OGH 3Ob100/90

OGH3Ob100/9030.1.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Burghard G*****, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei K*****gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Andreas Wippel, Rechtsanwalt in Neunkirchen, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (Streitwert S 990.000) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 3. April 1990, GZ 20 R 17/90-53, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Freistadt vom 20. Oktober 1989, GZ 2 C 79/88-44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.640,80 (darin S 3.106,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile errichteten am 28. Oktober 1985 vor dem Notar Dr. Johannes F***** folgenden, als "Pfandbestellungsurkunde" bezeichneten (auszugsweise wiedergegebenen) Notariatsakt:

"1.) Herr Burghard G***** anerkennt, aus dem Titel abgedeckter Verbindlichkeiten, erhaltener Barzahlungen und offener Honorarforderungen der Gläubigerin einen Betrag von S 990.000 aufrecht schuldig zu sein und nunmehr diesen Betrag als Darlehen zu schulden.

2.) Herr Burghard G***** verpflichtet sich für sich, für seine Erben, Rechts- und Besitznachfolger, diesen Betrag ab dem 28. Oktober 1985 mit 1,6 % Zinsen per Monat zu verzinsen; weiters verpflichtet sich der vorgenannte Schuldner, die zu Punkt 1.) dieser Urkunde angeführte Verbindlichkeit zuzüglich der angereiften Zinsen bis längstens 30. April 1986 vollkommen spesen- und abzugsfrei an die Gläubigerin zurückzuzahlen.......

5.) Zur Sicherstellung der vorangeführten Forderung samt Nebengebühren bestellt Herr Burghard G***** die ihm gehörige Liegenschaft im Grundbuch der KG M*****, EZ ***** zum Pfand und erteilt seine Einwilligung, daß auf Grund dieser Urkunde ob der genannten Liegenschaft das Pfandrecht für die Forderung von

S 990.000 samt 1,6 % Zinsen per Monat ab 28. Oktober 1985 und einer Nebengebührenkaution von S 297.000 zugunsten der K***** Gesellschaft mbH & Co KG einverleibt werden kann .......

8.) Herr Burghard G***** erteilt hiemit seine ausdrückliche Zustimmung, daß dieser Notariatsakt in Ansehung der darin von ihm anerkannten Schuld sofort vollstreckbar sein soll, und diese Vollstreckbarkeit im Grundbuch der KG M***** ob der ihm gehörigen Liegenschaft EZ ***** angemerkt werde, ohne daß die Gläubigerin verpflichtet sein soll, im Falle der Exekutionsführung den Eintritt der Fälligkeit sowie die Höhe der Forderung samt Nebengebühren überhaupt und insbesondere durch eine öffentliche Urkunde nachzuweisen ......."

Anlaß für diesen Notariatsakt waren die Bestrebungen des Klägers, von der beklagten Partei Geld zu erlangen, um eine von der Schoeller-Bank auf Grund einer nicht erfüllten Kreditverbindlichkeit des Klägers betriebene Zwangsversteigerung der genannten Liegenschaft beim Bezirksgericht Freistadt abzuwenden. Die beklagte Partei hat bei der Vermittlung des damals in Exekution gezogenen Kredites gegenüber der Schoeller-Bank diverse Verpflichtungen zugunsten des Klägers übernommen, unter anderem auch den parzellenweisen Verkauf dieser Liegenschaft, der sich jedoch nicht im geplanten Ausmaß verwirklichen ließ. Die beklagte Partei machte die Gewährung eines Kredites in der Höhe von rund 250.000 S zur Abwendung der von der Schoeller-Bank betriebenen Zwangsversteigerung von der Bedingung abhängig, daß ihre bisherigen unbeglichenen Forderungen gegen den Kläger inclusive der neuen zu begründenden Forderungsabdeckung in Form einer verbücherungsfähigen Urkunde zusammengefaßt und abgesichert werden. Darüber hinaus mußte der Kläger der Beklagten einen unwiderruflichen Verkaufsauftrag mit Löschungserklärungen erteilen und Freilassungserklärungen von bevorrangten Buchberechtigten, insbesondere der Eltern, beibringen. Für diese Finanzierung sagte der Kläger der Beklagten das geforderte Gesamthonorar von S 40.000 zu. Die Summierung der bisher angewachsenen Verbindlichkeiten und der durch die Vereinbarung neu zu begründenden Schuld des Beklagten ergab S 990.859,38. Diese wurde vom Kläger und seiner Familie anerkannt und gleichzeitig darüber der oben auszugsweise wiedergegebene Notariatsakt abgeschlossen. Die Urkunde wurde den Parteien vollinhaltlich vorgelesen, von ihnen als ihrem Willen entsprechend ausdrücklich genehmigt und hierauf von ihnen in Gegenwart des Notars eigenhändig unterschrieben. Dem Kläger ging es nur darum, die Einstellung der Exekution gegen sich zu erwirken; es kann nicht ausgeschlossen werden, daß er den Notariatsakt unterfertigt hat, ohne ihn und die damit verbundenen Folgen zu verstehen. Jedoch räumte der zumeist bei den Verhandlungen anwesende Bruder des Klägers, Josef G*****, die Zweifel des Klägers mit der Bemerkung aus dem Weg, man könne der Beklagten vertrauen. Die von Josef G***** unterfertigten Schriftstücke wurden von diesem dem Inhalt nach bewußt unterzeichnet.

