OGH 12Os80/90

OGH12Os80/9030.8.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.August 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Löschenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Marco B*** und Josip V*** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der beiden Angeklagten sowie die Berufung der Privatbeteiligten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 12.April 1990, GZ 24 Vr 941/89-38, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, der Privatbeteiligtenvertreterin Dr. Nowak und der Verteidigerin Dr. Prokopp, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und der beiden Angeklagten werden verworfen, den Berufungen der Genannten nicht Folge gegeben.

Der Berufung der Privatbeteiligten Liliane P*** wird Folge gegeben und unter Aufhebung des Ausspruches über die Verweisung derselben mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg gemäß § 366 Abs. 2 StPO ausgesprochen, daß Marco B*** und Josip V*** zur ungeteilten Hand schuldig sind, der Liliane P*** gemäß § 369 StPO einen Betrag von 1.000 S (eintausend Schilling) zu bezahlen. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Marco B*** und Josip V*** die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 6.Dezember 1966 geborene Marco B*** und der am 28.Februar 1964 geborene Josip V*** des Verbrechens der (sogenannten minderschweren) Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB (n.F.), Josip V*** (insoweit allerdings rechtlich verfehlt) als Beitragstäter zu diesem Delikt nach § 12 dritter Fall StGB, schuldig erkannt und hiefür zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen verurteilt. Darnach haben sie am 22.Juli 1989 in Röthis, Vorarlberg, anläßlich einer "Open-Air-Veranstaltung" die damals 16-jährige Liliane P*** in einem Zelt mit Gewalt, Josip V*** auch durch gefährliche Drohung (richtig: durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben), zur Duldung des Beischlafes genötigt, indem Marco B*** das Mädchen mit beiden Armen am Oberkörper umfaßte, es rücklings auf den Boden drückte, sich nach Entkleiden des Tatopfers auf das Mädchen legte, mit seinem Glied in dessen Scheide eindrang und sich kurze Zeit nach diesem Vorfall erneut auf das Mädchen legte und mit seinem Glied in die Scheide einzudringen trachtete. Josip V*** hielt nach dem ihn treffenden Schuldvorwurf hiebei die Liliane P*** an den Oberarmen fest und forderte sie auch auf, nicht zu schreien, sonst würde etwas passieren; außerdem drückte ein weiterer unbekannt gebliebener Täter ihre Beine gewaltsam auseinander. Dieses Urteil bekämpfen die beiden Angeklagten mit gemeinsam ausgeführten und auf die Gründe des § 281 Abs. 1 Z 4, 5 a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden; die Staatsanwaltschaft macht in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde den Grund der Z 10 der vorzitierten Gesetzesstelle geltend.

Rechtliche Beurteilung

Keiner der Beschwerden kommt Berechtigung zu.

1./ Zur Beschwerde der Staatsanwaltschaft:

In ihrer Rechtsrüge (Z 10) vermeint die Anklagebehörde, daß der unter Gewaltanwendung erwirkte Vollzug des Geschlechtsverkehrs durch den Angeklagten B*** und der erst einige Zeit später unter gleichfalls tätiger Mitwirkung des Angeklagten V*** nachfolgende Versuch eines weiteren Geschlechtsverkehrs durch B***, entgegen der Auffassung des Erstgerichtes, nicht ein einheitliches, insgesamt als ein (einziges) Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB (n.F.) zu beurteilendes Gesamtgeschehen darstelle; könne doch der nachträgliche Versuch in der vorangegangenen Tatvollendung nicht aufgehen (siehe indes die Begründung im Ersturteil, S 266 und 267), weil ein weiterer, der Deliktsvollendung nachfolgender Vergewaltigungsversuch schon begrifflich nicht in dem schon vorher vollendeten Delikt (der Vergewaltigung) aufgehen könnte; dies sei nur umgekehrt möglich.

