OGH 9ObA515/89

OGH9ObA515/8925.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Geichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Veschy und Walter Bacher als weitere Richter in der Rechtssache der antragstellenden Partei Ö*** G*** FÜR D*** G*** DER P***,

Wien 1., Deutschmeisterplatz 2, wider den Antragsgegner F*** DER S*** IN DER B*** DER G*** W***,

Wien 4., Wiedner Hauptstraße 63, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Feststellungsantrag in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Es wird festgestellt, daß Dienstnehmer, denen die Dienstalterszulage gemäß § 16 Abschnitt D Abs 2 des Kollektivvertrages für die Speditionsangestellten Österreichs gebührt, Anspruch auf Einbeziehung dieser Zulage in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Überstundenentgeltes haben.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer im Sinne des § 4 Abs 2 ArbVG. Die Kollektivvertragsfähgikeit wurde ihm vom Obereinigungsamt im Jahre 1957 zuerkannt; diese Zuerkennung gilt gemäß § 165 ArbVG auch nach dem Inkrafttreten des ArbVG weiter. Der Antragsgegner ist eine zur gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitgeber berufene Körperschaft im Sinne des § 4 Abs 1 ArbVG. Der Antragsgegner war am Abschluß des gegenständlichen Kollektivvertrages beteiligt. Beide Parteien sind daher im Sinne des § 54 Abs 2 erster Satz ASGG als Parteien des gegenständlichen besonderen Feststellungsverfahrens legitimiert.

Der Kollektivvertrag für die Speditionsangestellten Österreichs

enthält unter anderem folgende Regelungen:

"........

§ 7 Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit

.........

2. Die Überstundentlohnung besteht aus dem Grundstundenlohn und

einem Zuschlag. Der Grundstundenlohn beträgt 1/160tel des

Brutto-Monatsgehaltes. ........

§ 16 Gehaltsregelung

A. Allgemeine Bestimmungen

1. Den Angestellten ist ein monatliches Bruttogehalt nach den in

der Gehaltsstaffel nach Beschäftigungsgruppen und Berufsjahren

gestaffelten Gehaltssätzen zu bezahlen.

.........

3. Die Gehaltserhöhung durch Eintritt in eine höhere

Berufsaltersstufe tritt mit dem ersten Tage desjenigen Monats in

Kraft, in den der Beginn des neuen Berufsjahres fällt.

.........

6. a) Als Berufsjahre für die Einstufung in die Gehaltstafel gelten die Jahre der praktischen Tätigkeit als Angestellter.

b) Bei der Übernahme von Arbeiter- in das Angestelltenverhältnis werden die beim selben Betrieb zurückgelegten Dienstzeiten als Berufsjahre für die Einstufung in die Gehaltstafel angerechnet.

c) Die Zeit des ersten beim selben Betrieb in Anspruch genommenen Karenzurlaubes gemäß § 15 MSchG wird als Dienstzeit für die Einstufung in die Gehaltstafel angerechnet. Diese Bestimmung gilt für die ab 1.April 1985 beginnenden Karenzurlaube.

d) Die Zeiten der Wehrdienstleistung einschließlich Kriegsgefangenschaft, Notdienstverpflichtung und Arbeitsdienst werden nur dann als Berufsjahre gewertet, wenn zur Zeit der Einberufung ein Angestelltenverhältnis bestanden hat. .....

e) Die im öffentlichen Dienst zurückgelegten Vordienstzeiten werden als Berufsjahre angerechnet, sofern die Tätigkeit im Speditionsbetrieb inhaltlich der Tätigkeit im öffentlichen Dienst ähnlich ist oder ihr gleich kommt und die im öffentlichen Dienst erworbenen Kenntnisse Verwendung finden.

.........

D. Überzahlungen

.........

