OGH 12Os87/90 (12Os88/90)

OGH12Os87/90 (12Os88/90)6.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.September 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Löschenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang G*** und Horst Willi P*** wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten und über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. Februar 1990, GZ 7 a Vr 878/90-34, sowie über die Beschwerde des Angeklagten P*** gegen den mit diesem Urteil gefaßten Widerrufsbeschluß vom selben Tag, GZ 7 a Vr 878/90-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, und der Verteidiger Dr. Rustler und Dr. Palkovits, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen der Staatsanwaltschaft und der beiden Angeklagten sowie der Beschwerde des Angeklagten Horst Willi P*** wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 7.Februar 1964 geborene Wolfgang G*** und der am 1. August 1961 geborene Horst Willi P*** wurden des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15 (zu ergänzen: 127), 129 Z 1 StGB schuldig erkannt, weil sie am 3.Jänner 1990 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter die Eingangstür einer Likörstube aufbrechen wollten, um im Inneren des Lokals Sachen zu stehlen.

Diesen Schuldspruch bekämpfen beide Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerden, und zwar G*** aus den Gründen der Z 5 und 10, P*** aus jenen der Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Zur Beschwerde des Angeklagten G***:

In der Mängelrüge (Z 5) releviert der Beschwerdeführer zwei Aspekte, die für die Freiwilligkeit des von ihm in Anspruch genommenen Rücktritts vom Versuch bedeutsam seien: Entgegen den Urteilsfeststellungen habe er (über Befragen seines Verteidigers) lediglich ausgesagt, "aus Angst" von seinem Vorhaben Abstand genommen zu haben, nicht jedoch wegen des von ihm verursachten Lärms (S 154); ferner sei durch keinerlei konkrete Verfahrensergebnisse gestützt, daß die Angeklagten von der Zeugin H*** zweifelsfrei in ihrem Vorhaben gestört worden seien.

Mit dem zweiten Einwand ist der Beschwerdeführer im Recht; die Urteilsannahme, die Angeklagten seien "zweifelsfrei" gestört worden, ist eine auf eine Scheinbegründung hinauslaufende, aus den Verfahrensergebnissen nicht ableitbare Schlußfolgerung. Der Aussage der Zeugin H*** (S 155) zufolge war diese nämlich bemüht, bei der Beobachtung der Angeklagten nicht selbst gesehen zu werden, was dafür spricht, daß sich die Angeklagten durch sie nicht beobachtet wähnten. Indes betrifft dieser Beschwerdestandpunkt aber keine entscheidende Tatsache im Sinne des behaupteten Nichtigkeitsgrundes, weil die angebliche Störung durch die Zeugin H*** im Urteil nur als weiterer (arg.: "überdies" S 169), die bereits wegen der Angst der Täter vor Entdeckung verneinte Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch ausschließender Umstand angeführt wird. Der gegen diese Urteilskonstatierung erhobene erste Beschwerdeeinwand ist aber unberechtigt: Denn das Urteil führt aus, daß G*** in der Hauptverhandlung erklärte, die Angeklagten hätten aus Angst von ihrem Vorhaben Abstand genommen, G*** (in Wahrheit indes P*** "nach Vorhalt der Seite 86 des Aktes", was aber als bloße Verwechslung an sich gleichwertiger Erkenntnisquellen nichts verschlägt; S 154, 168, 169) hatte dazu noch angegeben, sie hätten wegen des von ihnen verursachten Lärms aufgehört ("weil wir relativ viel Lärm gemacht haben"). Die Zusammenfassung der Motivation für den Abbruch des Versuchs (: Angst vor Entdeckung wegen des mit den weiteren Aufbruchsversuchen verbundenen Lärms) findet daher in den Verfahrensergebnissen solcherart Deckung. Die auch vom Beschwerdeführer unbestrittene Aufgabe des Einbruchplans aus Angst reicht aber unter den geschilderten und festgestellten Umständen bereits zum Ausschluß der Freiwilligkeit aus, ohne daß die Feststellung einer Störung oder eines anderen objektiven Hindernisses notwendig gewesen wäre. Hielten die Angeklagten darnach doch eine tatplangemäße Ausführung der Tat ohne imminente Gefahr einer Entdeckung wegen des damit verbundenen Lärms im dicht bewohnten Gebiet für unmöglich.

Mit seiner Rechtsrüge (Z 10) strebt der Beschwerdeführer allenfalls einen Schuldspruch wegen Sachbeschädigung nach § 125 StGB an, für den er allerdings Konstatierungen zur subjektiven Tatseite vermißt, sei doch der Rücktritt vom Versuch des Diebstahls freiwillig geschehen.

