OGH 9ObA121/90

OGH9ObA121/9027.6.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Jelinek sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Wilhelm Patzold und Dr. Alfred Mayer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Alfred S***, Angestellter, Moosdorf, Hackenbuch 84, vertreten durch Dr. Martin Stossier und Mag. Dr. Reinhard Selendi, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei VFG V*** UND F***

MBH, Wien 4, Prinz Eugen-Straße 10, vertreten durch Dr. Richard Köhler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung und Rechnungslegung (Streitwert S 100.000,-), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Jänner 1990, GZ 13 Ra 135,136/89-31, womit infolge Rekurses und Berufung der beklagten Partei der Beschluß und das (Teil-)Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. November 1989, GZ 20 Cga 28/88-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.629,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 721,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger zunächst die Feststellung der Unwirksamkeit der am 30. 12. 1987 ausgesprochenen fristlosen Kündigung des Vertragsverhältnisses zwischen den Streitteilen; dieses Begehren ist rechtskräftig abgewiesen. Im zweiten Rechtsgang (ON 13 S. 3 f) erhob der Kläger als Eventualbegehren eine Stufenklage mit dem Inhalt, die beklagte Partei zur Rechnungslegung gegenüber dem Kläger über die von seinen Mitarbeitern in der Zeit vom 31. 12. 1987 bis zum 30. 6. 1988 vermittelten Geschäfte, insbesondere Versicherungsverträge, Bausparverträge und Kredite, sowie zur Zahlung des sich daraus für den Kläger ergebenden Provisionsanspruches zu verpflichten. In der Tagsatzung vom 25. 4. 1989 stellte der Kläger für den Fall, daß auf das gegenständliche Vertragsverhältnis die Bestimmungen des HVG anzuwenden seien, das - inzwischen ebenfalls rechtskräftig abgewiesene - weitere Eventualbegehren, die beklagte Partei zur Abrechnung seiner Provisionsansprüche zu den Stichtagen 30. 12. 1987, 31. 3. 1988 und 30. 6. 1988 sowie zur Vorlage eines Buchauszuges über die seinen Provisionsanspruch begründenden Geschäfte zu verpflichten.

Der Kläger brachte dazu vor, er habe seit Juli 1985 hauptberuflich als Versicherungsvertreter auf Provisionsbasis für die beklagte Partei gearbeitet. Die Kündigung des Vertragsverhältnisses sei grundlos und zur Unzeit erfolgt. Er habe daher Anspruch auf Provision für die von seinen Mitarbeitern im Zeitraum 31. 12. 1987 bis 30. 6. 1988 vermittelten Geschäfte. Da ihm diese Geschäfte im einzelnen nicht bekannt seien, habe er Anspruch auf Rechnungslegung und Zahlung dieser Provision bzw. bei Anwendung des HVG auf sein Vertragsverhältnis auf Abrechnung seiner Provisionsansprüche und Vorlage eines Buchauszuges. Die beklagte Partei bestritt dieses Vorbringen und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht ließ die Klagsänderung auch hinsichtlich des zweiten Eventualbegehrens zu, gab in der Sache dem ersten Eventualbegehren auf Rechnungslegung als (Teil-)Urteil statt und wies das Hauptbegehren und das zweite Eventualbegehren ab. Hiebei traf es, soweit dies für das Revisionsverfahren erheblich ist, folgende wesentliche Feststellungen:

Der Kläger trat im Juli 1985 zur Vorgängerfirma der beklagten Partei, der S*** GesmbH, als selbständiger Versicherungsagent in ein Vertragsverhältnis. Nach den auch durch die Nachfolgefirmen übernommenen und vom Kläger anerkannten Verträgen war der Kläger selbständiger Versicherungsagent im Sinn des § 6 Abs 3 GewO 1973; er war verpflichtet, sein Gewerbe anzumelden und seine Einkünfte selbst zu versteuern. Die beklagte Partei meldete ihn nicht zur Sozialversicherung an.

Die Einkünfte des Klägers bestanden in Provisionszahlungen für abgeschlossene Versicherungsverträge durch die beklagte Partei aus detaillierten vertraglichen Regelungen. Er bekam einerseits Provisionen aus den von ihm vermittelten Geschäften, andererseits erhielt er aus den Tätigkeiten der ihm untergeordneten Mitarbeiter sogenannte Leistungsvergütungen. Sonderzahlungen erhielt der Kläger nie. Urlaube oder Krankenstände brauchte er der beklagten Partei nicht zu melden; beide gingen auf das Risiko des Klägers. Die beklagte Partei brachte mit Schreiben vom 30. 12. 1987 das Vertragsverhältnis fristlos zur Auflösung, weil sie auf Grund des Rückganges der Umsatzzahlen des Klägers vermutete, er übe eine verbotene Nebentätigkeit im konkurrenzierenden Sinn aus. Ein Nachweis hiefür konnte jedoch nicht erbracht werden. Das Erstgericht vertrat die Meinung, die vom Kläger primär begehrte Unwirksamerklärung der Kündigung des Vertragsverhältnisses sei mangels vertraglicher oder gesetzlicher Kündigungsschutzbestimmungen nicht berechtigt. Hingegen sei dem ersten Eventualbegehren auf Rechnungslegung mittels Teilurteiles stattzugeben, weil kein Grund für eine sofortige Auflösung des Vertragsverhältnisses vorgelegen sei. Das weitere, auf den §§ 14 und 15 HVG beruhende Eventualbegehren sei abzuweisen, weil gemäß § 30 HVG die Vorschriften dieses Gesetzes auf die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit eines Versicherungsagenten nicht anzuwenden seien.

Die zweite Instanz bestätigte diese Entscheidung. Zum allein im Revisionsverfahren noch strittigen Punkt des ersten Eventualbegehrens führte es aus, daß die Rechtsprechung neben dem Typus des meist für mehrere Auftraggeber tätigen und durch unternehmerische Selbständigkeit, eigene Betriebsorganisation und Unternehmerrisiko bei Fehlen von Weisungsgebundenheit charakterisierten selbständigen Handelsvertreters und des in dem Betrieb des Dienstgebers integrierten, weisungsgebundenen und demnach auch persönlich abhängigen angestellten Handelsvertreters im Rahmen des allgemeinen Begriffes des "freien Dienstvertrages", der dadurch charakterisiert sei, daß infolge weitgehend freier, zeitlicher und inhaltlicher Gestaltung der Tätigkeit die persönliche Abhängigkeit des Dienstnehmers fehle, der Typus des "freien Handelsvertreters" anzuerkennen sei. Auch dessen Arbeitsbedingungen würden zwar so frei wie möglich gestaltet; er sei aber von dem meist einzigen Geschäftsherrn wirtschaftlich abhängig und demnach in ähnlicher Weise wie ein Angestellter schutzbedürftig und mangels wirtschaftlicher Selbständigkeit nicht Unternehmer oder Kaufmann. Im vorliegenden Fall träfen alle Merkmale des "freien Handelsvertreters" auf den Kläger zu. Die Rechtsstellung der freien Dienstnehmer sei im Gesetz nicht geregelt und daher im einzelnen strittig. Nach herrschender Ansicht seien aber jene arbeitsrechtlichen Normen anwendbar, die nicht vom persönlichen Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmers ausgingen und den sozial Schwächeren schützen wollten. Nach § 10 Abs 5 AngG könne der Angestellte, unbeschadet des nach anderen gesetzlichen Vorschriften bestehenden Rechtes auf Vorlegung der Bücher, die Mitteilung eines Buchauszuges über die durch seine Tätigkeit zustandegekommenen Geschäfte verlangen. Nach der neueren Rechtsprechung ergäbe sich aber darüber hinaus ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Rechnungslegung bzw. Bekanntgabe der Umsätze durch den Arbeitgeber nach den Bestimmungen des Art. XLII EGZPO als ein Hilfsanspruch aus der Natur der privatrechtlichen Bestimmungen zwischen den Vertragsparteien und der zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen sowie aus der dem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht. Der Angestellte müsse durch eine Klage nach Art. XLII EGZPO in die Lage versetzt werden, seinen Entgeltanspruch gegenüber dem Arbeitgeber zu konkretisieren, und zwar durch Bekanntgabe des für die Berechnung seines Provisionsanspruches maßgebenden Umsatzes.

Diese für einen Angestellten geltenden Grundsätze könnten aber analog auch auf den freien Handelsvertreter angewendet werden, weil insoweit eine gemeinsame Interessenlage bestehe und auch dem selbständigen Handelsvertreter gemäß den §§ 14 und 15 HVG das Recht auf Abrechnung, Mitteilung eines Buchauszuges und Büchereinsicht zur Information und Kontrolle über die gegen den Geschäftsherrn zustehenden Ansprüche eingeräumt werde. Der Kläger könne mit Recht jene Provisionsansprüche geltend machen, die ihm bei einer ordnungsgemäßen Beendigung des Vertragsverhältnisses durch die beklagte Partei bis zum 30. 6. 1988 zustünden. Er habe daher aber auch einen Anspruch auf Rechnungslegung über die in diesem Zeitraum von seinen Mitarbeitern vermittelten Geschäfte. Es könne im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob dem Kläger, wie die Berufungswerberin dargelegt habe, auch ein Anspruch auf Abrechnung und Mitteilung eines Buchauszuges gemäß den §§ 14 und 15 HVG zustehe. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß auch das erste Eventualbegehren auf Rechnungslegung über die von den dem Kläger untergeordneten Mitarbeitern der beklagten Partei, nämlich des Hans Peter R*** und die diesem unterstellten Mitarbeitern, in der Zeit vom 31. 12. 1987 bis 30. 6. 1988 vermittelten

Geschäfte - insbesondere Versicherungsverträge, Bausparverträge und Kredite - Rechnung zu legen, abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Soweit sich die Revisionswerberin mit der Zulässigkeit der Revision auseinandersetzt, sind diese Ausführungen überflüssig, weil auch nach der Erweiterten Wertgrenzennovelle 1989 in Arbeits- und Sozialrechtssachen die Vollrevision bei einem - wie hier - S 50.000,- übersteigenden Wert des Streitgegenstandes jedenfalls zulässig ist (§ 46 Abs 1 Z 2 iVm § 45 Abs 1 Z 1 ArbGG idF Art. XXXVII Z 3 und 4 WGN 1989).

Die beklagte Partei wendet sich gegen die Beurteilung des Vertragsverhältnisses des Klägers als das eines freien Versicherungsvertreters und will es offenbar als das eines selbständigen Versicherungsvertreters ("klassischer Versicherungsvermittler") beurteilt wissen. Daß es den zwischen einem selbständigen Versicherungsvertreter und einem angestellten Versicherungsvertreter liegenden Typ eines freien Versicherungsvertreters gibt (Arb. 9.945, 10.025), bezweifelt die beklagte Partei nicht; sie meint nur, der Kläger sei als "klassischer Versicherungsvermittler" anzusehen. Von dieser Differenzierung abzugehen, sieht sich der Oberste Gerichtshof trotz ablehnender Stimmen der Lehre (Jabornegg, DRdA 1985, 85 ff, insb. 89 ff; derselbe in HVG, § 1, Anm 4.4; G.Schima, RdW 1987, 16 ff) nicht veranlaßt, zumal - worauf auch Jabornegg (DRdA 1985, 90) zu Recht hinweist - mangels einschlägiger gesetzlicher Regelung (§ 30 Abs 1 HVG nimmt den selbständigen Versicherungsvertreter vom Anwendungsgebiet des HVG aus) in beiden Fällen die Regelungslücken im Wege der Analogie geschlossen werden müssen (EvBl 1979/3 ua), wobei allerdings im Fall des freien Versicherungsvertreters eher Analogien zu arbeitsrechtlichen Normen als zum HVG zu ziehen sind, soweit jene nicht vom persönlichen Abhängigkeitsverhältnis ausgehen und den sozial Schwächeren schützen sollen (SZ 54/30 und Arb. 10.025, beide im Zusammenhang mit Konkurrenzklauseln). Hinsichtlich der Einordnung des Klägers in den Typus des freien Versicherungsvertreters genügt es, auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes (S. 7 f) zu verweisen (§ 48 ASGG). Die Revisionswerberin vermeint, auf den Kläger seien als "klassischen selbständigen Versicherungsvertreter" mangels der Erlassung einschlägiger Bestimmungen für einen solchen (vgl. § 30 Abs 1 HVG) zwingend die Normen des HVG anzuwenden (EvBl 1979/3). Ein selbständiger Handelsvertreter könne aber nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung (EvBl 1977/4 ua; zuletzt EvBl 1988/144) keine Stufenklage nach Art. XLII EGZPO erheben, weil diesem nach § 15 HVG ein ähnlicher Anspruch zur Festlegung des Umfangs seiner Provisionen zustehe, nämlich die im Außerstreitverfahren zu erwirkende Vorlage der Bücher des Geschäftsherrn.

Soweit ersichtlich, hat sich der Oberste Gerichtshof bis jetzt mit der Frage, ob ein freier Versicherungsvertreter auf Abrechnung gemäß Art. XLII EGZPO klagen kann, noch nicht zu befassen gehabt. Zutreffend hat das Berufungsgericht aber darauf hingewiesen, daß die oberstgerichtliche Rechtsprechung (SZ 35/108; EvBl 1974/70 = Arb 9164 ua) dem provisionsberechtigten Angestellten (§ 10 AngG) ein Klagerecht nach Art. XLII EGZPO einräumt, um ihn in die Lage zu versetzen, seinen Provisionsanspruch zu konkretisieren. Der Oberste Gerichtshof hielt zwar auch in diesan Entscheidungen an der einschränkenden Auslegung des Art. XLII Abs 1 EGZPO fest, wonach durch diese Bestimmung kein neuer materiellrechtlicher Anspruch auf Vermögensangabe, Rechnungslegung oder Auskunftserteilung begründet werde; eine solche Verpflichtung ergebe sich entweder aus einer Norm des bürgerlichen Rechtes oder aus einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien (SZ 46/112 uva). Auch ohne ausdrückliche zusätzliche Absprache enthielten solche Provisionsvereinbarungen aber die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Rechnungslegung bzw. zur Bekanntgabe der Umsätze. Der diesbezügliche Anspruch des provisionsberechtigten Arbeitnehmers ergebe sich als ein Hilfsanspruch aus der Natur der für die Vertragsparteien geltenden privatrechtlichen Bestimmungen und der zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen sowie aus der dem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht. Jener müsse durch eine Klage gemäß Art. XLII EGZPO in die Lage versetzt werden, seinen Entgeltanspruch gegenüber dem Arbeitgeber zu konkretisieren, und zwar durch Bekanntgabe des für die Berechtigung seines Provisionsanspruches maßgebenden Umsatzes. Diese habe durch Mitteilung eines Buchauszuges zu erfolgen. Der Anspruch auf Vorlage eines solchen diene allgemein der Feststellung eines der Höhe nach noch nicht ziffernmäßig bestimmbaren Anspruches aus der Umsatzbeteiligung. Es widerspreche der Vertragstreue und der dem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht, dem Angestellten eine vom Umsatz abhängige Leistung zuzusagen, ohne die für deren Höhe maßgebenden Auskünfte zu geben. Würden daher solche Auskünfte nicht oder unvollständig gegeben, könne der Angestellte mit einer Klage nach Art. XLII EGZPO die Bekanntgabe der vom Arbeitgeber erzielten Umsätze erzwingen.

Das Berufungsgericht hat diese Rechte unter Hinweis auf das auch dem selbständigen Handelsvertreter gemäß den §§ 14 und 15 HVG zustehende Recht auf Abrechnung, Mitteilung eines Buchauszuges und Bucheinsicht zur Information und Kontrolle über die gegen den Geschäftsherrn zustehenden Ansprüche wegen der gemeinsamen Interessenlage auch dem freien Handelsvertreter eingeräumt. Diese Ansicht ist zu billigen. Die einschlägigen Gesetzesbestimmungen (§ 10 Abs 4 und 5 AngG und §§ 14 und 15 Abs 1 HVG) sind nahezu wortgleich und die Interessenlage völlig identisch.

Über die Provisionsansprüche eines selbständigen Handelsvertreters ist nach § 14 Abs 1 HVG - wie über die eines provisionsberechtigten Angestellten (§ 10 Abs 4 AngG) - grundsätzlich mit Ende jedes Kalenderviertels abzurechnen; nur für den Fall der Vertragsauflösung vor Ablauf eines Kalenderviertels besteht insbesondere hinsichtlich des Zeitpunktes der Abrechnung eine geringfügig abweichende Regelung. Nach § 15 Abs 1 HVG kann der selbständige Handelsvertreter sowie der provisionsberechtigte Angestellte (§ 10 Abs 5 AngG) die Mitteilung eines Buchauszuges über die provisionspflichtigen Geschäfte verlangen. In den folgenden Absätzen 2 bis 5 des § 15 HVG ist näher geregelt, ob, unter welchen Voraussetzungen und auf welche Weise der Handelsvertreter Bucheinsicht verlangen kann. Er kann danach eine solche begehren, wenn er glaubhaft macht, daß der Buchauszug unrichtig oder unvollständig ist oder ihm die Mitteilung eines Buchauszuges verweigert wird. Auch das Angestelltengesetz geht in § 10 Abs 5 von einem solchen Recht des provisionsberechtigten Angestellten aus, regelt das Recht auf Vorlage der Bücher jedoch nicht näher, sondern verweist auf andere gesetzliche Vorschriften; als solche kommen als nächtsverwandte Norm der § 15 Abs 2 bis 5 HVG sowie ferner die §§ 45 f HGB und §§ 303 ff ZPO in Betracht. Sowohl § 10 Abs 4 AngG als auch § 14 Abs 1 HVG sind Normen des bürgerlichen Rechtes. Sie enthalten eine Pflicht zur Abrechnung, die nach diesen Bestimmungen in der sachlich gerechtfertigten eingeschränkten Form der Mitteilung eines Buchauszuges zu erfolgen haben. Schon im Hinblick auf die zum provisionsberechtigten Angestellten zutreffend entwickelten oben dargelegten Grundsätze ist nicht einsichtig, weshalb ein provisionsberechtigter freier Handelsvertreter trotz gleicher Rechts- und Interessenlage kein Klagerecht auf Abrechnung gegenüber seinem Geschäftsherrn und kein Recht haben sollte, sein Leistungsbegehren zunächst noch nicht ziffernmäßig zu fassen, nur weil er - im übrigen gleich dem provisionsberechtigten Angestellten - auch das Recht auf Bucheinsicht hat, das im übrigen im außerstreitigen Verfahren und zwar bereits vor Prozeßbeginn durchsetzbar ist.

Der Oberste Gerichtshof kommt daher zum Ergebnis, daß dem freien Handelsvertreter gleich dem provisionsberechtigten Angestellten hinsichtlich seiner provisionspflichtigen Geschäfte gegenüber dem Geschäftsherrn bzw. Dienstgeber ein Klagsanspruch auf Vorlage einer Abrechnung in Form eines Buchauszuges und Leistung in Form einer Stufenklage zugebilligt werden muß, weil wegen der arbeitnehmerähnlichen Stellung des wirtschaftlich abhängigen freien Handelsvertreters (vgl. SZ 54/30 und Arb. 10.025) zu den aus den privatrechtlichen Bestimmungen sich ergebenden Abrechnungsansprüchen, die einen solchen Anspruch noch unterstützende Fürsorgepflicht des insofern dienstgeberähnlichen Geschäftsherrn kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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