Das der vollendeten Tat (§ 201 Abs. 2 StGB n.F.) nachfolgende Tatgeschehen, dessen rechtliche Beurteilung als weiteren, den beiden Angeklagten gesondert zuzurechnenden Vergewaltigungsversuch die Staatsanwaltschaft solcherart anstrebt, bestand nach den bezüglichen Urteilsfeststellungen darin, daß der Angeklagte B***, der nach der ersten (vollendeten) Vergewaltigung der Liliane P*** das Zelt (Tatort) verlassen hatte, einige Zeit später wieder dorthin zurückkehrte und zwecks Durchführung eines weiteren Geschlechtsverkehrs unter erneuter Mithilfe des Angeklagten V***, der Liliane P*** wieder unter Gewaltanwendung festhielt (S 267), seinen Geschlechtsteil in das Geschlechtsorgan des Tatopfers einführen wollte und auch der Meinung war, daß ihm dies gelungen sei, obwohl dies (bei wohl anzunehmender physischer Kontaktierung der äußeren Geschlechtsteile) in Wahrheit nicht zutraf, weil Liliane P*** ihre Beine fest zusammengepreßt hatte (S 245, 246 und 267). Der auf eine gesonderte Tatzurechnung abzielenden Rechtsmeinung der Staatsanwaltschaft kann grundsätzlich insoweit beigetreten werden, als bei zwei in kurzer zeitlicher Folge auf eine Nötigung zur Duldung des Beischlafes gerichteten Tathandlungen eine Deliktswiederholung, somit eine Realkonkurrenz der Delikte nach § 201 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB (n.F.), stets dann anzunehmen ist, wenn der nachfolgende Vergewaltigungsakt auf einem gesonderten Willensentschluß des Täters beruht, der nicht nur wegen seiner schon aus objektiven Gründen anzunehmenden Eigenständigkeit, sondern auch wegen der willensmäßigen Selbständigkeit die Annahme eines realkonkurrierenden (gleichartigen) Deliktes fordert (vgl 13 Os 12/86, 13 Os 176/86; ferner Leukauf-Steininger2 RN 25 zu § 201 StGB a.F.). Diese Voraussetzungen treffen vorliegend nach den Urteilsfeststellungen auf den eine weitere Vergewaltigung der Liliane P*** durch B*** anstrebenden Vorgang zu.

Es ist jedoch zu prüfen, ob dieses weitere Tatgeschehen tatsächlich, wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde vermeint, in rechtlicher Beziehung bloß den Versuch einer Vergewaltigung im Sinne der §§ 15, 201 Abs. 2 StGB (n.F.) darstellt. Dies wäre nach der alten Rechtslage zu bejahen, weil § 201 Abs. 1 StGB (a.F.) einen Mißbrauch des widerstandsunfähig gemachten Opfers zum außerehelichen Beischlaf, sohin zur Deliktsvollendung eine conjunctio membrorum, also ein wenn auch nur unvollständiges Eindringen des männlichen Gliedes in das weibliche Gechlechtsorgan, voraussetzte (Leukauf-Steininger2 RN 10 und 13 zu § 201 StGB a.F.). Durch die mit dem 1.Juli 1989 in Geltung getretene Strafgesetznovelle 1989, BGBl Nr 242/1989, die somit auch auf die urteilsgegenständliche (am 22.Juli 1989 verübte) Tat Anwendung findet, ist aber eine Änderung der Rechtslage in mehrfacher Beziehung eingetreten. So stellt der (neue) Tatbestand der Vergewaltigung sowohl nach dem Abs. 1 wie auch nach dem Abs. 2 des § 201 StGB (n.F.) u.a. auf die Nötigung zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung ab. Schon im Hinblick auf diese Gleichstellung des Beischlafs mit einer ihm gleichzusetzenden (anderen) geschlechtlichen Handlung, worunter die bisher als Unzucht im Sinne der §§ 203 und 204 StGB (a.F.) behandelten, auf Befriedigung des Geschlechtstriebes gerichteten Formen einer vaginalen, oralen oder analen Penetration (JAB zur Vergewaltigung, Punkt 7) fallen (14 Os 127/89, 12 Os 166/89 u.a.), kann, angesichts der Neufassung der für die Beurteilung der Deliktsvollendung maßgebenden, sowohl im Abs. 1 wie auch im Abs. 2 des § 201 StGB (n.F.) verbal fixierten (siehe LSK 1981/184) Tätigkeitsform (".... zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung nötigt ....."), die bisherige Judikatur zu § 201 Abs. 1 StGB (a.F.), derzufolge eine Tatvollendung den Vollzug des Geschlechtsverkehrs voraussetzte, auf die neugefaßten Tatbestände des § 201 Abs. 1 und 2 StGB nicht mehr angewendet werden; dies schon deshalb nicht, weil die für eine Deliktsvollendung nach dem nur den Beischlaf erfassenden § 201 Abs. 1 StGB a.F. maßgebenden Erwägungen nicht ohne weiteres auch auf die zufolge der Neufassung des § 201 Abs. 1 und 2 StGB einem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen übertragen werden könnten. Denn zur Duldung eines etwa einem Beischlaf gleichzusetzenden Analverkehrs nötigt zB auch derjenige, der hiezu ansetzt, jedoch bei dem von ihm angestrebten Eindringen seines Gliedes in den After des Tatopfers (etwa an physiologischen Gegebenheiten) scheitert, oder dem es etwa bei einem angestrebten Oralverkehr (weil etwa das Opfer den Mund fest geschlossen hält) nur gelingt, mit seinem Geschlechtsteil bloß die äußere Mundpartie des Opfers zu berühren. Vollendet sind demnach die Tatbestände sowohl der sogenannten schweren Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB n.F. wie auch der sogenannten minderschweren Vergewaltigung nach dem Abs. 2 der vorgenannten Gesetzesstelle bereits mit dem "Unternehmen" der betreffenden Aktion (vgl die Judikatur zu § 206 StGB), also dann, wenn die Nötigung erfolgreich ist, das Tatopfer mithin den Beischlaf oder die diesem gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vorzunehmen oder zu dulden beginnt. Der Vollzug des Beischlafs oder einer anderen ihm gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung ist hingegen nach der neuen Rechtslage für die Annahme einer Tatvollendung nicht (mehr) Voraussetzung (Foregger-Serini4, Nachtrag 1989, Erl V zu § 201 StGB n.F.).

