Spruch:
Es wird festgestellt:
1.) Die Bestimmungen des § 7 lit. b und lit. f des Kollektivvertrages für die Arbeiter im österreichischen Hotel-, Gast- und Schankgewerbe vom 15. Juli 1982 sind insoweit unwirksam, als für Garantielöhner der Überstundenzuschlag den Umsatzprozenten zu entnehmen ist. Die kollektivvertragsunterworfenen Arbeitnehmer haben gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf Zahlung des Überstundenzuschlages ohne Anrechnung auf die Umsatzprozente.
2.) Der den Arbeitnehmern gegenüber den Arbeitgebern zustehende Normallohn besteht aus dem Garantielohn für die Normalarbeitszeit und einem allfällig verbleibenden Überschuß aus den Umsatzprozenten, der nach der Stundenanzahl unter Berücksichtigung des für die betroffenen Arbeitnehmer jeweils geltenden kollektivvertraglichen Mindestlohnes für die Normalarbeitsstunde ohne Berücksichtigung von Überstundenzuschlägen zu berechnen ist.
Text
Begründung
Der Kollektivvertrag vom 15. Juli 1982, abgeschlossen zwischen dem Fachverband der Gast- und Schankbetriebe sowie dem Fachverband der Beherbergungsbetriebe und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, persönlicher Dienst, der für alle in den den oben genannten Fachverbänden angehörenden Betrieben beschäftigten Arbeiter, Arbeiterinnen und Lehrlinge gilt, bestimmt unter anderem folgendes:
"........
7.) Lohnordnung
a) Die von den vertragsabschließenden Parteien jeweils
vereinbarten Lohnabkommen bilden einen Bestandteil dieses
Kollektivvertrages. Änderungen des jeweils gültigen Lohnabkommens
können jederzeit vereinbart werden, ohne daß dadurch die Gültigkeit
dieses Kollektivvertrages berührt wird.
b) Die Garantielöhne (samt einer allfälligen Erhöhung gemäß
lit. f) werden durch Berechnung eines Prozentanteiles, bezogen auf
den Konsum der Gäste, aufgebracht. Zum Konsum zählen nicht: ........
Die Aufteilung der Umsatzprozente kann erfolgen:
1.) über ein gemeinsames Umsatzprozentkonto (Tronc),
2.) über getrennte Umsatzprozentkonten für einzelne
Betriebsabteilungen (Abteilungstronc),
3.) nach dem Reviersystem.
Allfällige Fehlbeträge auf den Garantielohn sind vom Arbeitgeber
zu ergänzen. Überschüsse verbleiben den Garantielöhnern. Sie sind
nach dem Verhältnis der Garantielöhne aufzuteilen, soweit in der
zuständigen Lohnordnung nicht etwa ein Punktesystem festgelegt wird.
.......
f) Die Überstundenarbeit wird mit dem Normalstundenlohn und
einem Überstundenzuschlag entlohnt. Der Normalstundenlohn beträgt
1/173 des Bruttonormalmonatslohnes.
Der Überstundenzuschlag beträgt 50 % des Normalstundenlohnes.
Bei Überstundenarbeit der Garantielöhner tritt eine Erhöhung des
Garantielohnes um den Überstundenlohn ein, wobei diese Erhöhung den
Umsatzprozenten zu entnehmen ist.
.........
7a) Nachtarbeitszuschlag
....... Der Nachtarbeitszuschlag beträgt ....... und darf nicht
den Umsatzprozenten entnommen werden ........
12.) Arbeit an Feiertagen
....... Der Feiertagszuschlag bzw. das Entgelt für den
Ersatzruhetag dürfen nicht den Umsatzprozenten entnommen werden.
........"
Der Antragsteller begehrt folgende Feststellungen:
1.) Die Bestimmungen des Kollektivvertrages für die Arbeiter im österreichischen Hotel, Gastgewerbe, persönlicher Dienst vom 15.7.1982 (§ 7 lit. b) sind insoweit unwirksam, als für Garantielöhne der Überstundenzuschlag nicht den Umsatzprozenten zu entnehmen ist, und den kollektivvertragsunterworfenen Arbeitnehmern ohne Anrechnung auf die Umsatzprozente gegenüber dem Arbeitgeber die Bezahlung des Überstundenzuschlages zusteht;
2.) Den Arbeitnehmern steht jener Normallohn gegenüber dem Arbeitgeber zu, der sich aus dem Garantielohn und einem allfälligen verbleibenden Überschuß aus den Umsatzprozenten gemäß der Stundenanzahl errechnet, wobei Überstundenzuschläge (§ 7 lit. f) nicht hineingerechnet werden.
