OGH 13Os10/83

OGH13Os10/8310.3.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.März 1983 unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Jackwerth als Schriftführers in der Strafsache gegen Karl-Heinz A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Ried im Innkreis als Schöffengerichts vom 22.Oktober 1982, GZ. 7 Vr 775/82- 21, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des die Verlesung der schriftlichen Rechtsmittelausführungen des Angeklagten einschließenden Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Hauptmann, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 20.Feber 1953 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Karl-Heinz A wurde des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB.

(1) sowie der Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB. (2) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB. (3) schuldig erkannt. Darnach hat er am 23.August 1982 in Braunau am Inn die damals 15 3/4 Jahre alte Petra B (1) mit Gewalt gegen ihre Person, nämlich durch Festhalten und Versetzen von Schlägen in das Gesicht, sowie durch gefährliche Drohung, nämlich durch Ansetzen eines Messers und die Ankündigung, sie umzubringen, wenn sie seinen Wünschen nicht nachkäme, zur Durchführung des Mundverkehrs, sohin zur Unzucht, (2) durch gefährliche Drohung, nämlich durch Ansetzen eines Messers am Hals, zum außerehelichen Beischlaf und (3) durch die Erklärung, sie umzubringen, wenn sie ihn wegen der oben erwähnten Straftaten anzeige, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zur Unterlassung der Anzeigeerstattung genötigt.

Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 5

und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO.

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

In seiner Mängelrüge legt er dar, daß die Verfahrensergebnisse auch für ihn günstigere als die vom Erstgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen zugelassen hätten. Vor allem die Unfähigkeit der Zeugin Petra B zu detaillierten Angaben über Größe und Aussehen des Tatmessers sowie das Unterlassen von Hilferufen ließen grundsätzlich Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit aufkommen. Solcherart wird aber weder ein Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungsgrundsätze noch sonst eine Verletzung der formellen Begründungspflicht durch das Erstgericht aufgezeigt; die Beschwerdeausführungen erschöpfen sich vielmehr in einer Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung und bringen daher den geltendgemachten formellen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Gleiches gilt für das einleitende Vorbringen in der vom Angeklagten gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens der schweren Nötigung (3) erhobenen Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.); denn hier wird abweichend vom Urteilssachverhalt (S. 157 2. Absatz) - prozeßordnungswidrig - davon ausgegangen, daß Petra B lediglich aus Angst vor ihren Eltern, nicht aber wegen der Morddrohung des Angeklagten vorerst keine Anzeige erstatten wollte.

Dem weiteren rechtlichen Einwand, der Tatbestand der (schweren) Nötigung liege mangels hinreichender Intensität der Drohung deshalb nicht vor, weil Petra B die Anzeige erst am Tag nach dem Vorfall erstattet habe, ist zu erwidern:

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang nur, ob die Drohung, wie im § 74 Z. 5 StGB. vorausgesetzt, objektiv die Eignung besitzt, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten übels begründete Besorgnisse einzuflößen (vgl. insbesondere EvBl. 1976/44); wenn der Bedrohte, sei es in außergewöhnlichem Mut, aus Gelassenheit oder übergroßer öngstlichkeit, in seiner Einschätzung der Lage von jener Beurteilung abweicht, die ihr ein Durchschnittsmensch angedeihen ließe, ist dies nicht entscheidend (LSK. 1977/124). Es kommt vielmehr darauf an, ob der Bedrohte bei unbefangener Betrachtung der Situation den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei in der Lage und auch willens, das angedrohte übel zu verwirklichen (LSK. 1976/192; 11 Os 4/79; Leukauf-Steininger2 RN. 18 zu § 74 StGB.). Da § 105 Abs. 1 StGB. in Verbindung mit § 74 Z. 5 StGB. mithin nicht einmal voraussetzt, daß eine Drohung überhaupt eine Besorgnis erweckt, ist es umso weniger erforderlich, daß eine solche den Bedrohten tatsächlich zu dem vom Täter verlangten Verhalten veranlaßt hat. Vermag die Drohung trotz ihrer objektiven Eignung, begründete Besorgnisse einzuflößen, nicht das vom Täter bezweckte Verhalten des Opfers zu bewirken, dann ist die Nötigung (als echtes Erfolgsdelikt) allerdings nicht vollendet, sondern bloß versucht. Zur Vollendung genügt es jedoch, daß der Genötigte zumindest begonnen hat, sich in der vom Täter gewünschten Weise zu verhalten (SSt. 46/79; EvBl. 1976/161); daß der Genötigte dieses Verhalten längere Zeit hindurch fortsetzt, ist hiezu nicht erforderlich.

An der objektiven Eignung der unter Punkt 3 des Urteilssatzes inkriminierten Morddrohung, einem Opfer, welches unmittelbar zuvor schweren, unter Einsatz eines Messers verübten Gewaltakten desselben Täters ausgesetzt war, begründete Besorgnisse einzuflößen, kann aber bei Anlegung eines Durchschnittsmaßstabes nicht gezweifelt werden. Da diese Drohung das Opfer immerhin annähernd für die Dauer eines Tages veranlaßt hat, von einer Anzeigeerstattung Abstand zu nehmen, wurde sie vom Erstgericht zu Recht als vollendete (nicht bloß versuchte) schwere Nötigung beurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin - wie die Generalprokuratur zutreffend ausführte - zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28 Abs. 1, 202 Abs. 1 StGB. eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Weiters verurteilte es ihn gemäß § 369

(Abs. 1) StPO. zur Bezahlung eines Schmerzengeldbetrages von 10.000 S an die Privatbeteiligte Petra B. Bei der Strafbemessung waren erschwerend die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorverurteilungen, der rasche Rückfall nach einer bedingten Entlassung und die besonders grausame Vorgangsweise gegenüber einem jungen Mädchen. Milderungsgründen wurden nicht angeführt.

