OGH 6Ob672/90

OGH6Ob672/9018.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz Vinzenz Q***, Gesellschafter und Pensionist, Waltendorfer Hauptstraße 32, 8010 Graz, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Erika Maria Johanna Christine Q*** geborene K***, derzeit beschäftigungslos, Jakob-Redtenbacher-Gasse 28, 8010 Graz, wegen Feststellung (Streitwert S 100.000,--) infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 9.August 1990, GZ 2 R 313/90-6, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 20.Juli 1990, GZ 29 C 63 90t-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Beklagte, deren Ehe mit dem Kläger noch aufrecht ist, begehrte mit ihrer am 4.4.1990 überreichten Klage zu 29 C 58/90g des Erstgerichtes die Verurteilung des Klägers zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 50.000 ab 1.12.1989. Am 10.4.1990 überreichte der Kläger die vorliegende Klage mit dem auf die Feststellung der Verwirkung beziehungsweise des Erlöschens des Unterhaltsanspruches der Beklagten gerichteten Begehren und brachte darin vor, die Beklagte habe ihn grundlos verlassen, beschimpft, die Einleitung eines Sachwalterschaftsverfahrens gegen ihn veranlaßt und sich verschiedener Umtriebe im Unternehmen einer Gesellschaft, deren Hauptgesellschafter er sei, schuldig gemacht.

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Es meinte, es liege Streitanhängigkeit vor, weil sowohl die Parteien, wenngleich mit vertauschten Rollen, als auch der Anspruch ident seien. Die unterschiedlichen Begehren stünden dem nicht entgegen, weil zwingende Folge der Entscheidung im Leistungsprozeß auch die hier aufgeworfene Frage der Verwirkung beziehungsweise des Erlöschens des Unterhaltsanspruches der Beklagten sei.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es führte aus, die Identität des Anspruches sei gegeben, soweit der später geltend gemachte Anspruch durch die rechtskräftige Entscheidung im Vorprozeß gleichfalls abschließend erledigt werde. Der zweite Prozeß sei ausgeschlossen, wenn sein Streitgegenstand durch die Rechtskraft der Entscheidung im ersten Prozeß ergriffen werde. In der Regel schließe die Verschiedenheit der Begehren die Streitanhängigkeit aus, sofern nicht die

beiden - unterschiedlichen - Begehren zueinander in einem solchen Verhältnis stünden, daß die Entscheidung in dem einen Verfahren die erschöpfende Lösung der Rechtsfrage im anderen Prozeß zwingend zur Folge habe. Zwischen denselben Parteien sei im Verhältnis zwischen einer zunächst erhobenen Leistungsklage und einer später überreichten negativen Feststellungsklage Streitanhängigkeit nur anzunehmen, wenn sich das Rechtsschutzziel der Feststellungsklage darin erschöpfe, den mit der Leistungsklage erhobenen Anspruch abzuwehren. Da im Leistungsprozeß über den Bestand des Unterhaltsanspruches jedenfalls abzusprechen sei, sei das vom Kläger erhobene Begehren auf Feststellung der Verwirkung beziehungsweise des Erlöschens des Unterhaltsanspruches bereits Gegenstand des Vorprozesses. Die Rechtskraft des Urteiles im Leistungsprozeß wirke sich auch auf im Vorprozeß nicht geltend gemachte Einwendungen des Klägers aus. Unterlasse der Beklagte Einwendungen, könne er sie später nicht mehr nachholen. Da schon im Leistungsprozeß über die behauptete Unterhaltsverwirkung mit Rechtskraftwirkung abgesprochen worden sei, habe das Erstgericht zu Recht Identität des Streitgegenstandes und damit Streitanhängigkeit angenommen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, weil zur Frage, ob zwischen der Unterhaltsklage und der Klage auf Feststellung der Verwirkung des Unterhaltes Streitanhängigkeit bestehe, soweit überblickbar, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit setzt die Identität der Parteien, auch wenn sie im späteren Verfahren mit vertauschten Rollen auftreten, und des Anspruches (vgl. § 233 Abs 1 ZPO; richtiger: des Streitgegenstandes) voraus (Fasching, Lehrbuch2, Rz 1186 f). Geht - wie im vorliegenden Fall - das Leistungsbegehren voraus, so bewirkt dieser Umstand für die nachfolgende negative Feststellungsklage nur dann Streitanhängigkeit, wenn sich der zur Dartuung des Fetstellungsbegehrens vorgetragene Sachverhalt mit dem das Leistungsbegehen stützenden Sachverhalt völlig deckt und die Feststellungsklage nicht eine über den (Vor-)Prozeß hinausreichende Bedeutung - etwa für die wirksame Neueinklagung des Leistungsanspruches - hat (Fasching, aaO; vgl. EFSlg.41.689). Erschöpft sich daher das Rechtsschutzziel der (negativen) Feststellungsklage nicht in der bloßen Abwehr des mittels Leistungsklage geltend gemachten Anspruches, liegt Streitanhängigkeit nicht vor. Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof in Fällen, in welchen der auf Erhöhung seiner Unterhaltsleistungen in Anspruch Genommene der Leistungsklage die auf Feststellung des Erlöschens (beziehungsweise Ruhens) der gesamten Unterhaltsverpflichtung gerichtete Klage entgegensetzte, das Vorliegen dieses Prozeßhindernisses verneint (EFSlg.41.688, 41.689, 57.752).

Streitanhängigkeit liegt auch im vorliegenden Fall nicht vor, weil selbst das Urteil, mit dem das Unterhaltsbegehren im Leistungsprozeß zur Gänze abgewiesen wird, nicht unbedingt mit jener umfassenden Rechtskraftwirkung ausgestattet sein muß wie das dem Feststellungsbegehren stattgebende Urteil. Hat der Kläger etwa - wie er dies in seinem Rechtsmittel behauptet - gegenüber dem Unterhaltsbegehren sowohl ausreichende eigene Einkünfte wie auch Rechtsmißbrauch eingewendet und weist das Gericht das Unterhaltsbegehren ab, weil es - ohne die zweite Einwendung überhaupt zu prüfen - schon der ersten Berechtigung zubilligt, so stünde die Rechtskraft dieses Urteiles einem mit der Behauptung, nun nicht mehr über ausreichende eigene Einkünfte zu verfügen, neuerlich erhobenen Unterhaltsbegehren der Beklagten nicht entgegen, wohl aber ein Urteil, mit dem die behauptete Verwirkung des Unterhaltsanspruches rechtskräftig bejaht worden ist. Kann demnach - wie im vorliegenden Fall und überhaupt bei Dauerrechtsverhältnissen - der Feststellungsklage eine über den vorher anhängig gemachten Leistungsprozeß hinausgehende Bedeutung nicht abgesprochen werden, weil das (abweisliche) Urteil in diesem Verfahren die wirksame neuerliche Einklagung nicht in jedem Fall ausschließt, wohl aber das Urteil im Feststellungsprozeß, so ist die Streitanhängigkeit zu verneinen. Anders lägen die Dinge nur, wenn das Leistungsbegehren aus einem Zielschuldverhältnis erhoben wird, sodaß nach Abweisung dieses Begehrens eine neuerliche Leistungsklage gar nicht mehr in Betracht kommen kann. Deshalb kann auch die Entscheidung SZ 26/204 nicht gegen die hier vertretene Auffassung ins Treffen geführt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte