OGH 7Ob538/90

OGH7Ob538/905.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Franz G***, Rechtsanwalt in Völkermarkt, Klagenfurter Straße 9, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma S***-S***- und O*** GesmbH, wider die beklagte Partei Roland R***, Werbeunternehmer, Kühnsdorf, Seebach 6, vertreten durch Dr. Heinz Walther, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 795.327,25, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 3. November 1989, GZ 2 R 191/89-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 23. August 1989, GZ 27 Cg 40/89-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 18.127,80 (darin S 3.021,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war Geschäftsführer der S***-S***- UND O*** GesmbH. Diese Firma war einzige persönlich haftende Gesellschafterin der Firma S***-S***- UND O*** GesmbH & Co KG. Daneben betrieb der Beklagte ein nicht protokolliertes Werbeunternehmen unter seinem Namen. Über das Vermögen der Firma S***-S***- UND O*** GesmbH wurde am 10.6.1988, über jenes der Firma S***-S***- UND O*** GesmbH & Co KG am 11.7.1988 beim Landesgericht Klagenfurt das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Das Konkursverfahren über die KG wurde nach Verteilung der Masse abgeschlossen, jenes über die GesmbH ist noch anhängig. Unbestritten blieb, daß der Beklagte mit seiner Einzelhandelsfirma 7 Kundenaufträge entgegengenommen hat, diese Aufträge durch eine der beiden Gesellschaften ausgeführt wurden und der Beklagte dafür den Klagsbetrag erhalten hat.

Der klagende Masseverwalter begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Bezahlung von S 795.327,25 s.A. und brachte dazu vor, der Beklagte habe der die Aufträge ausführenden S***-S***- UND O*** Gesellschaft mbH den Werklohn in dieser Höhe

vorenthalten. Der Beklagte habe trotz Mahnung nichts bezahlt. Die vom Beklagten erhobene Kompensandoforderung wurde dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Letztlich stützte der Masseverwalter das Klagebegehren auch darauf, daß der Beklagte gegen § 25 GmbHG verstoßen habe und dadurch eine Überschuldung der

S***-S***- UND O*** GesmbH zumindestens im Umfang des Klagebegehrens zu verantworten habe. Der Beklagte sei deswegen auch wegen des Vergehens nach § 159 StGB rechtskräftig verurteilt worden. Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, alle Aufträge seien von der S***-S***- UND O*** GesmbH & Co KG ausgeführt worden. Dieser Firma habe er den gesamten Werklohn bezahlt. Es werde daher die Aktivlegitimation des klagenden Masseverwalters bestritten. Überdies sei der Beklagte nie zu einer Zahlung aufgefordert worden. Der Beklagte habe gegenüber der Zentralsparkasse und Kommerzialbank, früher Villacher Sparkasse, die Bürgen- und Zahlerhaftung für einen Kontokorrentkredit der klagenden Partei übernommen, der nunmehr fälliggestellt worden sei. Es werde daher eine Gegenforderung von S 720.289,50 gegenüber der allenfalls zu Recht bestehenden Klagsforderung kompensando eingewendet. Die Streichung des Beisatzes "& Co KG" auf den Beilagen ./A und ./G sei versehentlich durch eine Hilfskraft erfolgt.

Das Erstgericht sprach der klagenden Partei den begehrten Kapitalsbetrag samt 5 % Zinsen seit 20.8.1988 zu, wies das Zinsenmehrbegehren ab und traf neben den eingangs wiedergegebenen noch folgende Feststellungen: Der Beklagte hat die seinem Einzelhandelsunternehmen erteilten Druckaufträge der Firma S***-S***- UND O*** GesmbH weiter übertragen, die sie auch ausführte. Er hat die von den Kunden dafür geleisteten Zahlungen aber nicht an die GesmbH weiter überwiesen, sondern sie behalten. Über Aufforderung des Masseverwalters, die Ausstände der GesmbH durch Rechnungen zu belegen, legte der Beklagte die Rechnungen laut Beilage ./A bis ./G, die alle an ihn adressiert sind, vor. Auf diesen Rechnungen ist im die S***-S***- UND O*** GesmbH als Rechnungslegerin ausweisenden Briefkopf jeweils der Firmenzusatz "& Co KG" durchgestrichen worden. Diese Rechnungen blieben unbeglichen. Rechtlich folgerte das Erstgericht aus diesen Feststellungen, daß der Beklagte als Einzelhandelskaufmann die der S***-S***- UND O***

GesmbH erteilten Werkaufträge nicht bezahlt habe.

Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil der gegen den Zuspruch erhobenen Berufung des Beklagten keine Folge und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Es kam zum Ergebnis, daß die Rechtsrüge nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehe und daher nicht gesetzmäßig ausgeführt sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Da das Urteil des Berufungsgerichtes vor dem 31.12.1989 erging, war gemäß Art XLI Z 9 der WGN 1989 (BGBl.1989/343) die Revision nach der vor dem Art II Z 1 WGN geltenden Bestimmung, sohin nach § 502 Abs 4 Z 2 ZPO aF zu behandeln.

