OGH 2Ob529/90

OGH2Ob529/9011.7.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Irmgard B***, Hausfrau, Via Serpentora 68, Rom, Italien, vertreten durch Dr. Gerold Hirn und Dr. Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagte Partei Erich B***, Mechaniker, Im Haag 22, 6840 Götzis, vertreten durch Dr. Wolfgang Ölz, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Feststellung eines Dienstbarkeitsrechtes (S 30.000), infolge Revision der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 3. November 1989, GZ 1 a R 436/89-40, womit infolge Berufung der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 24. Juni 1988, GZ 4 C 712/88z-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird der Revision der klagenden Partei Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird in dem Umfang, in dem dem Klagebegehren nicht stattgegeben wurde (Feststellung der Einschränkung des Fahrrechtes der klagenden Partei durch Aufschüttung und Asphaltierung im südlichen Teil des Grundstückes 2877/2), aufgehoben. In diesem Umfang wird dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstückes 2877/1, der Beklagte Eigentümer des daran angrenzenden Grundstückes 2877/2 der KG Götzis.

Im vorliegenden Rechtsstreit (die Klage wurde am 7. August 1986 eingebracht) begehrte die Klägerin, dem Beklagten gegenüber festzustellen, daß das Grundstück 2877/2 als dienendes Gut zu Gunsten des Grundstückes 2877/1 als herrschendes Gut mit der Grunddienstbarkeit des unbeschränkten und unentgeltlichen Geh- und Fahrrechtes im Ausmaß eines 3 m breiten Streifens entlang der gesamten westlichen Grenze des Grundstückes 2877/2 zum Grundstück 2947/4 belastet sei. Sie stützte dieses Begehren im wesentlichen darauf, daß anläßlich eines Grundstückstausches von der Voreigentümerin des Grundstückes 2877/2 entlang dessen westlicher Grenze auf einem 3 m breiten Grundstreifen zu Gunsten des Grundstückes 2877/1 die Dienstbarkeit des unbeschränkten und unentgeltlichen Geh- und Fahrrechtes eingeräumt worden sei. Der Beklagte habe beim Erwerb des belasteten Grundstückes Kenntnis von dieser Dienstbarkeit gehabt, bestreite aber nunmehr zu Unrecht deren Bestand.

Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, ihm sei beim Erwerb des Grundstückes 2877/2 von der Dienstbarkeit nichts bekannt gewesen. Sie sei auch nicht rechtswirksam bestellt worden. Die Voreigentümerin des Grundstückes 2877/2 habe das behauptete Dienstbarkeitsrecht schon deswegen nicht einräumen können, weil sie zum Zeitpunkt der behaupteten Einräumung nicht Eigentümerin dieses Grundstückes gewesen sei. Es fehle auch an der Erwerbsart für die behauptete Dienstbarkeit. Jedenfalls sei bezüglich der von der Klägerin behaupteten Dienstbarkeit die Freiheitsersitzung eingetreten, weil der Beklagte sich der Dienstbarkeitsausübung widersetzt und die Klägerin das hingenommen habe.

Das Erstgericht wies im ersten Rechtsgang das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Infolge Revision der Beklagten hob der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 15. März 1988, 2 Ob 632/87 (ON 22), auf dessen Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen im einzelnen verwiesen werden kann, die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. In diesem Aufhebungsbeschluß wurde den Vorinstanzen im wesentlichen die Rechtsansicht überbunden, daß der Beklagte, der nach den getroffenen Feststellungen beim Erwerb des dienenden Grundstückes vom Bestehen der Grunddienstbarkeit Kenntnis hatte, an die zwischen den Rechtsvorgängern der Streitteile vereinbarte Dienstbarkeit gebunden sei. Zu prüfen bleibe nur mehr, ob die den Beklagten belastende Grunddienstbarkeit durch eine mehr als dreijährige Widersetzlichkeit seinerseits gegen ihre Ausübung mangels rechtzeitiger Geltendmachung des Rechtes durch die Klägerin gemäß § 1488 ABGB ganz oder allenfalls teilweise verjährt sei. Die Kenntnis des Berechtigten von der Errichtung eines der Ausübung der - bisher nicht ausgeübten - Servitut entgegenstehenden Hindernisses begründe bereits eine Widersetzlichkeit im Sinne des § 1488 ABGB. Es komme daher darauf an, wann die Klägerin von der Errichtung eines die Ausübung ihrer Dienstbarkeit ganz oder teilweise beeinträchtigenden Hindernisses Kenntnis erlangt habe. Eine im Sinne des § 1488 ABGB erhebliche Widersetzlichkeit könne auch zu einem teilweisen Erlöschen der Dienstbarkeit führen.

Im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Klagebegehren mit der Einschränkung statt, "daß das Fahrrecht durch eine Aufschüttung und Asphaltierung im südlichen Teil des Grundstückes 2877/2 bis zu einer Tiefe von 35 m (vom öffentlichen Gut aus betrachtet) durch einen Niveauunterschied von ca. 35 cm gegenüber den nördlich davon gelegenen 8 m des Grundstückes 2877/2 eingeschränkt ist". Eine ausdrückliche Abweisung des darüber hinausgehenden Feststellungsmehrbegehrens der Klägerin erfolgte nicht, entsprach aber, wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, eindeutig dem Entscheidungswillen des Erstgerichtes.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

In einer am 16.Jänner 1967 getroffenen Kaufabrede verpflichteten sich Mathilde K*** und die durch den Bürgermeister vertretene Marktgemeinde Götzis, vorbehaltlich der Genehmigung durch die Gemeindevertretung einen Kaufvertrag über Liegenschaften abzuschließen. Danach übergab die Marktgemeinde Götzis unter anderem eine in der zugrundegelegten Mappenkopie rot bezeichnete Teilfläche ihrer Grundstücke 2873, 2874 und 2877 an Mathilde K***, wobei die Übergabe und Übernahme mit dem Tag der Unterfertigung des Vorvertrages erfolgte. Mathilde K*** räumte dagegen auf dieser Teilfläche entlang ihrer westlichen Grenze (zum Grundstück 2947/4) auf einem 3 m breiten Streifen die Dienstbarkeit des unbeschränkten und unentgeltlichen Geh- und Fahrrechtes zu Gunsten des der Marktgemeinde Götzis verbleibenden Reststückes dieser Grundparzelle ein, und zwar so lange, bis das Reststück durch eine andere Straße aufgeschlossen ist. Diese Kaufabrede wurde in der Gemeindevertretungssitzung vom 26. Jänner 1967 genehmigt und der Bürgermeister ermächtigt, einen entsprechenden Kaufvertrag abzuschließen. Nach Neuvermessung erhielt die rot bezeichnete Teilfläche sodann die Grundstücksnummer 2877/2, die der Marktgemeinde Götzis verbleibende Fläche die Grundstücksnummer 2877/1. Mit Kaufvertrag vom 25.April 1967 erwarb Mathilde K*** sodann das Grundstück 2877/2. In diesen Kaufvertrag wurde die im Vorvertrag vereinbarte Dienstbarkeit nicht aufgenommen, weil eine Verbücherung ohnehin nicht hätte erfolgen können. Die Vertragsparteien gingen aber verbindlich davon aus, daß auf einem 3 m breiten Streifen entlang der westlichen Grenze dieses Grundstückes zu Gunsten des Grundstückes 2877/1 die Dienstbarkeit des unbeschränkten und unentgeltlichen Geh- und Fahrrechtes besteht, solange dieses Grundstück nicht durch eine andere Straße aufgeschlossen ist. Damals bestand seitens der Marktgemeinde die Absicht, die Konstanzer Straße über diese Parzelle zu verlängern, womit die Dienstbarkeit hinfällig geworden wäre. Aus ungeklärten Gründen ist es aber dann zu einer solchen Verlängerung der Konstanzer Straße nicht gekommen.

Mit Tauschvertrag vom 1.Juni 1973 erwarb sodann Erich K*** von der Marktgemeinde Götzis das Grundstück 2877/1 mit den bestehenden Rechten und Pflichten, Dienstbarkeiten usw. so, wie es Vorbesitzer dieser Liegenschaft bisher selbst besessen und benützt hatten oder hiezu berechtigt gewesen wären. Bei Vertragsabschluß wurde Erich K*** auch auf das bestehende Dienstbarkeitsrecht verwiesen. Er übergab sodann diese Parzelle mit Schenkungsvertrag vom 9. August 1973 seiner Tochter, der Klägerin, mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß zu Gunsten dieses Grundstückes ein Geh- und Fahrrecht über das Grundstück 2877/2 bestehe.

Mit Kaufvertrag vom 17.Juli 1978 verkaufte Mathilde K*** ihr Grundstück 2877/2 an den Beklagten. Bei Vertragsabschluß wußte der Beklagte, daß das Grundstück 2877/2 mit der Dienstbarkeit des unbeschränkten und unentgeltlichen Geh- und Fahrrechtes im Ausmaß von 3 m entlang der westlichen Grenze zu Gunsten des Grundstückes 2877/1 belastet war.

Das Grundstück 2877/1 wurde seit dem Ende der Siebzigerjahre bis etwa zum Jahr 1985 von der Mutter der Klägerin in der Weise bewirtschaftet, daß sie dort ein Gartenbeet bzw. einen kleinen Acker hielt. Die Dienstbarkeit wurde bisher nicht ausgeübt. Das Grundstück 2877/2 war bis zum Erwerb durch den Beklagten ausschließlich Wiese, bis er 1978 oder 1979 - ausgehend von der Straße Im Haag - einen Kiesweg zum Grundstück 2947/4 errichtete. Durch diesen Weg wurde der in Rede stehende 3 m breite Streifen auf dem Grundstück 2877/2 entlang des Grundstückes 2947/4 durchschnitten.

Bereits zum Zeitpunkt des Erwerbes des Grundstückes 2877/2 durch den Beklagten befand sich im nördlichen Teil dieses Grundstückes eine eingefriedete Gemüse- und Blumenbeetanlage, die bis zur Grenze zum Grundstück 2947/4 reichte. Im Jahr 1979 wurde vom Beklagten eine 6,7 m lange und 1,2 m breite Montagegrube errichtet, die größtenteils auf dem Grundstück 2947/4 situiert ist, aber auch 2 m in das Grundstück 2877/2 hineinreicht. Sie befindet sich etwa 17,5 m von der Straße Im Haag entfernt. Bis zum Jahr 1981 war sie mit Holzdielen abgedeckt, die mit der Oberfläche bündig abschlossen. In diesem Zustand war sie optisch nur schlecht erkennbar. Seither wurde sie vom Beklagten mit einem nicht mehr verwendeten Verkehrsschild im Ausmaß von 1,2 m x 5,5 m, auf dem ein blaues Hinweiszeichen mit der Aufschrift "Innsbruck" aufgemalt ist, abgedeckt. Diese Abdeckung reicht bis zum östlichen Ende der Grube. Am westlichen Ende (auf dem Grundstück 2947/4) ist sie mit einer Spanplatte abgedeckt. Die Ausübung des in Rede stehenden Fahr- und Gehrechtes wäre durch die Montagegrube insoweit eingeschränkt, als ein Befahren des 3 m breiten Streifens nur bei bündiger Abdeckung der Grube mit Holzdielen möglich wäre; für ein Begehen bliebe eine ungehinderte Breite von 1 m.

In den Jahren 1979 und 1980 wurde ein Teil des Grundstückes 2877/2 geschottert bzw. aufgeschüttet, und zwar bis zu einer Tiefe von 30 m (von der Straße Im Haag aus gemessen). Dieser Teil des Grundstückes 2877/2 ist nun teilweise auch asphaltiert. Im Jahr 1981 hat der Beklagte auf der Grenze zwischen den Grundstücken 2947/4 und 2877/2 einen knapp über die Grenze des letztgenannten Grundstückes reichenden Öltank nördlich der beschriebenen Aufschüttung aufgestellt. Über behördliche Anordnung wurde dieser Öltank 1985 oder 1986 entfernt. An dieser Stelle befindet sich nun ein Betonklotz im Ausmaß von 100 x 100 x 50 cm, der zur Gänze auf dem Grundstück 2947/4 situiert ist. Auf dem freien Platz zwischen der erwähnten Beetanlage und der Grenze des Grundstückes 2877/2 zum Grundstück 2947/4 - auf der Aufschüttung bzw. auf der abfallenden Böschung der Aufschüttung - befinden sich nun zwei Betonblöcke, die ein Ausmaß von etwa 2 x 1 x 1 m aufweisen. Nördlich davon - zur Grenze zum Grundstück 2877/1 - liegt ein Komposthaufen mit einem Durchmesser von knapp 2 m. Seit wann dieser und die beiden Betonblöcke dort situiert sind, steht nicht fest.

Vom Grundstück 2877/1 aus bestand zum Grundstück 2877/2 stets ungehinderte Sicht. Die Klägerin hat bis zum Jahr 1980 - allerdings nicht in der Nähe der Grundstücke 2877/1 und 2877/2 - bei ihren Eltern in Götzis gewohnt. Im Jahr 1980 verzog sie nach Rom, kehrte aber jährlich im Sommer zu Geschäftszwecken nach Götzis zurück. Im Rahmen solcher jährlicher Aufenthalte in Götzis besuchte sie jeweils auch ihren Bruder, der auf dem Grundstück 2886/3, das an die Grundstücke 2877/1 und 2877/2 angrenzt, ein Haus bewohnt. Von diesem Grundstück aus besteht auf die Grundstücke der Streitteile durch dort eingepflanzte Sträucher nur eingeschränkte Sicht. Vor dem Wegzug der Klägerin im Jahr 1980 erkannte sie, daß auf dem Grundstück 2877/2 bauliche Veränderungen, nämlich die Errichtung des erwähnten Kiesweges und die Vornahme der Aufschüttung bzw. Asphaltierung, stattgefunden hatten. Bis zum Jahr 1985 hatte sie aber keine Kenntnis von der Errichtung der Montagegrube oder anderer die Ausübung des in Rede stehenden Dienstbarkeitsrechtes einschränkender oder unmöglich machender Hindernisse. Bis zum Jahr 1985 war der Bruder der Klägerin, Ludwig K***, nicht berechtigt, als ihr Vertreter gegenüber dem Beklagten aufzutreten. Ludwig K*** hat der Klägerin bis 1985 auch keine Mitteilung hinsichtlich allfälliger die Ausübung der Dienstbarkeit beeinträchtigender Hindernisse gemacht. Erst 1985 - anläßlich einer mündlichen Verhandlung vor der Gewerbebehörde - erfuhr sie, daß der Beklagte der Ausübung des Dienstbarkeitsrechtes entgegentritt. Die Dienstbarkeit war beim Erwerb des Grundstückes 2877/2 durch den Beklagten von seiner Voreigentümerin Mathilde K*** in der Natur nicht ersichtlich; sie wurde bisher auch nicht ausgeübt. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß die in Frage stehende Grunddienstbarkeit zwischen der Marktgemeinde Götzis und Mathilde K*** wirksam begründet worden sei; sie sei allerdings auf die Dauer des Fehlens einer anderen Wegverbindung zum Grundstück 2877/1 zeitlich begrenzt. Da der Beklagte beim Erwerb des Grundstückes 2877/2 von dieser Grunddienstbarkeit Kenntnis gehabt habe, müsse er sie gegen sich gelten lassen. Eine Freiheitsersitzung sei nur insoweit zu bejahen, als die Aufschüttung bzw. Asphaltierung eines Teiles des Grundstückes 2877/2 eine Einschränkung der Dienstbarkeit insoweit erbracht habe, als zwar das Gehrecht nach wie vor uneingeschränkt ausgeübt werden könne, bei allfälliger Ausübung des Fahrrechtes aber - vom Grundstück 2877/1 kommend - ein Niveauunterschied von 30 bis 40 cm zu dem aufgeschütteten Material überwunden werden müsse.

