OGH 9ObA82/90 (9ObA83/90)

OGH9ObA82/90 (9ObA83/90)25.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Herbert Vesely und Walter Meches als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Adele G***, Angestellte, Innsbruck, Domplatz 2, vertreten durch Dr. Helmuth Kasseroler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei A***-M*** Handelsgesellschaft mbH,

Wien 21., Richard Neutragasse 8 (auch Wien 19., Heiligenstädterstraße 175), vertreten durch Dr. Josef Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 3 a Cg 6/85 des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten (Streitwert 367.975 S brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei und Rekurses der klagenden Partei gegen das Urteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. September 1989, GZ 5 Ra 34/89-24, womit die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens bewilligt und das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 1. Oktober 1985 (3 a Cg 6/85), 2 Cr 167/81-80, aufgehoben, und die Wiederaufnahmsklage, soweit sie sich auf den Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 2 ZPO stützt, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 13.602,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.267,10 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

2. den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 13.602,60 S bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 2.267,10 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Verfahren Cr 623/79 (später 2 Cr 167/81) des Arbeitsgerichtes Innsbruck, verbunden mit Cr 622/79 (Peter P*** gegen die beklagte Partei wegen 18.000 S sA) und Cr 624/79 (Reinhard N*** gegen die beklagte Partei wegen 168.009 S sA) dieses Gerichtes, begehrte die Klägerin von der beklagten Partei einen Betrag von 367.975 S brutto sA. Die Klägerin sei gemeinsam mit ihrem - nunmehr

geschiedenen - Ehegatten Reinhard N*** und ihrem Sohn Peter P***, die ebenfalls bei der beklagten Partei als Angestellte beschäftigt gewesen seien, ungerechtfertigt entlassen worden. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Die Entlassung sei gerechtfertigt, weil die Klägerin im Zusammenwirken mit ihrem Gatten und ihrem Sohn eine Vielzahl fingierter Aufträge gesammelt habe, um eine höhere Provision zu erreichen. Das Arbeitsgericht Innsbruck wies mit Urteil vom 3.August 1984, GZ 2 Cr 167/81-54, die zu Cr 623/79 und Cr 622/79 erhobenen Klagebegehren - in der Sache Cr 624/79 war am 3.August 1984 Ruhen des Verfahrens eingetreten - zur Gänze ab. Es traf unter anderem die negative Feststellung, es könne nicht festgestelt werden, daß die - der Klägerin unterstellten - Vorarlberger Mitarbeiter von der Verkaufsdirektion der beklagten Partei in Wien dahin beeinflußt worden seien, Aufträge zu fingieren bzw. daß fingierte Aufträge dieser Gruppe von der beklagten Partei deshalb geduldet worden seien, um ein Ausscheiden der Vorarlberger Gruppe aus dem Bereich der Klägerin zu ermöglichen.

Das Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten verhandelte die Sache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem. Im Rahmen dieser Neuverhandlung wurde die Einvernahme des im Verfahren erster Instanz beantragten, aber nicht vernommenen Zeugen Herbert R*** im Rechtshilfeweg beschlossen. Dieser Zeuge sagte vor dem Rechtshilfegericht aus, er könne keine Angaben darüber machen, inwieweit fingierte Aufträge wie die der Klägerin anderweitig von der Firmenleitung der beklagten Partei geduldet oder sogar angeregt oder gefördert worden seien. Mit Urteil vom 1.Oktober 1985, 3 a Cg 6/85-80, bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil und traf gleichfalls die oben genannte negative Feststellung. Das Berufungsgericht vertrat ebenso wie das Erstgericht die Rechtsauffassung, die Klägerin habe dadurch, daß sie die für sie - nach den Richtlinien der beklagten Partei - nachteiligen Folgen der Aufblähung des Umsatzes der unterstellten Gruppe mit Hilfe fingierter Aufträge mit gleichen Mitteln abzuwehren suchte, den Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 AngG verwirklicht.

Mit Schriftsatz vom 20.Dezember 1984 beantragte Reinhard N*** die Fortsetzung des ruhenden Verfahrens. Mit Urteil des Arbeitsgerichtes Innsbruck vom 27.Juni 1986, 2 Cr 167/81-85, wurde das inzwischen auf restliche 150.009 S brutto eingeschränkte Begehren des Reinhard N*** abgewiesen. Gegen dieses Urteil erhob er rechtzeitig Berufung an das damals noch zuständige Landesgericht Innsbruck.