Der Antragsteller brachte zur Begründung seines Antrages vor, daß die kollektivvertraglichen Bestimmungen, nach denen die durch Überstundenarbeit eintretende Erhöhung des Entgelts den Umsatzprozenten zu entnehmen sei, gegen die zwingende Regelung des § 10 AZG verstießen. Da für den während der Überstunden erzielten Umsatz die Höhe des für die Lohnzahlung an die Garantielöhner bestimmten Prozentsatzes gegenüber der Normalarbeitszeit unverändert bleibe, erfolge die Abgeltung der Überstunden im Ergebnis in gleicher Höhe wie die der Normalstunden. Darüber hinaus führe die Entnahme des Überstundenzuschlages aus dem Tronc zu einem Absinken des Normalstundenlohens für sämtliche Arbeitnehmer. Damit finanzierten die anderen am Tronc beteiligten Arbeitnehmer gemeinsam die Übestundenentlohnung einzelner Arbeitnehmer mit, zumal nicht unterschieden werde, in welchen Zeiträumen - Normalarbeitszeit oder Überstundenzeit - dem Tronc Umsatzprozente zufließen. Aber auch für einen im Reviersystem tätigen Arbeitnehmer ergebe sich die Konsequenz, daß er bei Überstundenleistung eine Schmälerung des Entgelts für die während der Normalarbeitszeit geleistete Arbeit in Kauf nehmen müsse, und zwar insbesondere dann, wenn der Umsatz während der Überstundenleistung gleich hoch oder niedriger sei als jener in der Normalarbeitszeit. Gemäß § 10 AZG stehe dem Arbeitnehmer neben dem Grundstundenlohn auch ein Überstundenzuschlag zu, welcher sich aus dem regelmäßig für die Normalarbeitszeit bezahlten Entgelt errechne, nicht aber auf dieses und damit auch auf den Zuschlag selbst vermindernd wirken solle. Überdies sei auf den aus sozialpolitischer Sicht erkennbaren Zweck des Überstundenzuschlages Bedacht zu nehmen, über die Normalarbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistungen höher zu entlohnen und auf Grund der Verteuerung dieser Arbeitsleistung durch den Überstundenzuschlag den Anreiz für den Arbeitgeber, Überstundenarbeit zu verlangen, herabzumindern. Gehe man davon aus, daß für die Überstundenarbeit etwa gleich hohe Umsatzprozente anfielen wie für die Arbeit in der Normalarbeitszeit, dann werde der Überstundenzuschlag letztlich aus einer Verminderung des Normallohnes finanziert. Schließlich sei es unsachlich und willkürlich, wenn Arbeitnehmer, die keine Überstunden leisteten, einen geringeren Normalstundenlohn erhalten, weil Arbeitskollegen zu Überstundenleistungen herangezogen werden. Im Falle eines getrennten Abrechnungsystems für einzelne Betriebsabteilungen (Abteilungstronc) habe es der Arbeitgeber in der Hand, durch die Anordnung von Überstunden in einer bestimmten Betriebsabteilung sämtliche Arbeitnehmer dieser Abteilung gegenüber anderen Arbeitnehmern bei gleicher Arbeitsleistung lohnmäßig schlechterzustellen.
