OGH 2Ob155/89

OGH2Ob155/8928.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian R***, ehemals Transportunternehmer, 9431 St. Stefan, Thürn 35, vertreten durch die bestellte Sachwalterin Hermine R***, Hausfrau, ebendort, diese vertreten durch Dr.Gottfried Hammerschlag ua, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1. Anita M***, Angestellte, 9063 Maria Saal, Wutschein 51, und 2. Brigitte B***, Angestellte, 9063 Maria Saal, Wutschein 5, beide vertreten durch Dr.Dieter Sima, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen restlicher S 452.800 sA (Revisionsstreitwert S 116.928 sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 24.Mai 1989, GZ 2 R 81/89-62, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Endurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 8.Februar 1989, GZ 18 Cg 334/89-54, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 6.789,42 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.131,57 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 18.Jänner 1962 geborene Kläger wurde am 24.Oktober 1984 bei einem Verkehrsunfall so schwer verletzt, daß er infolge eines "apallischen Syndroms" zu einem Pflegefall wurde bzw. dauernd schwerstens behindert ist. Er wurde daher unter Sachwalterschaft gestellt und wird von seiner Mutter, die zugleich seine Sachwalterin ist, betreut. Die Beklagten haften solidarisch für künftige Schäden des Klägers aus diesem Unfall im Umfang von 40 %. Der Kläger hat infolge des Unfalls vermehrte Bedürfnisse von zuletzt S 12.000 monatlich. Ihm steht ua. deswegen ab 1.Mai 1985 bis zum Ablauf seines 65. Lebensjahres (s. modifiziertes Klagebegehren ON 49) - ausgehend von der 40 %igen Haftung der Beklagten - eine monatliche Rente von S 4.800 zu. Er erhält einen Hilflosenzuschuß, der zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz S 3.248 betrug.

Strittig ist im Revisionsverfahren ausschließlich die Fassung des Urteilsspruchs hinsichtlich des Rentenbegehrens. Daß der Anspruch auf Ersatz der Kosten für eine Pflegeperson in Form einer monatlichen Rente insoweit auf den Sozialversicherungsträger übergeht, als dieser eine kongruente Leistung in Form eines Hilflosenzuschusses erbringt, und vom Geschädigten nur der nach Abzug dieses Betrages verbleibende Ersatzanspruch geltend gemacht werden kann, ist unstrittig.

Das Erstgericht trug - zumindest im Spruch - dem Umstand, daß der Kläger einen Hilflosenzuschuß von zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz in Höhe von S 3.248 bezog, nicht Rechnung und sprach dem Kläger ab Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz, einen monatlichen Rentenbetrag von S 4.800 zu. In seinen Gründen (S. 18 unten) führt es allerdings aus, daß es nur künftige Erhöhungen des Hilflosenzuschusses mangels Bestimmtheit nicht berücksichtigen könne und die Beklagten mangels Einigung mit dem Kläger in einem solchen Fall auf § 35 EO verwiesen werden müßten. Das Berufungsgericht änderte diesbezüglich den Urteilsspruch ab und sprach die Beklagten schuldig, ab Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz dem Kläger bis auf weiteres monatlich S 1.552 zu bezahlen; das Mehrbegehren von monatlich S 3.248 wies es ab.

Rechtlich begründete es diese Abänderung damit, daß sich der Rechtsübergang auf den Sozialversicherungsträger gemäß § 332 ASVG und vergleichbaren sozialversicherungsrechtlichen Normen nach ständiger Rechtsprechung dem Grunde nach schon mit dem Entstehen des Ersatzanspruches und des Anspruches auf solche Sozialversicherungsleistungen, welche dem Ersatzanspruch kongruent seien, vollziehe. Im Urteilsspruch könne auf künftige Veränderungen nicht Bedacht genommen werden. Es sei auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz Bedacht zu nehmen. Hieraus folge, daß dem Kläger ab 26.Jänner 1989 nur eine monatliche Rente von S 1.552 zuzusprechen sei. Dieser Betrag ergebe sich, wenn man von den an sich ersatzfähigen Pflegekosten von unbestritten monatlich S 4.800 (40 % von S 12.000) den derzeitigen monatlichen Hilflosenzuschuß von durchschnittlich (unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen) S 3.248 abziehe. Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil zur Frage, inwieweit ein künftig zu erwartender Forderungsübergang schon im Urteilsspruch zu berücksichtigen sei, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diese Fassung des Urteilsspruchs im Rentenbegehren richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen. Die Beklagten beantragen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, jedenfalls aber ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision muß noch als zulässig angesehen werden, weil eine ausdrückliche Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Fassung des Urteilsspruchs in derartigen Fällen, soweit ersichtlich, nicht vorliegt; sie ist aber nicht berechtigt.