Diese Entscheidung des Erstgerichtes wurde von beiden Streitteilen mit Berufung bekämpft.

Das Berufungsgericht gab mit Urteil vom 22.November 1988 (ON 35) der Berufung der Klägerin keine Folge; hingegen gab es der Berufung der Beklagten Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab.

Das Berufungsgericht begründete diese Entscheidung im wesentlichen damit, eine den Beklagten belastende Dienstbarkeit sei erst gar nicht entstanden, weil es an einem nach außen sichtbaren Publizitätsakt fehle, sodaß ein dingliches Recht nicht als begründet angesehen werden könne.

Über Revision der Klägerin hob der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 26.September 1989, 2 Ob 534/89 (ON 39), dieses Urteil des Berufungsgerichtes auf und trug ihm eine neue Entscheidung auf. Er führte im wesentlichen aus, das Berufungsgericht habe gegen die im § 511 Abs. 1 ZPO normierte Bindungswirkung verstoßen. Im zweiten Rechtsgang seien nämlich hinsichtlich der Vorgänge, die letztlich zum Erwerb des herrschenden Grundstückes samt der Dienstbarkeit durch die Klägerin und des mit der Dienstbarkeit belasteten Grundstückes des Beklagten geführt hätten, Änderungen des Sachverhaltes, die im ersten Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes mangels damals vorliegender Anhaltspunkte nicht erörtert worden seien, nicht hervorgekommen. Vielmehr seien die Vorinstanzen diesbezüglich von den selben wesentlichen Feststellungen ausgegangen, wie sie bereits dem ersten Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes zugrunde gelegen seien. In diesem Umfang sei daher die vom Obersten Gerichtshof im ersten Aufhebungsbeschluß dargelegte rechtliche Beurteilung bezüglich des Bestandes des Dienstbarkeitsrechtes und der Kenntnis des Beklagten von dessen Bestand sowohl für das Berufungsgericht als auch für das Revisionsgericht selbst bindend.

Gemäß dem im ersten Rechtsgang ergangenen Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes sei im fortgesetzten Verfahren nur die Frage zu klären gewesen, ob die den Beklagten belastende Grunddienstbarkeit durch eine mehr als dreijährige Widersetzlichkeit seinerseits gegen ihre Ausübung mangels rechtzeitiger Geltendmachung des Rechtes durch die Klägerin gemäß § 1488 ABGB ganz oder allenfalls teilweise verjährt sei. Diesbezüglich habe das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren ergänzende Feststellungen getroffen und sei zur Verneinung der Verjährung, allerdings mit einer Einschränkung des Fahrrechtes, gelangt. Die Feststellungen des Erstgerichtes und dessen rechtliche Beurteilung in diesem Belang seien von beiden Streitteilen in ihren Berufungen bekämpft worden. Das Berufungsgericht sei jedoch, ausgehend von seiner gegen die Bindungswirkung des § 511 Abs. 1 ZPO verstoßenden Rechtsansicht, daß eine Dienstbarkeit mit dinglicher Wirkung überhaupt nicht entstanden sei, auf die Frage der allfälligen Verjährung der Dienstbarkeit im Sinne des § 1488 ABGB und die hiezu erstatteten Berufungsausführungen nicht eingegangen. Dies werde vom Berufungsgericht in seiner neuerlichen Entscheidung nachzuholen sein. Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht den Berufungen beider Streitteile keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000 übersteigt.

Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen von der Klägerin behaupteter Verfahrensmängel und führte zur Tatsachenrüge der Klägerin, mit der diese die Feststellungen des Erstgerichtes bekämpfte, daß die Aufschüttung bzw. Asphaltierung auf dem Grundstück des Beklagten 1979 oder 1980 erfolgte und daß sie davon schon 1980 Kenntnis hatte, aus, in der Berufung der Klägerin werde nicht dargelegt, welche anderen Feststellungen das Erstgericht hätte treffen sollen. Damit erweise sich die Beweisrüge der Klägerin als nicht gesetzmäßig ausgeführt, sodaß auf sie nicht weiter einzugehen sei. Im übrigen übernahm das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes.

Rechtlich führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, ausgehend von der Bindungswirkung der beiden in dieser Rechtssache ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes sei nur noch die Frage von Bedeutung, ob die Grunddienstbarkeit durch eine mehr als dreijährige Widersetzlichkeit des Beklagten mangels rechtzeitiger Geltendmachung des Rechtes durch die Klägerin gemäß § 1488 ABGB ganz oder teilweise verjährt sei. Widersetzlichkeit im Sinne dieser Gesetzesstelle stelle jede Vorkehrung des Beklagten dar, die geeignet sei, die Ausübung des Dienstbarkeitsrechtes zu beeinträchtigen oder zu verhindern. Bei der Freiheitsersitzung sei nur maßgebend, daß der Beklagte ein Hindernis errichte, das die Ausübung des Rechtes für den Berechtigten wahrnehmbar unmöglich mache. Der diesbezügliche innere Wille des Verpflichteten sei nicht maßgebend. Eine im Sinne des § 1488 ABGB erhebliche Widersetzlichkeit könne auch zu einem teilweisen Erlöschen der Dienstbarkeit führen. An die Unterlassung der Geltendmachung sei aber billigerweise nur dann der Rechtsverlust zu knüpfen, wenn der Berechtigte von der Behinderung Kenntnis erlangt habe oder zumindest bei gewöhnlicher Sorgfalt erlangen habe können.

Bei der bereits vor dem Wegzug der Klägerin nach Rom erfolgten Änderung der Bodenbeschaffenheit eines Teiles des dienenden Grundstückes handle es sich um eine Einschränkung ihres Dienstbarkeitsrechtes, da das Befahren dieses Grundstücksteiles gegenüber dem ursprünglichen Zustand doch wesentlich beschwerlicher geworden sei, insbesondere wegen der erfolgten Aufschüttung. Daß die Klägerin die weiteren relevanten Hindernisse im Sinne des § 1488 ABGB (Montagegrube und Öltank) kennen hätte müssen, sei dann anzunehmen, wenn eine mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung zurückliegende Unkenntnis der Klägerin hievon auf der Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruhe, wobei der Beklagte den Beweis für jene Umstände zu führen habe, die den Schluß rechtfertigten, der Klägerin hätten diese Hindernisse bekannt sein müssen. Der Klägerin wäre sodann der Gegenbeweis offengestanden, daß sie infolge besonderer Umstände von ihnen keine Kenntnis haben mußte. Der Beklagte habe dazu nur vorgebracht, daß sich die Klägerin im Sommer jeweils in der Nähe des dienenden und des herrschenden Gutes aufgehalten habe, wodurch sie auf das Vorhandensein der Hindernisse schließen habe müssen. Diese auch vom Erstgericht festgestellten Umstände ließen jedoch für sich allein keine Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt erkennen und seien nicht geeignet, der Klägerin Fahrlässigkeit im aufgezeigten Sinn anzulasten. Sie habe genau so gut davon ausgehen können, daß diese Hindernisse nicht in die Dienstbarkeitsstraße hineingereicht hätten. Zwar treffe den Dienstbarkeitsberechtigten durchaus eine Überzeugungspflicht bezüglich der noch bestehenden Möglichkeit der ungehinderten Ausübung des Dienstbarkeitsrechtes. Im Einzelfall komme sie aber nur dann zum Tragen, wenn sich für ihn begründete Anhaltspunkte ergäben oder sich bei gehöriger Sorgfalt ergeben müßten, daß das bestehende Dienstbarkeitsrecht nicht mehr uneingeschränkt ausgeübt werden könne. Dies sei hier zu verneinen. Das Dienstbarkeitsrecht der Klägerin sei daher - mit Ausnahme der vom Erstgericht erkannten Einschränkung durch die Aufschüttung und Asphaltierung im südlichen Teil des dienenden Gutes - nicht in einem weiteren Ausmaß durch Freiheitsersitzung im Sinne des § 1488 ABGB beschränkt.

