Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden als nichtig aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Der am 31.Mai 1990 verstorbene Ludwig Johann S*** errichtete am 19.September 1985 vor einem Notar ein Testament, in dem er ua seine (zweite) Gattin zur Alleinerbin einsetzte und seine Söhne aus erster Ehe Viktor und Franz S*** auf den Pflichtteil beschränkte. Nach dem Inhalt der Niederschrift vom 16.Juli 1990 erschien Franz S*** zu der für diesen Tag im Verlassenschaftsverfahren vom Gerichtskommissär Notar Dr.Viktor M*** durchgeführten Verhandlung trotz Ladung unentschuldigt nicht. Das Erstgericht nahm darauf mit Beschluß vom 24.Juli 1990 ON 7 ua die von der Witwe auf Grund des Testaments zum gesamten Nachlaß abgegebene unbedingte Erbserklärung zu Gericht an und anerkannte das Erbrecht der Witwe als ausgewiesen (Pkt 1), überließ ihr die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses einschließlich der Verfügungberechtigung über ein Guthaben aufgrund einer Versicherungspolizze (Pkt 2 und 4) und "verständigte den erbl Sohn Franz S***....mit einer Testamentsabschrift" (Pkt 3). Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Franz S***, in dem er die fehlende Rechtsbelehrung in dem ihm zugestellten Beschluß ON 7 beanstandete, das Testament nicht anerkannte und "Einspruch" gegen die Überlassung des Nachlasses an die Witwe erhob, nicht Folge, weil das Fehlen einer Rechtsbelehrung keinen ausreichenden Anfechtungsgrund darstelle; Franz S*** habe die Möglichkeit, sich um Rechtsbelehrung an das Erstgericht für seine weitere Vorgangsweise zu wenden.
Der iS des § 9 AußStrG rechtsmittellegitimierte Noterbe (NZ 1989, 14) Franz S*** macht in seinem ao
Revisionsrekurs - erstmals - geltend, keine Vorladung zu einer Verhandlung und keine Kopie des Testaments (gemeint: entgegen der Anordnung im erstgerichtlichen Beschluß ON 7) erhalten zu haben. Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil Nichtigkeitsgründe immer von erheblicher Bedeutung für die Rechtssicherheit sind, und gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 1 GKoärG ist die Abhandlung in den dort genannten Fällen (von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen) von einem Notar zu führen. Ein Noterbe wie Franz S*** gehört zu den "vermutlichen" Erben iS des § 75 AußStrG und muß der Verlassenschaftsabhandlung bei sonstiger Nichtigkeit derselben beigezogen werden (EvBl 1981/50; JBl 1974, 212; SZ 46/117 ua), um die ihm zustehenden Rechte nach § 784 ABGB (Schätzung des Nachlasses), § 804 ABGB (Errichtung des Inventariums) und § 812 ABGB (Absonderung der Verlassenschaft vom Vermögen des Erben) ausüben zu können (SZ 51/179), auch wenn die vom Rechtsmittelwerber offenbar beabsichtigte Testamentsanfechtung im streitigen Verfahren auszutragen ist (Welser in Rummel2, §§ 570-572 ABGB, Rz 8).
Nach § 9 GKoär (iVm § 6 AußStrG) hat der Notar bei seiner Tätigkeit als GKoär die für die Gerichte geltenden gesetzlichen Vorschriften sinngemäß anzuwenden. Zustellungen kann er durch die Post oder durch das Gericht besorgen lassen. Daß Franz S*** vom Notar zur Verhandlung vom 16.Juli 1990 geladen wurde, ist weder durch einen Rückschein (§ 5 ZustG) noch sonst durch eine entsprechende Urkunde über die Übernahme des Briefes dargetan. Nach den Erhebungen des Revisionsrekursgerichtes beim Notar erfolgte die Ladung des Noterben Franz S*** zur Verhandlung vom 16.Juli 1990 ON 4 durch den Notar mit nicht eingeschriebenem Brief. Die ordnungsgemäße Ladung des Noterben zu dieser Verhandlung ist daher nicht dargetan. Die Nichtigkeitsgründe der ZPO (hier § 477 Abs 1 Z 4 ZPO) gelten auch für das außerstreitige Verfahren.
Wegen dieser Nichtigkeit müssen die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben werden.
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