Die Antragsgegner beantragten die Abweisung des Feststellungsantrages. Nach der Lohnordnung des gegenständlichen Kollektivvertrages habe der einzelne Arbeitnehmer lediglich Anspruch auf Erhalt des kollektivvertraglichen Mindestlohnes (Garantielohnes). Allfällige Fehlbeträge auf den Garantielohn samt Überstundenzuschlägen habe der Arbeitgeber auch beim Tronc-System zu ergänzen. Ergebe sich hingegen ein Überschuß, führe dessen Verteilung regelmäßig dazu, daß der Arbeitnehmer eine den Garantielohn übersteigende Entlohnung erhalte. Der Lohn setze sich in diesem Fall aus einem garantierten Fixum und einem variablen Überschußanteil zusammen. Soweit § 7 KV bestimme, daß allfällige Überstundenzuschläge aus diesen Überschüssen zu finanzieren seien, handle es sich um eine Anrechnungsbestimmung, wonach sich der einzelne Arbeitnehmer den Bezug von Entgeltteilen, die den kollektivvertraglichen Mindestlohn übersteigen, auf die Abgeltung seiner Mehrarbeitsleistungen anrechnen lassen müsse. Bei dieser Bestimmung handle es sich um eine einem Überstundenpauschale vergleichbare Regelung. Eine derartige Regelung, wonach der den kollektivvertraglich garantierten Mindestlohn übersteigende Lohnanteil auf ein allfälliges Überstundenentgelt anzurechnen sei, sei zulässig. Die vom Antragsteller gerügte Diskriminierung sei nicht Folge der bekämpften Überstundenzuschlagsregelung, sondern wohne dem gesamten Tronc-System inne. Die Frage, ob überhaupt ein Überschuß entstehe, hänge auch von Faktoren ab, die vom Arbeitnehmer nicht beeinflußbar seien. Der Arbeitgeber könnte durch Herabsetzung der Preise für Speisen und Getränke den Gesamtumsatz reduzieren. Der aus einem Abteilungstronc entlohnte Arbeitnehmer habe auch keine rechtliche Handhabe gegen die Übernahme eines weiteren Arbeitnehmers, obwohl dies im Ergebnis zu einer Reduktion seines prozentuellen Anteiles am Tronc führe.
Rechtliche Beurteilung
Der Feststellungsantrag ist berechtigt.
In den der Berechnung der Überstundenvergütung gemäß § 10 Abs 2
AZG zugrunde zu legenden Normallohn sind alle Entgeltbestandteile
(einschließlich Zulagen, Zuschlägen und Prämien etc) einzubeziehen,
die einem Arbeitnehmer für die während der Normalarbeitszeit
erbrachte (und während der Überstunden fortgesetzte) Arbeitsleistung
gebühren. Lediglich Aufwandsentschädigungen, Sonderzahlungen, nicht
an die Arbeitsleistung anknüpfende außerordentliche
Entgeltbestandteile (wie Kinder- und Familienzulagen) und
Entgeltbestandteile, die ausschließlich für die Erbringung einer
ganz bestimmten, vom Arbeitnehmer während der Überstundenarbeit
nicht verrichteten Arbeitsleistung gebühren, scheiden aus dem
Normallohn und damit aus der Berechnung des Überstundenentgeltes aus
(siehe Arb. 10.357 = ZAS 1985, 179, mit zustimmender Besprechung von
Kohlmaier; RdW 1988, 297; zuletzt 9 Ob A 515/89 sowie 9 Ob A 60/90).
In den Entscheidungen Arb. 10.451 = EvBl. 1986/14 und RdW 1988, 297
(ebenso in 9 Ob A 515/89 und 9 Ob A 60/90) hat der Oberste
Gerichtshof - den Auffassungen Grillbergers, AZG, 81 und Cernys,
AZR2, 101 f folgend - ausgesprochen, daß seit der Novellierung des
AZG durch BGBl. 238/1971 gemäß § 10 Abs 2 Satz 3 AZG mit einem
Kollektivvertrag nur noch eine vom Gesetz abweichende Berechnungsart
der Überstunden vereinbart, nicht aber der Vergütungsanspruch als
solcher ausgeschlossen oder - etwa im Wege einer abweichenden
Regelung der Bemessungsgrundlage oder einer Herabsetzung des
Zuschlages unter das gesetzliche Ausmaß - eingeschränkt werden
dürfe. Eine Überzahlung gegenüber dem kollektivvertraglichen
Mindestlohn ist ein Teil des Normallohnes im Sinne des § 10 Abs 2
AZG und als solcher bei der Ermittlung des Überstundenzuschlages zu
berücksichtigen. Mit dem Begriff "Normallohn" stellt der Gesetzgeber
auf das für die während der Normalarbeitszeit im Sinne der §§ 3 ff
AZG erbrachte Arbeitsleistung gebührende Entgelt ab (vgl.
