OGH 12Os137/90

OGH12Os137/9029.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.November 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Siegl als Schriftführer in der Strafsache gegen Christian E*** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4 erster Fall StGB über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 14. März 1990, GZ 12 E Vr 359/89-12, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 14. März 1990, GZ 12 E Vr 359/89-12, verletzt in seinem Strafausspruch das Gesetz in der Bestimmung des § 43 a Abs. 2 StGB.

Text

Gründe:

Der am 17.Oktober 1970 geborene Bürokaufmann Christian E*** wurde mit dem Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 14.März 1990, GZ 12 E Vr 359/89-12, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4 erster Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 10.Juni 1989 (demnach als Jugendlicher) als Lenker eines Personenkraftwagens durch Befahren der linken Fahrbahnhälfte im Verlauf einer Linkskurve einen Frontalzusammenstoß mit einem entgegenkommenden Personenkraftwagen herbeigeführt, wodurch (neben ihm) fünf (weitere) Fahrzeuginsassen an sich schwere Verletzungen mit einer 24 Tage jeweils übersteigenden Gesundheitsstörung (gemeint: Gesundheitsschädigung) und Berufsunfähigkeit erlitten. Er wurde hiefür nach § 88 Abs. 4 erster Strafsatz StGB unter Anwendung des § 5 JGG und des § 43 a Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 70 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, sowie zu einem Monat Freiheitsstrafe verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen und dem Verurteilten die Weisung erteilt, binnen Jahresfrist die Teilnahme an einem "driver-improvement-Kurs" des Kuratoriums für Verkehrssicherheit nachzuweisen. Diesen Strafausspruch begründete der Einzelrichter im wesentlichen damit, daß "nach den Grundsätzen des § 32 StGB im Rahmen des § 5 JGG dem Grade des Verschuldens eine zweimonatige Freiheitsstrafe" entspreche. Wegen des hohen Grades der Fahrlässigkeit sei § 43 a Abs. 2 StGB anzuwenden und die Strafe in zwei gleiche Teile zu teilen, wobei die bisherige Unbescholtenheit, die Schuldeinsicht und die Bereitschaft des (im Unfallszeitpunkt jugendlichen) Beschuldigten, sich einer dringend gebotenen Nachschulung zu unterziehen, die bedingte Nachsicht des als Freiheitsstrafe ausgesprochenen Teils rechtfertigten (S 111, 112).

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil steht in seinem Strafausspruch mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Die in Rede stehende Straftat ist nach § 88 Abs. 4 erster Strafsatz StGB iVm § 5 Z 4 und 5 JGG mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bedroht, wobei sich die richterliche Ermessensentscheidung zwischen diesen beiden gesetzlichen Strafalternativen daran zu orientieren hat, daß bei wahlweiser Androhung von Geld- und Freiheitsstrafe die letztere die Ausnahme sein soll (Foregger-Serini4, Anm. V zu § 37 StGB). Mit der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 43 a Abs. 2 StGB verkennt die im konkreten Fall ausgesprochene Kumulierung einer Geldstrafe mit einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe die Anwendungsgrenzen dieser zitierten Gesetzesbestimmung: § 43 a Abs. 2 StGB setzt nämlich auch in Verbindung mit § 5 Z 9 JGG primär voraus, daß auf eine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten zu erkennen wäre und nicht die Voraussetzungen für eine bedingte Nachsicht der ganzen Strafe vorliegen (12 Os 27/90, 14 Os 100/90 uva). Eine Erfüllung dieser Grundvoraussetzungen scheiterte hier jedoch schon an der - wie erwähnt - mit einer Obergrenze von bloß drei Monaten limitierten gesetzlichen Strafdrohung. Soweit § 5 Z 9 JGG die Anwendbarkeit des § 43 a (wie auch des § 43) StGB für die Ahndung von Jugendstraftaten gegenüber dem Erwachsenenstrafrecht ausdehnt, normiert diese Bestimmung den Wegfall ausschließlich jener gesetzlichen Beschränkungen, die sich an dem Höchstmaß der jeweils zu verhängenden Freiheitsstrafe orientieren, während gesetzliche Anknüpfungspunkte, soweit sie das Strafmindestmaß betreffen, davon unberührt bleiben. Die dem in Rede stehenden Strafausspruch ersichtlich zugrunde liegende (durch mißverständliche Anmerkungen in einzelnen Gesetzesausgaben genährte - Juridica Kurzkommentare, Jesionek-Held JGG 1988 Anm. 3 zu § 5 Z 8 und 9; Reissig, JGG 1988 Anm. VII zu § 5) Rechtsauffassung findet demnach im Gesetz keine Deckung.

Da der Einzelrichter die ihm unterlaufene gesetzwidrige Kumulierung der Geld- und Freiheitsstrafe ausdrücklich auf § 43 a Abs. 2 StGB gestützt und damit begründet hat, daß die (ersichtlich unter gezieltem Ausschluß des § 37 StGB) für angemessen erachtete Freiheitsstrafe von zwei Monaten nicht zur Gänze bedingt nachgesehen werden könne, hat sich die von der Generalprokuratur zu Recht gerügte Gesetzesverletzung zum Vorteil des Angeklagten ausgewirkt. In Anbetracht der unmißverständlichen Verneinung der Anwendbarkeit des § 43 Abs. 1 StGB in bezug auf die ganze Freiheitsstrafe hätte nämlich nur deren Ausspruch ohne bedingte Nachsicht dem Gesetz entsprochen, weil § 43 a Abs. 2 StGB - wie dargelegt - eine Teilung in eine unbedingte Geldstrafe und eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe nur für Freiheitsstrafen von mehr als sechs Monaten zuläßt.

In Stattgebung der von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde hatte sich der Oberste Gerichtshof daher spruchgemäß auf die Feststellung der unterlaufenen Gesetzesverletzung zu beschränken.

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