OGH 3Ob602/90

OGH3Ob602/9023.1.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Dr.Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Martin E*****, vertreten durch Dr.Ernst Offer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Rositha R*****, vertreten durch Dr.Richard Larcher und Dr.Erwin Markl, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 490.626,74 S sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 18. September 1990, GZ 1 R 111/90-26, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29.Dezember 1989, GZ 41 Cg 400/88-22, verworfen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat die Kosten des Rekurses selbst zu tragen.

2. Die Rekursbeantwortung des Klägers wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger 490.626,74 S sA binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Das Urteil wurde dem Vertreter der Beklagten am 15.1.1990 zugestellt. Am 6.2.1990 richtete dieser an den Vertreter des Klägers ein Schreiben, das am 9.2.1990 einlangte und in dem es ua hieß:

"Betrifft: (es folgen die Namen der Streitteile)

Lieber Freund und Kollege!

In obiger Angelegenheit ist das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29.12.1989 zu Ungunsten meiner Partei ausgefallen. Nach Studium des Urteils bin ich zu der Erkenntnis gekommen, daß aus einem gewissen Beweisnotstand heraus es wenig Sinn hat, wenn meine Partei das Urteil bekämpft, und werde es daher rechtskräftig werden lassen.

Meine Mandantschaft ist aber aufgrund ihrer Vermögensverhältnisse und des schlechten Ganges des von (es folgt der Name des Klägers) übernommenen Geschäftes nicht imstande, den Betrag unter einem innerhalb der Leistungsfrist zu bezahlen. Sie ersucht daher höflich um Ratenzahlung.

Meine Mandantschaft bietet daher Raten im Betrag von 7.000 S monatlich ab 1.3.1990 an. Diese Raten ist sie imstande, pünktlich zu leisten. Höhere Raten wären ihr aufgrund ihrer übrigen Verpflichtungen derzeit nicht möglich.

..........."

Am 12.2.1990 wurde eine Berufung der Beklagten gegen das angeführte Urteil des Erstgerichtes zur Post gegeben. Der Kläger machte in der Berufungsbeantwortung ua geltend, daß die beklagte Partei durch die Übersendung des wiedergegebenen Schreibens auf die Einbringung einer Berufung verzichtet habe.

Der Vertreter der Beklagten führte in der Stellungnahme, zu der er vom Berufungsgericht aufgefordert wurde, aus, daß das Schreiben nur eine Wissens- und keine Willenserklärung über einen Rechtsmittelverzicht enthalte. Die Beklagte habe nach dem bei im am 6.2.1990 geführten Gespräch eine für die Entscheidung wesentliche Urkunde aufgefunden und ihn darauf mit der Einbringung der Berufung beauftragt.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Beklagten mit der Begründung, daß diese in dem Schreiben vom 6.2.1990 hierauf gültig verzichtet habe.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Kläger gegen diesen Beschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zulässig (Petrasch in ÖJZ 1989, 750); er ist jedoch nicht berechtigt.

Die Rekursbeantwortung des Klägers ist unzulässig, weil der Beschluß des Berufungsgerichtes nicht zu den im § 521 a ZPO erschöpfend aufgezählten Entscheidungen gehört und daher bei einem Rekurs, mit dem die Zurückweisung einer Berufung bekämpft wird, eine Rekursbeantwortung nicht zusteht (EFSlg 57.848).

Im Schrifttum und in der Rechtsprechung ist es nunmehr herrschende Meinung, daß der Verzicht auf das Recht der Berufung auch außergerichtlich erklärt werden kann (Fasching, Kommentar IV 86 f und ZPR2 Rz 1703; Holzhammer, ZPR2, 317; SZ 24/29; EvBl 1975/50; EvBl 1980/179 ua). Es handelt sich dabei um eine Prozeßhandlung. Bei der Auslegung von Prozeßhandlungen ist nicht der tatsächliche (innere) Wille der Partei maßgebend, sondern es kommt ausschließlich darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Prozeßzwecks und der dem Gericht und dem Gegner bekannten Prozeß- und Aktenlage objektiv verstanden werden muß (Fasching, ZPR2 Rz 757). Die im Rekurs enthaltenen Ausführungen, daß in dem Schreiben ein Rechtsmittelverzicht nicht abgegeben werden sollte, sind daher nicht zielführend; abgesehen davon sind sie auch nicht überzeugend, weil sich aus der Stellungnahme des Vertreters der Beklagten ergibt, daß die Berufung nur deshalb erhoben wurde, weil der Beklagten nach der Absendung des Schreibens eine neue Urkunde zur Verfügung stand.

Der Vertreter der Beklagten hat in dem Schreiben einerseits erklärt, er werde das Urteil des Erstgerichtes rechtskräftig werden lassen, und hat andererseits zugleich für die Beklagte um eine Ratenvereinbarung angesucht. Beides zusammen konnte aber objektiv vom Vertreter des Klägers nur dahin verstanden werden, daß die Beklagte entsprechend dem § 472 Abs 1 ZPO auf das ihn noch offenstehende Recht der Berufung verzichtet und eine Regelung der ihr somit rechtskräftig auferlegten Zahlungspflicht anstrebt. Eine bloße Wissenserklärung könnte nur in dem Satzteil erblickt werden, daß es wenig Sinn habe, das Urteil zu bekämpfen. Dies stellte aber nur die Bekanntgabe des Motivs für die anschließende Erklärung dar und mußte für einen redlichen Erklärungsempfänger nur den Eindruck verstärken, daß in der anschließenden Erklärung der Wille zum Ausdruck gebracht wird, auf das Recht der Berufung zu verzichten.

Die dargelegte Auslegung steht auch mit der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Einklang: In der Entscheidung EvBl 1975/50 wurde in einem im wesentlichen gleichartigen Fall, in dem der Parteienvertreter ebenfalls bloß die Absicht erklärte, keine Berufung zu erheben, aber ebenfalls eine Ratenvereinbarung vorschlug, ein Rechtsmittelverzicht erblickt. Auch in der Entscheidung 7 Ob 527/80 (= EvBl 1980/179) wurde ein - in der Veröffentlichung nicht

wiedergegebenes - Schreiben, das die Mitteilung enthielt, daß das Urteil nicht angefochten werde, und in dem um Übersendung eines Erlagscheines zur Bezahlung der noch offenen Forderung und der Kosten ersucht wurde, als Rechtsmittelverzicht angesehen. In der Entscheidung 3 Ob 1042/88 wurde schließlich auf Grund einer - allerdings an das Gericht gesandten - Mitteilung des Parteienvertreters, die von ihm vertretene Partei habe sich entschlossen, keine außerordentliche Revision zu erheben, ein Verzicht auf dieses Rechtsmittel angenommen.

Dem Berufungsgericht ist somit darin beizupflichten, daß die Beklagte auf das Recht der Berufung gültig verzichtet hat, weshalb ihre Berufung gemäß § 472 Abs 1 ZPO unzulässig war.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekurses beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte