OGH 6Ob555/90

OGH6Ob555/9013.6.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Schobel, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred K***, geboren am 30. Oktober 1960 in Virgen, Maschinenschlosser, 9972 Virgen, Welzelach 7, vertreten durch Dr. Robert Gasser, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei Erna K***, geboren am 2. Dezember 1963 in Virgen, Hausfrau, 9972 Virgen, Welzelach 5, vertreten durch Dr. Josef Hippacher, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 10. November 1989, GZ 2 a R 507/89-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Matrei in Osttirol vom 27. Juli 1989, GZ. C 6/89 t-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.706,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 617,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 6. November 1987 vor dem Standesamtsverband Matrei in Osttirol die beiderseits erste Ehe geschlossen, wodurch der bereits am 1. April 1983 geborene gemeinsame Sohn Christian legitimiert wurde. Beide Streitteile sind österreichische Staatsbürger. Ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten sie in Virgen, Welzelach 7.

Mit der am 2. Jänner 1989 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Scheidung der Ehe aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten. Er brachte vor, noch vor der Verehelichung sei mit der Beklagten klargestellt und vereinbart worden, daß sie zu ihm auf die Hofstelle des landwirtschaftlichen Betriebes ziehen und dort wohnen werde, wo auch seine Mutter und seine drei Geschwister lebten. Die Beklagte habe ihr Wort nicht gehalten und sei bereits am Tage nach der Hochzeit wieder in ihr Elternhaus zurückgekehrt. Sie sei nur mehr nachts zum Kläger gekommen, um bei ihm zu schlafen. Nach Ostern 1988 habe die Beklagte ihre Sachen gepackt und sei endgültig "verschwunden". Der Kläger habe sich um eine Rückkehr der Beklagten bemüht, sie habe dies aber abgelehnt und erklärt, die eheliche Gemeinschaft nur dann wieder aufzunehmen, wenn er mit ihr in das von ihm gekaufte Haus in Niedermauern ziehe, welches aber noch nicht fertiggestellt sei. Die Beklagte habe den Kläger daher grundlos verlassen.

Die Beklagte bestritt die ihr zur Last gelegte Eheverfehlung. Für den Fall der Scheidung stellte sie den Antrag, das überwiegende Verschulden des Klägers an der Zerrüttung der Ehe auszusprechen. Sie brachte vor, sie habe mit dem Kläger aus Anlaß der Eheschließung vereinbart, daß das von ihm erworbene Wohnhaus in Niedermauern gemeinsam bewohnbar gemacht werde und beide dort einziehen würden. Daran habe sich der Kläger zunächst auch gehalten, indem die entsprechenden Adaptierungsarbeiten begonnen worden seien. Für deren Dauer habe sich die Beklagte darauf eingelassen, im Haus der Schwiegermutter zu wohnen, obwohl sie zu dieser ein schlechtes Einvernehmen gehabt habe. Nach Ostern 1988 habe die Beklagte, als sie von einer im Einvernehmen mit dem Kläger aufgenommenen Saisonarbeit wieder zurückgekehrt sei, feststellen müssen, daß er das Schloß der in Aussicht genommenen Ehewohnung ausgetauscht gehabt habe. Der Kläger habe seine Gesinnung geändert und erklärt, wer mit seiner Mutter nicht auskomme, komme in sein Haus nicht hinein. Die Beklagte habe daraufhin wieder etwa zwei Monate lang bei ihren Eltern gehaust, sie sei aber mit dem Kläger weiterhin in Kontakt geblieben und habe mit ihm einige Male in der künftigen Ehewohnung gemeinsam genächtigt. In der Folge habe der Kläger den Kontakt zur Beklagten allmählich abgebrochen, weil er mit Waltraud W*** ehewidrige Beziehungen aufgenommen habe. Seit Jänner 1989 vernachlässige der Kläger auch seine Unterhaltspflicht gegenüber der Beklagten.

Der Kläger stellte sein ehebrecherisches Verhältnis zu Waltraud W*** und den Umstand, daß diese im Juli 1989 von ihm ein Kind erwartet, außer Streit (ON 17, AS 57 f.).

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Verschulden der Beklagten und sprach aus, daß den Kläger ein gleichteiliges Mitverschulden treffe. Es ging dabei von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Die Streitteile sind Nachbarskinder und kennen sich schon von Kindheit an. Mit 18 Jahren nahm die Beklagte zum Kläger intime Beziehungen auf. Der Kläger fragte sie noch während ihrer Schwangerschaft, ob sie ihn heiraten und zu ihm ins Elternhaus ziehen wolle, bis er selbst eine Wohnmöglichkeit geschaffen habe. Die Beklagte lehnte jedoch ab, wobei ihr auch ihre Familienangehörigen davon abgeraten hatten, weil sie befürchteten, die Beklagte werde mit der Mutter des Klägers nicht auskommen. Als die Beklagte ein neuerliches Ansinnen des Klägers auf eine Heirat einige Monate nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes abermals ablehnte, ging die Beziehung zwischen den Streitteilen auseinander. Im Herbst 1984 kaufte der Kläger einen Neubau in Niedermauern, dessen Obergeschoß sich noch im Rohbau befand und dessen Erdgeschoß gleichfalls unbewohnbar war, weil es die Vorbenützer in einem vollkommen verwahrlosten Zustand zurückgelassen hatten. Der Kläger war als uneheliches Kind von seiner Mutter in die Ehe mit seinem Ziehvater eingebracht worden. Der Ziehvater starb am 9. Mai 1987 an den Folgen eines Arbeitsunfalles. Damals lebten auf dem Hof Welzelach 7 außer dem Kläger und seiner Mutter seine drei Halbgeschwister, darunter ein jüngerer Halbbruder, der die Landwirtschaftsschule besuchte. Der Kläger versprach seiner Mutter, ihr noch einige Jahre in der Landwirtschaft zu helfen, bis sein Halbbruder älter geworden sei. Etwa zwei Monate nach dem Tode des Ziehvaters nahm der Kläger wieder Beziehungen zur Beklagten auf und fragte sie neuerlich, ob sie seine Frau werden wolle. Er werde sein Haus in Niedermauern bewohnbar machen und die beiden könnten dann dorthin ziehen. Die Beklagte solle gemeinsam mit ihm eine Arbeit annehmen, um die Kosten der Renovierung abzudecken. Die Beklagte stimmte jetzt einer Heirat mit dem Kläger zu, weil sie davon ausging, daß das Haus im Frühjahr 1988 wieder bewohnbar sein werde. Bis dahin meinte sie, es im Elternhaus des Klägers schon aushalten zu können, zumal sie ohnehin auswärts eine Arbeit aufnehmen werde. Nach den Vorstellungen des Klägers sollte sein Haus bis zum Herbst 1988 oder Frühjahr 1989 fertig renoviert und wieder bewohnbar sein. Die Renovierungsarbeiten am Haus des Klägers begannen schon vor der Hochzeit der Streitteile und wurden danach fortgesetzt. Dabei halfen auch die Beklagte und deren Geschwister mit, so etwa beim Streichen der Balkone. Ein Bruder der Beklagten besserte den Verputz aus und verlegte Steinplatten auf der Terrasse. Die Beklagte verrichtete auch Putzarbeiten. Ende Februar/Anfang März 1988 suchten die Streitteile gemeinsam Tapeten aus.

