OGH 9ObA77/90

OGH9ObA77/9025.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Jelinek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Herbert Vesely und Walter Bacher als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Josef K***, Angestellter, Hintersee, Lämmerbach 24, vertreten durch Dr. Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Fred R*** Industrievertriebsgesellschaft mbH, Henndorf, Landesstraße 12, vertreten durch Dr. Karl Endl und Dr. Michael Pressl, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 114.130,64 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.November 1989, GZ 12 Ra 101/89-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. Juni 1989, GZ 20 Cga 175/88-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.172,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.028,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die unter dem Revisionsgrund des § 502 Abs. 1 Z 3 ZPO erstatteten Ausführungen zeigen keine Aktenwidrigkeit auf; sie sind vielmehr selbst aktenwidrig. Das Berufungsgericht hat die - im Revisionsverfahren unangreifbare - Feststellung des Erstgerichtes übernommen, daß nicht festgestellt werden kann, ob der Kläger die beiden genannten Rechnungen kassiert und absichtlich nicht abgeliefert hat (S 7, siehe auch S 11). Mit den Revisionsausführungen wird vielmehr unzulässigerweise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu bekämpfen versucht. Ein Eingehen hierauf ist dem Revisionsgericht verwehrt.

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es, auf diese Begründung zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

Es steht fest, daß der Kläger durch etwa 10 Jahre eine sehr gute Arbeitsleistung erbrachte, nach ca. drei Jahren zum Lagerleiter bestellt und zur Belohnung in das Angestelltenverhältnis übernommen wurde, daß er aber infolge Expansion des Betriebes ab 1987 bei seiner Arbeit, insbesondere bei Koordinationsaufgaben überfordert war; ferner daß das Lager in Unordnung geriet und ihm zahlreiche Fehlleistungen, wie unrichtige Auslieferungen und Fehler bei der Inventur, unterliefen. Diese Fehlleistungen beruhten jedoch nicht auf bösem Willen des Klägers, sondern er war an die Grenzen seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeiten gelangt. Zudem befand er sich damals auch in einer psychischen Ausnahmesituation, hervorgerufen durch familiäre Schwierigkeiten, wie Tod der Mutter, Krankheit des Vaters und bevorstehende Entbindung seiner Gattin. Zu Recht haben die Unterinstanzen hieraus den rechtlichen Schluß gezogen, daß der von der beklagten Partei herangezogene Entlassungsgrund der Dienstunfähigkeit im Sinn des § 27 Z 2 AngG nicht vorliegt. Nach ständiger Rechtsprechung liegt Dienstunfähigkeit nämlich nur dann vor, wenn sich aus dem Verhalten des Arbeitnehmers zeigt, daß er die mit ihm vereinbarte oder ihm aufgetragene angemessene Dienstleistung nicht bewältigen kann, weil er die körperlichen, geistigen oder rechtlichen Voraussetzungen hiezu nicht erfüllt. Sie liegt nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer mindere Geschicklichkeit und schwache Eignung oder fallweise mangelhafte Aufmerksamkeit zeigt, seine Arbeitsleistung unter dem Durchschnitt liegt oder wenn der Arbeitnehmer infolge des großen Arbeitsanfalls das Arbeitspensum nicht mehr bewältigen kann (Arb. 7.479, 10.108 ua); er muß vielmehr zur Erfüllung seiner dienstlichen Obliegenheit schlechthin unverwendbar sein (RdW 1987, 60). Diese Dienstunfähigkeit muß - wenngleich in ihrem zeitlichen Ausmaß vorhersehbar - von so langer Dauer sein, daß dem Arbeitgeber nach den Umständen des Einzelfalls eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (ArbSlg. 10.108 ua). Davon, daß der Kläger schlechthin und dauernd unverwendbar war und der beklagten Partei eine Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet hätte werden können, kann nach dem festgestellten Sachverhalt und der zutreffenden Begründung des Berufungsgerichts keine Rede sein. Auch der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Z 1 zweiter Fall AngG) wegen des Vorfalls mit der Teppichkollektion am 7. Juni 1988 wurde von den Vorinstanzen zu Recht verneint.

Bei der Vertrauensunwürdigkeit kommt es darauf an, ob zufolge des Verhaltens des Arbeitnehmers vom Standpunkt vernünftigen dienstlichen und geschäftlichen Ermessens für den Arbeitgeber die objektiv gerechtfertigte Befürchtung besteht, daß seine Interessen und Belange durch den Angestellten gefährdet sind (ArbSlg. 5.813; 10.017 uva). Entscheidend ist, ob das Verhalten des Angestellten nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise als so schwerwiegend angesehen werden muß, daß das Vertrauen des Arbeitgebers derart heftig erschüttert wird, daß ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst während der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann (SZ 58/94 uva; zuletzt 9 Ob A 121/88). Im Gegensatz zum Entlassungsgrund der Untreue kann die Vertrauensunwürdigkeit auch auf Handlungen beruhen, die mit dem Arbeitsverhältnis in keinem oder in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen; das Verhalten muß aber so beschaffen sein, daß es nach den Umständen des Einzelfalles das dienstliche Vertrauen des Dienstgebers zu beeinflussen vermag (Arb. 9.091, 9.631, 10.212 ua). Hiebei muß aber das Gesamtbild des Verhaltens des Dienstnehmers während seiner Dienstzeit berücksichtigt werden (RdW 1986, 153; 1988, 205). Ein Arbeitnehmer, der sich während eines langjährigen Arbeitsverhältnisses immer wohlverhalten hat, wird einen größeren Vertrauensvorschuß erwarten dürfen als ein Arbeitnehmer, der sich einer Verfehlung bereits schuldig gemacht hat (4 Ob 65/84). Auszugehen ist davon, daß der Kläger den Lehrling L*** immer freiwillig, ohne dienstlichen Auftrag zur Arbeitsstätte mitgenommen und auch keinen Auftrag erhalten hatte, die Teppichkollektion zu transportieren, sondern nur von L*** hierum wegen des Gewichts dieser Kollektion gebeten worden war. Die Weigerung des Klägers, am 7. Juni 1988 den Lehrling und die Musterkollektion im Auto mitzunehmen, stand zwar mit dem Arbeitsverhältnis nicht in unmittelbarem Zusammenhang, jedoch mußte dem Kläger klar sein, daß der Lehrling unter diesen Umständen nicht mehr rechtzeitig zur Arbeit kommen werde. Das unbeaufsichtigte Stehenlassen der von der beklagten Partei benötigten Musterkollektion, von der er wußte, daß es ein Unikat war, hätte zu einem Schaden führen können. Betrachtet man aber das Gesamtverhalten des Klägers während seiner nahezu zehnjährigen Tätigkeit für die beklagte Partei, die - abgesehen vom letzten Jahr - zu deren vollsten Zufriedenheit erfolgte, muß der Vorfall vom 7.Juni 1988 als eine einmalige Entgleisung beurteilt werden, die auch deshalb unter einem etwas milderen Licht erscheint, weil sie offenbar durch die unmittelbar vorangegangene Weigerung der beklagten Partei, dem Kläger für die freiwillige Mitnahme des Lehrlings einen Fahrtkostenbeitrag zu zahlen, hervorgerufen wurde. In der Gesamtschau betrachtet, ist dieser Vorfall nicht als so schwerwiegend zu werten, daß der beklagten Partei nicht einmal bis zum Ende der Kündigungsfrist die Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit dem Kläger hätte zugemutet werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte