OGH 10ObS406/89

OGH10ObS406/8918.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Trabauer (AG) und Gerhard Gotschy (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Savo R***, ohne Beschäftigung, 6833 Klaus, Vorstadt 8, vertreten durch Dr. Theodor Peschaut, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei V*** G***, 6850 Dornbirn, Jahngasse 8,

vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Krankengeldes infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Juli 1989, GZ. 5 Rs 42/89-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 23. Jänner 1989, GZ. 35 Cgs 68/88-15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Soweit sich der Rekurs gegen Absatz 1 des angefochtenen Beschlusses richtet, wird ihm nicht Folge gegeben.

2. Soweit sich der Rekurs gegen Absatz 2 des angefochtenen Beschlusses richtet, wird ihm Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, daß insoweit die erstgerichtliche Entscheidung (Punkt 1 b) mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, daß sie zu lauten hat:

"Daß der Kläger den ihm am 8. 12. 1987 bzw 4. 1. 1988 zugestellten Ladungen der beklagten Partei vom 1. 12. 1987 bzw 22. 12. 1987, sich spätestens am 9. 12. 1987 bzw 4. 1. 1988 zum Zwecke der Begutachtung seines Gesundheitszustandes in ihrer vertrauensärztlichen Dienststelle in Feldkirch einzufinden, nicht Folge geleistet hat, berechtigt die beklagte Partei nicht, nach § 143 Abs 6 Z 1 ASVG zu verfügen, daß das Krankengeld ruht".

Text

Entscheidungsgründe:

Mit an den in seinem jugoslawischen Heimatort Srbac wohnenden Kläger gerichtetem, am 8. 12. 1987 zugestelltem Schreiben vom 1. 12. 1987 stimmte die beklagte Partei dem Auslandsaufenthalt des Klägers nach § 89 Abs 3 Z 1 ASVG in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen des zwischenstaatlichen Übereinkommens über Soziale Sicherheit zu und wies darauf hin, daß seine seit 22. 9. 1987 bestehende Arbeitsunfähigkeit nach einer Stellungnahme ihres Vertrauensarztes bis zum im Betreff nur mit einem Fragezeichen ausgedrückten Enddatum dauere. Für den Fall, daß er über diesen Zeitraum hinaus arbeitsunfähig sein sollte, ersuchte sie ihn, sich bei ihrer vertrauensärztlichen Dienststelle in Feldkirch spätestens an dem als Endtermin ausgewiesenen (?) Zeitpunkt 9. 12. 1987 zum Zwecke der Begutachtung seines Gesundheitszustandes einzufinden. Sie wies darauf hin, daß sie ohne Kontrolluntersuchung durch ihren Vertrauensarzt nicht in der Lage sein werde, eine allfällige weitere Arbeitsunfähigkeit anzuerkennen. Falls der Kläger dieser Vorladung ohne wichtigen Grund nicht Folge leisten sollte, wäre die beklagte Partei überdies gezwungen, vorsorglich gemäß § 143 Abs 6 Z 1 ASVG das Ruhen eines allfälligen Krankengeldanspruches zur Gänze und auf Dauer zu verfügen. Sollte der Kläger bis zum Ladungszeitpunkt bereits wieder arbeitsfähig sein, könne er diese Vorladung als gegenstandslos betrachten.