Nach der Hochzeit zog die Beklagte in das Elternhaus des Klägers, wo dem Paar ein Zimmer zur Verfügung stand. Es war von vornherein vorgesehen, daß die Mutter des Klägers weiterhin den gesamten Haushalt führt. Der Beklagten wurden bereits am ersten Tag nach der Hochzeit von ihrer Schwiegermutter Vorhaltungen gemacht, daß sie bei einem Markteinkauf zu viel Geld verbraucht habe. Als das Ehepaar am nächsten Tag (Sonntag) länger schlief, wurde auch das von der Schwiegermutter beanstandet. In den folgenden Tagen beschränkte sich die Beklagte daher darauf, beim Kläger nur mehr zu nächtigen. Sie half zwar bei verschiedenen Arbeiten in seinem Elternhaus mit, wohnte aber ansonsten untertags in ihrem benachbarten Elternhaus. Anfang Dezember 1987 nahm die Beklagte eine Saisonarbeit in einem Lienzer Hotel auf. Den Sohn ließ sie zunächst beim Kläger, bis dieser nach Weihnachten in der Bundesrepublik Deutschland gleichfalls einer Saisonarbeit nachging und sie eine "gewisse Veränderung" des Kindes feststellen mußte, welches offenbar eine längere Trennung von der Mutter in einer anderen Umgebung nicht gewohnt war. Sie nahm den Sohn daher nach Lienz mit und brachte ihn dort in der Nähe ihrer Arbeitsstelle bei ihrer Schwester unter, wo sie ihn während der Zimmerstunden und am Abend betreuen konnte. Der Kläger arbeitete damals turnusweise in der Bundesrepublik Deutschland und kam an seinen freien Tagen nach Hause. Die Beklagte stimmte ihre freien Tage darauf ab, so daß sich die Streitteile dann sehen konnten. Schon kurz vor Ostern 1988 - noch vor Beendigung der Saisonarbeit - teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sie nicht mehr gewillt sei, in sein Elternhaus zurückzukehren. Sie wolle entweder in sein Haus in Niedermauern ziehen oder in ihrem Elternhaus bleiben. Sie konnte nämlich mit ihrer Schwiegermutter "ganz und gar nicht" auskommen. Zwar gab es keine "Streitigkeiten im eigentlichen Sinn", sie konnte aber die Schwiegermutter einfach nicht ausstehen und hat sich mit ihr überhaupt nicht vertragen. Das ging so weit, daß die Beklagte ihre Schwiegermutter nicht einmal mehr ansehen konnte. Auch konnte sie im Elternhaus des Klägers mit diesem nie allein sein. Wenn es Meinungsverschiedenheiten mit der Schwiegermutter gab, so ergriff der Kläger nicht für die Beklagte Partei.

Das Haus des Klägers in Niedermauern wäre nach Ansicht der Beklagten schon damals bewohnbar gewesen, man hätte darin zunächst nur bescheiden leben müssen. Es waren nicht nur Wasser und Strom eingeleitet, sondern es war auch eine Badegelegenheit vorhanden. In der Küche hätte man bereits notdürftig kochen können. Der Kläger wollte aber erst nach Abschluß der Renovierungsarbeiten einziehen. Er hatte der Beklagten kurz nach der Hochzeit einen Hausschlüssel ausgehändigt, ließ aber einige Zeit später die Schlösser auswechseln. Damit wollte er verhindern, daß die Beklagte, ihre Angehörigen und die Vorbenützer in das Haus hineinkommen. Nach Beendigung ihrer Saisonarbeit wohnte die Beklagte tagsüber in ihrem Elternhaus. Am Abend kam sie zum Kläger und nächtigte bei ihm. Im Mai 1988 ließ sie von ihrem Bruder ihren Kasten aus dem Elternhaus des Klägers in ihr eigenes Elternhaus zurückschaffen. Anfang Juli 1988 nahm die Beklagte wiederum eine Saisonarbeit auf der "Berger-Alm" an, von wo sie abends meistens nach Hause zurückkehrte und dort nächtigte. Sie verbrachte die Nächte nicht mehr gemeinsam mit dem Kläger in dessen Elternhaus und suchte ihn dort auch nicht mehr auf. Fallweise kam es vor, daß sich die Streitteile wechselseitig anriefen und dann zum Haus des Klägers in Niedermauern fuhren, um dort die Nacht zu verbringen. Der Kläger hatte nämlich von seiner Tante eine Schlafzimmereinrichtung erhalten und diese in sein Haus gebracht.

Im Herbst 1988 brachte der Kläger öfters zum Ausdruck, es sei für ihn nicht vorstellbar, daß das Eheleben so weitergehe. Er erklärte der Beklagten, er brauche eine "Frau für das Leben" und nicht nur eine solche "für die Nacht". Der Kläger sprach auch von einer Scheidung und die Beklagte meinte darauf sinngemäß, sie würde sich danach richten. Der letzte Geschlechtsverkehr zwischen den Streitteilen fand Anfang November 1988 anläßlich einer Nächtigung im Hause des Klägers in Niedermauern statt. Kurz darauf nahm der Kläger seine intimen Beziehungen zu Waltraud W*** auf, die er nach wie vor aufrechterhält.

