OGH 2Ob547/90 (2Ob548/90)

OGH2Ob547/90 (2Ob548/90)9.5.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 23.Dezember 1985 verstorbenen Josef E***, infolge Rekurses des für die Verlassenschaft nach Emilie E***, gestorben am 12.November 1960, zu 2 A 377/60 des Bezirksgerichtes Baden bestellten Kurators Dr. Ludwig Pfleger, Rechtsanwalt in Baden, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 29.November 1989, GZ 44 R 607,665/89-43, womit der Rekurs des Verlassenschaftskurators Dr. Ludwig Pfleger gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Mödling vom 12.Juni 1986, GZ 2 A 9/86-11 und vom 29.August 1986, GZ 2 A 9/86-14, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht aufgetragen, unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund neuerlich über den Rekurs zu entscheiden.

Text

Begründung

Im Verlassenschaftsverfahren nach Josef E***, der kein Testament errichtet hatte, wurden keine Verwandten aufgefunden. Die Sparkasse Baden übermittelte dem Gerichtskommissär einen Depotauszug über Wertpapiere mit einem Kurswert von insgesamt S 109.562,50, auf welchem sich folgender Vermerk befindet: "Das Wertpapierdepot ist z. G. des BG Baden lt. Punkt Gerichtsbeschluß 2 A 377/60 gesperrt."

Das Erstgericht nahm mit dem Beschluß vom 12.6.1986, ON 11, das Inventar mit einem Aktivstand von S 124.231,46, einem Passivstand von S 410.066 und einer Nachlaßüberschuldung von S 285.834,54 zu Gericht an (Punkt 1) und setzte die Sparkasse Baden davon in Kenntnis, daß der Verlassenschaftskurator Mag. DDr. Ludwig B*** über das Wertpapierdepot Nr.0088-000799 lautend auf Josef E*** ungeachtet allenfalls bestehender Klauseln und nicht exekutionsgerichtlicher Sperren frei verfügungsberechtigt ist (Punkt 2 d bb). Mit Beschluß vom 29.8.1986, ON 14, nahm das Erstgericht den Bericht des Gerichtskommissärs zur Kenntnis, brachte vom vorhandenen Nachlaß die Verfahrenskosten und die bevorrechteten Begräbniskosten in Abzug, überließ den Restbetrag der Bezirkshauptmannschaft Mödling, Sozialabteilung, auf teilweisen Abschlag der angemeldeten Verpflegskostenforderung von S 401.706, ermächtigte den Gerichtskommissär, die erforderlichen Überweisungen vorzunehmen und bestimmte die Belohnungen des Verlassenschaftskurators und des Gerichtskommissärs. Am 16.10.1986 legte der Gerichtskommissär die Bargeldverrechnung, nach welcher am 11.9.1986 ein Betrag von S 109.635,60 der Bezirkshauptmannschaft Mödling überwiesen wurde.

Am 5.5.1989 (der 4.5. war ein gesetzlicher Feiertag) gab Rechtsanwalt Dr. Pfleger einen Rekurs als Verlassenschaftskurator in der Substitutionsverlassenschaftssache nach der am 12.11.1960 verstorbenen Emilie E*** gegen den Beschluß ON 14 sowie gegen die oben angeführten Punkte des Beschlusses ON 11 zur Post. Diese Beschlüsse waren ihm am 20.4.1989 zugestellt worden. Emilie E*** hatte ein Testament hinterlassen, in welchem sie ihren (voll entmündigten) Sohn Josef E*** als Erben einsetzte, diesen jedoch verpflichtete, den ererbten Nachlaß ihrem Neffen Jakob (richtig: Hubert) B*** und für den Fall, daß dieser im Zeitpunkt des Erbanfalles nicht mehr am Leben sein sollte, dessen gesetzlichen Nachkommen zu hinterlassen. Rechtsanwalt Dr. Pfleger wurde für die noch nicht geborenen Nachkommen des Hubert B*** zum Posteritätskurator bestellt. Zu dem vom Vorerben übernommenen Vermögen gehörte ein Sparbuch, das auf Anordnung des Bezirksgerichtes Baden auf einem Sperrkonto der Sparkasse Baden hinterlegt wurde. Rechtsanwalt Dr. Pfleger erwarb von dem auf dem Sparbuch befindlichen Geld Wertpapiere, die ebenfalls in das Sperrkonto kamen. Mit Beschluß vom 11.2.1988, 2 A 377/60-120, enthob das Bezirksgericht Baden Dr. Pfleger als Posteritätskurator und bestellte ihn zum Verlassenschaftskurator.