Anschließend an den Notariatsakt wurde vereinbart, daß der Kredit des Klägers bei der Schoeller-Bank von S 4,290.000 erhöht wird, daß dieser weitere Kreditrahmen nicht zur Auszahlung an den Kläger gelangen soll, sondern auf ein Sparbuch bei der Rechtsvorgängerin der Schoeller-Bank zugunsten der beklagten Partei zu erlegen ist und in Verwahrung genommen wird. Im Falle einer Verwertung von Liegenschaften sollte das Guthaben auf dem Sparbuch mit der Schuld gegenüber der Beklagten aus dem Notariatsakt verrechnet werden.

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 27.Mai 1986, E 3013/86-2, wurde der beklagten Partei als dort betreibender Partei gegen den Kläger als dort Verpflichtetem auf Grund des zitierten vollstreckbaren Notariatsaktes zur Hereinbringung der dort beurkundeten Forderung von S 990.000 sA die Zwangsversteigerung der EZ ***** der KG M***** bewilligt. Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung am 18. September 1989 war im Zwangsversteigerungsverfahren der Zuschlag vom 23.Februar 1988 in Rechtskraft erwachsen und das Meistbot an der beklagten Partei vorangehende Gläubiger verteilt, sodaß feststand, daß die beklagte Partei keine Zuweisung erhalten wird. Über den Rekurs des Klägers gegen den Meistbotsverteilungsbeschluß mit der Begründung, daß die Meistbotszinsen vom Ersteher unvollständig erlegt worden seien, war noch nicht entschieden worden. Der Meistbotsverteilungsbeschluß erwuchs erst am 16.November 1989 in Rechtskraft.

Mit der gegen die Exekutionsführung gerichteten "Oppositionsklage" erhob der Kläger Einwendungen im Sinne des § 35 EO. Er begehrt die Unzulässigerklärung der Exekution, weil es nie zur Auszahlung des im Notariatsakt beurkundeten Darlehens gekommen sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, daß der Rechtsgrund des Notariatsaktes (größtenteils) nicht in der Gewährung eines Darlehens, sondern in der Abdeckung früherer Schulden des Klägers gegenüber der Beklagten bestanden habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte aus den oben wiedergegebenen Feststellungen rechtlich, daß der Kläger seine Behauptung, die im Notariatsakt zugesagten Leistungen (Darlehensvaluta) nicht erhalten zu haben, nicht bewiesen habe.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Dem Kläger sei zwar trotz der Tatsache, daß die beklagte Partei aus dem Meistbot keine Zuweisung erhalten werde (ihre Exekutionsführung daher ins Leere gegangen sei), ein Rechtsschutzinteresse an der Fortführung des Verfahrens zuzubilligen, die materiell-rechtlichen Voraussetzungen hiefür seien aber nicht gegeben. Der vollstreckbare Notariatsakt stelle (soweit er nicht die Darlehensgewährung umfasse) ein konstitutives Anerkenntnis des Klägers über alle seine bis zum 28. Oktober 1985 aufgelaufenen Verbindlichkeiten gegenüber der beklagten Partei dar. Damit sei gleich einem Vergleich ein neuer Verpflichtungsgrund geschaffen worden, der eine materiell-rechtliche Überprüfung der Richtigkeit der einzelnen damit geregelten Verbindlichkeiten ausschließe. Der Einwand der Irreführung bei Abschluß des Notariatsaktes sei dem Kläger im Oppositionsverfahren verwehrt, weil sich eine solche Klage nur auf nach dem Titel entstandene Umstände stützen dürfe. Im übrigen sei dem Kläger der Beweis mißlungen, daß das ihm nach Errichtung des vollstreckbaren Notariatsaktes auszuzahlende Darlehen nicht zugekommen sei. Eine Belehrung des Klägers, sein Begehren im Rahmen einer negativen Feststellungsklage auf Irreführung zu stützen, sei nicht erforderlich gewesen, weil für eine solche Prozeßführung das Erstgericht (sachlich) nicht zuständig gewesen wäre und die Verjährungsfrist des § 1487 ABGB bereits bei der ersten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 16.November 1988 abgelaufen gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Klägers ist zwar nicht schon deshalb unzulässig, weil inzwischen im bekämpften Exekutionsverfahren das Meistbot rechtskräftig verteilt worden ist. Im maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz war die Exekution noch nicht rechtskräftig beendet, sodaß eine allfällige Umstellung des Klagebegehrens noch nicht erforderlich war.

