OGH 10ObS281/90

OGH10ObS281/9020.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing. Walter Holzer (Arbeitgeber) und Mag. Wilhelm Patzold (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Anna S***, Pensionistin, 1230 Wien, Dirmhirngasse 8/2, vertreten durch Dr. Gustav Adler und Dr. Gertrude Adler, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, diese vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. April 1990, GZ 33 Rs 56/90-27, womit das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 12. September 1989, GZ 4 Cgs 597/89-23, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekurses sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die am 4. Februar 1926 geborene Klägerin wurde vor dem Jahr 1959 Miteigentümerin einer größeren Anzahl von Grundstücken. Der Großteil dieser Grundstücke war spätestens seit dem Jahr 1959 verpachtet und wurde seit dieser Zeit von der Klägerin nicht benützt und nicht bewirtschaftet. Alle diese Grundstücke wurden von den Pächtern landwirtschaftlich genutzt. Nicht verpachtet wurde das Grundstück, auf dem sich das von der Klägerin bewohnte Haus befand, ferner die anschließenden, als Garten genutzten Grundstücke und insgesamt vier Waldgrundstücke.

Die Klägerin verkaufte ihre Anteile an den verpachtet gewesenen Grundstücken mit zwei Kaufverträgen vom 20. 2. 1986 und 11. 10. 1987. Die mit dem zuletzt genannten Kaufvertrag verkauften Grundstücke waren den Käufern mit einem Vertrag vom 25. 4. 1970 verpachtet worden. Der Pachtvertrag wurde ursprünglich auf die Dauer von zehn Jahren geschlossen und nach Ablauf der Pachtzeit mit Vertrag vom 14. 2. 1981 um fünf Jahre verlängert. Die Pächter und späteren Käufer benützten die gepachteten Grundstücke nach Ablauf der verlängerten Pachtzeit weiter, ohne hiefür Pachtzins zu bezahlen.

Die Anteile an den Waldgrundstücken wurden von der Klägerin am 26. 9. 1985, die Anteile am Haus und an den Gartengrundstücken wurden von ihr am 12. 9. 1988 verkauft.

Die beklagte Partei gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 21. 8. 1982 ab 2. 5. 1982 die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer in der Höhe von 3.573,80 S monatlich und anerkannte mit Bescheid vom 10. 8. 1987 den Anspruch der Klägerin auf Alterspension ab 1. 6. 1987, den sie mit 4.380,90 S monatlich feststellte. In beiden Bescheiden sprach sie aus, daß ein Anspruch auf Ausgleichszulage nicht besteht, wobei sie der Ermittlung des Einkommens der Klägerin gemäß § 292 Abs 8 ASVG Einkünfte aus der Aufgabe eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zugrundelegte und gemeinsam mit der Pension zu einem den Richtsatz übersteigenden Betrag kam.

Die Ablehnung der Gewährung einer Ausgleichszulage in dem zweiten Bescheid bekämpfte die Klägerin mit der vorliegenden Klage. Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei im zweiten Rechtsgang schuldig, der Klägerin ab 1. 6. 1987 zur Alterspension die Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Es war rechtlich der Meinung, daß eine Pauschalanrechnung nicht vorzunehmen sei, weil die Klägerin aus dem hiefür allein in Betracht kommenden Haus samt Garten keine Einkünfte erzielt habe, weshalb es sich hiebei um keinen landwirtschaftlichen Betrieb handle. Das Berufungsgericht verwies die Rechtssache infolge Berufung der beklagten Partei zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß das Verfahren in erster Instanz erst nach Rechtskraft seines Beschlusses fortzusetzen ist. Keine Pauschalanrechnung habe bei den verpachteten Grundstücken stattzufinden, weil die Verpachtung mehr als zehn Jahre vor dem mit 1. 5. 1982 anzunehmenden Stichtag liege. Für die Frage der Pauschalanrechnung sei daher entscheidend, ob die nicht verpachtet gewesenen Waldgrundstücke und das nicht verpachtet gewesene Haus samt Garten als landwirtschaftlicher Betrieb anzusehen seien. Dies hänge davon ab, ob die Grundflächen nach dem Bewertungsgesetz als Teil eines land- oder forstwirtschaftlichen Vermögens zu bewerten gewesen wären. Selbst wenn aber ein Einheitswert wegen des unter 2.000 S liegenden Betrages nicht festzustellen gewesen wäre, hätte ein landwirtschaftlicher Betrieb dann vorgelegen, wenn aus den Grundstücken für die Lebensführung relevante Erträgnisse erzielt worden wären oder hätten erzielt werden können. Zu diesen Punkten seien noch Feststellungen notwendig.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Kläger gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Rekurs ist zwar zulässig, weil der vom Rekursgericht offensichtlich noch gemäß § 519 Abs 1 Z 3 ZPO aF ausgesprochene Rechtskraftvorbehalt als Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses im Sinn des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO in der hier schon maßgebenden Fassung der WGN 1989 anzusehen ist; er ist aber nicht berechtigt.