In einem an dieselbe Anschrift adressierten, am 4. 1. 1988 eigenhändig zugestellten Schreiben der beklagten Partei vom 22. 12. 1987 wurde der Kläger ersucht, sich bei der genannten vertrauensärztlichen Dienststelle spätestens an dem als Enddatum ausgewiesenen Zeitpunkt 4. 1. 1988 zum Zwecke der Begutachtung seines Gesundheitszustandes einzufinden. Im übrigen hatte dieses Schreiben denselben Inhalt wie das vom 1. 12. 1987. Mit Schreiben vom 21. 1. 1988 teilte die beklagte Partei dem Kläger unter derselben Anschrift unter Hinweis auf das Schreiben vom 1. 12. 1987 mit, sie halte fest, daß er bei ihrem Vertrauensarzt nicht erschienen sei und keine wichtigen Gründe nachgewiesen habe. Sie gehe daher davon aus, daß er über den 8. 12. 1987 hinaus nicht mehr arbeitsunfähig sei. Deshalb stelle sie ihre Leistungen aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit mit diesem Tag ein. Gleichzeitig verfügte sie ab diesem Tag vorsorglich für den Fall einer nachträglich festgestellten Fortdauer seiner Arbeitsunfähigkeit unter Berufung auf § 143 Abs 6 Z 1 ASVG das Ruhen des Krankengeldanspruches zur Gänze und auf Dauer, jedenfalls aber bis zu seiner Vorsprache bei ihrem vertrauensärztlichen Dienst. Gleichzeitig belehrte sie den Kläger, daß er gegen diese Verfügung innerhalb von vier Wochen nach Zustellung Klage beim (nicht näher bezeichneten) Landesgericht als Arbeits- und Sozialgericht (bzw Arbeits- und Sozialgericht Wien) einbringen könne. Sie sei auch bereit, hinsichtlich der Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit bzw seiner hieraus resultierenden Leistungsansprüche einen anfechtbaren Bescheid auszustellen; wenn er dies wünsche, möge er seinem schriftlichen Antrag sämtliche verfügbaren medizinischen Nachweise über seinen Gesundheitszustand anschließen und unverzüglich bei ihrem Vertrauensarzt erscheinen.

In der gegen dieses Schreiben erhobenen Klage brachte der Kläger im wesentlichen vor, er sei am 22. 9. 1987 daheim über seine Haustreppe gerollt und habe bei diesem Unfall alle in den ärztlichen Befundberichten angeführten Verletzungen erlitten. Er sei zunächst vom 1. 10. bis 15. 11. 1987 stationär in der orthopädischen Abteilung des klinisch-medizinischen Zentrums Banja Luka behandelt worden und auch noch Mitte März 1988 unter ärztlicher Aufsicht. Er melde sich alle drei Wochen zur Kontrolluntersuchung beim behandelnden Arzt. Der am 8. 12. 1987 zugestellten Vorladung der beklagten Partei zur vertrauensärztlichen Untersuchung habe er aus objektiven Gründen keine Folge leisten können. Er habe der beklagten Partei immer ordentlich alle Entschuldigungen übersandt. Der jugoslawische Versicherungsträger habe am 25. 9., 24. 11. und 4. 12. 1987 sowie am 18. 1. und 3. 2. 1988 die beklagte Partei von seiner weiterbestehenden Arbeitsunfähigkeit informiert. Deshalb begehrte er die "Abweisung der Verfügung" der beklagten Partei und die "Anerkennung seiner Arbeitsunfähigkeit gemäß den Unterlagen". Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Sie gestand zu, daß der Kläger vom 1. 10. bis 15. 11. 1987 im Krankenhaus Banja Luka stationär behandelt wurde. Von den Aufnahmediagnosen Geschwulst im rechten Knie und rheumatische Arthritis sei erstere mit dem Sturz auf der Haustreppe zu vereinbaren. Der Kläger sei nicht operiert und mit einer zurückgegangenen Geschwulst entlassen worden. Bei der Entlassung und bei der Kontrolluntersuchung vom 26. 11. 1987 seien Antibiotika, bei letzterer auch therapeutische Übungen verordnet worden. Ebenso bei der Kontrolluntersuchung vom 22. 12. 1987, bei der sein Zustand subjektiv und objektiv gebessert gewesen sei. Mit Schreiben vom 22. 12. 1987 habe der Kläger der beklagten Partei in Beantwortung ihres Schreibens vom 1. 12. 1987 mitgeteilt, daß er "aus gesundheitlichen Gründen" der Vorladung zur kontrollärztlichen Untersuchung nicht Folge leisten könne. An seiner Arbeitsunfähigkeit über den 7. 12. 1987 hinaus bestünden berechtigte Zweifel. In der Tagsatzung vom 29. 8. 1988 ergänzte der qualifiziert vertretene Kläger, daß seine Unfallverletzungen zur Zeit der Vorladung zur vertrauensärztlichen Untersuchung und zur Zeit der Erlassung des gegenständlichen Bescheides nicht so abgeheilt gewesen seien, daß er reisefähig gewesen wäre. Der Bescheid über das Ruhen des Krankengeldes sei daher zu Unrecht ergangen. Die beklagte Partei replizierte, der Kläger, bei dem ein sogenannter Endzustand vorliege, sei reisefähig und arbeitsfähig gewesen.

