OGH 7Ob623/90

OGH7Ob623/9011.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Herta S***, Wien 13., Anton Langer-Gasse 51/3/9, vertreten durch Dr. Franz Grois, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revisionsrekurses der Ö*** L*** Aktiengesellschaft, Wien 1., Am Hof 2, vertreten durch Dr. Wilhelm Grünauer, Dr. Wolfgang Putz und Dr. Wolfgang Bösch, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 11.April 1990, GZ 44 R 168/90-41, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 19.Oktober 1989, GZ 3 SW 56/89-23, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der erstgerichtliche Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Worte "und Klausel" zu entfallen haben.

Der Antrag der Rechtsmittelwerberin auf Zuspruch von Kosten für das Rekursverfahren wird abgewiesen.

Text

Begründung

Gegen Herta S*** wurde vom Erstgericht ein Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters eingeleitet. Dr. Johannes R*** wurde zum einstweiligen Sachwalter unter anderem zur Vermögensverwaltung bestellt (AS 54 ON 22, AS 27 ON 9). Mit Beschluß vom 19.10.1989 ersuchte das Erstgericht die Ö***

L*** und die E*** Ö*** S***-C*** näher

bezeichnete Sparbücher zu vinkulieren (Punkt 1 und 2 des erstgerichtlichen Beschlusses) und ermächtigte den einstweiligen Sachwalter ohne Rücksicht auf Sperre und Klausel das in seiner Verwahrung befindliche Wertpapierkassageschäft der Ö*** L*** Nr. 208-601-572/00 aufzulösen und die Wertpapiere auf ein vinkuliertes Wertpapierdepot zu erlegen (Punkt 3 des erstgerichtlichen Beschlusses). Bei der obgenannten Nummer handelt es sich um einen Juxtenbon.

Gegen den Punkt 3 des erstgerichtlichen Beschlusses erhob die Ö*** L*** Rekurs. Sie vertritt den Standpunkt, daß

ein Juxtenbon ein Inhaberpapier sei, bei dem der Vorleger der Urkunde das Losungswort zu nennen habe, sofern der aus dem Papier Berechtigte den Vorbehalt gemacht habe, daß über die Urkunde nur gegen Abgabe eines von ihm bestimmt bezeichneten Losungswortes verfügt werden dürfe. Ein entsprechender Vorbehalt sei bei dem Juxtenbon vereinbart worden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist.

Nach der Auffassung des Rekursgerichtes sei § 18 Abs. 6 letzter Satz KWG, wonach über eine Spareinlage ohne Angabe des Losungswortes verfügt werden könne, wenn diese von Todes wegen erworben worden sei oder wenn die Sparurkunde im Zuge einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Zwangsvollstreckung vorgelegt werde, analog auch auf den Fall anzuwenden sei, daß ein Betroffener nicht in der Lage sei, das Losungswort anzugeben. Letzteres sei hier offensichtlich der Fall. Der Gesetzgeber habe bei Schaffung der obgenannten Ausnahmebestimmungen jene Fälle berücksichtigt, in denen der Übergang des Verfügungsrechtes über die Sparurkunde nicht notwendigeweise mit der Mitteilung des Losungswortes verbunden sei. Mit diesen Fällen sei aber der Fall rechtsähnlich, daß der Sachwalter das Losungswort nicht in Erfahrung bringen könne. Ein Sachwalter könne dann auch ohne Nennung des Losungswortes über einen Juxtenbon verfügen. Er bedürfe hiezu nur der gerichtlichen Genehmigung, die durch den angefochtenen Beschluß zu Recht erteilt worden sei. Es sei nach dem Akteninhalt nicht zweifelhaft, daß Herta S*** die aus dem Juxtenbon Berechtigte sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der Ö*** L*** ist zulässig, jedoch

nur zum Teil berechtigt.