Mit Schreiben vom 5.Mai 1986 - eingelangt am 6.Mai 1986 - erstattete Reinhard N*** bei der Staatsanwaltschaft Wien gegen Herbert R*** Anzeige wegen "falscher Zeugenaussage". Nach entsprechenden Erhebungen brachte die Staatsanwaltschaft Graz am 28. Oktober 1986 beim Landesgericht für Strafsachen Graz gegen Herbert R*** einen Strafantrag ein, womit ihm zur Last gelegt wurde, er habe vor dem Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz im Verfahren Hc 1677/86 durch die Aussage, er wisse nichts und könne auch keine geeigneten Angaben darüber machen, inwieweit von der Firmenleitung seines ehemaligen Arbeitgebers AMC (A***-M*** C***) fingierte Aufträge von Mitarbeitern (Aufträge, denen tatsächlich kein Rechtsgeschäft zugrundeliegt) geduldet, angeregt oder gefördert werden, vorsätzlich falsch ausgesagt und habe hiedurch das Vergehen der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB begangen. Mit Urteil vom 1.Dezember 1986 wurde Herbert R*** im Sinne dieses Strafantrages für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, bedingt auf drei Jahre, verurteilt.

Das Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten ordnete bei der Berufungsverhandlung vom 28.Oktober 1986 unter anderem die Einvernahme des Herbert R*** durch das zuständige Rechtshilfegericht an. Am 2.Februar 1987 wurde Herbert R*** vor dem Bezirksgericht Schwechat als Zeuge vernommen. Dabei gab er unter Hinweis auf seine inzwischen erfolgte Verurteilung wegen falscher Beweisaussage zu, daß seine Aussage vom 28.Juni 1985 unvollständig gewesen sei. Tatsächlich sei Ende 1975 oder Anfang 1976 der Verkaufsleiter der beklagten Partei Lothar K*** an Herbert R*** mit dem Ansinnen herangetreten, die auf die sogenannte Zwei-Drittel-Mehrheit fehlenden Aufträge durch fingierte Bestellungen zu ersetzen. Dies hätte zur Folge gehabt, daß Provisionen, die bisher einer - Herbert R*** in der Hierarchie übergeordneten - Mitarbeiterin zugekommen seien, nunmehr dem Verkaufsdirektor Lothar K*** zugeflossen seien.

Auf Grund dieser erst im Berufungsverfahren abgelegten Zeugenaussage traf das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht - an das das Verfahren gemäß § 101 Abs 1 Z 3 ASGG überwiesen worden war - mit Urteil vom 28.September 1987, 5 Ra 36/87-86, die Feststellung, dem Verkaufsdirektor der beklagten Partei Lothar K*** sei die Praxis, durch fingierte Aufträge die geforderte Mindestauftragszahl zu halten oder die nächsthöhere Stufe zu erreichen, zumindest in Einzelfällen bekannt gewesen. Er habe diese Praxis teilweise toleriert, in Einzelfällen aus personaltaktischen, möglicherweise auch aus finanziellen Gründen sogar gefördert und angeregt. Das Berufungsgericht vertrat auf Grund dieses - abweichend vom Erstgericht - festgestellten Sachverhaltes die Rechtsauffassung, daß die Entlassung des Klägers Reinhard N*** zwar gerechtfertigt gewesen sei, die Unredlichkeiten des Verkaufsdirektors Lothar K*** aber gemäß § 32 AngG zu berücksichtigen seien. Dementsprechend wurde der Berufung des Klägers teilweise Folge gegeben und dem Kläger die Hälfte des Klagebetrages zuerkannt. Die beklagte Partei bekämpfte diese Entscheidung nicht. Der vom Kläger erhobenen Revision gab der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 10.Februar 1988, 9 Ob A 201/87, Folge und änderte das Berufungsurteil im Sinne einergänzlchen Klagestattgebung ab. Dieses Urteil wurde dem nunmehrigen Klagevertreter und damaligen Vertreter des Reinhard N*** am 21. März 1988 zugestellt.