Das Erstgericht stellte fest,

1. daß der durch die beklagte Partei erlassene Bescheid vom 21. 1. 1988,

a) mit dem ab 8. 12. 1987 die Leistungen aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit dem Kläger gegenüber eingestellt wurden, und

b) mit dem vorsorglich, für den Fall einer nachträglich festgestellten Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers, gemäß § 143 Abs 6 Z 1 ASVG Ruhen des Krankengeldanspruches zur Gänze und auf Dauer, jedenfalls aber bis zu einer Vorsprache des Klägers beim vertrauensärztlichen Dienst verfügt wurde, zu Unrecht erging;

2. daß die Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis 11. 1. 1988 dauerte.

Dabei ging das Erstgericht im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Der Kläger erlitt am 22. 9. 1987 während eines Heimaturlaubes einen Unfall, der ärztliche Behandlung erforderlich machte. Er war vom 1. 10. bis 15. 11. 1987 Patient der orthopädischen Abteilung des klinisch-medizinischen Zentrums Banja Luka. Die Diagnose lautete Kontraktur des Kniegelenks nach Entfernung der Kniescheibe, Schleimhautschwellung und Schwellung des rechten Kniegelenks. Nach der Entlassung wurde er ambulant behandelt. Bei einer Kontrolluntersuchung am 26. 11. 1987 wurden Antibiotika verschrieben; der Kläger wurde angehalten, therapeutische Übungen durchzuführen und arbeitsunfähig geschrieben. Auf das ihm am 8. 12. 1987 zugegangene Schreiben der beklagten Partei vom 1. 12. 1987 (Vorladung zum 9. 12. 1987) antwortete der Kläger am 22. 12. 1987, er habe der Vorladung aus gesundheitlichen Gründen nicht Folge leisten können. Bei der am selben Tag vorgenommenen Kontrolluntersuchung zeigte sich sein Zustand subjektiv und objektiv gebessert. Die Therapie wurde von den jugoslawischen Ärzten fortgesetzt. Der Kläger wurde arbeitsunfähig geschrieben. Auf das ihm am 4. 1. 1988 zugestellte Schreiben vom 22. 12. 1987 (Vorladung zum 4. 1. 1988) antwortete der Kläger am 11. 1. 1988, er habe dieser Vorladung nicht Folge leisten können, weil er sie erst am 6. 1. 1988 erhalten habe. Auch gesundheitliche Gründe hätten dagegen gesprochen. Er stehe noch immer in ärztlicher Behandlung. Der Kläger war am 4. 1. 1988 reisefähig, jedoch bis 11. 1. 1988 arbeitsunfähig. Die letztere Feststellung begründete das Erstgericht damit, daß der Kläger bei der Kontrolluntersuchung vom 22. 12. 1987 für drei Wochen arbeitsunfähig geschrieben worden sei. Der bestellte Sachverständige habe dies nicht entkräften können, weil es ihm nicht möglich gewesen sei festzustellen, wie lange der Kläger nach dieser Kontrolluntersuchung noch arbeitsunfähig gewesen sei. Es sei daher zugunsten des Klägers von einer weiteren Arbeitsunfähigkeit auszugehen gewesen.