Dies bedeutet aber im vorliegenden Fall, daß der Angeklagte B*** auch bei seinem zweiten, auf Vergewaltigung der Liliane P*** abzielenden Unternehmen angesichts der hiezu im Ersturteil getroffenen (die Annahme einer physischen Berührung der äußeren Geschlechtsteile von Täter und Opfer indizierenden) Feststellungen bereits das vollendete Delikt der Vergewaltigung und nicht, wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Rechtsrüge meint, bloß den Versuch dieses Deliktes zu verantworten hat.

Dem Erstgericht ist sonach - entgegen der Rechtsrüge der Staatsanwaltschaft - im Ergebnis kein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn es beide Aktionen, also sowohl den vom Angeklagten B*** an Liliane P*** vollzogenen Beischlaf als auch den zeitlich nachfolgenden Vorgang, bei dem der angestrebte Geschlechtsakt zwar (mangels Penetration der äußeren Geschlechtsteile) nicht vollzogen, aber (angesichts deren physischer Berührung) immerhin unternommen worden war, insgesamt als vollendetes Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB n.F. wertete, wobei allerdings die Verbrechenshäufung bei der Strafbemessung erschwerend wirkt. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war sohin ein Erfolg zu versagen.

Bemerkt sei noch, daß die Beurteilung der Tat des Angeklagten V*** (bloß) als sonstigem Tatbeitrag im Sinne des § 12 dritter Fall StGB zu dem vom Angeklagten B*** (als unmittelbarem Täter) verübten Delikt der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB (n.F.) rechtsirrig ist; denn nach der neuen Fassung des § 201 Abs. 1 und 2 StGB (BGBl Nr 242/1989) ist das Delikt der Vergewaltigung laut Gesetzeswortlaut kein eigenhändiges Delikt. Unmittelbarer Täter ist somit auch jeder, der das Tatopfer zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung unter Anwendung der Mittel der (allenfalls schweren) Gewalt oder der Duldung mit gegenwärtiger (allenfalls schwerer) Gefahr für Leib oder Leben nötigt, auch wenn er auf die Vornahme des Beischlafs oder einer ihm gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung durch ihn selbst nicht abzielt, sondern diese bloß einem anderen (Mittäter) ermöglicht (Foregger-Serini4 Nachtrag 1989, Erl IV zu § 201 StGB n.F., ferner die Rechtsprechung zu der insoweit vergleichbaren früheren Rechtslage nach den §§ 202 Abs. 1 und 204 Abs. 1 StGB a.F., siehe Leukauf-Steininger2 RN 14 zu § 202 StGB a.F.). Angesichts der grundsätzlichen rechtlichen Gleichwertigkeit der im § 12 StGB angeführten Täterschaftsformen mit der daraus abgeleiteten prozessualen Konsequenz, daß die rechtsirrige Annahme (also das Vertauschen) einer der in § 12 StGB angeführten Täterschaftsformen den materiellen Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO nicht zu begründen vermag

(vgl Leukauf-Steininger2 RN 57 und 58 zu § 12 StGB), besteht für eine den Angeklagten V*** betreffende Maßnahme gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO (aus Anlaß der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerden) kein Grund, zumal diesem Angeklagten durch seine rechtsirrige Behandlung als Gehilfe statt richtig als unmittelbarer Täter kein Nachteil erwachsen ist.

