OGH 1Ob575/90

OGH1Ob575/9028.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** S*** Gesellschaft mbH, Mannheim 1, Güterhallenstraße 36, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Wilhelm Grünauer, Dr. Wolfgang Putz und Dr. Wolfgang Boesch, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) T*** Internationaler Frachtverkehr Gesellschaft mbH & Co KG, 2.) T*** Internationaler Frachtverkehr Gesellschaft mbH, beide Langkampfen, Unterlangkampfen 346, vertreten durch Dr. Franz Klaban, Rechtsanwalt in Wien, 3.) M*** G*** Gesellschaft mbH, Wildschönau, Oberau 174, vertreten durch Dr. Klaus Eberherr, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen DM 108.144,09 samt Anhang, infolge Revisionen der klagenden und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 26. Jänner 1990, GZ 4 R 298/89-22, womit infolge Berufungen der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12. April 1989, GZ 15 Cg 32/88-14, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen der klagenden Partei und der drittbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Den Revisionen der erstbeklagten und der zweitbeklagten Parteien wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildende restliche gegen die erstbeklagte und die zweitbeklagte Partei gerichtete Zahlungsbegehren von DM 91.835,34 samt Anhang (Punkt 2 des Urteilsspruches des Berufungsgerichtes) abgewiesen wird. Die klagende Partei ist schuldig, an Prozeßkosten und Kosten der Rechtsmittelverfahren der erst- und zweitbeklagten Parteien den Betrag von S 145.101,30 (darin enthalten S 18.980,22 Umsatzsteuer und S 31.220 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Die klagende Partei ist weiters schuldig, der drittbeklagten Partei an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von S 17.703,50 (darin enthalten S 2.950,58 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die C*** Handelsgesellschaft mbH & Co mit dem Sitz in Hamburg (im folgenden C***) verkaufte aus Interventionsbeständen im September 1986 an F***, Carpi, Italien, 1000 Sack S 25 kg Magermilchpulver, nicht denaturiert; die Ware war zur Denaturierung zwecks Beimischung ins Futter für Schweine und Geflügel bestimmt. Der Kaufpreis betrug DM 16.308,75. Die Käuferin erlegte gemäß einer Verordnung der Kommission der Europäischen Gemeinschaft eine Verarbeitungskaution in Höhe von DM 101.237,50. Die C*** beauftragte die klagende Partei mit dem Transport dieser Ware von St. Wendel, Bundesrepublik Deutschland, nach Carpi, Italien. Der feste Frachtpreis betrug DM 2.200. Die klagende Partei gab ihrerseits den Auftrag um DM 2.000 an die erstbeklagte Partei, deren Komplementärin die zweitbeklagte Partei ist, weiter. Die Frachtabwicklung sollte gemäß CMR erfolgen. Die erstbeklagte Partei beauftragte mit der Durchführung die drittbeklagte Partei. Diese sollte Rechnung an die erstbeklagte Partei legen. Anläßlich der Übernahme des Frachtbriefes wurde zwar ein CMR-Frachtbrief ausgestellt, der aber lediglich die Stampiglie und die Unterschrift der drittbeklagten Partei trägt. Der Frachtbrief wurde weder von der C*** noch von der klagenden Partei ausgestellt oder unterfertigt. Absender ist nach diesem Frachtbrief die C***, Empfänger ist F***.

Auf Grund eines Streiks der Zollveterinäre war eine sofortige Verzollung des Ladegutes in Verona nicht möglich. Der Sattelaufleger wurde von einem Chauffeur der drittbeklagten Partei auf dem Parkplatz der Johann B*** Gesellschaft mbH in Domegliara abgestellt. Dort wurde er von unbekannten Tätern gestohlen. Eine Woche später wurde er entladen neben der Autobahn aufgefunden. Da der Nachweis der Denaturierung des Milchpulvers nicht erbracht werden konnte, verfiel die von F*** erlegte Kaution. Diese verlangte von der C*** die Erstattung des Betrages. C***, die dies anerkannte, begehrte ihrerseits diesen Betrag von der klagenden Partei. Die klagende Partei wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Mannheim schuldig erkannt, der C*** den Betrag von DM 91.835,34 samt Anhang zu zahlen. Die klagende Partei anerkannte der C*** gegenüber, auch zur Bezahlung des Kaufpreises für das Milchpulver in der Höhe von DM 16.308,75 schuldig zu sein. Nur dieser Betrag wurde im Verrechnungsweg von der klagenden Partei gezahlt. Der der C*** urteilsmäßig zuerkannte Betrag von DM 91.835,34 samt Anhang ist noch offen. Ein Exekutionsverfahren ist nicht anhängig.