Mit der am 24.Mai 1988 beim Landesgericht Innsbruck überreichten Klage begehrte die Klägerin "die Wiederaufnahme des Verfahrens in der Prozeßsache Adele G***-N*** gegen Firma AMC

A***-M*** Handelsgesellschaft mbH, 2 Cr 167/81 des Arbeitsgerichtes Innsbruck (3 a Cg 6/85 des Landesgerichtes Innsbruck)", ferner die Aufhebung der in dieser Sache erflossenen Urteile des Arbeitsgerichtes Innsbruck und des Landesgerichtes Innsbruck und sodann in der Sache selbst die Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens. Sie habe am 27.April 1988 das Schreiben ihres geschiedenen Ehegatten Reinhard N*** vom 25.April 1988 erhalten. Reinhard N***, mit dem sie schon seit Jahren keinen Kontakt mehr habe, habe ihr darin mitgeteilt, daß der im Verfahren vernommene Zeuge Herbert R*** in der Zwischenzeit wegen falscher Zeugenaussage zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Nach Erhalt des Briefes habe sie den Klagevertreter aufgesucht und sei von ihm über den Verlauf des von ihrem geschiedenen Gatten geführten Rechtsstreites informiert worden. Aus der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck ergebe sich, daß auf Grund der strafgerichtlichen Verurteilung des Herbert R*** und seiner nunmehr berichtigten Zeugenaussage die von der Klägerin schon immer behauptete Initiierung von fingierten Aufträgen durch Lothar K*** bestätigt worden sei. Es seien sohin die Wiederaufnahmsgründe nach § 530 Abs 1 Z 2, 3 und 7 ZPO gegeben, wobei von dem Anfechtungsgrund nicht nur das Berufungsurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 1. Oktober 1985, sondern auch das Ersturteil betroffen sei. Die beklagte Partei beantragte die Ab- bzw. Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage. Die Wiederaufnahmsklage wegen falscher Beweisaussage sei innerhalb der Notfrist von vier Wochen ab Rechtskraft des Strafurteils einzubringen. Diese Frist sei längst abgelaufen. Unerheblich sei, wann die Klägerin von der strafgerichtlichen Verurteilung erfahren habe. Darüber hinaus habe die Klägerin auf Grund ihrer Einvernahme durch die Sicherheitsbehörden im Strafverfahren gegen Herbert R*** von dem gegen Herbert R*** erhobenen Vorwurf Kenntnis erlangt. Sie hätte sich daher um den Ausgang des Verfahrens kümmern müssen. Im übrigen sei die Beweisaussage des Zeugen Herbert R*** nicht entscheidungswesentlich, weil er nur in den Bereichen Steiermark, Kärnten und zuletzt einem Teil Niederösterreichs tätig gewesen sei und für den Bereich Tirol und Vorarlberg keine verläßlichen Aussagen machen könne. Sei die auf den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 2 ZPO gestützte Klage verfristet, könne dies nicht dadurch saniert werden, daß das Wiederaufnahmsbegehren auf den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützt werde.

Mit Beschluß vom 8.Februar 1989, 9 Ob A 312, 313/88, hat der Oberste Gerichtshof infolge des gegen die Zurückweisung der gegenständlichen Klage erhobenen Rekurses ausgesprochen, daß das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht für die Entscheidung über die Wiederaufnahmsklage zuständig ist und die Sache an dieses Gericht überwiesen.

Mit dem angefochtenen Urteil bewilligte das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens und hob das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 1.Oktober 1985 auf; hingegen wurde das Mehrbegehren auf Wiederaufnahme auch des erstgerichtlichen Verfahrens abgewiesen. Ferner wies das Berufungsgericht die Wiederaufnahmsklage, soweit sie auf den Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 2 ZPO gestützt wurde, zurück und wies den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin gegen die Versäumung der Klagsfrist ab.

