2. an einem nicht mehr genau feststellbaren Tag im November 1989 mit seiner zuvor genannten unmündigen Tochter Claudia D***** den außerehelichen Beischlaf unternommen, indem er sich mit entblößtem Unterleib über sie legte und seinen Penis mit ihrem Scheideneingang in Berührung brachte;

3. durch die unter Punkt 1 und 2 beschriebenen Tathandlungen seine minderjährigen Kinder Claudia D***** und Eva Maria D***** zur Unzucht mißbraucht;

4. am 26.März 1990 dadurch, daß er die Eingangstür zur Wohnung der Melitta D***** gewaltsam aufbrach und in die Wohnung eindrang, den Eintritt in die Wohnstätte eines anderen mit Gewalt erzwungen;

5. durch das unter Punkt 4 geschilderte Aufbrechen der Wohnungstür eine fremde Sache beschädigt (Schaden 500 S);

6. in der Zeit vom 8.Feber bis 10.April 1990 dadurch, daß er für seine beiden oben genannten außerehelichen Kinder keinerlei Unterhaltszahlungen leistete, seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt, daß der Unterhalt der Kinder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre.

Der Sache nach nur den Schuldspruch wegen der bezeichneten Sittlichkeitsdelikte bekämpft der Angeklagte mit einer (nominell) auf die Z 4, 5, 9 lit. a und b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Die diesbezüglichen Feststellungen stützten die Tatrichter insbesondere auf die Bekundungen der Zeugen Maria D***** und Melitta D***** - denen sie vollen Glauben schenkten, sodaß sie die insoweit leugnende Verantwortung des Angeklagten als widerlegt erachteten - in Verbindung mit der Aussage der als Zeugin vernommenen Fürsorgerin (Sozialarbeiterin) Waltraud L***** (S 55, 210 f) sowie mit dem Gutachten des beigezogenen jugendpsychologischen Sachverständigen Dr. SPIEL (S 105 f, 216 f), wonach Claudia D***** mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in ihren Aussagen die Wahrheit spricht und diese Dinge erlebt haben muß (S 236 f).

Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt der Beschwerdeführer, daß das Schöffengericht dem (von seinem Verteidiger am 6.August 1990 mit dem Schriftsatz ON 30 gestellten) Antrag, Silvia Z***** (gemeint "Z*****") und Maria M***** - die Schwester und Mutter des Angeklagten - in der Hauptverhandlung als Zeugen zum Nachweis dafür zu vernehmen, daß er die unter Anklage gestellten Tathandlungen nicht begangen habe, nicht nachgekommen sei.

Rechtliche Beurteilung

Solcherart wird jedoch nicht einmal in der Rechtsmittelschrift behauptet, daß, wie § 281 Abs. 1 Z 4 StPO (formell) erfordert, über einen vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung (vom 2.Oktober 1990) gestellten Antrag nicht erkannt worden wäre oder durch ein gegen einen solchen Antrag gefälltes Zwischenerkenntnis Gesetze oder Verfahrensgrundsätze hintangesetzt oder unrichtig angewendet worden wären; ein derartiger Antrag ist dem Hauptverhandlungsprotokoll auch in keiner Weise zu entnehmen (S 219). Da somit in der Hauptverhandlung kein Antrag vorlag, über den das Erstgericht durch ein Zwischenerkenntnis abzusprechen gehabt hätte, bringt der Beschwerdeführer den angerufenen Nichtigkeitsgrund (Z 4) nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß das Schöffengericht in den Urteilsgründen jene Erwägungen dargelegt hat (S 239), aus denen es die bezügliche Beweisaufnahme für entbehrlich hielt (vgl. Mayerhofer/Rieder StPO2 ENr. 1 zu § 281 Z 4).

Dies gilt gleichermaßen für den in der Beschwerdeschrift (im Rahmen der Rechtsrüge erstmals) gestellten Antrag (S 252) auf "Einholung eines anderen gerichtspsychiatrischen Gutachtens". Dabei ignoriert die Beschwerde zudem - wie nur der Vollständigkeit halber bemerkt sei - die gesetzlichen Voraussetzungen (§§ 118 Abs. 2, 125, 126 StPO), unter denen ein zweiter Sachverständiger überhaupt beigezogen werden kann.