Die klagende Partei begehrt von den beklagten Parteien die Bezahlung des Betrages von DM 16.308,75 sowie die Feststellung der Haftung sämtlicher beklagter Parteien für die verfallene Kaution, als Eventualbegehren für den Fall der Abweisung des Feststellungsbegehrens die Bezahlung des Betrages von DM 91.835,34 samt Anhang. Die klagende Partei habe sich der erstbeklagten Partei als Unterfrachtfüher bedient. Die drittbeklagte Partei sei ausführender Unterfrachtführer gewesen, die klagende Partei sei nach den Bestimmungen der CMR berechtigt, die drittbeklagte Partei in Haftung zu nehmen. Bei einem Nachweis der Verwendung des Milchpulvers als Schweinefutter wäre der Kautionsbetrag rückerstattet worden.

Die erst- und die zweitbeklagte Partei wendeten ein, sie hätten von der klagenden Partei keinen CMR-Frachtbrief übernommen, sie seien daher nicht in den Frachtvertrag zwischen der klagenden Partei als Absender und Hauptfrachtführer und der drittbeklagten Partei als ausführender Frachtführer eingetreten. Für verfallene Kautionsbeträge bestehe nach Art. 23 CMR keine Haftung. Die drittbeklagte Partei wendete ein, ihr Lenker habe sich, als die veterinärmedizinische Begutachtng wegen eines Streiks nicht habe durchgeführt werden können, an die erstbeklagte Partei gewendet und die Weisung erhalten, den Auflieger auf dem Parkplatz der Transport-rep Gesellschaft mbH Johann B*** (im folgenden Transport-Gesellschaft Johann B***) in Domegliara abzusatteln und mit der Zugmaschine einen anderen Auftrag durchzuführen. Der Lenker der drittbeklagten Partei habe dabei nicht grob fahrlässig gehandelt. Der Diebstahl habe nicht vermieden werden können. Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren rechtskräftig ab, gab dem Zahlungsbegehren teils als Hauptbegehren, teils als Eventualbegehren, vollinhaltlich statt. Es stellte fest, der Disponent der erstbeklagten Partei habe den Fahrer des Sattelzuges der drittbeklagten Partei telefonisch aufgefordert, das Fahrzeug auf einem geeigneten Parkplatz abzustellen. Der Parkplatz der TransportGesellschaft Johann B*** sei zwar eingezäunt, nachts jedoch nicht abgeschlossen, sodaß die Zu- und Abfahrt von Fahrzeugen nicht gehindert werden könne. Der Parkplatz sei beleuchtet. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien die Bestimmungen des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) anzuwenden seien. Gemäß Art. 4 CMR werde zwar der Beförderungsvertrag in einem Frachtbrief festgehalten, das Fehlen, die Mangelhaftigkeit oder der Verlust des Frachtbriefes berühre aber weder den Bestand noch die Gültigkeit des Beförderungsvertrages. Der Beförderungsvertrag sei ein Konsensualvertrag, er komme unabhängig von der Ausstellung und Übergabe eines Frachtbriefes durch bloße Willenseinigung der Vertragspartner zustande. Zwischen der klagenden Partei und der erstbeklagten Partei sei ein Frachtvertrag abgeschlossen worden, auch wenn die erstbeklagte Partei im CMR-Frachtbrief nicht aufscheine. Es komme einer groben Fahrlässigkeit gleich, wenn durch Abkoppeln der Sattelauflieger ohne jede technische Diebstahlssicherung auf einem jederzeit zugänglichen Parkplatz zurückgelassen werde. Die Haftung der beklagten Parteien sei daher nach Art. 17 Abs. 1 und 29 CMR zu bejahen.