Es sei jedoch darauf hinzuweisen, daß das Dienstbarkeitsrecht nur für die Dauer des Fehlens einer anderen Wegverbindung zum Grundstück 2877/1 - mit der vom Erstgericht erkannten Beschränkung - zeitlich fortbestehe.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richten sich die Revisionen beider Streitteile. Die Klägerin bekämpft sie insoweit, als ihrem Klagebegehren nicht stattgegeben wurde, aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der vollinhaltlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Der Beklagte bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichtes in ihrem klagsstattgebenden Teil aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt auch er einen Aufhebungsantrag.

Beide Streitteile haben Revisionsbeantwortungen mit dem Antrag erstattet, der Revision des Gegners keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind zulässig; sachlich kommt allerdings nur der Revision der Klägerin Berechtigung zu.

Soweit der Beklagte in seiner Rechtsrüge neuerlich geltend macht, daß das von der Klägerin behauptete Dienstbarkeitsrecht mangels eines Erwerbsaktes nicht entstanden sei, ist er auf die Ausführungen im Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes vom 26. September 1989, 2 Ob 534/89 (ON 39), zu verweisen, nach denen die im § 511 Abs. 1 ZPO normierte Bindungswirkung des im ersten Rechtsgang ergangenen Aufhebungsbeschlusses der Erörterung dieser Frage entgegensteht. An diese Rechtsansicht ist auch das Revisionsgericht mangels einer seither eingetretenen Sachverhaltsänderung im Sinne dieser Gesetzesstelle gebunden. Auch mit seinen Ausführungen in der Richtung, daß die Klägerin eine Beeinträchtigung ihres behaupteten Dienstbarkeitsrechtes durch die Errichtung der Montagegrube und des Öltanks durch den Beklagten bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, übersieht der Beklagte die Bindungswirkung des im ersten Rechtsgang ergangenen Aufhebungsbeschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 15. März 1988 (ON 22) im Sinne des § 511 Abs. 1 ZPO. In diesem Aufhebungsbeschluß wurde den Vorinstanzen die Rechtsansicht überbunden, daß es auf die Kenntnis der Klägerin von der Errichtung die Ausübung ihrer Dienstbarkeit beeinträchtigender Hindernisse ankomme. Auch in diesem Umfang ist das Revisionsgericht mangels einer relevanten Sachverhaltsänderung an seine im erwähnten Aufhebungsbeschluß zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht gebunden, sodaß es der Erörterung der Frage, wann die Klägerin von der Errichtung derartiger Hindernisse Kenntnis hätte erlangen können oder müssen, nicht bedarf. Daß durch die Aufschüttung im südlichen Teil des Grundstückes des Beklagten die Ausübung des Geh- und Fahrrechtes der Klägerin unmöglich geworden wäre, ergibt sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen in keiner Weise. Der verhältnismäßig geringfügige Niveauunterschied zwischen der Aufschüttung und dem übrigen Teil des Grundstückes von ca. 35 cm mag die Ausübung der der Klägerin zustehenden Dienstbarkeit etwas erschweren; es ist aber in keiner Weise ersichtlich, daß dadurch die Ausübung der Dienstbarkeit unmöglich gemacht würde.