Mit seiner Berufung erstrebt der Angeklagte einerseits eine Reduzierung des Strafmaßes und bekämpft anderseits den Zuspruch an die Privatbeteiligte.

Der Berufung bleibt zur Gänze ein Erfolg versagt.

In seiner Berufung gegen die Strafhöhe geht der Angeklagte nicht vom Schuldspruch aus, wenn er ausführt, daß 'der Tatbestand des Verbrechens der schweren Nötigung ...

nicht als erfüllt angesehen werden kann' und ferner vorbringt, 'daß das Mädchen einer sexuellen Beziehung (zu ihm) nicht abgeneigt war' (S. 172). Die Nötigung eines - wie dem Angeklagten bekannt war:

siehe S. 18 - noch jungfräulichen Mädchens in (angesichts von Tatort und Tatzeit) auffallender Rücksichtslosigkeit zu Unzucht und Beischlaf durch den vielfach, darunter einschlägig wegen eines ganz ähnlichen Vorfalls (Landesgericht für Strafsachen Wien, AZ. 5 e Vr 6393/78) schwer vorbestraften Angeklagten (S. 7) verlangt - ganz abgesehen von der nachfolgenden Nötigung zur Unterlassung einer Anzeigeerstattung darüber - eine strenge Bestrafung. Wenn das Schöffengericht unter solchen Umständen nur mit der gesetzlichen Höchststrafe das Auslangen zu finden glaubte (S. 161), findet dies durchaus die Billigung des Obersten Gerichtshofs.

Aber auch soweit sich der Angeklagte gegen den antragsgemäßen (s. S. 147) Zuspruch eines Schmerzengeldbetrages von 10.000 S an die Privatbeteiligte Petra B wendet, versagt die Berufung. Das Erstgericht hielt diesen Betrag dem Grunde und der Höhe nach für die Schmerzen, die das Tatopfer auf Grund seiner Entjungferung sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht erlitten hat, für gerechtfertigt (S. 161).

Die Verfahrensergebnisse haben nämlich ausgereicht, um über den von der Privatbeteiligten Petra B geltendgemachten Anspruch auf Schmerzengeld in der begehrten Höhe verläßlich absprechen zu können (§ 366 Abs. 2 StPO.).

Die Verpflichtung des Berufungswerbers zur Leistung einer Genugtuung an die Genannte für alles Ungemach (einschließlich der seelischen Schmerzen), das sie infolge der von ihm gegen sie angewendeten Gewalt erlitten hat, folgt vorliegend auf der Basis des Schuldspruches und der ihn tragenden Feststellungen aus § 1325 ABGB. Diese Gesetzesbestimmung setzt voraus, daß das Opfer durch die Handlung des Täters 'an seinem Körper verletzt' worden ist. Unter 'Verletzung' im Sinn dieser Gesetzesstelle ist jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit und Unversehrtheit zu verstehen (vgl. u.a. Koziol, Haftpflichtrecht II, 93; Wolff in Klang-Kommentar VI, 128 f.; RZ. 1973/

113; RZ. 1975/50). Daß äußerlich sichtbare Verletzungen eingetreten sind, ist nicht erforderlich; schon das (bloße) Verursachen von Schmerzen ist Körperverletzung, mag der Körper auch keine nachteiligen Veränderungen erleiden (Koziol a.a.O., 94; Ehrenzweig II/1, 627). Zwar ist der Beischlaf als solcher keine Körperverletzung, wohl aber die Entjungferung. Hat der Täter jedoch sein Opfer durch Anwendung physischer Gewalt zum Beischlaf genötigt und ihm Schmerzen zugefügt, dann hat er es - über den Beischlaf und die damit verbundene, im Geschlechtsakt selbst bestehende Beeinträchtigung hinaus - in seiner körperlichen und/oder geistigen Unversehrtheit beeinträchtigt und solcherart im Sinn des § 1325 ABGB. am Körper verletzt, mag es auch keine sichtbaren Verletzungen davongetragen haben.

Unter diesen Voraussetzungen hat das Opfer einer Nötigung zum Beischlaf und zur Unzucht daher Anspruch auf Schadenersatz nach der zitierten Gesetzesstelle, somit auch auf Schmerzengeld für körperliche oder seelische Schmerzen (Jarosch-Müller-Piegler4, 118; 12 Os 121/80 u.a.).

Vorliegend ist das Erstgericht, gestützt auch auf einen gynäkologischen Untersuchungsbefund (S. 89), ersichtlich davon ausgegangen, daß Petra B durch die seitens des Berufungswerbers angewendete physische Gewalt (Versetzen von Schlägen ins Gesicht, Faustschläge ins Genick), durch welche die Genannte zur Duldung der Unzucht und des Beischlafs genötigt und defloriert wurde, jedenfalls Schmerzen erlitten hat, somit am Körper verletzt wurde, weshalb ihr ein Anspruch auf Schmerzengeld (auch für erlittene seelische Schmerzen) zusteht und der Zuspruch demnach dem Grunde nach rechtlich unbedenklich ist.

Wenn das Erstgericht unter Berücksichtigung aller Umstände dieses konkreten Falls (... die grausame Vorgangsweise gegenüber einem jungen Mädchen ...), die Höhe des Schmerzengelds in dem begehrten Ausmaß für angemessen gehalten und mit 10.000 S festgesetzt hat, so ist dies gewiß kein überhöhtes öquivalent für die physischen und psychischen Schmerzen eines brutal mißhandelten Opfers. Es war sohin über die Rechtsmittel des Angeklagten spruchgemäß zu erkennen.

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