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht gab den Berufungen der erst- und der zweitbeklagten Parteien nicht, der der drittbeklagten Partei teilweise Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß die drittbeklagte Partei zur ungeteilten Hand mit den übrigen beklagten Parteien schuldig sei, den Betrag von DM 16.308,75 samt Anhang zu bezahlen. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nach § 502 Abs. 1 ZPO zulässig sei. Es übernahm die auf Grund eines mängelfreien Verfahrens getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes. Zu den Rechtsrügen führte es aus, Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmungen des Kapitels VI CMR sei ein qualifizierter Unterfrachtvertrag im Sinn des Art. 34 CMR. Es müsse also ein durchgehender Frachtvertrag vorliegen, das Gut und der ursprüngliche Frachtbrief müßten durch den Unterfrachtführer angenommen werden. Der CMR-Frachtbrief, auf Grund dessen die drittbeklagte Partei den Transport durchgeführt habe, enthalte nicht die Unterschrift des Absenders. Ein Frachtbrief im Sinne der CMR liege nicht vor. Für die Begründung der direkten Haftung des Unterfrachtführers im Sinn des Art. 34 CMR sei aber das Vorliegen eines CMR-Frachtbriefes Voraussetzung. Direkte vertragliche Beziehungen zwischen der klagenden und der drittbeklagten Partei bestünden nicht. Ob eine deliktische Haftung der drittbeklagten Partei anzunehmen sei, richte sich gemäß § 48 IPRG nach italienischem Recht. Eine solche Haftung wurde vom Berufungsgericht für den Ersatz des Kaufpreises bejaht. Auf das Rechtsverhältnis zwischen der klagenden und der erstbeklagten Partei seien die Bestimmungen der CMR-Konvention anzuwenden. Die klagende Partei, die im Rechtsverhältnis zur erstbeklagten Partei als Absender des Transportvertrages anzusehen sei, habe eine Liquidation des Schadens im Drittinteresse vornehmen können. Die klagende Partei hätte sowohl der C*** als auch F*** gegenüber für die auf beiden Seiten eingetretenen Schäden zu haften. Unabhängig von der Konstruktion der Schadensabwicklung im Drittinteresse bestehe für den Fall, daß die Haftungsbegrenzungen der CMR nicht zu gelten hätten, eine Verpflichtung der erstbeklagten Partei zum Ersatz des Schadens auch in Höhe von DM 91.835,34, da darüber bereits eine rechtskräftige Verurteilung der klagenden Partei bestehe. Nach § 430 Abs. 3 HGB könne der Ersatz des vollen Schadens gefordert werden. Für die klagende Partei sei bereits eine Verbindlichkeit entstanden, darin liege ein ihr zu ersetzender Nachteil am Vermögen. Nach Art. 29 CMR stehe dem Vorsatz nach österreichischem Recht auch grobe Fahrlässigkeit gleich. Eine solche grobe Fahrlässigkeit sei dem Lenker der drittbeklagten Partei vorzuwerfen.

