OGH 3Ob519/53

OGH3Ob519/535.8.1953

SZ 26/204

Normen

Zivilprozeßordnung §232
Zivilprozeßordnung §233
Zivilprozeßordnung §240
Zivilprozeßordnung §232
Zivilprozeßordnung §233
Zivilprozeßordnung §240

 

Spruch:

Zwischen der Klage auf Leistung und der negativen Feststellungsklage besteht Identität, wenn die Leistungsklage zuerst erhoben wird.

Entscheidung vom 5. August 1953, 3 Ob 519/53.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Zu 14 Cg 605/52 des Landesgerichtes f. ZRS. Wien hat Walter W. das Begehren gestellt, die dort Beklagten auf Grund einer Verpflichtungs- und Bürgschaftserklärung vom 5. Juli 1945 zur Beschaffung eines Motorrades einer bestimmten Type urteilsmäßig zu verhalten. Dieses Verfahren ist noch anhängig.

Mit der vorliegenden Klage begehren die dort Beklagten als Kläger, den dortigen Kläger zu verurteilen, er sei schuldig, anzuerkennen, daß die Verpflichtung des Erstklägers und die Bürgschaftserklärung des Zweit- und Drittklägers vom 5. Juli 1945 nicht zu Recht bestehe. Die Kläger seien bei Abgabe der Verpflichtungs- und Bürgschaftserklärung in einem Rechtsirrtum befangen gewesen, weil sie glaubten, der Erstkläger sei zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Der Beklagte habe die Verpflichtungs- und Bürgschaftserklärung daher ohne Rechtsgrund erhalten und sei durch diese Erklärung ungerechtfertigt bereichert (§ 1431 ABGB.). Der Beklagte wendete Streitanhängigkeit ein.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Streitanhängigkeit zurück.

Das Rekursgericht verwarf die Einrede der Streitanhängigkeit und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. In beiden Klagen sei weder der Rechtsgrund noch das Klagebegehren dasselbe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die vorliegende Klage ist nach obigen Ausführungen nichts anderes als eine negative Feststellungsklage, die unrichtig in die Form einer Leistungsklage gekleidet ist. Die unrichtige Form des Begehrens ändert aber an dem Charakter der Klage nichts. Die Kläger begehren nichts anderes als die Feststellung der Ungültigkeit des abgegebenen Leistungsversprechens. Nun ist aber zu 14 Cg 605/52 die Leistungsklage des Versprechensempfängers auf Erfüllung des Versprechens bereits anhängig. In diesem Prozeß muß das Bestehen oder Nichtbestehen des Leistungsanspruches in jedem Falle festgestellt werden. Der hier geltend gemachte Anspruch ist daher bereits Gegenstand des Rechtsstreites im Vorprozeß. Die Rechtskraft des Urteiles im Vorprozeß würde, auch wenn die in der Feststellungsklage enthaltenen neuen Einwendungen der jetzigen Kläger im Vorprozeß von ihnen nicht eingewendet würden, über sie Rechtskraft wirken. Denn es ist Sache der beklagten Partei, alle Einwendungen zu erheben. Unterläßt sie dies, kann sie das Versehen später nicht mehr nachholen. Es ist also davon auszugehen, daß über den Gegenstand des Feststellungsprozesses im Vorprozeß mit Rechtskraftwirkung entschieden werden wird, sodaß Identität der Sache anzunehmen und die neue Klage daher wegen Streitanhängigkeit zurückzuweisen ist. Auch in der deutschen Lehre (siehe Kommentar Stein - Jonas zu § 263 DZPO.) wird stets der Standpunkt vertreten, daß zwischen der Klage auf Leistung und der negativen Feststellungsklage, wenn die Leistungsklage zuerst erhoben wird, Identität besteht.

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