Spruch:
Das Urteil des Bezirksgerichtes Weyer vom 13.April 1989, GZ U 47/88-8, verletzt, soweit damit der Beschuldigte Johann Ü*** zur Zahlung eines Schmerzengeldes von 10.000 S an den Privatbeteiligten Josef A*** verurteilt wurde, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 366 Abs. 2 und 369 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 333 ASVG idF vor der 48.Novelle, BGBl. 642/1989.
Es werden dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im erwähnten Ausspruch sowie der darauf beruhende Kostenbestimmungsbeschluß vom 28.September 1989 (ON 16) aufgehoben; gemäß § 292 StPO wird in der Sache selbst erkannt:
Der Privatbeteiligte Josef A*** wird auch mit seinen weiteren Ersatzansprüchen (sohin zur Gänze) gemäß § 366 Abs. 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem oben bezeichneten Urteil wurde der Kraftfahrer Johann Ü*** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4, erster Fall, StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe sowie gemäß § 369 StPO zur Zahlung eines Schmerzengeldes von 10.000 S an den Privatbeteiligten Josef A*** verurteilt. Mit seinem Begehren auf Ersatz für beschädigte Kleidung wurde der Privatbeteiligte auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Der Berufung des Beschuldigten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gab das Kreisgericht Steyr mit Urteil vom 30.Juni 1989, AZ 17 Bl 50/89 (ON 13), nicht Folge. Das Adhäsionserkenntnis war unangefochten geblieben. Nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils bestimmte das Bezirksgericht die Kosten des Privatbeteiligten antragsgemäß mit dem - ebenfalls in Rechtskraft erwachsenen - Beschluß vom 28. September 1989 (ON 16).
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat Johann Ü*** als Fahrer eines Müllfahrzeuges der Firma F*** am 10.Oktober 1988 in Kleinreifling den zum Einfüllen der Müllcontainer mitfahrenden und hinten rechts auf einem Trittbrett stehenden Josef A*** durch unachtsames Rückwärtsfahren und Anstoßen an eine Eisenschiene fahrlässig schwer verletzt.
Rechtliche Beurteilung
Der Zuspruch von Schmerzengeld an den Privatbeteiligten steht - wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Beschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz (in der für die Unfallszeit maßgeblichen Fassung) nicht im Einklang:
Der wiedergegebene Sachverhalt ließ nämlich die verläßliche Annahme einer aus der strafbaren Handlung entstandenen Schadenersatzpflicht des Angeklagten gegenüber dem Verletzten nicht zu, weil er auf einen nach §§ 4 ff ASVG der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegenden Arbeitsunfall (§ 175 ASVG) hinwies. Bei einem solchen sind gemäß § 333 Abs. 1 und 4 ASVG der Dienstgeber, der gesetzliche oder bevollmächtigte Vertreter des Unternehmers und der Aufseher im Betrieb nur dann zum Ersatz des aus einer Körperverletzung des Versicherten resultierenden Schadens verpflichtet, wenn sie den Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht haben. Diese Einschränkung der Schadenersatzpflicht betrifft sämtliche aus der Verletzung entstandenen Ansprüche, auch solche auf Schmerzengeld (12 Os 94,95/85, 12 Os 46,47/83; 2 Ob 299/59 = SV-Slg VI/9587; Jarosch-Müller-Piegler, Das Schmerzengeld5, S 125 und die dort angeführte weitere Judikatur). Die Bestimmung des § 333 ASVG gilt auch in bezug auf Personen, die Aushilfsdienste leisten (§ 176 Abs. 1 Z 6 und Abs. 3 ASVG; SV-Slg VI/9588, SZ 48/50, SZ 42/39), wie dies möglicherweise (siehe S 7) bei Josef A*** der Fall war.
Das Bezirksgericht hat vor der Fällung des Adhäsionserkenntnisses die Prüfung, ob die rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Ersatzanspruches gemäß §§ 366 Abs. 2, 369 Abs. 1 StPO im Zusammenhalt mit § 333 Abs. 1 und 4 ASVG zutrafen, unterlassen. Es wäre nämlich zu klären gewesen, ob dem Beschuldigten nicht die Stellung eines "Aufsehers im Betrieb" gemäß § 333 Abs. 4 ASVG zukam (vgl. hiezu die Judikatur in Gehrmann-Rudolph-Teschner, ASVG, Anm Nr. 11 zu § 333), in welchem Falle eben ein Haftungsausschluß bestanden hätte. Die Einschränkung eines solchen Haftungsausschlusses nach § 333 Abs. 3 ASVG (idF vor der mit 1.Jänner 1990 in Kraft getretenen 48.Novelle, BGBl. 642/1989) war jedenfalls nicht gegeben, weil die durch den Gegenstand des Unternehmens bedingte Tätigkeit des Beschuldigten und des Verletzten, welche zu dem Arbeitsunfall führte, keine Teilnahme am allgemeinen Verkehr darstellte (aaO, Anm. 8).
An dieser Stelle ist allerdings zu vermerken, daß nach dem durch die 48.Novelle (BGBl. 642/1989) mit 1.Jänner 1990 wirksam geänderten Wortlaut des § 333 Abs. 3 ASVG nunmehr der erwähnte Haftungsausschluß dann nicht besteht, wenn der Arbeitsunfall durch ein Verkehrsmittel eingetreten ist, für dessen Betrieb auf Grund gesetzlicher Vorschrift eine erhöhte Haftpflicht besteht und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitsunfall bei der Teilnahme des Versicherten am allgemeinen Verkehr eingetreten ist oder nicht. Seit 1. Jänner 1990 besteht also eine Haftpflicht des Dienstgebers (seines gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertreters oder des Aufsehers im Betrieb) bei fahrlässiger Körperverletzung durch ein haftpflichtversichertes Kraftfahrzeug bis zur Höhe der aus einer bestehenden Haftpflichtversicherung zur Verfügung stehenden Versicherungssumme auch dann, wenn sich der Unfall innerhalb des Betriebes ereignet hat, die Beteiligten in Ausübung ihres Dienstes handelten und der Unfall im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der Beschäftigung des Verletzten stand. Auf den vorliegenden Fall (Unfallszeit 10.Oktober 1988) wirkt sich diese Gesetzesänderung jedoch noch nicht aus.
Die Feststellung der aufgezeigten Gesetzesverletzung war gemäß dem letzten Satz des § 292 StPO - wie aus dem Spruch ersichtlich - mit konkreter Wirkung zu verknüpfen, weil jede Benachteiligung eines Angeklagten durch eine Gesetzesverletzung allenfalls sogar unter Eingriff in Rechte dritter Personen, die diesen aus dem Verstoß erwachsen sind, aus Anlaß einer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Beschwerde zu beseitigen ist (SSt. 53/19 u. v.a.).
Die (nunmehr gänzliche) Verweisung auf den Zivilrechtsweg bezieht sich insoferne auch auf den Kostenersatzanspruch des Privatbeteiligten, als über die von seinem Vertreter zur zweckentsprechenden Geltendmachung der Ansprüche im Strafverfahren aufgewendeten Kosten zufolge § 393 Abs. 4 StPO nicht vom Strafgericht, sondern erst in einem allfälligen Zivilprozeß, in welchem über denselben Anspruch erkannt wird, abzusprechen wäre. Eine gesonderte Zurückweisung des Kostenbestimmungsantrages des Privatbeteiligten war daher - entgegen dem Antrag des Generalprokurators - entbehrlich (vgl. 13 Os 121,122/82).
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