Nach der neuesten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (Entscheidung vom 27. 3. 1990, 10 Ob S 279/89, SSV-NF 4/44 - in Druck = JUS 1990/457) ist ein im § 292 Abs 8 ASVG genannter Vorgang (Aufgabe der Bewirtschaftung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes, Übergabe, Verpachtung oder sonstige Überlassung des Betriebes zur Bewirtschaftung), der innerhalb von zehn Jahren vor dem Stichtag, am Stichtag oder nach dem Stichtag liegt, bei der Ermittlung des für den Anspruch auf Ausgleichszulage maßgebenden Einkommens unabhängig davon zu berücksichtigen, ob schon ein gleichartiger Vorgang vor dem angeführten Zeitraum stattgefunden hat. Diese Auffassung wurde im wesentlichen damit begründet, daß nach dem Wortlaut des § 292 Abs 8 ASVG einzige Voraussetzung für die Pauschalanrechnung sei, daß innerhalb von zehn Jahren vor dem Stichtag einer der darin angeführten Vorgänge stattgefunden hat. Es sei daraus hingegen keine Einschränkung in der Richtung zu entnehmen, daß die Pauschalanrechnung ausgeschlossen sein solle, wenn es schon vor mehr als zehn Jahren vor dem Stichtag zu einem gleichartigen Vorgang gekommen ist. Dagegen spreche auch, daß die Pauschalanrechnung angeordnet worden sei, weil in der Land- und Forstwirtschaft noch immer die Gepflogenheit weit verbreitet sei, daß der Übergeber eines Betriebes vom Betriebsnachfolger ein Ausgedinge erhält, das ihm für seinen Lebensabend Wohnung und Verpflegung sichert (vgl 404 BlgNR 13. GP 110 f). Die Möglichkeit, ein Ausgedinge oder eine ihm entsprechende Gegenleistung zu vereinbaren, habe der Eigentümer des Betriebes aber jedes Mal, wenn ein Vorgang im Sinn der angeführten Bestimmung stattfindet, und zwar unabhängig davon, ob schon früher einmal ein gleichartiger Vorgang stattgefunden hat.

Diese Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes bedeutet hier, daß der Verkauf der Grundstücke am 20. 2. 1986 zur Pauschalanrechnung gemäß § 292 Abs 8 ASVG führt, obwohl diese Grundstücke schon mehr als zehn Jahre vor dem Stichtag verpachtet wurden. Zum Verkauf der Grundstücke am 11. 10. 1987 ist zu beachten, daß er schon nach dem Tag liegt, für den der Anspruch auf Ausgleichszulage geltend gemacht wird (1. 6. 1987). Es ist daher für die vorausgehende Zeit von jenem letzten Vorgang im Sinn des § 292 Abs 8 ASVG auszugehen, der vor dem Stichtag liegt. Dies war die Verlängerung des Pachtvertrages am 14. 2. 1981. Von diesem Zeitpunkt ist der gemäß § 292 Abs 8 iVm Abs 9 ASVG idF vor der 48. ASVGNov (nunmehr § 292 Abs 10 iVm Abs 11 ASVG) für die Ermittlung des Einkommens heranzuziehende durchschnittliche Einheitswert zu berechnen. Dabei ist Stichtag gemäß § 292 Abs 12 ASVG in der hier noch maßgebenden Fassung vor der 48. ASVGNov (nunmehr § 292 Abs 13 ASVG) der für die erste Pension maßgebende Stichtag, also der 1. 5. 1982.