Als der Kläger für den Sohn keinen Unterhalt leistete, stellte die Beklagte am 18. Oktober 1988 einen Unterhaltsfestsetzungsantrag. Der Kläger ließ daraufhin von seinem Anwalt mit Schreiben vom 24. November 1988 anfragen, ob die Beklagte einer einvernehmlichen Scheidung zustimme. Die Beklagte war von diesem Ansinnen sehr überrascht und lehnte ab. Sie will sich auch jetzt nicht scheiden lassen, wäre aber bereit, zum Kläger in dessen Haus zu ziehen. Dort sind die Renovierungsarbeiten seit etwa Mitte Juli 1989 abgeschlossen, so daß nunmehr das Erdgeschoß voll bewohnbar sei. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Ehegatten seien zum gemeinsamen Wohnen verpflichtet. Die Beklagte habe daher nach Ostern 1988 die häusliche Gemeinschaft mit dem Kläger grundlos aufgehoben, indem sie in ihr Elternhaus zurückgekehrt sei. Dieses Verhalten sei nicht dadurch gerechtfertigt, daß sie sich mit ihrer Schwiegermutter nicht vertragen habe. Vielmehr hätte ihr bewußt sein müssen, daß das Haus des Klägers in absehbarer Zeit bewohnbar gemacht und sie dann mit ihm dorthin ziehen können werde. Diese schwere Eheverfehlung der Beklagten habe der Kläger durch die Aufrechterhaltung der geschlechtlichen Kontakte nicht verziehen, habe er doch erklärt, daß das Eheleben so nicht weitergehen könne. Durch die Aufnahme und Aufrechterhaltung seines ehebrecherischen Verhältnisses zu Waltraud W*** habe aber auch der Kläger eine schwere Eheverfehlung begangen. Das Verschulden der Streitteile an der Ehezerrüttung sei als gleichteilig anzusehen, weil sie von der Beklagten ihren Ausgang genommen habe.

Das Berufungsgericht wies das Scheidungsbegehren ab, weil der Beklagten keine schwere Eheverfehlung vorwerfbar sei. Es führte aus, die Ehegatten seien zwar nach § 90 ABGB zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders auch zum gemeinsamen Wohnen, verpflichtet, doch müsse die gemeinsame Wohnung einvernehmlich bestimmt werden. Hier hätten die Streitteile mit dem gemeinsamen Zimmer im Elternhaus des Klägers von vornherein nur eine vorübergehende Lösung im Auge gehabt und damit bewußt der schon vor der Eheschließung bestehenden Abneigung der Beklagten gegen ihre Schwiegermutter Rechnung getragen. Diese Abneigung sei auch nicht grundlos gewesen, weil es die Schwiegermutter beim Zusammenleben mit der Beklagten zumindest am nötigen Takt habe fehlen lassen. Bei echter ehelicher Gesinnung hätte der Kläger als verständnisvoller Ehegatte nicht auf einem der Beklagten zumindest subjektiv unzumutbaren Zusammenleben mit ihrer Schwiegermutter beharren dürfen, sondern ihrem Wunsch nach einer gemeinsamen abgesonderten Wohnungnahme - zumindest provisorisch - in seinem eigenen Haus Rechnung tragen müssen, wo die Streitteile immerhin mehrmals genächtigt hätten. Demgegenüber habe der Kläger aber nicht erkennen lassen, der Beklagten beistehen und die von ihr angestrebte endgültige Lösung der Wohnungsfrage vorantreiben zu wollen. Vielmehr habe er der Beklagten nach einem Austausch der Schlösser nicht einmal mehr einen Schlüssel für sein Haus zur Verfügung gestellt und sich von ihr abgewendet, indem er Beziehungen zu einer anderen Frau aufgenommen habe. Selbst wenn aber das Verhalten der Beklagten als schwere Eheverfehlung gewertet würde, fehle dem Scheidungsbegehren des Klägers die sittliche Rechtfertigung gemäß § 49 zweiter Satz EheG, weil seine Eheverfehlung durch Aufnahme und Fortsetzung eines ehebrecherischen Verhältnisses unverhältnismäßig schwerer wiege. Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte stellt den Antrag, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger macht im wesentlichen geltend, daß ihn die Beklagte grundlos verlassen habe, weil ihre Abneigung gegen die Schwiegermutter nach den Feststellungen nicht gerechtfertigt gewesen sei. Die Beklagte habe sich schon an die ursprünglich vereinbarte Wohnsitznahme nicht gehalten und sei wenige Tage nach der Heirat aus der Ehewohnung ausgezogen. Dem ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:

Eheverfehlungen sind Handlungen und Unterlassungen, die sich gegen das Wesen der Ehe und die damit verbundenen Pflichten richten (EFSlg. 46.148, 51.576, 54.349, 57.086 ua). Eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG hat ein Verhalten zur Voraussetzung, das mit dem Wesen der Ehe als einer alle Lebensbereiche umfassenden Lebensgemeinschaft unvereinbar ist (EFSlg. 46.149, 51.577, 54.350, 57.087 ua). Gemäß § 90 EheG sind die Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, insbesondere zum gemeinsamen Wohnen sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet. Gemäß § 91 ABGB sollen sie ihre eheliche Lebensgemeinschaft einverständlich gestalten, was dahin zu verstehen ist, daß sie sich um das Einverständnis zu bemühen haben (Schwimann in ÖJZ 1976, 365, 370; EFSlg. 52.966, 55.892). Die Pflicht zur Bemühung um das Einvernehmen impliziert auch die gesetzliche Verpflichtung zu einer solchen einverständlichen Gestaltung. Gegenstand der Gestaltungsbefugnis der Ehegatten sind die Einzelheiten der Durchführung des gemeinschaftlichen Lebens (Schwimann, aaO, 371; EFSlg. 52.966, 55.892). Wenn auch die Verletzung des Einverständnisgebotes des § 91 ABGB grundsätzlich unter Scheidungssanktion steht (Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 7 zu § 91; EFSlg. 54.379), so ist doch eine Verletzung der Verpflichtung zum gemeinsamen Wohnen - wie jede andere Eheverfehlung - nur dann ein Scheidungsgrund, wenn sie schuldhaft gesetzt wird (EFSlg. 51.600, 57.128 ua). Die Ehegatten sind daher zum gemeinsamen Wohnen verpflichtet und sie haben den Wohnsitz einvernehmlich zu wählen. Das gilt auch für die erste gemeinsame Wohnung (EFSlg. 47.414). Allerdings kann jeder der Gatten aus gerechtfertigten Gründen die Verlegung verlangen. Der andere muß diesem Begehren entsprechen, es sei denn, er hat gerechtfertigte Gründe von zumindest gleichem Gewicht, nicht mitzuziehen (§ 92 Abs 1 EheG). Der Wortlaut des Gesetzes spricht dafür, daß dann der die Verlegung verlangende Teil allein ausziehen darf, so daß es zu getrennten Wohnsitzen kommen kann (Koziol-Welser, Grundriß8, II, 191; Pichler, aaO, Rz 3 zu § 92 mwN; vgl. EFSlg. 47.416). Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht entgegen der Meinung des Klägers zutreffend erkannt, daß hier die Parteien ihre gemeinsame Wohnungnahme in einem Zimmer im Elternhaus des Klägers einverständlich nur als Provisorium bestimmt hatten, bis das von ihnen als Ehewohnung vorgesehene Haus des Klägers in Niedermauern auf Grund der geplanten und bereits in Angriff genommenen Renovierungsarbeiten bewohnbar sein wird. Dies sollte nach den Vorstellungen der Beklagten bereits im Frühjahr 1988, nach denjenigen des Klägers aber erst im Herbst 1988 oder Frühjahr 1989 der Fall sein. Die Brautleute waren sich auch darüber einig, daß sie die Renovierungskosten aus dem Erlös der von ihnen anzunehmenden Saisonarbeiten gemeinsam abdecken werden. Sie gingen daher davon aus, daß sie im Zimmer des Elternhauses des Klägers nur vorübergehend in den Zeiten gemeinsam wohnen werden, in denen sie sich nicht auswärts auf Arbeit befinden. Damit können die Parteien aber nur der dem Kläger bekannten Abneigung der Beklagten gegenüber seiner Mutter Rechnung getragen haben, war diese doch auch ausschlaggebend