Es fehlt jedoch an der Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO. Die zweite Instanz erblickte eine solche Rechtsfrage in einem Widerspruch zwischen den zu SZ VII/305 und NZ 1973, 189 veröffentlichten oberstgerichtlichen Entscheidungen. Das Berufungsgericht folgte letzterer und vertrat die Auffassung, daß für die Geltendmachung eines materiell-rechtlichen Unwirksamkeitsgrundes eines Notariatsaktes weder eine Klage nach § 36 EO bzw. Art XVII EGEO noch nach § 35 zur Verfügung stehe, weil zur Geltendmachung solcher Gründe die Klage auf § 39 Abs 1 Z 1 EO zu stützen sei. Hingegen habe der Oberste Gerichtshof in der zu SZ VII/305 veröffentlichten Entscheidung eine Klage nach § 35 EO zugelassen.

Dieser Widerspruch liegt aber nicht vor. Gegen eine Exekutionsführung auf Grund eines Notariatsaktes kommen drei Klagen in Betracht: Zunächst die nach Art. XVII EGEO, womit die Exekutionskraft des Notariatsaktes aus formellen Gründen bestritten wird; für diese Klage haben nach Art. XVII EGEO die Bestimmungen des § 36 EO zu gelten. Die Entscheidung NZ 1973/189 betrifft den zweiten Fall. Sie weist materiell-rechtliche Einwendungen gegen das Zustandekommen des Notariatsaktes (wie zB Geschäftsunfähigkeit, Irrtum und dgl.) einer besonderen Klage mit der Wirkung des § 39 Abs 1 Z 1 EO zu (vgl. Heller-Berger-Stix, 52 f; SZ VIII/289 gegen SZ VII/337; die E JBl 1951, 439 beruft sich zu Unrecht auf SZ VIII/289). Nach der Entstehung des Titels eingetretene, den Anspruch aufhebende Tatsachen schließlich sind mit Oppositionsklage geltend zu machen (Heller-Berger-Stix aaO 53). Die Entscheidung SZ VII/305 betrifft diesen dritten Fall, in dem in einem Notariatsakt eine Darlehenszuzählung bestätigt wurde, das Darlehen aber in Wahrheit erst nach der Erstellung der Urkunde ausbezahlt werden sollte und die Auszahlung unterblieb.

In der vorliegenden Oppositionsklage hat der Revisionswerber ausschließlich eine Einwendung im letztgenannten Sinn erhoben, deren Berechtigung vom Berufungsgericht auf Grund der übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes verneint worden ist, daß der Kläger nicht bewiesen hat, ein nach dem Parteiwillen erst nach Fertigung des Notariatsaktes auszuzahlendes Darlehen nicht erhalten zu haben. Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, daß in dieser, aus der Beweiswürdigung folgenden Beurteilung eine erhebliche Rechtsfrage unrichtig gelöst worden ist. Das Revisionsvorbringen stellt vielmehr eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung dar. Auf das möglicherweise materiell unrichtige Zustandekommen des Titels ist das Berufungsgericht aber deshalb mit Recht nicht eingegangen, weil ein solcher Rechtsgrund im erstinstanzlichen Verfahren vom Kläger nicht vorgetragen und eine Verletzung der Anleitungspflicht durch das Erstgericht verneint wurde. Bei dieser letzteren Beurteilung handelte es sich um die Prüfung eines angeblichen Verfahrensmangels erster Instanz, der beim Obersten Gerichtshof nicht neuerlich geltend gemacht werden kann (MGA ZPO14 § 503/28).

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