Sämtliche Parteien erheben Revisionen. Die erst- und die zweitbeklagte Partei bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen des Zuspruches der Verarbeitungskaution; nur die Revisionen der erst- und der zweitbeklagten Parteien sind berechtigt. Die Bestimmungen des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) gelten zwischen der klagenden Partei und der erst- und zweitbeklagten Partei auf Grund vertraglicher Vereinbarung, für alle beklagten Parteien aber schon deshalb, weil der Ort der Übernahme des Gutes in der Bundesrepublik Deutschland und der für die Ablieferung vorgesehene in Italien in Staaten liegen, von denen jeder Vertragsstaat ist (BGBl. 1961/138, 1963/14). Der ursprüngliche Frachtführer (Hauptfrachtführer) ist nicht verpflichtet, die Beförderung selbst durchzuführen. Er kann die von ihm geschuldete Beförderung des Gutes einem anderen Frachtführer (dem Unterfrachtführer) in eigenem Namen übertragen. Der Unterfrachtführer ist Erfüllungsgehilfe des Hauptfrachtführers. Der Unterfrachtführer kann seinerseits weitere Frachtführer heranziehen (SZ 58/122; SZ 58/6 je mwN). Das Kapitel VI der CMR (Art. 34 bis 40) enthält Bestimmungen über die Beförderung durch aufeinanderfolgende Frachtführer. Sowohl für die Anwendung dieser Bestimmungen als auch für die des § 432 Abs. 2 HGB (Rechtsbeziehungen zwischen dem qualifizierten Unterfrachtführer und dem Absender) ist aber Voraussetzung, daß für die Beförderung ein einziger durchgehender Frachtbrief ausgestellt wurde, den jeder der unter Umständen aufeinanderfolgenden Frachtführer mit dem Gut annimmt und allenfalls weitergibt (SZ 58/122; SZ 58/6 je mwN ua; zuletzt WBl. 1989, 98). Weder vom Absender noch vom Hauptfrachtführer (der klagenden Partei) wurde ein solcher durchgehender Frachtbrief ausgestellt und dem jeweiligen Unterfrachtführer übergeben (vgl. RdW 1988, 89 mwN). Damit fand aber eine Einbeziehung der beklagten Parteien in den zwischen der klagenden Partei und der Firma C*** abgeschlossenen Frachtvertrag nicht statt. Es bestehen daher vertragliche Beziehungen nur zwischen dem Haupt- und dem ersten Unterfrachtführer und zwischen diesem und der drittbeklagten Partei als zweitem Unterfrachtführer, nicht aber zwischen den beklagten Parteien und dem Absender bzw. zwischen der drittbeklagten Partei und der klagenden Partei (SZ 58/6 mwN). Die drittbeklagte Partei war Erfüllungsgehilfe der erstbekalgten Partei (SZ 58/102 mwN; Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht3 III 360). Die erst- und die zweitbeklagte Partei ließen den Zuspruch des Betrages von DM 16.308,75 (Regreß der klagenden Partei wegen Bezahlung des Kaufpreises des gestohlenen Frachtgutes an den Absender nach erfolgter Zahlung) in Rechtskraft erwachsen. Es ist daher zu prüfen, ob ein Regreßanspruch der klagenden Partei in diesem Umfang auch gegen die drittbeklagte Partei, mit der sie nicht in vertraglichen Beziehungen stand, auf Grund der (in Österreich und der Bundesrepublik Deutschland gleichlautenden) Vorschrift des § 432 Abs. 3 HGB in Betracht kommt, wonach dann, wenn auf Grund dieser Vorschrift einer der beteiligten Frachtführer Schadenersatz geleistet hat, ihm der Rückgriff gegen denjenigen zusteht, der den Schaden verschuldet hat. Strittig ist, ob unter den im § 432 Abs. 3 HGB genannten "beteiligten Frachtführern" nur Gesamtfrachtführer nach § 432 Abs. 2 HGB oder jeder Unterfrachtführer, somit auch ein solcher im Sinn des § 432 Abs. 1 HGB zu verstehen ist. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung SZ 58/6 mwN die divergierenden Lehrmeinungen dargestellt, ohne dort die Frage beantworten zu müssen (vgl. für den deutschen Rechtsbereich die ebenfalls nur den Meinungsstand wiedergebende Entscheidung des BGH NJW 1986, 132). Grammatikalische Auslegung führt zu keinem eindeutigen Ergebnis. So vertritt schon Rundnagel in Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts V/II 183 ff die Ansicht, daß der Eingangssatz des § 432 Abs. 3 HGB nicht geschickt abgefaßt sei. Makower, HGB12 führt zu § 432 HGB unter I a Z 3 aus, daß auf Grund der Verwendung des Mehrzahlbegriffes "Vorschriften" beide vorstehenden Absätze erfaßt sein könnten, kommt aber zu einer einschränkenden Auslegung der Anwendbarkeit der Vorschrift des § 432 Abs. 3 nur für den Fall der Gesamtfrachtführerschaft des Abs. 2, weil im Fall des § 432 Abs. 1 HGB der (erste) Zwischenfrachtführer nicht beteiligter Frachtführer, sondern Absender sei. Helm in Großkommentar HGB3, Rz 24 zu § 432 HGB führt zutreffend aus, daß der Wortlaut selbst keine Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 432 Abs. 3 HGB nur auf den Fall des § 432 Abs 2 HGB erkennen läßt.