Das Rekursgericht wies den oben angeführten Rekurs des Verlassenschaftskurators zurück. Es führte aus, erst nach Rechtskraft der angefochtenen Beschlüsse sei aktenkundig geworden, daß das Wertpapierdepot bei der Sparkasse Baden das Substitutionsvermögen darstelle und Josef E*** nur Vorerbe gewesen sei. Wie sich aus der zu § 174 AußStrG ergangenen Judikatur ergebe, würden durch die Rechtskraft der Einantwortungsurkunde (welcher der Beschluß auf Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens gleichzusetzen sei) Mängel des Abhandlungsverfahrens geheilt, sofern nicht absolute Nichtigkeit vorliege. Sei eine Person des § 75 AußStrG (vermutliche Erben) nicht verständigt worden, weil ihr Vorhandensein aus den Akten nicht zu ersehen gewesen sei, dann bleibe ihr nach Eintritt der Rechtskraft der Einantwortung nur der im § 180 AußStrG vorgezeichnete Weg der Klage. Dies gelte ebenso, wenn ein Dritter, dem das Eigentum an den in das Abhandlungsverfahren einbezogenen Gegenstände als Vertreter der Nacherben zustehe, dem Verfahren nicht beigezogen worden sei, weil sein Vorhandensein nicht aktenkundig gewesen sei. Auch der Umstand, daß bei gehöriger Aufmerksamkeit und Rückfrage beim Bezirksgericht Baden die Zugehörigkeit des Wertpapierdepots zum Substitutionsvermögen nach Emilie E*** erkannt und sohin der Posteritätskurator dem Verfahren beigezogen worden wäre, ändere nichts daran, daß eine direkte Aktenkundigkeit nicht vorgelegen sei und sohin die Rechtskraft der angefochtenen Beschlüsse auch ohne Zustellung an den Posteritätskurator eingetreten sei. Der Rekurs sei daher wegen bereits eingetretener formeller Rechtskraft unzulässig. Eine absolute Nichtigkeit des Verfahrens liege nicht vor. Außerdem mangle dem Rekurswerber die Beschwer, weil die Wertpapiere längst veräußert und der Erlös an die Bezirkshauptmannschaft Mödling, der Schlechtgläubigkeit nicht unterstellt worden sei, verteilt worden sei. Durch den angestrebten Rekurserfolg könne daher das Substitutionsvermögen nicht zustandegebracht werden, bzw könnten auch nicht die Grundlagen für das Zustandebringen geschaffen werden. Die Durchsetzung der Schadenersatzansprüche im Wege der Amtshaftungsklage bleibe aber unbenommen. Durch die nachträgliche Zustellung der bereits in Rechtskraft erwachsenen Beschlüsse an den Verlassenschaftskurator sei deren bereits eingetretene Rechtskraft nicht behoben worden.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Rekurs des Verlassenschaftskurators Dr. Pfleger, der auch berechtigt ist. Der Rekurswerber führt aus, den Nacherben komme Beteiligtenstellung zu, sie könnten die ohne ihre Beiziehung ergangenen Beschlüsse bekämpfen. Die Sperre des Wertpapierdepots sei aktenkundig gewesen, schon bei Einhaltung der geringsten Sorgfalt hätte hervorkommen müssen, daß die Wertpapiere nicht zum Nachlaß des Josef E*** gehören. Ein weiterer schwerer Mangel des Verlassenschaftsverfahrens liege darin, daß keine Abfrage der Grundstücksdatenbank erfolgt sei. Bei einer solchen hätte sich herausgestellt, daß Josef E*** zwei Liegenschaften besitze, bei denen die Beschränkung durch die fideikommissarische Substitution eingetragen sei. Dem Rekurswerber mangle es auch nicht an der Beschwer.

Diesen Ausführungen kann Berechtigung nicht abgesprochen werden. Der Hinweis des Rekurswerbers auf die Entscheidung JBl 1962, 390 zur Frage seiner Rekurslegitimation ist allerdings nicht zielführend. In dieser Entscheidung wurde nämlich die Stellung des Nacherben im Verlassenschaftsverfahren des Erblassers und nicht des Vorerben erörtert. Im vorliegenden Fall geht es aber darum, ob der Nacherbe im Verfahren über die Verlassenschaft des Vorerben Beteiligter ist. Dabei ist davon auszugehen, daß die Substitutionsmasse nicht zum Nachlaß des Vorerben gehört, vielmehr ist die Abhandlung nach dem (ursprünglichen) Erblasser fortzusetzen (vgl Welser in Rummel, ABGB2, Rz 23 zu § 613). Der Nacherbe ist Erbe des Erblassers und nicht des Vorerben (Weiß in Klang2 III 411). Im Verlassenschaftsverfahren des Vorerben kommt dem Nacherben daher keine Beteiligtenstellung zu. Somit geht es hier nicht um die in Judikatur und Lehre behandelte Frage, ob ein Erbe oder Nacherbe, der am Verlassenschaftsverfahren nicht beteiligt wurde, ein Rechtsmittel gegen die Einantwortung hat (vgl JBl 1958, 24; JBl 1985, 98; RZ 1980/45; Hoyer in 30 Jahre Verein der Notariatskandidaten, 16 ff). Nach ständiger Rechtsprechung steht jedoch dem Dritten, in dessen Rechte das Verlassenschaftsgericht unzulässig eingreift, ein Rekursrecht zu (SZ 23/246; SZ 35/94; NZ 1970, 182). Dritter in diesem Sinne ist aber die von Rechtsanwalt Dr. Pfleger vertretene Verlassenschaft, denn das Erstgericht hat mit seinen Beschlüssen über die dieser Verlassenschaft zugehörige Substitutionsmasse verfügt. Aus diesem Grund ist der Verlassenschaftskurator rekursberechtigt. Eine Rechtskraft der Verfügungen des Erstgerichtes kann dem nicht entgegengehalten werden, weil die Beschlüsse dem Verlassenschaftskurator zunächst nicht zugestellt worden waren. Der Zulässigkeit des Rekurses steht auch nicht entgegen, daß die Wertpapiere veräußert und der Erlös der Bezirkshauptmannschaft ausgefolgt wurde, denn durch eine Beseitigung der mit Rekurs bekämpften Verfügungen des Erstgerichtes würde der Anspruch des Landes Niederösterreich auf Überlassung des in die Substitutionsmasse fallenden Vermögens wegfallen und damit auch ein Grund, das bereits überlassene Vermögen zu behalten. Daß dies auf die Rechtsposition der vom Rekurswerber vertretenen Verlassenschaft keinen Einfluß hätte, kann aber nicht von vornherein gesagt werden. Das Rekursgericht wird daher über den Rekurs neuerlich zu entscheiden haben.

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