2. Nach einem ununterbrochenen Dienstverhältnis von 17 Jahren gebührt den Angestellten eine 14 mal jährlich auszuzahlende Zulage im Ausmaß von 2,5 % der jeweils gültigen Kollektivvertragsgehälter, sofern die bestehenden Überzahlungen der kollektivvertraglichen Mindestgehälter in der Beschäftigungsgruppe 1 nicht mehr als 50 %, in der Beschäftigungsgruppe 2 nicht mehr als 45 %, in den Beschäftigungsgruppen 3 und 4 nicht mehr als 35 % und in den Beschäftigungsgruppen 5 und 6 nicht mehr als 30 % betragen; nach einem ununterbrochenen Dienstverhältnis von 20 Jahren erhöht sich diese Zulage unter Berücksichtigung der gleichen Überzahlungskriterien auf 5,5 % der jeweils gültigen Kollektivvertragsgehälter.

§ 16 Abschnitt A Abs 3 ist sinngemäß anzuwenden. Die Anrechnungsbestimmungen des § 16 Abschnitt A Abs 6 lit b und c gelten auch für diese Zulage. ......."

Der Antragsteller führt zur Begründung seines aus dem Spruch ersichtlichen Feststellungsantrages aus, daß zwischen ihm und Mitgliedsunternehmen des Antragsgegners die - mehr als drei Arbeitgeber und drei Arbeitnehmer betreffende - Frage strittig sei, ob die den Speditionsangestellten gemäß § 16 Abschnitt D Abs 2 des Kollektivvertrages bei Unterschreiten der dort genannten Überzahlungskriterien nach einem ununterbrochenen Dienstverhältnis von 17 Jahren bzw 20 Jahren gebührende Zulage von 2,5 % bzw 5,5 % der jeweils gültigen Kollektivvertragsgehälter in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Überstundenentgeltes einzubeziehen ist. Bei Berechnung des Überstundenentgeltes werde die Dienstalterszulage nur von einem Teil der Betriebe berücksichtigt. Der Antragsteller vertritt die Rechtsansicht, daß diese Zulage Teil des Grundlohnes für die Normalarbeitsstunde und damit gemäß § 10 Abs 2 AZG in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Überstundenentgeltes einzubeziehen sei. Der Begriff des Normallohnes im Sinne dieser Gesetzesbestimmung sei weit auszulegen und umfasse das gesamte für die Arbeitsstunde gebührende Entgelt einschließlich Zulagen und Zuschläge. Gemäß § 7 Kollektivvertrag betrage der als Bemessungsgrundlage für das überstundenentgelt heranzuziehende Grundstundenlohn 1/160tel des Bruttomonatsgehalts. Auch mit dem aus dem Angestelltengesetz entnommenen Verdienstbegriff "Gehalt" sei das gesamte Entgelt des Angestellten gemeint.

Der Antragsgegner beantragt die Abweisung des Feststellungsantrages. Mit Wirksamkeit ab 1.März 1974 sei vom Antragsgegner erstmals eine Dienstalterszulage nach einem ununterbrochenen Dienstverhältnis von 20 Jahren zugestanden worden, sofern die bestehenden Überzahlungen einen bestimmten Prozentsatz nicht überschreiten. Mit der Bezeichnung als Zulage sei zum Ausdruck gebracht worden, daß sie in allen übrigen Fällen bei Ermittlung der Berechnungsgrundlage außer Betracht zu bleiben habe. Dies ergebe sich auch aus § 16 Abschnitt D Abs 2 Kollektivvertrag, wo vorgeschrieben werde, daß die Anrechnungsbestimmungen des § 16 Abschnitt A Abs 6 lit b und c des Kollektivvertrages auch für diese Zulage gelten. Dieser Bestimmung hätte es nicht bedurft, wenn die Dienstalterszulage als Gehaltsbestandteil zu werten wäre.

Rechtliche Beurteilung

Der Feststellungsantrag ist berechtigt.