2./ Zu den Beschwerden der Angeklagten Marco B*** und Josip V***:

Beide Beschwerdeführer rügen zunächst unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 4 StPO die Abweisung (S 228 und 229) der von ihrem (gemeinsamen) Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf Einholung eines Gutachtens eines Hautfacharztes sowie auf Psychiatrierung der Zeugin Liliane P*** (Tatopfer) und auf Durchführung eines Ortsaugenscheines. Durch den Dermatologen sollte nachgewiesen werden, daß die Haut der Zeugin P*** bzw das Gewebe unter ihrer Haut von solcher Beschaffenheit ist, daß solche (gemeint: die nach der Tat bei ihr vorhandenen) blutunterlaufenen Stellen auch durch normales oder leichtes Zupacken entstehen konnten. Durch die psychiatrische Expertise sollte unter Beweis gestellt werden, daß die genannte Zeugin zur tatsachenwidrigen Darstellung von Geschehensabläufen neigt; weiters, daß sie sich bei Richtigkeit ihrer Version von den verfahrensgegenständlichen Vorfällen nachfolgend anders verhalten hätte und erschüttert sowie schockiert gewesen sein müßte (wobei unterstellt wird, daß dies bei ihr nicht der Fall war). Ein Ortsaugenschein (unter gleichen Verhältnissen wie zur Tatzeit) sollte dartun, daß nach Größe und Beschaffenheit des Zeltes und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sich zur Tatzeit darin mehrere Personen aufhielten, der von der Zeugin P*** geschilderte Geschehensablauf (daß sie nämlich von einer oder zwei Personen gleichzeitig an den Händen gehalten und ihr von einer weiteren Person die Füße auseinandergepreßt worden seien, während sich ein anderer Täter an ihr verging) unmöglich gewesen sei und daß ihr damals die Möglichkeit zu - für andere Personen

hörbaren - Hilferufen jederzeit offen gestanden wäre (S 226 und 227). Diese Beweisanträge konnten vom Erstgericht ohne Verletzung von Verteidigungsrechten der beiden Angeklagten abgewiesen werden. Durch einen Hautfacharzt könnte zwar nachgewiesen werden, daß die blutunterlaufenen Stellen des Tatopfers (unter anderem Hämatom an der rechten und linken Brust sowie am linken Oberarm; siehe S 79) durch ein mehr oder weniger starkes Zupacken entstanden; damit wäre aber für die Angeklagten nichts gewonnen, weil damit die von der Zeugin P*** geschilderte Gewaltanwendung gegen ihre Person keineswegs widerlegt wäre. Durch die Psychiatrierung wollen die beiden Beschwerdeführer, wie Inhalt und Zielsetzung dieses Antrages eindeutig erkennen lassen, ausschließlich die Glaubwürdigkeit der Zeugin P*** erschüttern. Auf welcher Tatsachengrundlage aber eine (angebliche) Lügenhaftigkeit der genannten Zeugin geklärt werden sollte, bleibt schon nach dem Vorbringen zu diesem Beweisantrag im Dunkeln. Die Beurteilung der hier allein entscheidenden Eignung der Zeugenaussage des Tatopfers zur tauglichen Urteilsgrundlage obliegt allein dem erkennenden Gericht (§ 258 Abs. 2 StPO) und kann nicht auf einen Sachverständigen abgewälzt werden (12 Os 26/90 u.a.), zumal nach den bisherigen Verfahrensergebnissen keine Anhaltspunkte für eine Neigung des Mädchens zur Lügenhaftigkeit hervorgekommen sind und auch von den Beschwerdeführern anläßlich der Antragstellung keine konkreten Umstände behauptet wurden, aus denen eine solche Neigung abgeleitet werden könnte. Abgesehen davon darf die psychiatrische Untersuchung eines Zeugen ohne dessen bzw seines gesetzlichen Vertreters ausdrückliche Zustimmung gar nicht durchgeführt werden (Foregger-Serini4, Erl III zu § 134 StPO und die dort zitierte Judikatur).

