OGH 15Os20/90

OGH15Os20/903.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.April 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wolf als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmut P*** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 22. Jänner 1990, GZ 38 Vr 1796/89-48, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, und des Verteidigers Dr. Urban, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt 2 a), jedoch nur insoweit als ihm der Diebstahl von Zigarren und vier Flaschen Bier angelastet wird, sowie im Strafausspruch, jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft aufgehoben. Insoweit wird gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Helmut P*** wird von der Anklage, am 12.Juli 1989 in Erpfendorf der Familie W*** mehrere Zigarren und vier Flaschen Bier mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Helmut P*** wird für die ihm weiterhin zur Last liegenden Vergehen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB, des Diebstahls nach § 127 StGB und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB nach §§ 28, 147 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 16 (sechzehn) Monaten verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Helmut P*** der Vergehen (zu 1 a-f) des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB mit einer Gesamtschadenssumme von 179.455 S, (zu 2 a-d) des Diebstahls nach § 127 StGB und (zu 3) der Sachbeschädigung, und zwar eines Fensters, nach § 125 StGB schuldig erkannt.

Als Diebstahl liegt ihm zur Last, fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

2 a) um den 12.Juli 1989 in Erpfendorf der Familie W*** mehrere Zigarren, vier Flaschen Bier und einen Haustorschlüssel unbekannten Wertes,

2 b) am 17.Juli 1989 in St.Johann/Tirol dem Martin E*** eine Pyjamehose und eine Windjacke unbekannten Wertes,

2 c) am 18.Juli 1989 in St.Ulrich am Pillersee der Familie W*** eine Tischdecke im Wert von 200 S, und

2 d) am 18.Juli 1989 in Erpfendorf dem Maximilian K*** ein Küchenmesser im Wert von 580 S.

Der Angeklagte hat Nichtigkeitsbeschwerde erhoben, in welcher er formell unter Heranziehung der in Z 9 lit b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO genannten Gründe, der Sache nach jedoch nur unter ersterem Nichtigkeitsgrund, ausschließlich den Schuldspruch wegen Vergehens des Diebstahls bekämpft, in dem er vorbringt, diese Urteilstaten wären rechtsrichtig als Vergehen der Entwendung nach § 141 StGB zu beurteilen gewesen. Es hätte mangels Ermächtigung (§ 141 Abs. 2 StGB) ein diesbezüglicher Freispruch gefällt werden müssen.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Beschwerdeeinwand kommt teilweise zu Punkt 2 a, und zwar in Ansehung der Wegnahme von mehreren Zigarren und vier Flaschen Bier aus dem Haus der Familie W***, das er zur Nächtigung aufgesucht hat (US 8), Berechtigung zu. die Konsumation dieser Waren sofort am Tatort (US 8) geschah, um gegenwärtige Bedürfnisse des Angeklagten sogleich zu befriedigen, wobei er einer augenblicklichen Eingebung und nicht einem Hang zum Stehlen folgte (US 11). Diese vom Erstgericht angenommene Motivation ist rechtlich dahin zu beurteilen, daß die Entziehung der Rauchwaren und des Getränks der Befriedigung eines Gelüstes im Sinne des § 141 StGB diente (vgl ENr 8 ff zu dieser Gesetzesstelle in Mayerhofer/Rieder3, insbesondere SSt 49/14).

Da der Wert dieser Sachen gering ist, sind die Voraussetzungen nach § 141 Abs. 1 StGB erfüllt; daß daneben und in der Folge andere Sachen im Sinne des § 127 StGB gestohlen wurden, ändert daran nichts und auch eine Zusammenrechnung der Werte im Sinne des § 29 StGB kommt nicht in Betracht (vgl Kienapfel BT II2 § 141 RN 18 f). Mangels einer Ermächtigung der Verletzten zur Strafverfolgung war daher nach Aufhebung des diesbezüglichen Schuldspruchs mit Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO vorzugehen.

Eine Begehung der weiteren vom Erstgericht als Diebstahl beurteilten Taten aus einem in der im § 141 StGB angeführten Motive, also aus Not, aus Unbesonnenheit oder zur Befriedigung eines Gelüstes, ist den Urteilsfeststellungen allerdings nicht zu entnehmen; nach der Aktenlage waren Feststellungen in dieser Richtung auch nicht geboten:

Eine Aneignung des Hausschlüssels der Familie W*** aus Unbesonnenheit - eine andere Voraussetzung des § 141 StGB ist schon im Hinblick auf die Art des entzogenen Gegenstandes auszuschließen - ist selbst vom Angeklagten nicht behauptet worden und mit den für eine Planmäßigkeit seines Handelns sprechenden weiteren Verfahrensergebnissen (insbesondere S 88/I über das Verstecken des Schlüssels) unvereinbar.

Die Entziehung der Kleidungsstücke des Mitpatienten Martin E*** bzw der Tischdecke der Familie W*** (Schuldsprüche 2 b und c) durch den Angeklagten diente dem Zweck, sich einzukleiden bzw gegen Regen zu schützen (US 9). Dennoch hat er - der Rechtsrüge zuwider - dabei nicht aus Not gehandelt. Er war nämlich nicht genötigt, sich aus dem Krankenhaus unbemerkt - und deshalb ohne eigene Kleidung, sondern vielmehr mit Kleidungsstücken seines Bettnachbarn - zu entfernen und seinen Weg bei Regen fortzusetzen. Daß diesen Angriffen auf fremdes Vermögen aber ein anderer in § 141 StGB angeführter Beweggrund (Unbesonnenheit, Befriedigung eines Gelüstes) zugrunde gelegen wäre, ist weder festgestellt noch durch die Aktenlage indiziert, der insoweit vor allem kein Hinweis auf ein spontanes - einer Augenblickseingebung folgendes - Handeln des Angeklagten zu entnehmen ist.

In Ansehung der Wegnahme eines Küchenmessers aus einem weiteren zur Nächtigung benützten Haus (2 d) führt der Angeklagte die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig aus, indem er ihr zugrunde legt, das Messer nur zwecks Begehung eines Selbstmordes - aus Unbesonnenheit (vgl Mayerhofer/Rieder3 § 141 StGB, ENr 7 d) - an sich genommen zu haben. Nach den Urteilsfeststellungen, von denen eine prozeßordnungsgemäße Darstellung des angezogenen Nichtigkeitsgrundes auszugehen hätte, war es ihm nämlich bei der Aneignung des Messers keineswegs ausschließlich um dessen Verwendung als Selbstmordwaffe zu tun (US 10).

Insoweit war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Die teilweise Kassierung des Schuldspruchs führt auch zur Aufhebung des Strafausspruchs. Für die dem Angeklagten weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen war damit eine neue Strafe festzusetzen.

Dabei waren erschwerend die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen teils derselben, aber auch verschiedener Art, sowie die (formell die Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllenden) Vorstrafen des Angeklagten wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten; mildernd hingegen dessen Geständnis, seine teils beschränkte Zurechnungsfähigkeit und die erhebliche Schadensgutmachung.

Bei diesen Strafzumessungsgründen erschien eine gegenüber der in erster Instanz verhängten Freiheitsstrafe geringfügig reduzierte Strafdauer als angemessen (§ 32 StGB). Mit seiner (eine Strafherabsetzung anstrebenden) Berufung war der Angeklagte darauf zu verweisen.

Die Vorhaftanrechnung sowie der Ausspruch des Erstgerichts über die privatrechtlichen Ansprüche bleiben unberührt.

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