OGH 4Ob38/90 (4Ob39/90)

OGH4Ob38/90 (4Ob39/90)30.5.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Edition H*** KG, Musikverlag, Importhandel von Musikalien, E.H*** & Co, Innsbruck/Neu-Rum, Kaplanstraße 9, vertreten durch Dr.Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** Werbungsgesellschaft KG, Alleininhaber Dr.Erich F***, Wien 13, Kopfgasse 7, vertreten durch Dr.Karl Preslmayr und Dr.Florian Gehmacher, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung, Rechnungslegung und Schadenersatz (Streitwert im Provisorialverfahren S 310.000), infolge Rekurses und Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 21. Dezember 1989, GZ 1 R 166/89-10, womit die Rekursbeantwortung des Dr.Erich F*** zurückgewiesen und der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 4.Juni 1989, GZ 18 Cg 31/89-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

I. Dem Rekurs wird Folge gegeben; Punkt I des angefochtenen Beschlusses wird ersatzlos aufgehoben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

II. Aus Anlaß der beiden Rechtsmittel wird die einstweilige Verfügung (Punkt II des angefochtenen Beschlusses) als nichtig aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung unter Bedachtnahme auf die Rekursbeantwortung des Dr.Erich F*** aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Begründung

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin, der beklagten Partei "S*** Werbungsgesellschaft KG" zu verbieten, den Text des Liedes mit dem Titel "So ein Tag so wunderschön wie heute" (Musik: Lotar O***; Text Walter R***) ganz oder teilweise, in veränderter oder unveränderter Form für Werbezwecke (im geschäftlichen Verkehr), insbesondere als Hörfunk- und/oder TV-Werbespot für das Produkt "Dany+Sahne", zu verwenden, insbesondere zu vervielfältigen und zu verbreiten bzw. vervielfältigen und verbreiten zu lassen. Die Beklagte habe ohne Zustimmung der werknutzungsberechtigten Klägerin einen Teil des Liedtextes in einem Werbespot verwendet und dadurch nicht nur Ausschließungsrechte eines Werknutzungsberechtigten nach dem UrhG verletzt, sondern auch gegen § 1 UWG verstoßen. Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus. Die von ihr - in veränderter Form - übernommene Textzeile des Refrains des Liedes sei kein Sprachwerk im Sinne des UrhG und genieße daher keinen urheberrechtlichen Schutz; auch die Voraussetzungen für eine unmittelbare Leistungsübernahme oder eine schmarotzerische Ausbeutung im Sinne des § 1 UWG seien nicht gegeben. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es verneinte die Werkhöhe der in Rede stehenden Liedzeile und damit den aus dem UrhG abgeleiteten Unterlassungsanspruch. Auch ein Verstoß gegen § 1 UWG liege nicht vor.

Das Rekursgericht wies die von der beklagten Partei "Dr.Erich F***" erstattete Rekursbeantwortung zurück (Punkt I seines Beschlusses)und erließ eine einstweilige Verfügung (Punkt II seines Beschlusses), mit der es der beklagten Partei "S*** Werbungsgesellschaft KG" verbot, den Text des Liedes mit dem Titel "So ein Tag" (Musik: Lotar O***; Text: Walter R***) in seiner Gesamtheit oder die Textzeile "So ein Tag so wunderschön wie heute" oder gleichartige Teile des Werkes oder die veränderten Textzeilen "So ein Tag so wunderbar wie heute", "So ein Tag, so ein Tag, so ein Tag, so wunderschön wie heute", "So ein Tag, so ein Tag, so ein Tag, so wunderbar wie heute" oder gleichartige Veränderungen von Werkteilen im geschäftlichen Verkehr als Hörfunk- und/oder TV-Werbespot für das Produkt "Dany+Sahne" zu verwenden, insbesondere zu vervielfältigen und zu verbreiten bzw. vervielfältigen und verbreiten zu lassen. Weiters sprach das Rekursgericht aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 300.000 übersteige. Dr.Erich F*** habe unter der Firma der Beklagten ein einzelkaufmännisches Unternehmen betrieben, welches er nach der Entscheidung des Erstgerichtes im Provisorialverfahren verkauft habe. Daraus ergebe sich aber nicht, daß die Parteienbezeichnung nach der Löschung der Firma der KG richtigzustellen gewesen wäre. Die Löschung einer Personenhandelsgesellschaft im Register habe nur rechtsbeurkundende Bedeutung, aber keinen unmittelbaren Einfluß auf die Parteifähigkeit der Gesellschaft. Deren Partei- und Prozeßfähigkeit werde durch die Löschung so lange nicht beeinflußt, als ihre Rechtsverhältnisse gegenüber Dritten noch nicht abgewickelt seien. Die während des Rechtsstreites erfolgte Auflösung der KG bilde kein Hindernis für die Fortsetzung des Rechtsstreites gegen sie; auch die von der Gesellschaft erteilte Prozeßvollmacht gelte weiter. Daher bestehe kein Grund für eine Änderung der Parteienbezeichnung; beklagte Partei sei vielmehr nach wie vor die gemäß §§ 124, 161 Abs 2 HGB parteifähige S*** Werbungsgesellschaft KG. Da Dr.Erich F*** somit nicht Partei des Verfahrens sei, habe seine Rekursbeantwortung zurückgewiesen werden müssen.