Nach der Aktenlage wurde der Strafakt 17 Vr 1707/88 des Landesgerichtes Klagenfurt zwar angeschlossen, aber nicht verlesen. Die vom Berufungsgericht getroffenen ergänzenden Feststellungen über die strafgerichtliche Verurteilung des Beklagten (vgl. AS 84 = S 4 der Urteilsausfertigung) hätten aber nur nach vorangehender Verlesung des Strafaktes in einer anzuberaumenden Berufungsverhandlung erfolgen dürfen. Abgesehen davon, daß sich der Revisionswerber aber nicht gegen den Wahrheitsgehalt dieser ergänzenden Feststellungen wendet, ist die Berücksichtigung eines verurteilenden Strafurteiles im angefochtenen Urteil zufolge der Bindungswirkung des § 268 ZPO gerechtfertigt. Die ergänzenden Feststellungen des Berufungsgerichtes sind aber auch für die Beurteilung irrelevant, wei sie in keinem Bezug zur streitentscheidenden Frage stehen, ob der Beklagte die bei ihm eingelangten Zahlungen an die GesmbH weitergeleitet hat oder nicht. Eine Entscheidung eines Berufungsgerichtes über eine Beweisrüge ist dann mängelfrei, wenn dieses nachvollziehbare Überlegungen über die Beweisrüge anstellt (vgl. EFSlg 34.489). Die Bezugnahme des Berufungsgerichtes in der angefochtenen Entscheidung auf eine Aussage des Beklagten im Strafverfahren (vgl. AS 87 = S 7 der Urteilsausfertigung) ist zwar nicht nachvollziehbar, weil dieses Beweisergebnis aus dem Strafverfahren nicht Gegenstand des zivilgerichtlichen Beweisverfahrens geworden ist, sie stellt aber nur eine Hilfsbegründung dar. Primärer Anhaltspunkt für die mangelnde Glaubwürdigkeit des Beklagten war für das Berufungsgericht dessen offensichtliche Verschleierungsabsicht. Damit teilte das Berufungsgericht die Bedenken des Erstgerichtes an der Glaubwürdigkeit des Beklagten. Dieser muß sich vorwerfen lassen, bei einer gegen ihn sprechenden Beweissituation nicht in der Lage gewesen zu sein, eine nachvollziehbare Darstellung darüber zu geben, wie es zu den Rechnungen Beilage ./A bis ./G gekommen ist, die eindeutig gegen ihn sprechen. Seine Verantwortung, die Werkaufträge seien von der KG erledigt und dieser auch bezahlt worden, konnte er nicht konkret und daher schon gar nicht durch objektive Beweismittel wie Urkunden belegen. Den Revisionsbehauptungen ist zu entgegnen, daß es sich bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Geschehensablaufes um einen Vorgang der Beweiswürdigung handelt (vgl. ZVR 1978/206). Die vom Berufungsgericht aus dem Strafakt entnommene Hilfsbegründung stellt daher keinen Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz dar, weil das Berufungsgericht damit keine von den erstgerichtlichen Feststellungen abweichende Feststellungen getroffen hat, sondern nur die seiner Ansicht nach zutreffende Beweiswürdigung des Erstgerichtes durch ein weiteres Argument ergänzt hat. Die unterlassene Aufnahme des vom Beklagten zu seiner Behauptung, daß die Beisätze "& Co KG" auf den Beilagen ./A bis ./G irrtümlich gestrichen worden seien, geführten Zeugenbeweises K*** (vgl AS 51) wude von ihm in seiner Berufung nicht als Verfahrensmangel gerügt. Letztlich verwirklicht ein dem Berufungsgericht unterlaufener Verfahrensverstoß nur dann den Revisionsgrund nach § 503 Z 2 ZPO, wenn dieser abstrakt geeignet war, eine unrichtige Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz herbeizuführen (zuletzt 2 Ob 605/85). Da aber die Argumente, die das Berufungsgericht gegen die Glaubwürdigkeit der Aussage des Beklagten aus dem erstinstanzlichen Beweisverfahren herangezogen hat, durchaus für eine schlüssige Bearbeitung der Beweisrüge ausreichten, schadet die Heranziehung der Hilfsbegründung aus dem nicht zum Gegenstand des erstgerichtlichen Beweisverfahrens gewordenen Strafverfahren nicht.

Auch der vom Erstgericht nicht aufgenommene Sachverständigenbeweis aus dem Buchprüferwesen begründet ebenfalls keinen stichhältigen Revisionsgrund. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß die Beurteilung der Frage, ob zur Überprüfung der vernommenen Zeugen oder Parteienaussagen ein Kontrollbeweis erforderlich ist, Sache der freien Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen ist. Die Unterlassung von Kontrollbeweisen kann daher nicht unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens angefochten werden (zuletzt 8 Ob 559/89). Dazu wäre dem Revisionswerber auch zu erwidern, daß angebliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die vom Berufungsgericht nicht als solche erkannt worden sind, nicht nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden können (vgl. SZ 27/4 ua., zuletzt 10 Ob S 361/89). Zutreffend hat das Erstgericht erkannt, daß die in der Berufung erhobene Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt wurde, weil sie nicht vom festgestellten Sachverhalt ausging. Wurde jedoch im Berufungsverfahren keine taugliche Rechtsrüge erhoben, so kann diese Rüge im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (zuletzt SSV-NF 1/28).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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