Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung wegen Strafe und wegen des Ausspruches nach dem § 366 Abs 2 StPO werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 10.März 1922 geborene Pensionist Josef F*** wurde des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Mayrhofen als Bürgermeister und somit als Beamter mit dem Vorsatz, den Staat und die Parteien im Bauverfahren an ihren konkreten Rechten auf Bewilligung der Aufführung von Gebäuden nur bei Vorliegen der gesetzlich geforderten Voraussetzungen, insbesondere auf Untersagung einer Bauführung ohne Baubewilligung "bzw." entgegen einer Baubewilligung (zu ergänzen: zu schädigen,) seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ, nämlich als Baubehörde erster Instanz, in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich dadurch mißbraucht, daß er
1. in der Zeit ab 15.Mai 1987 es pflichtwidrig unterließ, den bescheidwidrig ausgeführten Bau des Hans W*** im Haus Mayrhofen Nr. 437, bei dem anstelle der bewilligten Zu- und Umbauten ein Supermarkt errichtet wurde, einzustellen, die Benützung zu untersagen und einen Baubescheid zu erlassen, sowie
2. in der Zeit ab 24.November 1987 es pflichtwidrig unterließ, die im genannten Haus in den Jahren 1987 und 1988 erfolgte Errichtung und ab der Wintersaison 1988/1989 erfolgte Benützung von sechs Ferienwohnungen, wofür die gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere eine Sonderwidmung gemäß dem § 16 a TROG und eine bescheidmäßige Bewilligung nicht vorlagen, zu untersagen. Von einem anderen Anklagepunkt erfolgte ein in Rechtskraft erwachsener Freispruch.
Rechtliche Beurteilung
Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Überdies hat er gegen das schöffengerichtliche Urteil Berufung wegen Schuld, Strafe und privatrechlicher Ansprüche angemeldet (S 32/II). Schriftlich ausgeführt wurde neben der Nichtigkeitsbeschwerde lediglich die Berufung wegen des Ausspruches über die privatrechtlichen Ansprüche; mit dem Adhäsionserkenntnis war der Privatbeteiligte Manfred M*** gemäß dem § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden.
Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung der Anträge auf Vernehmung des Zeugen Dr. W*** sowie auf Einholung "des Aktes der Bezirkshauptmannschaft Schwaz". Der Zeuge Dr. W*** sollte zum Beweis dafür vernommen werden, daß bei einer Besprechung im Herbst 1989 dem Beschwerdeführer mitgeteilt wurde, "daß eine Lösung der etwa 18 Appartementhäuser der Marktgemeinde Mayrhofen insbesondere somit auch des Objektes W*** nur generell erfolgen sollte, und zwar im Zuge einer Überarbeitung des Flächenwidmungsplanes zugleich mit der dem zu erstellenden Bebauungsplan, um nicht in willkürlicher Weise gegenüber einzelnen Gemeindebürgern vorzugehen" (S 28/II). Was immer der Angeklagte damit auch unter Beweis stellen will - für den gegenständlichen Fall kann dies nicht von Relevanz sein, bezieht sich doch der Beweisantrag auf "Herbst 1989", während das strafbare Verhalten des Angeklagten laut Urteil im Faktum 1 seit 15.Mai 1987, im Faktum 2 seit 24.November 1987 und seit Dezember 1988 ("ab der Wintersaison 1988/1989") währte und sonach im Herbst 1989 schon längst vollendet war.