Das (weitwendige, der Sache nach auch in den Rechtsrügen wiederholte) Vorbringen zur Mängelrüge (Z 5) läuft inhaltlich bloß auf eine im schöffengerichtlichen Verfahren - nach wie vor - unzulässige und damit unbeachtliche Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung hinaus, indem versucht wird, die Glaubwürdigkeit der Zeugen Melitta D***** und Maria D***** nach Art einer Schuldberufung in Zweifel zu ziehen. Formale Begründungsmängel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO werden damit nicht dargetan. Wenn der Beschwerdeführer - zum Teil unter aktenwidriger Zitierung einzelner Verfahrensergebnisse - eine unvollständige Begründung reklamiert, übersieht er, daß seine Einwände Umstände betreffen, die das Erstgericht ohnedies berücksichtigt hat. So hat der Schöffensenat die vom Angeklagten ins Treffen geführten Spannungen zwischen (der mütterlichen Großmutter der beiden Mädchen) Maria D***** und ihm, die er insbesondere daraus abzuleiten sucht, daß er wegen "gefährlicher Drohung", begangen an Maria D***** zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, ohnedies - wie sich aus der Zitierung dieses Urteils des Landesgerichtes Eisenstadt vom 10.Mai 1988, mit dem er zum AZ 8 E Vr 29/88 ua auch wegen des Vergehens der Nötigung verurteilt wurde, ergibt (S 232) - in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen. Es gelangte jedoch in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) zur Überzeugung (vgl. abermals S 236 f), daß Maria D***** wie auch deren Tochter Melitta D***** nicht den Eindruck erweckten, dem Angeklagten feindselig gesinnt zu sein, vielmehr bemüht waren, über das tatsächlich Vorgefallene aus ihrer Erinnerung wahrheitsgemäß zu berichten. Soweit aber die Beschwerde in diesem Zusammenhang - abermals aus dem Zusammenhang gerissen - auch mit der von Maria D***** dem Sachverständigen Dr. SPIEL gegenüber gemachten Äußerung "ich weiß ganz genau, was gespielt wird, sie (gemeint Melitta D*****) ist ja blöd" (S 95) argumentiert, läßt sie unberücksichtigt, daß diese Passage ausschließlich das (Hörigkeits-)Verhältnis der Melitta D***** zum Angeklagten (als damaligem Lebensgefährten) betraf. Zudem war das Schöffengericht im Hinblick auf die Vorschrift des § 270 Abs. 2 Z 5 StPO, wonach die Urteilsgründe in gedrängter Darstellung abzufassen sind und darin nur angegeben sein muß, welche Tatsachen es als erwiesen oder nicht erwiesen angenommen hat und aus welchen Gründen dies geschehen ist (vgl. Mayerhofer/Rieder aaO ENr. 78, 104, 105 zu § 270), nicht verhalten, alle Verfahrensergebnisse im Detail im Urteil zu erörtern und zu jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen (und sodann im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen) Einwand im voraus Stellung zu nehmen.

Auch die Mängelrüge versagt demnach zur Gänze.

Die als Rechtsrüge deklarierten Beschwerdeausführungen gehen durchwegs nicht vom festgestellten Urteilssachverhalt aus und gelangen solcherart nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Das gilt zunächst für den - der Sache nach - auf die Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Beschwerdeeinwand, beim Angeklagten könne im Zeitpunkt der Tat eine schwere seelische Störung vorgelegen haben, die ihn außerstande gesetzt habe, das Unrechtmäßige seiner Handlungsweise einzusehen bzw. einsichtsgemäß zu handeln. Denn dabei negiert die Beschwerde jene vom Schöffengericht auf das für unbedenklich erachtete Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. GROSS (ON 33) gestützten Urteilskonstatierungen (S 236), wonach beim Angeklagten auch keine andere, einer Geisteskrankheit gleichwertige schwere seelische Störung im oben behaupteten Sinn vorgelegen hat. Mit dem Einwand hinwieder, der auf das Gutachten des zuletzt genannten Sachverständigen gestützte Ausspruch des Urteils, der Angeklagte habe zum Zeitpunkt der Tathandlungen möglicherweise unter Alkoholeinfluß gestanden, entspreche nicht den Tatsachen, macht der Beschwerdeführer in Wahrheit einen Begründungsmangel (Z 5) geltend. Dieser Einwand betrifft jedoch keine entscheidende Tatsache, weil aus dem geringeren oder höheren Grad einer - jedenfalls auch nach dem Beschwerdevorbringen - die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Alkoholisierung für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen ist.

Bei der Beschwerdebehauptung schließlich, der Schuldspruch wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB sei zu Unrecht erfolgt, weil das Beweisverfahren keinen Nachweis dafür erbracht habe, daß der Angeklagte "vorsätzlich seinen Penis bei Claudia hineingesteckt und auch nicht angesetzt hat", es könne aber auch von einem Versuch nicht gesprochen werden, der nur bei Vorsatzdelikten, nicht jedoch bei Fahrlässigkeitstaten möglich sei, geht der Beschwerdeführer - soweit damit überhaupt eine materiellrechtliche Nichtigkeit geltend gemacht wird - abermals prozeßordnungswidrig nicht von den seine Verantwortung mit mängelfreier Begründung ablehnenden und damit gegenteiligen Urteilsfeststellungen aus, wonach er im Zuge des tatplangemäß erfolgten (wiederholten) Mißbrauchs der unmündigen Claudia D***** zur Befriedigung seines Sexualtriebes an dem Kind auch den außerehelichen Beischlaf unternommen hat, indem er seinen Geschlechtsteil mit dem des Mädchens in Berührung brachte (S 233, 235, 237 f). Das auch hier in Wahrheit neuerlich die Tatfrage aufrollende Beschwerdevorbringen läuft im Kern abermals - ohne irgendwelche formalen Mängel der Urteilsbegründung

aufzuzeigen - auf eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung hinaus.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach teils als offenbar unbegründet, teils als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt gemäß § 285 d Abs. 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen. Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gemäß § 285 i StPO der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist.

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