In der rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht im wesentlichen aus, im Hinblick darauf, daß sich der Kläger damals in Jugoslawien aufgehalten habe und wegen seiner Krankheit immobiler gewesen sei als gesunde Menschen, seien die ihm am 8. 12. 1987 zugegangene Ladung zur vertrauensärztlichen Untersuchung am 9. 12. 1987 und die am 4. 1. 1988 zugegangene Ladung zur vertrauensärztlichen Untersuchung am 4. 1. 1988 zu kurzfristig gewesen, um die nötigen Reisevorkehrungen zu treffen. Deshalb sei sein Nichterscheinen bei den vertrauensärztlichen Untersuchungen ausreichend entschuldigt, der Bescheid demnach zu Unrecht ergangen. Weil dieser Bescheid auf Grund der widerlegbaren Vermutung der Arbeitsunfähigkeit infolge Nichterscheinens zur Kontrolluntersuchung erlassen worden sei, sei das Feststellungsbegehren zulässig (§ 65 Abs 2 ASGG). Es würde aber den Verfahrensgesetzen widersprechen, über das Klagebegehren hinauszugehen, das nur auf Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für den umstrittenen Zeitraum, während dessen die Ladungen zu den kontrollärztlichen Untersuchungen vorgenommen worden seien, lautete. Deshalb sei seine Arbeitsunfähigkeit nur bis zum 11. 1. 1988 festzustellen gewesen. Eventuelle Ansprüche des Klägers über den 11. 1. 1988 hinaus bedürften einer bescheidmäßigen Absprache durch die beklagte Partei.

In ihrer Berufung beantragte die beklagte Partei, das angefochtene Urteil aufzuheben und das Ruhen des Krankengeldanspruches gemäß § 143 Abs 6 Z 1 ASVG ab 9. 12. 1987 festzustellen, oder allenfalls festzustellen, daß beim Kläger der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gemäß § 120 Abs 1 Z 2 ASVG ab 9. 12. 1987 nicht mehr vorlag, allenfalls das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die beklagte Partei stützte ihre Berufung im wesentlichen darauf, der Kläger habe nie vorgebracht, daß ihm die Vorladungen zu den als späteste Zeitpunkte angeführten Kontrolluntersuchungen vom 9. 12. 1987 und 4. 1. 1988 zu spät zugekommen seien. Er sei am 4. 1. 1988 reisefähig gewesen. Die beklagte Partei hätte daher in ihrem Bescheid vom 21. 1. 1988 zu Recht davon ausgehen können, daß er den Vorladungen ohne wichtigen Grund nicht Folge geleistet habe. Das Erstgericht habe willkürlich angenommen, daß dem Kläger in der genannten Zeit vom 9. 12. 1987 bis 4. 1. 1988 ein Erscheinen zu den vertrauensärztlichen Untersuchungen nicht möglich gewesen sei. Weil beim Kläger ein "Endzustand" vorliege, hätte das Erstgericht die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nicht einfach bis 11. 1. 1988 annehmen dürfen. Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der Berufung die Punkte 1. a) und 2. des erstgerichtlichen Urteils als nichtig auf und wies die Klage in diesem Umfang zurück (Beschlußpunkt 1.). Im übrigen gab es der Berufung Folge, hob das angefochtene Urteil in seinem Punkt 1. b) auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang (Ruhen des Krankengeldes) unter Rechtskraftvorbehalt zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück (Beschlußpunkt 2.).

Mit dem Schreiben der beklagten Partei vom 21. 1. 1988 sei vorsorglich für den Fall einer nachträglich festgestellten Fortdauer seiner Arbeitsunfähigkeit gemäß § 143 Abs 6 Z 1 ASVG das Ruhen seines Krankengeldanspruches zur Gänze und auf Dauer, jed Linlls aber bis zu seiner Vorsprache beim vertrauensärztlichen Dienst der beklagten Partei verfügt worden. Diese Formulierung und die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung lasse keinen Zweifel daran, daß es sich dabei um einen Bescheid im Sinne des § 67 Abs 1 Z 1 ASGG handle.