Heymann-Kötter, HGB 976 haben auf Grund der Entstehungsgeschichte des § 432 Abs. 3 HGB nachgewiesen, daß nach dem Willen des historischen Gesetzgebers beteiligter Frachtführer nach § 432 Abs. 3 HGB jeder Unterfrachtführer, also auch der des § 432 Abs. 1 HGB sein sollte. Nach der Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuches (Reichstagsvorlage) 268 f war es nach dem geltenden Recht mangels besonderer Vorschriften zweifelhaft und bestritten, wie sich der Rückgriff der an der Beförderung beteiligten Frachtführer untereinander regelt. Der Entwurf schließt sich daher an die Art. 47 bis 49 des Berner Vertrages und an den § 85 des Betriebsreglements des Vereines deutscher Eisenbahnverwaltungen an, deren grundsätzliche Bestimmungen zu einer Verallgemeinerung wohl geeignet erscheinen. Nach den Art. 47 ff des Übereinkommens über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 14.10.1890, RGBl 1892/186, konnte diejenige Eisenbahn, die Entschädigung geleistet hat, den Rückgriff gegen alle am Transport beteiligten Bahnen, also nicht nur gegen den unmittelbar anschließenden Frachtführer nehmen. Das in Österreich weiterhin in Geltung gebliebene allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch hat, anders als die Vorschrift des § 432 Abs. 3 HGB, in seinem Art 401 eine Regelung über den Rückgriff zwischen mehreren Frachtführern nicht getroffen, es sollte darüber in erster Linie die zwischen den Frachtführern getroffenen Abmachungen entscheiden, in Ermangelung solcher aber die Vorschriften des bürgerlichen Rechts (Staub-Pisko, Kommentar zum HGB2 II 545). Ziel des dem Berner Übereinkommen vom 14.10.1890 folgenden deutschen Entwurfes war eine Abkürzung und Vereinfachung des Rückgriffverfahrens. Der Rückgriff sollte nicht nur gegen die unmittelbar vorhergehende bzw. nachfolgende Eisenbahn genommen werden können, alle Rückgriffsansprüche, daher auch solche gegen Eisenbahnen, zu der keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen im Einzelfall bestanden, sollten in einem einzigen Prozesse erledigt werden. Beteiligt waren alle am Rückgriffsverfahren teilnehmenden Bahnen (Art. 51 Abs. 1 des Übereinkommens; Loening IÜG 1924 929). Der erkennende Senat schließt sich diesem Ergebnis historischer Auslegung, dem nunmehr der überwiegende Teil der Lehre gefolgt ist (Hügel in JBl. 1984, 60; Enzinger in RdW 1986, 362; Helm aaO;

Baumbach-Duden-Hopt, HGB26 1028; Karsten Schmidt, Handelsrecht3 843;

Honsell in Heymann, HGB, Rz 9 und 14 zu § 432; aA ohne nähere Begründung Schütz in Straube, HGB, Rz 6 zu § 432) an. Der Gesetzgeber wollte anläßlich der Schaffung des § 432 Abs. 3 HGB bewußt von der Regelung des bürgerlichen Rechts, wonach im Falle der Aufeinanderfolge einer Reihe von (selbständigen) Erfüllungsgehilfen Regreßansprüche nur jeweils gegen den unmittelbaren Vertragspartner, nicht aber gegen die Vertragspartner der Vertragspartner geltend gemacht werden können, abgehen. Aus Gründen der Vereinfachung der endgültigen Aufteilung des Schadens sollte gerade im Frachtverkehr der Rückgriff unter Teilnahme aller Frachtführer erfolgen. Ob dem Fahrer der drittbeklagten Partei bei der Abstellung des Fahrzeuges auf einem unbewachten Parkplatz auffallende Sorglosigkeit vorzuwerfen ist, braucht dann aber nicht geprüft zu werden. Daß er jedenfalls fahrlässig handelte, wird in der Revision nicht mehr bestritten.