Der Anspruch nach § 1325 ABGB, § 13 Z 3 EKHG auf Ersatz der Kosten wegen Vermehrung der Bedürfnisse entsteht nicht erst mit der Aufwendung der entsprechenden Kosten, sondern schon mit dem Eintritt dieser Bedürfnisse (ZVR 1987/128; 1988/71 uva). Dieser Anspruch des Verletzten geht sofort (ZVR 1980/241 uva) und insoweit auf den Träger der Sozialversicherung über, als ihm der Art und Zeit nach eine kongruente Leistungsverpflichtung des Letzteren, wozu auch der Hilflosenzuschuß gehört, gegenübersteht (SZ 47/53; ZVR 1989/109 uva). Aus § 332 ASVG ergibt sich, daß der Ersatzanspruch stets im Ausmaß der Versicherungsleistung (hier Hilflosenzuschuß) auf den Versicherungsträger übergeht. Bei der Ermittlung des Betrages, auf den der Geschädigte dem Schädiger gegenüber Anspruch hat, ist nämlich der Schaden zunächst ohne Bedachtnahme auf die Leistungen des Legalzessionars zu ermitteln und um die Mitverschuldensquote zu kürzen. Von dem so errechneten Betrag sind die Leistungen des Legalzessionars in voller Höhe abzuziehen (Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers). Zieht man von den ersatzfähigen Pflegekosten von S 4.800 (40 % von S 12.000) den monatlichen Hilflosenzuschuß von (durchschnittlich) S 3.248 ab, ergibt sich, daß dem Kläger nur eine Rente von S 1.552 monatlich zuzusprechen ist. Hievon ist auch bei der Verurteilung zu künftigen Rentenzahlungen auszugehen.

Bei Verurteilung zu künftigen Rentenzahlungen ist nämlich wie bei jeder anderen Verurteilung zu künftigen Alimentationsleistungen nach § 406 2. Satz ZPO (JBl 1956, 284; ZVR 1975/198 uva) auf die Verhältnisse zur Zeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz abzustellen (6 Ob 521/77; 8 Ob 185/81 ua). Auf künftige Veränderungen kann im Titel nicht Bedacht genommen werden (ZVR 1975/168 uva).

Rentenansprüche unterliegen aber wie sonstige Unterhaltsansprüche der clausula rebus sic stantibus (SZ 36/132 ua). Künftige Veränderungen, die sich z.B. aus einem höheren Rentenanspruch des Klägers wegen Vermehrung seiner Bedürfnisse oder infolge inflationärer Entwicklung ergeben können, rechtfertigen eine Rentenanpassung, müssen aber gesondert eingeklagt werden. Sollte infolge deflationärer Entwicklung eine Herabsetzung der geschuldeten Rente berechtigt sein, müßten dies die Beklagten mit Oppositionsklage geltend machen. Veränderungen im Bereich des Hilflosenzuschusses, sei es, daß dieser - was hier schwer vorstellbar ist - ganz oder teilweise wegfiele, führte zu einer Erhöhung des dem Kläger zustehenden Rentenanspruchs infolge Wegfalls der Legalzession in diesem Umfang; diese Erhöhung müßte der Kläger notfalls im Klagsweg geltend machen. Veränderungen infolge Erhöhung des Hilflosenzuschusses, wodurch ein noch größerer Teil des Rentenanspruchs des Klägers ex lege auf den Versicherungsträger überginge, müßten die Beklagten mit Oppositionsklage (§ 35 EO) geltend machen. Eine Berücksichtigung derartiger Änderungen bereits im Titel ist mangels Bestimmtheit (§ 7 Abs 1 EO) nicht möglich (vgl. die Rechtsprechung zu wertgesicherten Unterhaltstiteln SZ 50/30; JBl 1988, 187 sowie zur Unexequierbarkeit eines Titels auf Zahlung der Familienbeihilfe in der jeweils gesetzlichen Höhe SZ 47/2).

Völlig verfehlt ist die Ansicht des Revisionswerbers, daß im Titel betreffend die künftigen Rentenzahlungen die Gewährung des Hilflosenzuschusses überhaupt nicht berücksichtigt werden dürfte, weil der Kläger ein Interesse daran habe, daß festgestellt werde, welcher Rentenbetrag ihm zustünde, wenn der Hilflosenzuschuß wegfiele. Ein derartiger Titel führte zu dem verfehlten Ergebnis, daß der Kläger einen exequierbaren Titel auf den vollen Rentenbetrag hätte, obwohl gemäß § 332 ASVG ein Teil dieses Rentenanspruchs bereits ex lege auf den Sozialversicherungsträger übergegangen wäre. Davon abgesehen ergibt sich aus der Begründung eindeutig, welcher Rentenbetrag dem Kläger derzeit zustünde, wenn er keinen Anspruch auf Hilflosenzuschuß hätte. Die Höhe dieses Rentenanspruchs kann sich - wie erwähnt - infolge Änderung der Bedürfnisse des Klägers verändern. Ein rechtliches Interesse an der vom Kläger gewünschten Feststellung fehlt, weil ohnedies auf Grund des Feststellungstitels feststeht, daß die Beklagten dem Kläger 40 % seiner vermehrten Aufwendungen ersetzen müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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