Der weiteren Mitteilung in diesem Schreiben, die beklagte Partei gehe davon aus, daß der Kläger ab 8. 12. 1987 nicht mehr arbeitsunfähig gewesen sei, und daher mit diesem Zeitpunkt die Leistungen aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit eingestellt würden, mangle die Bescheidqualität. Der Schluß des Schreibens, in dem die beklagte Partei ihre Bereitschaft erklärt habe, über die Dauer der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit bzw die daraus resultierenden Leistungsansprüche einen anfechtbaren Bescheid auszustellen, wenn es der Kläger wünsche, und der Umstand, daß die Rechtsmittelbelehrung nur die Bekämpfung der "Verfügung" erwähne, zeigten deutlich, daß die beklagte Partei bei der Ankündigung, in Zukunft kein Krankengeld mehr zu zahlen, weil sie den Kläger nicht mehr für "berufsunfähig" (richtig: arbeitsunfähig) halte, keinen erkennbaren Anordnungs- oder Feststellungswillen und damit keinen Bescheidwillen gehabt habe. Für das den Punkten 1. a) und 2. des erstgerichtlichen Urteilsspruches zugrundeliegende Begehren sei daher der Rechtsweg unzulässig. Im übrigen sei die Berufung berechtigt. Obwohl sich der Kläger im Prozeß nie auf eine verspätete Zustellung der Ladung, sondern immer nur auf seine nicht ausreichende Reisefähigkeit berufen habe, gestatte § 87 Abs. 1 ASGG die Feststellung der Zustelldaten der Ladungen aus den Urkunden, zumal der Kläger in seinem Schreiben vom 11. 1. 1988 ausdrücklich auch den verspäteten Zugang der Ladung als Grund seines Nichterscheinens angeführt habe. In der allenfalls überschießenden Feststellung der Zustelldaten sei daher keine Mangelhaftigkeit zu erblicken.

§ 143 Abs 6 Z 1 ASVG normiere eine Mitwirkungspflicht des Leistungsempfängers, die die ordnungsgemäße Abwicklung des sozialversicherungsrechtlichen Schuldverhältnisses sicherstellen solle. Diese Mitwirkungspflichten könnten zwar nicht direkt erzwungen werden, seien jedoch Obliegenheiten, deren Verletzung Sanktionen auslöse, die zu einer Störung des Versicherungs- bzw Leistungsverhältnisses führten. Ein Versicherter, der seiner Mitwirkungspflicht nicht genüge, solle daher einen Nachteil erleiden. Die Verfügung über das Ruhen sei deshalb ergangen, weil der Kläger nicht zu dem in der Ladung vom 1. 12. 1987 angeführten Endtermin 9. 12. 1987 erschienen sei. Deshalb sei zu prüfen, ob der Ruhenstatbestand des § 143 Abs 6 Z 1 ASVG zu diesem Zeitpunkt vorgelegen sei, und wie lange er fortgedauert habe. Da der Kläger die Ladung erst am 8. 12. 1987 erhalten habe, und ihm wegen seines Aufenthaltsortes die Wahrnehmung dieses Termins nicht möglich gewesen sei, sei lediglich zu prüfen, ob er nicht verhalten gewesen wäre, im Falle seiner Reisefähigkeit einen nächstmöglichen Termin wahrzunehmen. Aus dem Wortlaut der zitierten Gesetzesstelle gehe zwar nicht hervor, daß der Versicherte den wichtigen Grund dem Versicherungsträger innerhalb einer gewissen Frist zur Kenntnis bringen müsse. Diese Bestimmung stelle vielmehr auf das Vorliegen eines objektiven triftigen Hinderungsgrundes ab. Die im ASVG normierte Mitwirkungspflicht des Klägers habe ihn aber nicht enthoben, bei Wegfall des Hinderungsgrundes sich unverzüglich mit der beklagten Partei wegen Namhaftmachung eines neuen Termins in Verbindung zu setzen bzw dort zu einer nachträglichen Kontrolluntersuchung zu erscheinen. Ob er für eine derart lange Reisedauer nach dem 9. 12. 1987 reisefähig gewesen sei, habe das Erstgericht nicht festgestellt, sondern dem Kläger lediglich eine Reisefähigkeit am 4. 1. 1988 attestiert. Die Feststellung einer allfälligen früheren Reisefähigkeit erfordere daher die Zurückverweisung an das Erstgericht.

