OGH 11Os98/90

OGH11Os98/9024.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Oktober 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pokorny als Schriftführerin in der Strafsache gegen Roman G*** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 2.Juli 1990, GZ 36 Vr 328/90-47, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwalts Dr. Presslauer, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Mair zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der Ablehnung des Ausspruches, der Angeklagte habe die in Punkt VII/2 des Schuldspruches beschriebene Zerstörung einer Betonlamelle im gerichtlichen Gefangenenhaus Innsbruck an einer der öffentlichen Sicherheit dienenden Einrichtung begangen, in der rechtlichen Beurteilung dieser Tat und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Die Zerstörung der Betonlamelle im Landesgericht Innsbruck (Punkt VII/2/ des Urteilssatzes) wurde an einer der öffentlichen Sicherheit dienenden Einrichtung begangen.

Roman G*** hat durch die in Punkt VII des Schuldspruches angeführten Taten das Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z 5 StGB begangen.

Er wird hiefür sowie für die ihm nach den unberührt gebliebenen Punkten I./ bis VI./ und VIII./ des Schuldspruches zur Last liegenden Handlungen, nämlich das Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 StGB und die Vergehen des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1, 2 und 3 StGB, des Betruges nach dem § 146 StGB, der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 2 StGB, der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB, des Gebrauchs fremder Ausweise nach dem § 231 Abs. 1 StGB und des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 Z 1 WaffG, gemäß dem § 129 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 (vier) Jahren verurteilt.

Gemäß dem § 38 Abs. 1 StGB wird die Vorhaft vom 4.Februar 1990,

2.23 Uhr, bis 1.Mai 1990, 2.25 Uhr, und vom 6.Mai 1990, 10.00 Uhr, bis 2.Juli 1990, 11.35 Uhr, auf die Strafe angerechnet. Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde der am 13.Februar 1953 geborene Roman G*** des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 StGB (Punkt I des Urteilssatzes), des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1, 2 und 3 StGB (Punkt II des Urteilssatzes), des Vergehens des Betruges nach dem § 146 StGB (Punkt III des Urteilssatzes), des Vergehens der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 2 StGB (Punkt IV des Urteilssatzes), des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB (Punkt V des Urteilssatzes), des Vergehens des Gebrauchs fremder Ausweise nach dem § 231 Abs. 1 StGB (Punkt VI des Urteilssatzes), des Vergehens der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB (Punkt VII des Urteilssatzes) und des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 Z 1 WaffG (Punkt VIII des Urteilssatzes) schuldig erkannt.

Gegen dieses Urteil erhebt die Staatsanwaltschaft eine auf den Nichtigkeitsgrund nach Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, in welcher die Beurteilung der dem Angeklagten zur Last liegenden Sachbeschädigung nach einer strengeren Strafbestimmung - nämlich als eine durch § 126 Abs. 1 Z 5 StGB qualifizierte schwere Sachbeschädigeig - angestrebt wird. Die Rüge bezieht sich auf das Faktum VII/2 des Schuldspruches (Anklageausdehnung S 19/II. Bd). Den hiefür maßgebenden Urteilsfeststellungen zufolge flüchtete der in Untersuchungshaft angehaltene Angeklagte am 1.Mai 1990 aus dem Gefangenenhaus des Landesgerichtes Innsbruck, nachdem er zur Schaffung des Fluchtweges eine Betonlamelle eines Zellenfensters zerstört und damit tätergewollt einen Gebäudeschaden herbeigeführt hatte. Das Schöffengericht lehnte es ab, diese Sachbeschädigung der Qualifikationsnorm des § 126 Abs. 1 Z 5 StGB zu unterstellen, weil es von der Auffassung ausging, daß eine Zellenvergitterung eines gerichtlichen Gefangenenhauses keine Einrichtung sei, die unmittelbar der öffentlichen Sicherheit diene.

Mit ihrer gegen diesen Standpunkt gerichteten Beschwerde ist die Anklagebehörde im Recht:

Rechtliche Beurteilung

Der im § 126 Abs. 1 Z 5 StGB normierte besondere strafrechtliche Schutz für Einrichtungen, Anlagen oder andere Sachen, die der öffentlichen Sicherheit dienen, erstreckt sich auf Objekte, die unmittelbar für die Tätigkeit der Polizei, der Gendarmerie, der Zollwache und der Justizwache bestimmt und notwendig sind (SSt. 47/65). Zu den solcherart geschützten Sachen zählen auch gerichtliche Gefangenenhäuser, die für den Vollzug der Strafhaft und der Untersuchungshaft bestimmt sind. Der Strafvollzug (vgl. hiezu Foregger-Schausberger Anm. zu § 20 StVG) und die prozessualen Zwangsmittel der Verwahrungshaft sowie der Untersuchungshaft (vgl. den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach dem § 175 Abs. 1 Z 4 iVm dem § 180 Abs. 2 Z 3 StPO) bezwecken nämlich auch die Sicherung der Allgemeinheit vor Delinquenz und damit einen Effekt, der nach allgemeiner Wortbedeutung als Wahrung öffentlicher Sicherheit verstanden wird.

Daraus folgt allerdings noch nicht, daß jede Sachbeschädigung an einem gerichtlichen Gefangenenhaus der strengeren Strafdrohung des § 126 Abs. 1 Z 5 StGB unterliegt, weil diese Qualifikation nur dann erfüllt ist, wenn die Tat die Eignung aufweist, eine abstrakte Gefährdung der Betriebssicherheit des Tatobjekts hervorzurufen (Kienapfel BT II2 RN 21, 22 zu § 126 StGB mit weiteren Literatur- und Judikaturnachweisen). Diese Gefährdung der Funktionstauglichkeit eines Gefangenenhauses ist aber jedenfalls bei einer Zerstörung von Gebäudeteilen gegeben, die für die Abschließung von der Außenwelt essentiell sind und eine Flucht der angehaltenen Personen verhindern sollen. Das Herausbrechen einer das Fenster eines Haftraumes sichernden Betonlamelle bildet daher eine Sachbeschädigung, die an einer der öffentlichen Sicherheit dienenden Einrichtung verübt wird und demgemäß der Qualifikation nach dem § 126 Abs. 1 Z 5 StGB unterliegt (11 Os 33/90).

Es war darum der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge zu geben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, in der Ablehnung des Ausspruchs, der Angeklagte habe die in Punkt VII/2 des Schuldspruches beschriebene Zerstörung einer Betonlamelle im gerichtlichen Gefangenenhaus Innsbruck an einer der öffentlichen Sicherheit dienenden Einrichtung begangen, in der rechtlichen Beurteilung dieser Tat und demgemäß auch im Strafausspruch aufzuheben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst wie im Spruch zu erkennen.

Bei der hiedurch notwendigen Strafneubemessung erachtete der Oberste Gerichtshof, abgesehen von der strengeren materiellrechtlichen Einordnung der dem Angeklagten zur Last liegenden Sachbeschädigungen, auf der Basis der vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründe unter besonderer Bedachtnahme auf den Handlungs- und Erfolgsunwert der begangenen Vermögensdelikte eine Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren als dem Gewicht des Tatunrechts sowie der Schuld und Täterpersönlichkeit des wiederholt schwer vorbestraften Roman G*** entsprechend.

Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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