dafür, daß die Beklagte schon frühere Heiratsanträge des Klägers sogar noch nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes abgelehnt hatte. Eine gemeinsame Haushaltsführung im Elternhaus des Klägers kam im übrigen von vornherein nicht in Betracht, weil dem Ehepaar dort nur ein Zimmer zur Verfügung stand und der gesamte Haushalt von der Schwiegermutter besorgt wurde. Im Haushalt lebten auch noch die drei Halbgeschwister des Klägers. Dieser hatte der Beklagten offenbar auch das nach dem Tode des Ziehvaters an seine Mutter abgegebene Versprechen verschwiegen, ihr noch einige Jahre in der Landwirtschaft zu helfen, bis sein Halbbruder älter geworden ist. Das Ehepaar konnte im Elternhaus des Klägers (untertags) nie allein sein. Bei Meinungsverschiedenheiten mit der Schwiegermutter ergriff der Kläger nicht die Partei seiner Gattin. Die Schwiegermutter machte der Beklagten bereits am ersten Tag nach der Hochzeit Vorhaltungen, daß sie bei einem Markteinkauf zu viel Geld verbraucht habe. Nur einen Tag später beanstandete sie, daß das Ehepaar zu lange geschlafen habe. Unter diesen Umständen kann es der Beklagten nicht zum Vorwurf gereichen, daß sie bis zu ihrem nur kurze Zeit später erfolgten Arbeitsantritt in Lienz zwar noch im Elternhaus des Klägers bei verschiedenen Arbeiten mithalf, sich aber ansonsten tagsüber in ihrem benachbarten Elternhaus aufhielt und in das Zimmer des Klägers in dessen Elternhaus nur mehr zur Nächtigung kam. Damit hat die Beklagte den Kläger keineswegs grundlos verlassen, weil sie das zwischen ihnen vorgesehene Provisorium auf diese Weise noch nicht verletzt und insbesondere ihren Wohnsitz auch nicht verlegt hat. Der Kläger hat aber in dieser Zeit einen schweren Vertrauensbruch begangen, als er die Schlösser seines Hauses in Niedermauern auswechseln ließ, so daß die Beklagte allein die künftige Ehewohnung gar nicht mehr betreten konnte. Als die Beklagte nach Ostern 1988 ihre Saisonarbeit in Lienz beendete, hat sie unter diesen Umständen mit Recht verlangt, daß der Kläger mit ihr sofort in sein Haus in Niedermauern ziehe, wäre dieses doch nach dem Stand der Renovierungsarbeiten damals bereits zumindest notdürftig bewohnbar gewesen. Bei richtigem Verständnis vom Wesen der Ehe als einer umfassenden Lebensgemeinschaft hätte der Kläger diesem gerechtfertigten Wunsch seiner Gattin Rechnung tragen müssen, zumal dem auch keine gerechtfertigten Gründe von zumindest gleichem Gewicht auf seiner Seite gegenüberstanden. Wenn er daher damals darauf beharrte, erst nach vollständigem Abschluß der Renovierungsarbeiten mit der Beklagten in die Ehewohnung zu übersiedeln, so muß deren Weigerung, weiterhin bei ihm im Zimmer seines Elternhauses zu nächtigen, und die von ihr veranlaßte Abholung ihres Kastens zumindest in einem milderen Licht gesehen werden. Dieses Verhalten kann ihr jedenfalls noch nicht als schuldhafte schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG angelastet werden, zumal sie Anfang Juni 1988 bereits wieder eine neue Saisonarbeit angenommen hat.

Mit Recht hat daher das Berufungsgericht bereits das Vorliegen des vom Kläger geltend gemachten Scheidungsgrundes verneint, weshalb der Revision ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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