Die Liedzeile "So ein Tag so wunderschön wie heute" weise individuelle Züge einer eigentümlichen geistigen Schöpfung auf und bringe einen abgeschlossenen Gedankengang oder Vorstellungsinhalt in eigenpersönlicher Weise zum Ausdruck; dem Textdichter sei es hier gelungen, in kurzer, aber ausdrucksstarker Form eine Vielfalt von Empfindungen und Gefühlen darzustellen. Die in Rede stehende Textzeile reiche daher über das Alltägliche hinaus und sei damit als Sprachwerk im Sinne des UrhG anzusehen. Die Beklagte habe diese Textzeile für zwei Werbespots übernommen. Durch die dreimalige Wiederholung der Worte "so ein Tag" sowie durch das Austauschen des Wortes "wunderschön" gegen das Wort "wunderbar" habe sie kein neues Werk im Sinne des § 5 Abs 2 UrhG geschaffen, sei doch das benützte Werk keineswegs völlig in den Hintergrund getreten. Offenkundiger Zweck der Übernahme dieser Textzeile in die Werbespots sei es gewesen, sich an das populäre Lied anzulehnen. Damit habe aber die Beklagte in die Werknutzungsrechte der Klägerin eingegriffen; der Unterlassungsanspruch nach § 81 Abs 1 UrhG sei daher bescheinigt. Gegen Punkt I der Entscheidung des Rekursgerichtes erhebt Dr.Erich F*** einen Rekurs mit dem Antrag, "die Rekursbeantwortung in der Entscheidung zu berücksichtigen". Die in Punkt II der angefochtenen Entscheidung erlassene einstweilige Verfügung bekämpfen Dr.Erich F*** und die S*** Werbungsgesellschaft KG mit einem wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revisionsrekurs. Sie beantragen, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, den Rekurs des Dr.Erich F*** gegen Punkt I der Entscheidung des Rekursgerichtes zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben, den Revisionsrekurs des Dr.Erich F*** gegen Punkt II der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen und dem Revisionsrekurs der S*** Werbungsgesellschaft mbH nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluß ist berechtigt; aus Anlaß beider Rechtsmittel war eine dem Rekursgericht unterlaufene Nichtigkeit wahrzunehmen.