Sollte das nach den vorstehenden Grundsätzen ermittelte Nettoeinkommen zuzüglich der Pension der Klägerin die Höhe des für sie geltenden Richtsatzes nicht erreichen, so käme es darauf an, ob auch der Verkauf der nicht verpachtet gewesenen Grundstücke zur Pauschalanrechnung führt. Hiezu läßt sich aus § 292 Abs 8 ASVG (und dem gleichlautenden § 149 Abs 7 GSVG und § 140 Abs 7 BSVG) entnehmen, daß entscheidend ist, ob für die Grundstücke ein Einheitswert nach den Vorschriften des BewG über die Bewertung von land- und forstwirtschaftlichen Vermögen (§§ 30 bis 50 dieses Gesetzes) festgestellt wurde (vgl auch SSV-NF 2/99 und 10 Ob S 63/90 = SSV-NF 4/30 - in Druck). Da die Höhe des anzurechnenden Betrages von der Höhe des Einheitswertes abhängt, muß angenommen werden, daß der Gesetzgeber den erwähnten Einheitswert im Auge gehabt hat, zumal er nach anderen Grundsätzen als der Einheitswert für andere Vermögensarten zu ermitteln ist. Daran ändert auch die durch die 48. ASVGNov (16. GSVGNov und 14. BSVGNov) geschaffene neue Art der Ermittlung des Einkommens nichts. Zwar ist nunmehr das Einkommen nicht mehr unmittelbar aus dem Einheitswert zu berechnen, sondern dieser ist nur mehr mittelbar maßgebend. Es ist aber nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber durch die Änderung der Berechnungsart auch in der Frage, welcher Einheitswert heranzuziehen ist, etwas ändern wollte.

Liegt also für den Zeitpunkt, in dem der zu beurteilende Vorgang stattgefunden hat, ein nach den Vorschriften über die Bewertung land- oder forstwirtschaftlichen Vermögens festgestellter Einheitswert der betroffenen Grundstücke nicht vor, so kommt eine Pauschalanrechnung nicht in Betracht, weil es an einem Einheitswert fehlt, von dem sie zu berechnen ist. Insoweit ist dem Berufungsgericht daher zu folgen. Das Gesagte gilt aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes und seiner früheren Rechtsprechung als damaligem Höchstgericht (SSV 19/17) auch dann, wenn der Einheitswert nur gemäß § 25 Z 1 BewG nicht festgestellt wurde, weil er geringer als 2.000 S ist. Es kann nämlich davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber der Sozialversicherungsgesetze es in Kauf nahm, daß in solchen Fällen die Anrechnung eines - ohnedies nur geringfügigen - Einkommens aufgrund des § 292 Abs 8 ASVG (oder des § 149 Abs 7 GSVG oder des § 140 Abs 7 BSVG) unterbleiben kann, zumal eine Grundlage hiefür fehlt.

Wurde für die betroffenen Grundstücke ein Einheitswert nach den Vorschriften über die Bewertung des land- oder forstwirtschaftlichen Vermögens festgestellt und ist diese Feststellung auch wirksam, so kommt es entgegen der Meinung der Klägerin für die Frage der Pauschalanrechnung nicht darauf an, ob der Pensionsberechtigte zuletzt aus diesen Grundstücken einen Ertrag erzielt hat oder erzielen hätte können. Dafür läßt sich aus § 292 Abs 8 ASVG (§ 149 Abs 7 GSVG und § 140 Abs 7 BSVG) kein Anhaltspunkt finden, zumal es für die Pauschalanrechung auch ohne Bedeutung ist, ob anläßlich der Aufgabe oder Überlassung der Bewirtschaftung des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes eine Gegenleistung ausbedungen wird. Wie vorzugehen ist, wenn sich die Verhältnisse gegenüber der noch wirksamen letzten Feststellung des Einheitswertes insofern geändert haben, als die betroffenen Grundstücke zu der für die Pauschalanrechnung maßgebenden Zeit nicht mehr zum land- oder forstwirtschaftlichen Vermögen gehören, eine Neufeststellung gemäß § 21 Abs 1 Z 2 BewG aber noch nicht stattgefunden hat, muß nicht erörtert werden, weil sich nach den Verfahrensergebnissen kein Hinweis darauf ergibt.

Das Erstgericht wird daher gegebenenfalls sein Verfahren auch in der Richtung zu ergänzen haben, ob bei den nicht verpachtet gewesenen Grundstücken für den Zeitpunkt des Verkaufes ein Einheitswert nach den Vorschriften über die Bewertung land- oder forstwirtschaftlichen Vermögens festgestellt war und in diesem Fall sodann die für die Ermittlung des Einkommens gemäß § 292 Abs 8 ff aF und idF der 48. ASVGNov erforderlichen Feststellungen über die Höhe des Einheitswertes zu treffen haben.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekurses beruht auf § 2 Abs 1 ASGG iVm § 52 Abs 1 ZPO.

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