Das Berufungsgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Ehe zwischen der Klägerin und Reinhard N*** wurde im Jahre 1981 geschieden. Seither bestand zwischen den beiden kein Kontakt mehr. Seit ca. vier Jahren wohnt die Klägerin mit Karl Walter KUX in Lebensgemeinschaft. Reinhard N*** zeigte Herbert R*** bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen falscher Beweisaussage an. Diese Anzeige wurde von der Staatsanwaltschaft Wien an die Staatsanwaltschaft Graz abgetreten. Das Landesgericht für Strafsachen Graz wurde um die Vornahme von Vorerhebungen ersucht; mit den Ermittlungen wurde die Bundespolizeidirektion Graz beauftragt. Am 17.September 1986 suchten zwei Beamte der Bundespolizeidirektion Graz die Klägerin in Innsbruck auf, um sie als Auskunftsperson zu vernehmen. Die Klägeriin wurde über den Gegenstand der Einvernahme aufgeklärt. Sie machte Angaben über ihr Beschäftigungsverhältnis bei der beklagten Partei und über ihre Entlassung. Sie sagte auch über die fingierten Aufträge aus und gab weiters zu Protokoll, daß Herbert R*** ihr und ihrem geschiedenen Gatten bei einem Treffen erzählt habe, daß er vom Verkaufsdirektor Lothar K*** und der Firma AMC aufgefordert worden sei, fingierte Aufträge zu schreiben und die ihm übergeordnete Frau W*** auszuschalten, um selbst wieder die Spitze einer neuen Pyramide bilden zu können. Der Anzeige lag ein von Reinhard N*** auf Tonband aufgezeichnetes Telefonat mit Herbert R*** zugrunde. Die Klägerin gab vor den Kriminalbeamten an, daß sie von der Aufnahme dieses Telefonats nichts wisse und nunmehr erstmals davon Kenntnis erlangt habe, daß Reinhard N*** den Herbert R*** wegen des Verdachtes der falschen Beweisaussage vor Gericht bei der Staatsanwaltschaft Wien angezeigt habe. Über den weiteren Verlauf dieses Strafverfahrens hat sich die Klägerin nicht mehr erkundigt. Zu Herbert R*** bestand ab diesem Zeitpunkt auch kein Kontakt mehr. Am 23.April 1988 rief Reinhard N*** die Klägerin in Innsbruck an, konnte jedoch nur deren Lebensgefährten Karl Walter KUX erreichen. Er teilte diesem mit, daß nach seiner Kenntnis nun im Rechtsstreit der Klägerin ein Wiederaufnahmsgrund gegeben wäre, man möge sich darum kümmern. Weitere Mitteilungen über die Art des Wiederaufnahmsgrundes machte Reinhard N*** bei diesem Telefonat nicht. Über Ersuchen des Karl Walter KUX sagte er eine schriftliche Mitteilung zu. Am 27.April 1988 erhielt die Klägerin ein Schreiben des Reinhard N***, in dem er ihr mitteilte, daß er mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 10.Februar 1988 seinen Prozeß in vollem Umfang gewonnen habe. Die falsche Zeugenaussage des Herbert R*** im Berufungsverfahren bilde im Prozeß der Klägerin einen Wiederaufnahmsgrund. Es gebe keinen einfacheren Weg, als Dr. Helmut K*** mit der Wiederaufnahme zu betrauen. Daraufhin beauftragte die Klägerin diesen Anwalt mit der Einbringung der Wiederaufnahmsklage.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Frage, ob fingierte Aufträge von Lothar K*** geduldet, gefördert oder initiiert wurden, für die Entscheidung relevant sei. Dies ergebe sich insbesondere aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 10.Februar 1988, 9 Ob A 201/87. Die Klage sei aber, soweit sie auf den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 2 ZPO gestützt werde, verfristet, weil sie binnen der Notfrist von vier Wochen ab Rechtskraft des Strafurteiles einzubringen sei. Habe der Wiederaufnahmswerber keine Kenntnis von der Rechtskraft der Verurteilung erlangt, stehe ihm nur der Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist zur Verfügung. Innerhalb der 14-tägigen Frist ab Wegfall des Hindernisses (Unkenntnis) sei der Wiedereinsetzungsantrag einzubringen und die versäumte Prozeßhandlung (Wiederaufnahmsklage) nachzuholen. Angesichts des klaren Wortlautes des § 534 Abs 2 Z 3 ZPO sei der gegenteiligen Ansicht Faschings nicht zu folgen und der Beginn des Fristenlaufes ab Rechtskraft des Urteiles anzunehmen. Die Klägerin stütze ihre Wiederaufnahmsklage aber nicht nur auf die Verurteilung des Zeugen Herbert R*** wegen falscher Beweisaussage, sondern auch darauf, daß dieser Zeuge in einem weiteren Verfahren im Sinne der Klägerin ausgesagt habe. Damit mache sie den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend. In diesem Fall beginne gemäß § 534 Abs 2 Z 4 ZPO der Fristenlauf mit dem Tag, an welchem die Partei imstande gewesen sei, die ihr bekannt gewordenen Tatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen. Abgesehen davon, daß der Fristenlauf nicht bereits mit einer undifferenzierten Mitteilung über die Möglichkeit einer Wiederaufnahme zu laufen beginne, sondern erst durch eine solche Kenntnis der neuen Tatsachen, die objektiv gesehen die Wiederaufnahmsklage rechtfertigen, wäre die Frist auch noch gewahrt, wenn man davon ausginge, daß die Klägerin bereits am 23.April 1988 Kenntnis erlangt habe. Das Ende der Frist sei auf einen Samstag gefallen und der 23.Mai 1988 der Pfingstmontag gewesen, sodaß die Überreichung der Klage am 24.Mai 1988 noch rechtzeitig erfolgt sei. Gegen die Bewilligung der Wiederaufnahme und die Aufhebung des Urteils des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 1.Oktober 1985 richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Gegen die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage, soweit sie auf den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 2 ZPO gestützt wurde, richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht aufzutragen, das gesetzliche Verfahren vom Zurückweisungsgrund durchzuführen; hilfsweise wird beantragt, den angefochtenen Beschluß im Sinne des auch auf den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 2 ZPO gestützten Klagebegehrens abzuändern.