Dem ist zu erwidern, daß ein solcher Rücktritt nur dann freiwillig und daher strafbefreiend ist, wenn der Täter (bei einem unbeendeten Versuch, wie vorliegend) frei von psychischem oder physischem Zwang die Ausführung der Tat aufgibt, obwohl er sie seiner Vorstellung nach vollenden könnte (Leukauf-Steininger2 RN 2 bis 4 zu § 16 StGB). Zwar trifft es zu, daß unter Umständen auch die Furcht vor Entdeckung und Strafe den Aufgabeentschluß des Täters weiter autonom, also freiwillig erscheinen lassen kann, dies aber nur dann, wenn der Täter nach seiner Vorstellung die Tat ungestört und plangemäß vollenden könnte. Eben daran aber fehlt es hier: Denn die vom Erstgericht auf Grund der Verantwortung des Beschwerdeführers festgestellte "Angst" war nach dem festgestellten Tathergang keine abstrakte Angst vor der jedem Täter unter Umständen drohenden Gefahr der Entdeckung, die allerdings die Freiwilligkeit des Rücktrittsentschlusses nicht ausschlösse, sondern die ganz konkrete Angst, wegen der von seinem Komplizen und der Zeugin H*** bekundeten Lärmentwicklung im Zusammenhang mit der (nach dem Abbrechen des zur Tat verwendeten Schraubenziehers: S 70, 81) noch längere (Aussage Zeuge P*** S 156: fünf oder zehn Minuten) Bemühungen (mit dem an sich nicht ungeeigneten, aber doch zur raschen Erreichung des Zieles weitgehend unzulänglichen Werkzeug) erfordernden Überwindung des Widerstands der Tür betreten zu werden (siehe oben). Hier scheidet Freiwilligkeit des Rücktritts aus. Sie wurde auch in der vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidung LSK 1977/290 zu § 16 Abs. 1 StGB = 13 Os 129/77 verneint, weil die Täter irrtümlich die Anwesenheit einer Person im Einbruchsobjekt vermuteten und in dieser ein der Tatvollendung entgegenstehendes Hindernis sahen (ähnlich LSK 1975/49 zu § 16 StGB = 9 Os 158/74). Von einem Straflosigkeit bewirkenden freiwilligen Rücktritt vom Versuch gemäß § 16 Abs. 1 StGB kann somit bei der vorliegenden Fallgestaltung weder tatsächlich noch rechtlich die Rede sein.

Zur Beschwerde des Angeklagten P***:

Die Verfahrensrüge (Z 4) des Beschwerdeführers bekämpft die Abweisung seines Antrages auf zeugenschaftliche Vernehmung der intervenierenden Polizeibeamten zum Beweise dafür, daß beide Täter freiwillig zurückgetreten seien (S 159); die Begründung des abweisenden Zwischenerkenntnisses (S 160), die Angeklagten seien 15 Meter vom Tatort angetroffen worden, sei verfehlt, weil diese Entfernung nach der Aussage des Angeklagten G*** 50 Meter betragen habe.

Auf die Entfernung vom Tatort im Augenblick der Betretung durch die Polizei kommt es indes hier überhaupt nicht an. Die Abweisung des Beweisantrages war vielmehr schon deshalb richtig und nicht geeignet, Verteidigungsrechte der Angeklagten zu beeinträchtigen, weil Dritte in der Regel keine zweckdienlichen Angaben über die Motivation eines Entschlusses der Täter machen können. Das Eingreifen der Polizei stellte hier auch nach den Urteilsannahmen kein den - zu dieser Zeit schon vollzogenen - Rücktritt von der Tatvollendung bewirkendes Ereignis dar. Was sonst zum Entschluß der Täter, den Versuch aufzugeben, führte, konnte auf Grund ihrer eigenen Einlassung festgestellt werden, ohne daß die Befragung von Zeugen erforderlich oder auch nur förderlich gewesen wäre. Die in der Mängelrüge (Z 5) behauptete Unvollständigkeit der Urteilsfeststellungen liegt gleichfalls nicht vor. Daß es den Angeklagten an sich möglich gewesen wäre, bei längeren Bemühungen die Tür zu öffnen (was allerdings gerade der Beschwerdeführer vor der Polizei verneinte: S 86), wurde vom Erstgericht nicht in Zweifel gezogen und hat im Hinblick auf die aus anderen Gründen unfreiwillige Aufgabe des Tatentschlusses keine Bedeutung. Ebensowenig kann von einer Aktenwidrigkeit gesprochen werden, wenn das Erstgericht auch bei diesem Beschwerdeführer Angst vor der Entdeckung annahm, ist doch dessen Hinweis auf die Lärmentwicklung nur so zu verstehen - und wurde vom Schöffensenat beweiswürdigend auch so verstanden -, daß er deshalb ("... und wegen des von ihnen verursachten Lärms"; S 169) fürchtete, entdeckt zu werden. Daß die Frage der Entfernung vom Tatort, deren Annahme mit 15 Meter als offenbar unzureichend begründet gerügt wird, keine entscheidende Tatsache betrifft, wurde bereits gesagt (siehe oben). Mit seiner die Beurteilung der Tat als Sachbeschädigung anstrebenden Rechtsrüge (Z 10) ist der Beschwerdeführer auf die diesbezügliche Erledigung der Beschwerde des Erstangeklagten zu verweisen.