Gegen diesen Beschluß richtet sich das als Revision (Rekurs) bezeichnete, nicht beantwortete Rechtsmittel des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das erstgerichtliche Urteil seinem vollen Umfang nach zu bestätigen. Das Rechtsmittel, das sich gegen einen Beschluß des Berufungsgerichtes richtet und daher nach § 514 Abs 1 ZPO nur ein Rekurs sein kann, ist nach § 519 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der WGN 1989 zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Zum Ausspruch der Nichtigkeit des erstrichterlichen

Urteils und der Zurückweisung der Klage:

Nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG sind Sozialrechtssachen

Rechtsstreitigkeiten über den Bestand, den Umfang oder das Ruhen

eines Anspruchs auf Versicherungsleistungen ... (§ 354 Z 1 ASVG

...). Nach § 67 Abs 1 ASGG darf in einer Leistungssache nach § 65

Abs 1 ... - vorbehaltlich des hier nicht in Frage kommenden

§ 68 - vom Versicherten eine Klage nur erhoben werden, wenn der Versicherungsträger

  1. 1. darüber bereits mit Bescheid entschieden hat oder
  2. 2. den Bescheid - wenn es sich um Leistungen aus der Krankenversicherung handelt - nicht innerhalb von drei Monaten erlassen hat

    a) nach dem Eingang des Antrags auf Erlassung eines Bescheides, wenn ein solcher nur auf ausdrückliches Verlangen zu erlassen ist (§ 367 Abs 1 Z 2 ASVG),

    b) sonst nach dem Eingang des Antrags auf Zuerkennung der Leistung ...

    Wird eine Klage erhoben, obwohl die im § 67 ... genannten Voraussetzungen nicht vorliegen, so ist sie nach § 73 ASGG in jeder Lage des Verfahrens zurückzuweisen.

    Nach § 361 Abs 1 Z 1 ASVG sind die Leistungsansprüche von den Versicherungsträgern in der Krankenversicherung (nur) auf Antrag festzustellen.

    Nach § 367 Abs 1 ASVG ist über den Antrag auf Zuerkennung einer Leistung aus der Krankenversicherung ... ein Bescheid nur zu erlassen, wenn

    1. der Versicherungsträger von sich aus ohne Einwilligung des Erkrankten Anstaltspflege oder Wiederaufnahme der Heilbehandlung verfügt, oder wenn

    2. die beantragte Leistung ganz oder teilweise abgelehnt wird und der Anspruchswerber ausdrücklich einen Bescheid verlangt. Nach Abs 2 leg cit ist dessen Abs 1 entsprechend anzuwenden bei Entziehung, Versagung, ..., Widerruf, ... oder Feststellung des Ruhens eines Leistungsanspruches ...

    Aus dem Schreiben der beklagten Partei vom 21. 1. 1988 ergibt sich, daß diese die besondere Voraussetzung des Anspruchs auf die Leistungen der Krankenversicherung aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, nämlich die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, nur bis zum 8. 12. 1987 als vorhanden annahm und ihre Leistungen daher mit dem genannten Zeitpunkt einstellte. Sind die Voraussetzungen des Anspruchs auf eine laufende Leistung nicht mehr vorhanden, ist diese nach § 99 Abs 1 ASVG zu entziehen, sofern nicht der Anspruch gemäß § 100 Abs 1 leg cit ohne weiteres Verfahren erlischt. Diese Ausnahme trifft auf Ansprüche auf laufende Leistungen in der Krankenversicherung zu, so daß diesbezüglich zunächst kein Bescheid zu erlassen war. Ein solcher wäre nach § 367 Abs 1 ASVG nur zu erlassen, wenn der Anspruchswerber über für die Zeit nach dem 8. 12. 1987 abgelehnte Leistungen der Krankenversicherung aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ausdrücklich einen Bescheid verlangt hätte. Im Sinne dieser Rechtslage teilte die beklagte Partei dem Anspruchswerber im Schreiben vom 21. 1. 1988 ua mit, daß sie die beantragten Leistungen aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit für die Zeit nach dem 8. 12. 1987 wegen Wegfalls der Anspruchsvoraussetzung der Arbeitsunfähigkeit ablehne, und belehrte ihn darüber, daß sie über die Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit bzw seine diesbezüglichen Leistungsansprüche auf seinen diesbezüglichen Antrag einen anfechtbaren Bescheid erlassen werde.