Soweit hingegen die Beschwerdeführer in ihrem Psychiatrierungsantrag der Zeugin P*** ein dem unmittelbaren Tatgeschehen nachfolgendes Verhalten unterstellen, das mit den vorangegangenen, von ihr geschilderten Vorgängen nicht vereinbar und dazu atypisch gewesen sein soll, gehen sie von Prämissen aus, die mit den Urteilsannahmen unvereinbar sind. Hat doch das Erstgericht mängelfrei auf der Grundlage der von ihm als völlig unbedenklich und glaubwürdig beurteilten Aussage der Zeugin P*** (S 248 und 249), insbesondere aber auf Grund der zeugenschaftlichen Aussage der Ärztin Dr. Susanne K*** (die Liliane P*** kurz nach den verfahrensgegenständlichen Vorfällen im Landeskrankenhaus Feldkirch untersucht hatte) als erwiesen angenommen, daß die Zeugin P*** nach der Tat geschockt war und einen verstörten Eindruck machte (S 261 bis 264 iVm S 81, 152 und 222). Somit hat der vorerwähnte Beweisantrag eine Prämisse zur Voraussetzung, die vom Erstgericht nicht angenommen wurde, sodaß dem Beweisantrag die relevante Grundlage fehlt (vgl Mayerhofer-Rieder2 II/2, ENr 67 zu § 281 Abs. 1 Z 4 StPO).

Aber auch ein Ortsaugenschein (unter Errichtung des Zeltes, in dem sich die Tathandlungen ereignet hatten) wäre nicht geeignet, eine für die Beschwerdeführer günstigere Beweislage herbeizuführen; ist doch der Umstand, daß sich zur Tatzeit in diesem Viermannzelt (S 183) eine Mehrzahl von Personen aufgehalten hat und es dort zu sexuellen Handlungen an der Zeugin P*** unter gleichzeitiger Beteiligung mehrerer Burschen gekommen ist, selbst nach der Verantwortung der Angeklagten unbestritten (siehe die Darstellung des Angeklagten B***, wonach er in diesem Zelt den Geschlechtsverkehr an dem Mädchen vollzogen hat, während der Mitangeklagte V*** das Mädchen umarmte und mit ihm schmuste; S 185; ferner die Angaben des Angeklagten V***, S 191). Zur näheren Klärung der hier allein entscheidenden Frage, ob und welche Gewalt gegen das Mädchen zur Erzwingung des Geschlechtsverkehrs angewendet wurde und welche Gegenwehr es leistete, ist aber der beantragte Ortsaugenschein ungeeignet. Der weiteren, durch einen Ortsaugenschein angestrebten Klärung, daß Hilferufe der Liliane P*** außerhalb des Zeltes hörbar gewesen wären, bedurfte es schon deshalb nicht, weil diese nach ihrer Darstellung in der Hauptverhandlung während des Tatgeschehens gar nicht um Hilfe gerufen hat, wozu sie die für sie damals maßgebenden und vom Erstgericht auch als glaubwürdig akzeptierten (S 249 und 262) Erwägungen für ein Unterlassen von Hilferufen auch darlegte (siehe S 200, 201, 202 und 203).

Die Ausführungen zu den Tatsachenrügen (Z 5 a) sind ebensowenig geeignet, aus den Akten hervorgehende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldsprüchen zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Die Tatsachenrüge richtet sich erklärtermaßen gegen die nach Meinung der Beschwerdeführer einseitige und verfehlte Beweiswürdigung des Schöffensenats, der seine Feststellungen nur auf die angeblich bedenkliche Aussage des Opfers stütze. Abgesehen davon, daß die vom Senat als glaubwürdig erachtete Aussage der Zeugin P*** nach den Urteilsgründen zwar eine wesentliche, keineswegs aber die einzige Feststellungsgrundlage für die Schuldsprüche bildete, übersehen die Beschwerdeführer, daß der kritisch-psychologische Vorgang der Würdigung eines Beweismittels (hier der Aussage der Zeugin P***) und die auf diese Weise vom erkennenden Gericht unter Berücksichtigung des in der Hauptverhandlung anläßlich der Beweisaufnahme von einem Zeugen hinterlassenen persönlichen Eindruckes gewonnene Überzeugung von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen einer Anfechtung aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 a StPO entzogen ist (12 Os 40/88, 14 Os 41/88, 12 Os 53/88 u.a.).