Soweit der Beklagte letztlich im Hinblick darauf, daß die Klägerin bisher ihr Dienstbarkeitsrecht nicht ausübte, in der Klagsführung eine schikanöse Rechtsausübung erblickt, ist ihm zu entgegnen, daß nach ständiger Rechtsprechung (SZ 44/86; SZ 47/67; SZ 51/115; SZ 56/46 uva) Schikane nur vorliegt, wenn eine Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet. Davon kann aber im Hinblick darauf, daß das Grundstück der Klägerin keine Verbindung zum öffentlichen Wegenetz hat, keine Rede sein. Damit erweist sich die Revision des Beklagten als unberechtigt. Der in der Revision der Klägerin zu Punkt 2) ihrer Verfahrensrüge behauptete Verfahrensmangel und die im Zusammenhang damit behauptete Aktenwidrigkeit liegen nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs. 3 ZPO).

Entgegen den Ausführungen in der Rechtsrüge der Klägerin ist es für die Annahme der Widersetzlichkeit im Sinne des § 1488 ABGB nicht erforderlich, daß das die Servitutsausübung hindernde oder beeinträchtigende Verhalten des Verpflichteten in der Absicht erfolgt, die Rechtsausübung durch den Berechtigten zu beeinträchtigen oder unmöglich zu machen. Es genügt, daß der Belastete ein Hindernis errichtet, das die Ausübung des Rechtes für den Berechtigten wahrnehmbar unmöglich macht oder beeinträchtigt (Koziol-Welser, Grundriß8 II 160 und die dort angeführte Literatur und Judikatur, insbesondere SZ 58/98). Im übrigen war nach den Feststellungen der Vorinstanzen dem Beklagten im Zeitpunkt seiner Eingriffshandlungen der Bestand der Servitut bekannt. Dem Hinweis der Klägerin, daß es dem Rechtsfrieden nicht dienlich sei, würde man die durch die Aufschüttung und Asphaltierung auf dem Grundstück des Beklagten bedingte Einschränkung ihres Geh- und Fahrrechtes in Kauf nehmen, ist lediglich zu entgegnen, daß bereits im Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes im ersten Rechtsgang darauf hingewiesen wurde, daß eine im Sinne des § 1488 ABGB erhebliche Widersetzlichkeit auch zu einem teilweisen Erlöschen der Dienstbarkeit führen kann (SZ 48/74 ua).

Mit Recht wendet sich die Klägerin in ihrer Revision aber dagegen, daß das Berufungsgericht ihre in ihrer Berufung ausgeführte Tatsachenrüge, mit der sie die entscheidungswesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes bekämpfte, daß die Aufschüttung bzw. Asphaltierung auf dem Grundstück des Beklagten 1979 oder 1980 erfolgte und daß sie davon schon 1980 Kenntnis hatte, nicht sachlich erledigte. Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht ist nämlich aus den diesbezüglichen Berufungsausführungen der Klägerin durchaus zu entnehmen, was ihrer Meinung nach richtigerweise festzustellen gewesen wäre, daß nämlich diese Veränderungen an dem belasteten Grundstück erst 1985 erfolgt wären und daß die Klägerin davon erst 1985 Kenntnis erlangt hätte. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen eine sachliche Behandlung der entscheidungswesentliche Umstände betreffenden Beweisrüge der Klägerin ablehnte, begründet dies einen Mangel des Berufungsverfahrens, den die Klägerin in ihrer Revision zutreffend geltend macht.

Es mußte daher in Stattgebung der Revision der Klägerin wie im Spruch entschieden werden.

Das Berufungsgericht wird die in der Berufung der Klägerin erhobene Tatschenrüge sachlich zu erledigen haben. Erst dann wird beurteilt werden können, ob das Dienstbarkeitsrecht der Klägerin im Sinne des § 1488 ABGB in der von den Vorinstanzen angenommenen Weise eingeschränkt wurde.

Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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