Grillberger aaO, 80), um auf dieser Basis die höhere Entlohnung für
Überstunden zu regeln. Es ist daher von jenem Lohn auszugehen, der
für die Arbeitsleistung gebührt hätte, wenn sie ausschließlich in
der Normalarbeitszeit (ohne Leistung von Überstunden) erbracht
worden wäre. Eine Absenkung des Normallohnes bei Leistung von
Überstunden, indem zur Finanzierung des Überstundenzuschlages auch
das während der Normalarbeitszeit verdiente - und ohne Leistung von
Überstunden - als Normallohn zustehende Entgelt herangezogen wird,
widerspricht der aus § 10 Abs 2 AZG zu erschließenden Absicht des
Gesetzgebers, bei Ermittlung des Überstundenzuschlages
ausschließlich auf das für die Arbeitsleistung in der
Normalarbeitszeit gebührende Entgelt abzustellen. Der mit der
zwingenden Festlegung des Überstundenzuschlages verfolgte
Gesetzeszweck, die durch die längere Arbeitszeit regelmäßig bewirkte Mehrbelastung des Arbeitnehmers durch eine gegenüber dem Normallohn erhöhte Entlohnung abzugelten und andererseits durch Erhöhung der Kosten der Arbeit den Arbeitgeber anzuhalten, Überstunden nur in begründeten Fällen anzuordnen (vgl. EB zur RV 136 BlgNR 12. GP sowie Grillberger, aaO 77; Cerny aaO 91) würde durch eine Regelung, bei der - für den Fall, daß die während der Normalarbeitszeit erzielten Umsatzprozente den Garantielohn übersteigen - die Anordnung von Überstunden zu keiner finanziellen Mehrbelastung des Arbeitgebers führt, vereitelt.
Das Gutachten des Obereinigungsamtes vom 3. Feber bzw. 27. Oktober 1955, SozM I C, 168, in dem ausgesprochen wurde, daß die Entnahme des Überstundenzuschlages aus den die Garantielöhne übersteigenden Umsatzprozenten zulässig sei, erging vor der AZG-Novelle BGBl. 238/1971, mit der der Vorbehalt einer anderen Regelung der Überstundenvergütung durch Kollektivvertrag beseitigt und der gesetzliche Anspruch zu einer unabdingbaren Mindestnorm umgestaltet wurde. Binder hat in seiner Abhandlung "Die gastgewerbliche Entlohnung aus der Sicht des Arbeitsrechtes" DRdA 1969, 113 ff (117) darauf hingewiesen, daß die Finanzierung der Überstundenzuschläge aus den Umsatzprozenten dem Zweck des Überstundenzuschlages widerspricht, hat aber die Abdeckung dieses Zuschlages aus Eigenmitteln des Arbeitgebers im Hinblick auf die damalige Rechtslage - vor der AZG-Novelle 1971 - nur aus rechtspolitischen Erwägungen gefordert. Es sei nicht einzusehen, daß laut Kollektivvertrag der Überstundenzuschlag anders als der gleichartige Feiertagszuschlag aus der Prozentkasse entnommen werden dürfe.
Da mit der AZG-Novelle 1971 - wie oben ausgeführt - die Gestaltungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien bezüglich des Überstundenzuschlages weitgehend eingeschränkt wurde, sind die die Rechtsstellung der Arbeitnehmer verschlechternden, die Entnahme des Überstundenzuschlages aus den Umsatzprozenten anordnenden Bestimmungen des Kollektivvertrages nichtig (siehe Strasser in Floretta-Strasser ArbVG, HK, 39).
Dem Argument der Antragsgegner, der das kollektivvertragliche Mindestentgelt (Garantielohn) übersteigende Entgeltteil sei ähnlich dem Überstundenpauschale als pauschale Abgeltung der Mehrarbeitsleistung anzusehen, ist zu erwidern, daß es hier schon an der im Hinblick auf § 10 AZG zu fordernden, von vorneherein feststehenden klaren Abgrenzung zwischen den für die Abgeltung der in der Normalarbeitszeit erbrachten Arbeitsleistung und den für die Vergütung der Überstunden bestimmten Entgeltteilen fehlt (vgl. DRdA 1990/5 Äzustimmend MoslerÜ). Dies hat zur Folge, daß entgegen dem Zweck des § 10 AZG eine erhöhte Überstundenleistung zur Verminderung des Entgeltes für die Arbeitsleistung in der Normalarbeitszeit führen kann, sodaß der Überstundenzuschlag letztlich zu Lasten der Entlohnung der in der Normalarbeitszeit erbrachten Arbeitsleistung zu entrichten ist. Da die kollektivvertragliche Regelung der Überstundenentlohnung gegen die zwingende Bestimmung des § 10 Abs 2 AZG verstößt, erübrigt sich eine Erörterung, ob der Kollektivvertrag in diesen Punkten auch noch den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt.
Dem Antrag war daher stattzugeben, wobei ihm ohne Verstoß gegen § 405 ZPO eine klarere Fassung zu geben war.
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