Die Rechtsrügen der Angeklagten (Z 9 a) entbehren zur Gänze einer gesetzmäßigen Darstellung, weil darin nicht ein Rechtsirrtum bei der Beurteilung des im angefochtenen Urteil festgestellten Sachverhaltes behauptet wird, sondern der Sache nach andere, von den Urteilskonstatierungen abweichende und für die Beschwerdeführer günstigere Feststellungen angestrebt werden. Die sinngemäße Beschwerdebehauptung, das Beweisverfahren habe offengelassen, ob der Widerstand der Zeugin P*** tatsächlich mit Gewalt gebrochen worden ist, sodaß wegen (angeblich) ungeklärter Beweislage ein Freispruch der Angeklagten zu fällen gewesen wäre, stellt keine gesetzmäßige Ausführung einer Rechtsrüge dar, weil damit die tatsächlichen Urteilsannahmen vernachlässigt werden und nicht, wie von der prozeßordnungsgemäßen Ausführung einer Rechtsrüge gefordert, der im Urteil angenommene Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz verglichen wird.

Den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten war sohin ebenso ein Erfolg zu versagen.

3./ Zu den Unrechtsfolgen:

Das Schöffengericht verhängte gemäß § 201 Abs. 2 StPO über die Angeklagten Freiheitsstrafen, und zwar über Marco B*** ein Jahr und über Josip V*** 9 Monate, deren Vollziehung es in beiden Fällen gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Erschwerend war bei beiden Angeklagten nichts, mildernd waren bei B*** sein bisher ordentlicher Lebenswandel sowie, daß die Tat mehr auf eine besonders verlockende Gelegenheit durch das vorangegangene Verhalten der Liliane P*** als auf eine vorgefaßte Absicht zurückgeht, und die eine gewisse Enthemmung bewirkende erhebliche Alkoholisierung, bei V*** seine bisherige Unbescholtenheit sowie seine Beteiligung in untergeordneter Rolle und seine Enthemmung unter Alkoholeinfluß. Die Privatbeteiligte Liliane P*** wurde schließlich mit ihren zivilrechtlichen Ansprüchen gemäß § 366 Abs. 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Gegen die Strafaussprüche richten sich die gemeinsam ausgeführten Berufungen der Angeklagten mit dem Antrag, die Freiheitsstrafen schuldangemessen herabzusetzen; die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer Berufung eine schuldadäquate Erhöhung der Freiheitsstrafen unter Ausscheidung der bedingten Strafnachsicht nach § 43 Abs. 1 StGB an und beantragt, diese gemäß § 43 a Abs. 2 oder 3 StGB nur hinsichtlich eines Teils der Strafen zu gewähren. Schließlich richtet sich die Berufung der Privatbeteiligten Liliane P*** gegen die Verweisung mit ihrem symbolisch begehrten Schmerzengeldteilbetrag von 1.000 S auf den Zivilrechtsweg und beantragt, die beiden Angeklagten zur Bezahlung dieses Betrages an sie zur ungeteilten Hand zu verurteilen. Keine der wegen Strafe ergriffenen Berufungen schlägt durch. Daß die beiden Angeklagten "von allem Anfang an an der Aufklärung des Sachverhaltes mitgewirkt haben" (S 297), kann hier wahrlich nicht gesagt werden. Es ist vielmehr dem Erstgericht durchaus beizupflichten, wenn es als besondere Widerwärtigkeit hervorhebt, daß das Tatopfer im Verlaufe des Verfahrens mit einer Vielzahl von Freunden der beiden Angeklagten konfrontiert wurde, die, als Zeugen aufgeboten, darauf bedacht waren, die Glaubwürdigkeit des Mädchens von Anfang an zu erschüttern (S 249, 250). Die übrigen, von der Berufung der Angeklagten relevierten Aspekte haben ohnehin, wie die Milderungsgründe zeigen, in erster Instanz Berücksichtigung gefunden. Als erschwerend war hingegen die Tatwiederholung (siehe die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde) anzusehen.

Aber auch der Berufung der Anklagebehörde war ein Erfolg zu versagen.