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.

Zu den Unrechtsfolgen:

Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagten nach § 129 StGB je eine Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten, wozu bei beiden erschwerend die zahlreichen rückfallbegründenden Vorstrafen und der jeweils rasche Rückfall, mildernd hingegen die Geständnisse und der Umstand waren, daß es beim Versuch blieb. Überdies faßte das Gericht unter einem den Beschluß auf Widerruf der mit Beschluß des Kreisgerichts Wr. Neustadt vom 17.November 1989, AZ BE 612/89, angeordneten bedingten Entlassung des Angeklagten P*** aus einer Freiheitsstrafe und sprach aus, daß der Rest der mit den Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu AZ 1 c Vr 9430/83 und 3 c E Vr 8916/87 und des Kreisgerichts Wr. Neustadt zu AZ 12 a E Vr 8/87 verhängten Strafen, und zwar insgesamt elf Monate, zu vollziehen ist (ON 37).

Gegen den Strafausspruch richten sich die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft mit den Anträgen auf Milderung bzw. Erhöhung der Strafen.

Keine der drei Berufungen schlägt durch.

Den beiden Angeklagten, welche als weiteren Milderungsgrund die Tatbegehung in Alkoholisierung reklamieren, ist zu erwidern, daß ein die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließender Rauschzustand nur insoweit mildernd wirkt, als die dadurch bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit nicht durch den Vorwurf aufgewogen wird, den der Genuß berauschender Mittel den Umständen nach begründet (§ 35 StGB). Davon abgesehen aber wäre eine nennenswerte Alkoholisierung der Angeklagten bei ihrer unverzüglichen Festnahme von der Sicherheitsbehörde wohl vermerkt worden, wenn sie vorgelegen wäre (siehe S 69 ff). Verfehlt wäre auch die vom Angeklagten G*** verlangte Heranziehung des Milderungsgrundes des § 34 Z 7 StGB, weil bei den auch wegen Diebstahls vorbestraften Angeklagten ein beharrlich versuchter Einbruchsdiebstahl wohl füglich nicht auf Unbesonnenheit zurückgeführt werden kann. Die Anklagebehörde vermeint ihrerseits, die Strafzumessungsgründe seien zwar richtig festgestellt, aber unrichtig gewürdigt worden, denn das belastete Vorleben der Angeklagten und ihr rascher Rückfall hätten auch aus generalpräventiven Gründen zu einer empfindlicheren Sanktion führen müssen. Indes: Bei der Strafbemessung darf in gebotener Proportionalität zwischen Rechtsbruch und Reaktion auf diesen die Schwere der Straftat, die auch im Unrechtsgehalt ihren Ausdruck findet, nicht außer acht bleiben (LSK 1979/185). Mit dem Versuch ist der objektive Unwert der Tat, wenn auch an der Tür ein nicht unbeträchtlicher Schaden entstand (S 89 bzw. 156), doch in Grenzen geblieben, sodaß die verhängten Strafen ausreichen. Schließlich war auch der Beschwerde des Angeklagten P*** gegen den Widerrufsbeschluß ON 37 ein Erfolg zu versagen. Der Beschwerdeführer vermag selbst nichts gegen die stichhältige Begründung des angefochtenen Beschlusses ins Treffen zu führen; soll doch durch den Vollzug des Strafrestes dem Angeklagten nicht so sehr "das Verwerfbare seiner Handlung vor Augen" geführt, als für die Zukunft demonstriert werden, daß ein Rückfall nach einer bedingten Haftentlassung innerhalb der Probezeit ernst zu nehmende Konsequenzen nach sich zieht. So gesehen ist dem Erstgericht darin beizupflichten, daß in Anbetracht der abermaligen Straffälligkeit dieses Angeklagten zusätzlich zur neuerlichen Verurteilung auch der Vollzug des in Rede stehenden Strafrestes geboten erscheint, um ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten (§ 53 Abs. 1 StGB).

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