Die klagende Partei beantragt, der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Die beklagte Partei beantragt, dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der klagenden Partei und die Revision der beklagten Partei sind nicht berechtigt.

1. Zum Rekurs der klagenden Partei:

Zutreffend ist das Berufungsgericht angesichts des klaren Wortlautes des § 534 Abs 2 Z 3 ZPO davon ausgegangen, daß bezüglich des Wiederaufnahmsgrundes nach § 530 Abs 1 Z 2 ZPO die vierwöchige Notfrist mit Eintritt der Rechtskraft des strafgerichtlichen Urteils (oder des die Einstellung aussprechenden Beschlusses) beginnt (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen der Rekurswerberin zu erwidern, daß, wie zur Revision der beklagten Partei auszuführen sein wird, die Tatsache der falschen Beweisaussage nach Versäumung dieser Notfrist mangels Kenntnis von der strafgerichtlichen Verurteilung auch unter dem Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend gemacht werden kann.

2. Zur Revision der beklagten Partei:

Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Soweit die Revisionswerberin Feststellungen über die Aufklärung der Klägerin über das Strafverfahren gegen Herbert R*** vermißt, ist sie auf die vom Berufungsgericht ohnehin zu diesem Thema getroffenen Feststellungen zu verweisen.

Zu Unrecht wendet sich die Revisionswerberin auch gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes.