    Insbesondere wegen dieser (dem ASVG entsprechenden) Rechtsbelehrung ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes richtig, daß das Schreiben vom 21. 1. 1988 keinen Bescheid über die Ablehnung der Weitergewährung von Leistungen aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit für die Zeit nach dem 8. 12. 1987 wegen Wegfalls der Voraussetzung der Arbeitsunfähigkeit ist.

    Deshalb hat das Berufungsgericht richtigerweise aus Anlaß der Berufung das erstgerichtliche Urteil in seinen Punkten 1. a) und 2. als nichtig aufgehoben und die Klage insoweit mangels der im § 67 Abs 1 ASGG genannten Voraussetzungen nach § 73 leg cit (wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges) zurückgewiesen.

    Daher ist der Rekurs, soweit er sich gegen Abs 1 des berufungsgerichtlichen Beschlusses richtet, nicht berechtigt.

2. Zur Zurückverweisung an die erste Instanz:

Nach § 143 Abs 6 Z 1 ASVG kann der Versicherungsträger verfügen, daß das Krankengeld auf Dauer oder auf eine bestimmte Zeit zur Gänze oder teilweise ruht, wenn der Versicherte einer Ladung zum Kontrollarzt ohne wichtigen Grund nicht Folge leistet, wenn der Versicherte vorher auf die Folgen seines Verhaltens schriftlich hingewiesen worden ist.

Die bei Zutreffen dieser Voraussetzungen im Ermessen des Versicherungsträgers liegende Verfügung, daß das Krankengeld ruht, ist mit Schrammel in Tomandl, SV-System 3.ErgLfg 162, 167 ff mwN; Binder aaO 4.ErgLfg 245 f und Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechts4 Rz 216 als Fall der Versagung zu qualifizieren, so daß nach § 367 Abs 2 ASVG dessen Abs 1 entsprechend anzuwenden ist. Das Berufungsgericht hat das Schreiben der beklagten Partei an den Kläger vom 21. 1. 1988, soweit darin das Ruhen des Krankengeldes verfügt wird, zutreffend als Bescheid qualifiziert. Die Erledigung des Versicherungsträgers ist zwar entgegen § 58 Abs 1 AVG nicht als Bescheid bezeichnet, läßt aber nach ihrem Inhalt den eindeutigen Bescheidwillen des Versicherungsträgers erkennen, das Ruhen des Krankengeldes nach § 143 Abs 6 Z 1 ASVG mit einer durch Klage anfechtbaren Erledigung (siehe Rechtsmittelbelehrung) zu verfügen (Oberndorfer in Tomandl, SV-System 3.ErgLfg 649 f; Kuderna, ASGG § 67 Erl 4; SSV-NF 1/3, jeweils mwN).

Nach § 366 Abs 1 ASVG sind Anspruchswerber und Anspruchsberechtigte verpflichtet, sich einer ärztlichen Untersuchung oder einer Beobachtung in einer Krankenanstalt zu unterziehen, die der zuständige Versicherungsträger anordnet, um das Vorliegen und den Grad von gesundheitlichen Schädigungen festzustellen, die Voraussetzung für den Anspruch auf eine Leistung sind. Wird einer Anordnung des Versicherungsträgers im Sinne des Abs 1 nicht entsprochen, so kann der Versicherungsträger nach Abs 2 leg cit der Entscheidung über den Leistungsanspruch den Sachverhalt, soweit er festgestellt ist, zugrunde legen. Dies darf jedoch nur geschehen, wenn die Anordnung der Säumnisfolgen mit Setzung einer angemessenen Frist vorgenommen wird. Die Anordnung ist aufzuheben, wenn die aufgeforderte Person glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, der Anordnung fristgerecht nachzukommen.