Nach § 9 Abs. 1 AußStrG kann einen Rekurs erheben, wer sich durch die Verfügung über einen Gegenstand der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen beschwert erachtet. Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen der Beschwer, die auch im außerstreitigen Verfahren Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist, und der Beteiligtenstellung. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ein Eingriff in die Rechtssphäre des Rechtsmittelwerbers. Der in seinen Rechten Verletzte ist zugleich Beteiligter des Verfahrens. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist daher dort abzulehnen, wo die Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers nicht gefährdet ist (SZ 50/41 mwN). Der Oberste Gerichtshof hat aber ein Anfechtungsrecht dort bejaht, wo die Feststellung des Gerichtes zwar keinen unmittelbar bindenden Einfluß auf die davon betroffene Behörde hatte, der Beschluß aber so ausgelegt werden konnte als ob er in Überschreitung der der Gerichtsbarkeit in Außerstreitsachen gesetzten Grenzen darauf abziele, die betroffene Behörde an seine Rechtsansicht zu binden (SZ 45/50; vgl. auch SZ 50/41). Diese Erwägungen haben auch hier zu gelten.

Der Punkt 3 des erstgerichtlichen Beschlusses enthält die Ermächtigung des einstweiligen Sachwalters, über den Juxtenbon mit der bezeichneten Nummer zu verfügen und die Anweisung an ihn, die Wertpapiere auf ein zu sperrendes Wertpapierdepot zu erlegen. Eine Ausfolgungsanordnung an die Rechtsmittelwerberin oder auch nur ein auf Ausfolgung der Wertpapiere gerichtetes Ersuchen enthält der Beschluß nicht. Insoweit steht es daher der Rechtsmittelwerberin frei, einem Begehren des einstweiligen Sachwalters zu entsprechen oder nicht. Ihre Rechtsposition wird dadurch nicht beeinträchtigt und es besteht insoweit kein Rechtsschutzinteresse an der Bekämpfung der erstgerichtlichen Verfügung. Über die Ermächtigung des einstweiligen Sachwalters hinaus enthält der Beschluß aber auch noch den Zusatz "ohne Rücksicht auf Sperre und Klausel". Nach dem Inhalt der Entscheidungen der Vorinstanzen ist es auch nicht zweifelhaft, daß durch den Gerichtsbeschluß für die Rechtsmittelwerberin bindend das Erfordernis der Nennung des Losungswortes ersetzt werden sollte. Damit wird aber in die Rechtssphäre der Rechtsmittelwerberin eingegriffen, sodaß ihre Rechtsmittellegitimation jedenfalls gegeben ist.

Zur Vermögensverwaltung, hinsichtlich der der einstweilige Sachwalter den für den Vormund geltenden Regeln unterliegt, gehört auch die Einziehung von Forderungen. Diese obliegt ebensowenig wie der Abschluß von Rechtsgeschäften dem Gericht. Das Gericht kann dem Sachwalter zwar allfällige Aufträge erteilen, es kann jedoch einem Dritten nicht bindend die Erfüllung der Forderung auftragen (vgl. Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht 200; EvBl. 1960/166) oder über einen formalen Berechtigungsausweis absprechen. Verweigert der Schuldner die Erfüllung, ist der Anspruch im Rechtsweg geltend zu machen. Dort ist auch zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen der Schuldner auch ohne formalen Berechtigungsausweis zu leisten hat. Nichts anderes gilt auch für Forderungen aus Inhaberpapieren mit vereinbartem Losungswort. Nicht anders verhält es sich auch im Verlassenschaftsverfahren. Es wird der Nachlaß eingeantwortet bzw. die Verfügungsberechtigung über bestimmte Werte ausgesprochen, nicht aber für den Dritten bindend über einen vereinbarten formalen Berechtigungsnachweis entschieden. Die fehlende Legitimation durch Losungswort wird bei Spareinlagen vom KWG ausdrücklich als unbedeutend erklärt. Leistet die Kreditunternehmung dennoch nicht, weil sie die Einantwortung oder die gerichtliche Verfügungsermächtigung nicht als ausreichend ansieht (vgl. Fremuth-Laurer-Pötzelberger, KWG Rz 9 zu § 18 und FN 7) müßte gleichfalls der Rechtsweg beschritten werden. Die Analogiefähigkeit des § 18 Abs. 6 letzter Satz KWG ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs teilweise Folge zu geben. Der Antrag auf Zuspruch von Kosten für das Rekursverfahren ist abzuweisen, weil im Verfahren außer Streitsachen, soweit nicht etwas anderes angeordnet ist, ein Kostenersatz nicht in Betracht kommt.

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