Gewiß kann eine Alkoholisierung nur insoweit mildernd wirken, als die dadurch bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit nicht durch den Vorwurf aufgewogen wird, den der Genuß von alkoholischen Getränken den Umständen nach begründete (§ 35 StGB). Mag daher dieser Milderungsgrund hier auch zu Unrecht angenommen worden sein - was aber für die Teilnehmer einer "Open-Air-Veranstaltung" nicht so ohne weiteres zutreffen mag -, so bleibt doch, daß es sich bei den Angeklagten - sieht man von der Vorstrafe des B*** wegen eines Gefährdungsdeliktes ab - um Ersttäter handelt, bei denen ohnehin die außerordentliche Strafmilderung keine Anwendung fand. Das Ausmaß der Freiheitsstrafen erscheint daher ausreichend, um den Angeklagten die Schwere ihrer Verfehlung deutlich vor Augen zu führen und angesichts eines bei Rückfall drohenden Vollzuges der Strafen deren bloße Androhung genügend, um ihr künftiges Wohlverhalten zu gewährleisten. Es war daher hier auch die gänzliche bedingte Nachsicht der Strafen vertretbar.

Die Verfahrensergebnisse haben schließlich ausgereicht, um über den von der Privatbeteiligten Liliane P*** geltendgemachten Anspruch auf "einen symbolischen Schmerzengeldbetrag" von 1.000 S verläßlich absprechen zu können (§ 366 Abs. 2 StPO). Die Verpflichtung der beiden Angeklagten zur Leistung einer Genugtuung an die Genannte für alles Ungemach (einschließlich der seelischen Schmerzen), das sie infolge der von ihnen gegen sie angewendeten Gewalt erlitten hat, folgt vorliegend auf der Basis der Schuldsprüche und der sie tragenden Feststellungen aus § 1325 ABGB. Diese Gesetzesbestimmung setzt voraus, daß das Opfer durch die Handlung des Täters "an seinem Körper verletzt" worden ist. Unter "Verletzung" im Sinn dieser Gesetzesstelle ist jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit und Unversehrtheit zu verstehen (vgl ua Koziol, Haftpflichtrecht II, 93; Wolff in Klang-Kommentar VI, 128 f; RZ 1973/113; RZ 1975/50). Daß äußerlich sichtbare Verletzungen eingetreten sind, wäre darnach gar nicht erforderlich; ist doch schon das (bloße) Verursachen von Schmerzen Körperverletzung, mag der Körper auch keine nachteiligen Veränderungen erleiden (Koziol aaO, 94; Ehrenzweig II/1, 627). Zwar ist der Beischlaf als solcher keine Körperverletzung, wohl aber die Entjungferung. Hat der Täter jedoch sein Opfer, wie hier die Angeklagten, durch Aufwendung physischer Gewalt zum Beischlaf genötigt und ihm Schmerzen zugefügt, dann hat er es - über den Beischlaf und die damit verbundene, im Geschlechtsakt selbst bestehende Beeinträchtigung hinaus - in seiner körperlichen und/oder geistigen Unversehrtheit beeinträchtigt und solcherart im Sinn des § 1325 ABGB am Körper verletzt, mag es auch keine sichtbaren Verletzungen davongetragen haben, was hier aber gar nicht zutrifft (siehe S 79). Unter diesen Voraussetzungen hat das Opfer einer Vergewaltigung daher Anspruch auf Schadenersatz nach der zitierten Gesetzesstelle, somit auch auf Schmerzengeld für körperliche oder seelische Schmerzen (Jarosch-Müller-Piegler4, 118; 12 Os 121/80, 13 Os 10/83 ua).

Vorliegend ist, gestützt auf die Schuldsprüche, davon auszugehen, daß Liliane P*** durch die durch die Angeklagten angwendete physische Gewalt, durch welche die Genannte zur Duldung des Beischlafs (und diesem gleichzuhaltenden geschlechtlichen Handlungen) genötigt (und offenbar auch defloriert: S 265) wurde, jedenfalls Schmerzen erlitten hat, somit schon dadurch am Körper verletzt wurde, weshalb ihr ein Anspruch auf Schmerzengeld (auch für erlittene seelische Schmerzen) zusteht.

Der hier begehrte symbolische (was nichts verschlägt: EvBl 1980/185) Schmerzengeldteilbetrag von 1.000 S ist sohin dem Grunde nach berechtigt und der Höhe nach jedenfalls unbedenklich, sodaß in Stattgebung der Berufung der Privatbeteiligten ihr dieser Betrag, für den die Angeklagten solidarisch haften (§ 1302 ABGB), zuzusprechen war.

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