Was den Akt der Bezirkshauptmannschaft Schwaz anlangt, der mehrere Aufsichtsbeschwerden des Privatbeteiligten enthält, kann aus dem Umstand, daß eine Bezirksverwaltungsbehörde "keinen Anlaß zum Einschreiten gesehen hat", nichts für die Frage gewonnen werden, ob dem Beschwerdeführer ein gerichtlich strafbares Verhalten anzulasten ist. Daß aber - was in der Beschwerde behauptet wird - die Bezirkshauptmannschaft Schwaz dem Angeklagten rechtskonformes Verhalten attestiert hat, war nicht Gegenstand des Beweisantrages. Durch die Ablehnung der erwähnten Beweisanträge wurden sonach Verfahrensgrundsätze zum Nachteil des Angeklagten nicht verletzt. Als mit Begründungsmängeln (Z 5) behaftet und bedenklich iS des § 281 Abs 1 Z 5 a StPO erachtet der Beschwerdeführer die Urteilsfeststellung, bei den durchgeführten Baumaßnahmen im Objekt W*** habe es sich keinesfalls nur um unwesentliche
Änderungen gehandelt, weil sich die Änderungen ausschließlich auf die Inneneinrichtung und die Innenraumnutzung beschränkt hätten und sonach äußerlich keine Änderungen vorgenommen worden seien. Dem ist zu erwidern, daß das Gericht die gerügte Konstatierung aus der "Verhandlungsschrift" (gemeint vom 15.Mai 1987) und den in der Verhandlung erhobenen Einwänden der Anrainer sowie der Gewichtigkeit der in dieser Bauverhandlung zur Sprache gekommenen offenen Fragen, die dem sachkundigen Beschwerdeführer bekannt waren, erschlossen hat. Damit hat das Schöffengericht aber zureichend begründet, warum es der Verantwortung des Angeklagten, die Erlassung eines Baubescheides sei infolge Geringfügigkeit der beabsichtigten Änderung (gegenüber dem Bewilligungsbeschluß aus dem Jahr 1985) entbehrlich gewesen, nicht folgte. Gegen die Richtigkeit dieser - für die Schuld des Beschwerdeführers
entscheidenden - Tatsachen aber ergeben sich auch unter dem Gesichtspunkt der Tatsachenrüge (Z 5 a) aus den Akten keine erheblichen Bedenken.
Entgegen den Ausführungen zum Nichtigkeitsgrund der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO liegen nach der Aktenlage erhebliche Bedenken auch gegen die Urteilsfeststellung um das Wissen des Angeklagten, daß es sich im Faktum 2 um mehr als drei nicht ständig der Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes dienende Wohnungen iS des § 16 a Abs 1 lit a TROG handelte, nicht vor.
Welche Tatsachenfeststellungen "bezüglich der Widmung als Einkaufszentrum als auch der Widmung als Appartementhaus" das Erstgericht getroffen hat, die nach dem Beschwerdevorbringen nicht zutreffen, ist der insoweit nicht substantiierten Rechtsmittelschrift nicht zu entnehmen, so daß darauf nicht eingegangen werden kann.
Mit den Rechtsrügen behauptet der Beschwerdeführer, die ihm angelasteten Taten seien gerichtlich nicht strafbar (Z 9 lit a), überdies lägen Umstände vor, wonach die Strafbarkeit ausgeschlossen sei (Z 9 lit b).
Sofern der Angeklagte im Lichte der Entscheidung 11 Os 102/88 zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund davon ausgeht, zum Tatbestand des Mißbrauches der Amtsgewalt sei erforderlich, daß die Gebietskörperschaft rundweg übergangen und ihr vorweg die Möglichkeit genommen worden sein muß, ein Projekt oder einen Antrag auf seine Genehmigungsvoraussetzung hin zu prüfen, dies sei im gegenständlichen Fall nicht geschehen, bleibt sein pauschales Vorbringen gleichfalls unsubstantiiert, denn er vermag nicht deutlich und bestimmt darzutun, aus welchen Gründen in concreto die ihm vorgeworfenen Unterlassungen den strafbaren Tatbestand nicht erfüllen sollten.
Gleiches gilt für das Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b, das sich in dem nicht näher substantiierten Einwand erschöpft, der Beschwerdeführer habe nicht anders handeln können, ein rechtskonformes Verhalten sei ihm nicht zumutbar gewesen. Welche Umstände ihn im Fall W*** an einem in der Tiroler
Bauordnung vorgesehenen Vorgehen gehindert haben sollten, wird in der Rechtsrüge im einzelnen gar nicht dargetan, so daß auch dieser Teil der Nichtigkeitsbeschwerde einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich ist. Im übrigen sind aber auch im Beweisverfahren keine Umstände hervorgekommen, die darauf hindeuteten, die Untätigkeit des Angeklagten könnte iS des § 10 StGB (auf den er sich in seiner Rechtsrüge offensichtlich beruft) entschuldbar sein. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ist die Zulassung eines Privatbeteiligten selbst gegen den Widerspruch des Angeklagten nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpfbar (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr. 86 a bis 88 zu § 47 StPO).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung teils gemäß dem § 285 d Abs 1 Z 1 StPO iVm dem § 285 a Z 2 StPO als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils gemäß dem § 285 d Abs 1 Z 2 StPO als offenbar unbegründet zurückzuweisen.
Ihr Schicksal teilt die angemeldete "Berufung wegen Schuld", weil ein derartiges Rechtsmittel gegen schöffengerichtliche Urteile in den Prozeßgesetzen nicht vorgesehen ist.
Die Entscheidung über die Berufung im übrigen fällt in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Innsbruck (§ 285 i StPO). Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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