In den der Berechnung der Überstundenvergütung gemäß § 10 Abs 2

AZG zugrunde zu legenden Normallohn sind alle Entgeltbestandteile

(einschließlich Zulagen, Zuschläge und Prämien etc) einzubeziehen,

die einem Arbeitnehmer für die während der normalen Arbeitszeit

erbrachte (und während der Überstunden fortgesetzte) Arbeitsleistung

gebühren. Lediglich Aufwandsentschädigungen, Sonderzahlungen, nicht

an die Arbeitsleistung anknüpfende außerordentliche

Entgeltbestandteile (wie Kinder- und Familienzulagen) und

Entgeltbestandteile, die ausschließlich für die Erbringung einer

ganz bestimmten, vom Arbeitnehmer während der Überstundenarbeit

nicht verrichtete Arbeitsleistung gebühren, scheiden aus dem

Normallohn und damit aus der Berechnung des Überstundenentgeltes aus

(siehe Arb 10.357 = ZAS 1985, 179, mit zustimmender Besprechung von

Kohlmaier; RdW 1988, 297). In der Entscheidung Arb 10.451 = EvBl

1986/14 hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß seit der

Novellierung des AZG durch BGBl 238/1971 gemäß § 10 Abs 2 Satz 3 AZG

mit einem Kollektivvertrag nur noch eine vom Gesetz abweichende

Berechnungsart der Überstunden vereinbart, nicht aber der

Vergütungsanspruch als solcher ausgeschlossen oder - etwa im Wege

einer abweichenden Regelung der Bemessungsgrundlage oder einer

Herabsetzung des Zuschlages unter das gesetzliche

Ausmaß - eingeschränkt werden darf. Da die Dienstalterszulage gemäß

§ 16 Abschnitt D Abs 2 Kollektivvertrag sämtlichen die dort

genannten Voraussetzungen erfüllenden Angestellten für die in der

Normalarbeitszeit erbrachte Arbeitsleistung in regelmäßigen

Zeitabschnitten zusammen mit den übrigen Entgeltbestandteilen

gebührt, bildet sie einen Teil des Normallohnes im Sinn des § 10

Abs 2 AZG und damit einen der Disposition der

Kollektivvertragsparteien nicht zugänglichen Teil der

Bemessungsgrundlage für die Überstundenvergütung.

Im übrigen ist entgegen der Ansicht des Antragsgegners auch der

die Überstundenentlohnung regelnden Bestimmung des § 7 Abs 2

Kollektivvertrag nicht zu entnehmen, daß die Dienstalterszulage

nicht einen Teil des für die Bemessungsgrundlage (Grundstundenlohn)

maßgeblichen Bruttomonatsgehaltes bildet. § 16 des

Kollektivvertrages, in dem sich auch die Regelung über die

Dienstalterszulage findet, trägt die Überschrift "Gehaltsregelung",

sodaß auch nach der im Kollektivvertrag gebrauchten Terminologie die

Dienstalterszulage als Gehaltsbestandteil anzusehen ist. Daraus, daß

im § 16 Abschnitt D Abs 2 letzter Satz Kollektivvertrag ausdrücklich

die Geltung der Anrechnungsbestimmungen des § 16 Abschnitt A Abs 6

lit b und c auch für die Dienstalterszulage übernommen wird, läßt

sich keineswegs folgern, die Dienstalterszulage sei anders als das

in den Gehaltstafeln nach Beschäftigungsgruppen und Berufsjahren

gestaffelte Bruttomonatsgehalt nicht Gehaltsbestandteil; die

zitierte, lit a, d und e der bezogenen Bestimmung ausnehmende

Verweisung stellt - zusätzlich zu dem in § 16 Abschnitt D

gebrauchten Begriff "nach einem ununterbrochenen Dienstverhältnis

von 17 Jahren....." - nur klar, daß für die Dienstalterszulage

anders als für die Einstufung nach den Gehaltstafeln nicht sämtliche

Berufsjahre, sondern lediglich die beim selben Betrieb

zurückgelegten Dienstzeiten maßgebend sind.

Dem Feststellungsantrag war daher stattzugeben.

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