OGH 9ObA256/90

OGH9ObA256/9010.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Scheuch und Mag.Ernst Löwe als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Hüseyin G***, Sägearbeiter, Arzl im Pitztal, Haus Nr. 65, vertreten durch Dr.Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei H*** P*** Gesellschaft mbH, Imst, Brennbichl 103, vertreten durch Dr.Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 80.914,72 brutto sA (im Revisionsverfahren S 73.716,40 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Mai 1990, GZ 5 Ra 60/90-50, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. November 1989, GZ 45 Cga 90/89-44, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.077,-- (darin S 679,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der Kläger wirksam entlassen wurde, zutreffend gelöst. Es reicht daher aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Rechtliche Beurteilung

Der Rechtsrüge der Revisionswerberin, der Kläger habe die Entlassungstatbestände des § 82 lit. d und f GewO 1859 erfüllt und er sei rechtzeitig sowie vorbehaltlos entlassen worden, ist entgegenzuhalten, daß sie damit nur zum Teil von den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen ausgeht. Nach dem der rechtlichen Beurteilung zugrundezulegenden maßgeblichen Sachverhalt ist dem Kläger lediglich anzulasten, daß er mit seinem Arbeitskollegen am 11.Juni 1988, abgesehen von dem durch einen Maschinenschaden ausgelösten Vorfall, mindestens zweimal zwei bereits in der Presse gepreßte Platten nochmals gepreßt oder zweimal statt 10 Platten nur 8 Platten eingelegt hat. Beide Arbeitnehmer wurden daraufhin vom Vorarbeiter aufmerksam gemacht, daß sie einen "Blödsinn gemacht" hätten und am 13.Juni 1988 vom Geschäftsführer der Beklagten mit dem zugleich unterbreiteten Anbot "entlassen", unmittelbar und anschließend daran am 14.Juni 1988 in ein neues Arbeitsverhältnis zur Beklagten einzutreten. Allfällige Ansprüche der Arbeitnehmer aus dem alten Arbeitsverhältnis, wie Abfertigung udgl., sollten dabei untergehen und die entsprechenden Fristen sollten im neuen Arbeitsverhältnis jeweils neu zu laufen beginnen. Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, setzt jede Entlassung grundsätzlich voraus, daß die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber auch nur für die Kündigungsfrist unzumutbar ist. Dieses Tatbestandsmerkmal ermöglicht die Abgrenzung zwischen einem in abstracto wichtigen Entlassungsgrund und einem in concreto geringfügigen Sachverhalt (vgl. Kuderna, Das Entlassungsrecht 37 ff; Arb. 10.445, 9.431; DRdA 1990/24 ÄDirschmiedÜ; 9 Ob A 77/90, 9 Ob A 4/90 uva). Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob der Kläger durch sein Verhalten sich einer sonstigen strafbaren Handlung im Sinne des § 82 lit. d GewO schuldig gemacht hat oder ihm eine beharrliche Pflichtenvernachlässigung im Sinne des § 82 lit. f GewO anzulasten ist, da der Geschäftsführer der Beklagten durch sein ausdrückliches Angebot eines unmittelbar anschließenden neuen Arbeitsverhältnisses eindeutig zum Ausdruck brachte, daß er die Weiterarbeit des Klägers für die Beklagte - aus welchen Motiven auch immer - sogar wolle und billige. Das Verhalten des Klägers, zu dem im übrigen offen blieb, aus welchen Gründen er den festgestellten "Blödsinn" machte, und wozu auch keine Feststellungen darüber vorliegen, ob er nur versehentlich oder vorsätzlich handelte, war sohin insgesamt nicht von so schwerwiegender Bedeutung, daß für den Geschäftsführer der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Dessen Vorgehen erschöpft sich vielmehr in dem unzulässigen Versuch, den Kläger um seine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu verkürzen, ohne auf seine weitere Arbeitsleistung zu verzichten. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 50 und 41 ZPO begründet.

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