Wie sich aus der Bestimmung des § 539 Abs 1 ZPO ergibt, kann die Wiederaufnahme wegen der in § 530 Abs 1 Z 1 bis 4 ZPO angeführten strafbaren Handlungen bereits vor Vorliegen eines rechtskräftigen Strafurteils, ja sogar schon vor Einleitung eines Strafverfahrens begehrt werden. § 534 Abs 2 Z 2 ZPO kann im Zusammenhang mit § 539 Abs 1 ZPO daher nur dahin gedeutet werden, daß der Wiederaufnahmskläger zwar berechtigt ist, schon vor Beendigung des Strafverfahrens wegen falscher Beweisaussage die Klage einzubringen, daß er aber andererseits nicht gezwungen sein soll, diese Klage auf einen bloßen Verdacht, auf die Einleitung der Voruntersuchung, die Erhebung der Anklage oder auf eine noch nicht rechtskräftige Verurteilung zu stützen. Es soll ihm vielmehr die Möglichkeit offenstehen, mit der Einbringung der Wiederaufnahmsklage bis zur Rechtskraft des Strafurteils zuzuwarten. Während die zehnjährige Frist des § 534 Abs 3 ZPO zu einem absoluten Erlöschen des Wiederaufnahmsanspruches unabhängig von einer Säumnis der Partei führt, soll die vierwöchige Frist der Partei eine von der (früheren) Kenntnis der strafbaren Handlung unabhängige Möglichkeit zum prozessualen Handeln gewähren (vgl. SZ 10/191). Es entspricht daher weder dem Zweck dieser den Wiederaufnahmskläger in der Regel begünstigenden Bestimmung noch dem Charakter der vierwöchigen Frist als subjektiver, von einer Säumnis der Partei abhängigen Frist, als Folge ihrer Versäumung auch bei Unkenntnis der Partei von der strafbaren Handlung (ihrer Beweisbarkeit) und der deswegen erfolgten Verurteilung den Verlust der Möglichkeit anzunehmen, die strafbare Handlung als Wiederaufnahmsgrund überhaupt noch geltend zu machen. Die strafbare Handlung kann daher, unabhängig von einer Verurteilung, binnen vier Wochen ab dem Zeitpunkt, an dem die Partei sichere Kenntnis von der Straftat (ihrer Beweisbarkeit) erhält, unter dem Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend gemacht werden (vgl. Neumann, Komm. zu den Zivilprozeßgesetzen4, 1421). In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß dann, wenn sich nachträglich die objektive Unrichtigkeit einer Zeugenaussage herausstellt, der Zeuge aber wegen eines Schuldausschließungsgrundes nicht strafbar ist, die Partei die ihr bekanntgewordene Tatsache der objektiv unrichtigen Zeugenaussage mit Wiederaufnahmsklage gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend machen kann (vgl. SZ 11/257 sowie SZ 38/135; zuletzt 2 Ob 226/70). Der Fristenlauf nach § 534 Abs 2 Z 4 ZPO beginnt erst, wenn die Partei soweit Kenntnis von den neuen Tatsachen - hier der strafbaren Handlung und den dafür vorliegenden Beweisen - erlangt, daß sie die Wiederaufnahmsklage mit Aussicht auf Erfolg einbringen kann (vgl. Fasching IV 531; SZ 51/165; EvBl 1980/102; zuletzt 4 Ob 157, 158/85). Auch wenn die Klägerin anläßlich ihrer Einvernahme vom 17.September 1986 von den Polizeibeamten darüber informiert wurde, daß der von Reinhard N*** gegen Herbert R*** erstatteten Anzeige wegen falscher Beweisaussage ein von Reinhard N*** aufgezeichnetes Telefonat mit Herbert R*** zugrundelag, reichten diese Kenntnisse nicht aus, um der Klägerin die Einbringung einer formal einwandfreien, voraussichtlich erfolgreichen Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 Z 2 ZPO zu ermöglichen.

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin traf die Klägerin auch keine Verpflichtung, nach Schluß der mündlichen Verhandlung im Vorprozeß weitere Nachforschungen schon bei Vorliegen vager, eine Wiederaufnahmsklage für sich nicht rechtfertigender Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes anzustellen. Dies ergibt sich aus dem Fehlen einer dem § 530 Abs 2 ZPO entsprechenden Bestimmung im Zusammenhang mit der auf Kenntnis und nicht Kennenkönnen abstellenden Vorschrift des § 534 Abs 2 Z 4 ZPO (vgl. insbesondere SZ 28/95 = SpR 41 neu, wonach für die Beurteilung, ob die Frist des § 534 Abs 2 Z 4 ZPO eingehalten wurde, nur die Kenntnis vom neuen Beweismittel maßgeblich und ein Verschulden im Sinne des § 530 Abs 2 ZPO nur insoweit beachtlich ist, als es die Geltendmachung des Beweismittels vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz verhinderte). Die Ausführungen der Revisionswerberin, die Klägerin hätte sich früher - aber erst nach dem am 1.Oktober 1985 erfolgten Schluß der mündlichen Berufungsverhandlung im Vorprozeß (damals bestand gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG im Berufungsverfahren kein Neuerungsverbot) - über den Ausgang des Strafverfahrens gegen Herbert R*** informieren können, gehen daher ins Leere.

Auch der Revision der beklagten Partei war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, jene über die Kosten des Rekurses auf den §§ 40, 50 ZPO.

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