§ 366 ASVG legt eine Nebenpflicht des Anspruchswerbers oder -berechtigten iS einer Duldungspflicht fest, deren Erfüllung nicht unmittelbar erzwungen werden kann, deren Verletzung jedoch Auswirkungen auf die Leistungsgewährung nach sich ziehen kann (Schrammel in Tomandl, SV-System 3.ErgLfg 155 f, 167 mwN), zB im Falle des § 143 Abs 6 Z 1 ASVG die Verfügung des gänzlichen oder teilweisen Ruhens des Krankengeldes auf Dauer oder auf bestimmte Zeit, wobei es sich, wie schon erwähnt, um eine Versagung handelt. Das von der beklagten Partei am 21. 1. 1988 verfügte Ruhen des Krankengeldes wäre nur dann durch § 143 Abs 6 Z 1 ASVG gerechtfertigt gewesen, wenn der Kläger den ihm am 8. 12. 1987 und 4. 1. 1988 zugestellten Ladungen zur vertrauens(kontroll)ärztlichen Dienststelle der beklagten Partei Feldkirch bis (spätestens) 9. 12. 1987 bzw. 4. 1. 1988 ohne wichtigen Grund nicht Folge geleistet und daher seine im § 366 Abs 1 ASVG festgelegte Duldungspflicht verletzt hätte.

Davon kann jedoch schon nach den erstgerichtlichen Feststellungen keine Rede sein. Danach hielt sich der Kläger jedenfalls seit 22. 9. 1987, an dem er während eines Heimaturlaubes einen Unfall erlitten hatte, der ärztliche Behandlung erforderlich machte, ua eine stationäre Behandlung in Banja Luka vom 1. 10. bis 15. 11. 1987 und danach eine ambulante Behandlung durch jugoslawische Ärzte, von denen er bei Kontrolluntersuchungen am 26. 11. 1987 und 22. 12. 1987 arbeitsunfähig geschrieben wurde, und zwar bei der letzten Kontrolluntersuchung noch bis 11. 1. 1988, vorübergehend in Jugoslawien auf.

Daß die Ladung vom 1. 12. 1987, am 9. 12. 1987 beim Vertrauensarzt in Feldkirch zu erscheinen, dem damals in der Nähe von Banja Luka wohnenden Kläger erst am 8. 12. 1987 zukam, stellt schon deshalb, weil diese beiden Orte voneinander etwa 1.000 km entfernt sind, ein sehr erhebliches Hindernis und daher auch einen wichtigen Grund dar, dieser verspäteten Ladung nachzukommen. Umso mehr gilt dies für die am 4. 1. 1988 im jugoslawischen Heimatort des Klägers zugestellte Ladung, noch am selben Tag in Feldkirch zu erscheinen.

Daher kann nicht gesagt werden, daß der Kläger einer Ladung zum Kontrollarzt ohne wichtigen Grund nicht nachgekommen wäre. Ob der Kläger verpflichtet gewesen wäre, einer Ladung für einen späteren Untersuchungstermin nachzukommen, war nicht zu prüfen, weil eine solche Ladung nicht einmal behauptet wurde.

Ohne eine solche vom Versicherungsträger ausgehende weitere diesbezügliche Initiative (weitere Anordnung einer ärztlichen Kontrolluntersuchung) kann jedoch von einer Verletzung der im § 366 ASVG normierten Nebenpflicht des Klägers nicht gesprochen werden. Dieser war - entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes - weder verpflichtet, sich bei der beklagten Partei um einen neuen Untersuchungstermin zu bemühen, noch bei dieser ohne neuerliche Ladung zu einer Kontrolluntersuchung zu erscheinen. Daraus folgt, daß die von der beklagten Partei verfügte Ruhendstellung des Krankengeldes nach § 143 Abs 6 Z 1 ASVG nicht berechtigt war.

Die Streitsache ist also zur Entscheidung reif, so daß der Oberste Gerichtshof Abs 2 des angefochtenen Beschlusses aufzuheben hatte und nach § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO über den Rekurs, soweit er sich gegen den zitierten Absatz richtet, durch Urteil in der Sache selbst erkennen und insoweit die erstgerichtliche Entscheidung mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe wiederherstellen konnte. Eine Kostenentscheidung entfiel, weil Kosten nicht verzeichnet wurden.

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