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof prüfte (§ 510 Abs. 3 ZPO), nicht vor. Der Revision der drittbeklagten Partei ist nicht Folge zu geben. Der Ansicht der klagenden Partei, auf den Regreß gegen die erst- und zweitbeklagte Partei sei deutsches Recht anzuwenden, kann nicht gefolgt werden. Nach dem Prinzip der charakteristischen Leistung (§ 36 IPRG; Schwimann in Rummel, ABGB, Rz 1 und 3 zu § 36 IPRG) ist, soweit nicht die Bestimmungen der CMR Regelungen enthalten, auf das Rechtsverhältnis zwischen der klagenden und der erstbeklagten Partei österreichisches Recht anzuwenden. Zum Geschäftsstatut gehört die gesamte Abwicklung des rechtsgeschäftlich begründeten Schuldverhältnisses (8 Ob 670/87), demnach auch die Beantwortung der Frage, ob Rückgriffsansprüche nach § 432 Abs. 3 HGB bestehen. Aber selbst wenn man davon ausginge, daß ein gesetzlicher, nicht vom Schuldstatut umfaßter Rückgriffsanspruch geltend gemacht wird, wäre seine Berechtigung jedenfalls auch nach österreichischem Recht zu beurteilen, da dann die Rückgriffsvoraussetzungen nach beiden Rechtsordnungen bestehen müssen (M.Wolff, Das IPR Deutschlands3 154 f; Ferid, IPR3 6-119). Nach österreichischem Recht ist die klagende Partei aber noch nicht zum Rückgriff gegen die erstbeklagte Partei berechtigt.

Wie der erkennende Senat in den Entscheidungen SZ 58/122 und SZ 58/6 mwN ausführte, entspricht es herrschender österreichischer Rechtsprechung und Lehre, daß der Geschäftsherr erst dann Zahlung begehren kann, wenn er den seinem Vertragspartner entstandenen Schaden ersetzt hat. Auch ein Frachtführer kann daher Regreßansprüche gegen einen Unterfrachtführer (als seinem Erfüllungsgehilfen) erst dann stellen, wenn er selbst dem Dritten Ersatz geleistet hat (nunmehr auch Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 3 zu § 1313). Die klagende Partei hat den durch den Verfall der Verarbeitungskaution entstandenen Schaden, obwohl dazu urteilsmäßig verpflichtet, bisher nicht ersetzt. Das entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung als Hauptbegehren gestellte Feststellungsbegehren wurde schon vom Erstgericht rechtskräftig abgewiesen. Einen Befreiungsanspruch machte die klagende Partei gegen die erst- und die zweitbeklagte Partei nicht geltend. Es erweisen sich somit die Revision der erst- und zweitbeklagten Parteien, nicht aber die Revision der klagenden und der drittbeklagten Parteien als berechtigt. Die Urteile der Vorinstanzen sind dahin abzuändern, daß das gegen die erst- und die zweitbeklagte Partei noch offene Begehren von DM 91.835,34 samt Anhang abzuweisen ist.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten und die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 43 Abs. 1 und 50 ZPO. Die erst- und die zweitbeklagte Partei obsiegten im 1. Verfahrensabschnitt mit 86,1 % im 2. Abschnitt und im berufungsgerichtlichen Verfahren mit 85 %; ihnen stand daher 72,2 % bzw. 70 % des Honorars zu. Der Streitgenossenzuschlag betrug allerdings gemäß § 15 RAT nur 10 %. Bei den Barauslagen wurde auf die Vorschrift des § 43 Abs. 1 zweiter Satz ZPO Bedacht genommen. Im Verhältnis der klagenden Partei zur drittbeklagten Partei hatten beide jeweils nur mit ihren Abwehranträgen Erfolg. Da die klagende Partei in ihrer Revisionsbeantwortung keine Kosten verzeichnete, sind der drittbeklagten Partei die gesamten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zuzuerkennen. Ohne daß eine mündliche Revisionsverhandlung stattfand, konnten die nicht in der Revisionsbeantwortung verzeichneten Kosten nicht nachträglich geltend gemacht werden (2 Ob 88/82, 8 Ob 121/77).

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