Zu Punkt I: Aus den im Akt erliegenden Handelsregisterauszügen Beilagen ./AA und ./6 ergibt sich, daß der bisherige persönlich haftende Gesellschafter Dr.Erich F*** nach dem Austreten des Kommanditisten Karl S*** Alleininhaber des Unternehmens der KG geworden war, bevor noch die vorliegende Klage bei Gericht anhängig gemacht wurde. Die aus Anlaß des Ausscheidens eines Gesellschafters vereinbarte Übernahme des Unternehmens einer Personengesellschaft, wie sie hier beurkundet wurde, führt zur Gesamtrechtsnachfolge (Koppensteiner in Straube, HGB, Rz 9 f zu § 142; EvBl 1979/158). Schon vor der Erhebung der Klage hatte daher die KG nicht mehr bestanden; Dr.Erich F*** führte vielmehr das Unternehmen als Einzelkaufmann unter der bisherigen Firma der KG fort. Ob die Beibehaltung dieses auf ein Gesellschaftsverhältnis hinweisenden Firmenwortlautes zulässig war (vgl. dazu Schuhmacher in Straube aaO Rz 18 zu § 22), braucht hier nicht untersucht zu werden, weil diese Frage, auf das Fortbestehen des Rechtssubjektes, dessen Unternehmen übernommen wurde, keinen Einfluß hat. Die Firma eines Einzelkaufmannes ist nur der Name, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt (§ 17 Abs 1 HGB); sie ist kein selbständiges Rechtssubjekt.

Das Rekursgericht hat - offenbar davon ausgehend, daß die KG zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage noch bestanden habe - zu Unrecht angenommen, daß die KG weiterhin Partei des Verfahrens und Dr.Erich F*** als nicht am Verfahren beteiligter Dritter zu behandeln sei; in Wahrheit ist aber Dr.Erich F*** als Alleininhaber der S*** Werbungsgesellschaft KG von der Klage bereits als - einzige - Partei erfaßt worden. Daß er sein Unternehmen nach der Entscheidung des Erstgerichtes im Provisorialverfahren veräußert hat, ist eine im Rechtsmittelverfahren unbeachtliche Neuerung. Im übrigen hat die Veräußerung einer im Streit verfangenen Sache - das ist eine Sache immer dann, wenn die Sachbefugnis des Klägers oder des Beklagten im Prozeß auf den Rechtsbeziehungen zu dieser Sache beruht, gleichgültig, ob sich das Sachantragsbegehren unmittelbar schon in seinem Wortlaut auf diese Sache erstreckt

(Fasching LB2 Rz 1196) - gemäß § 234 ZPO auf den Prozeß keinen Einfluß; ein Einzelunternehmer bleibt auch dann Prozeßpartei, wenn er sein Unternehmen während des Prozesses veräußert (MietSlg 35.777).

Das Rekursgericht hat somit die Rekursbeantwortung des Beklagten Dr.Erich F*** zu Unrecht zurückgewiesen; sein Zurückweisungsbeschluß mußte daher ersatzlos aufgehoben werden. Eine Entscheidung über Rekurskosten hatte zu entfallen, weil keine solchen verzeichnet wurden. Die Klägerin hingegen hat als unterlegene Partei die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Zu Punkt II: Das Rekursgericht hat in einem zweiseitigen Rekursverfahren (§ 402 Abs 1 EO iVm § 521 a ZPO) die Rekursbeantwortung einer als Partei zu behandelnden Person mit der unzutreffenden Begründung zurückgewiesen, daß sie von einem am Verfahren nicht beteiligten Dritten erstattet worden sei; es hat damit dem Beklagten die Möglichkeit, sich am Rekursverfahren zu beteiligen, durch einen ungesetzlichen Vorgang im Sinne des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO entzogen. Die Einführung zweiseitiger Rekurse durch die ZVN 1983 diente gerade der Verbesserung des rechtlichen Gehörs der Parteien; sie sollte eine Verbreiterung der Entscheidungs- und Argumentationsbasis für das Rekursgericht bringen (Fasching aaO Rz 1966). Der Oberste Gerichtshof darf - obgleich es sich hier nur um die Nachholung bloßer Rechtsausführungen handelt - aus Anlaß des Revisionsrekurses nicht in der Sache selbst entscheiden, weil er damit über eine Frage entscheiden würde, über die er im Hinblick auf § 528 ZPO unter Umständen gar nicht zu entscheiden hätte (RZ 1986/48 mwH; 1 Ob 681/86; 8 Ob 574/87).

Die Verletzung des rechtlichen Gehörs der beklagten Partei im Rekursverfahren mußte daher zur Aufhebung der vom Rekursgericht erlassenen einstweiligen Verfügung führen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 51 Abs 2 ZPO.

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