OGH 8Ob548/89

OGH8Ob548/899.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Graf und Dr. Schalich als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Helmut B***, Geschäftsmann, Hallein, Kletzlhofweg 2, vertreten durch Dr. Ferdinand Eberl, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Karl-Heinrich W***, Fleischhauermeister, Anif, Niederalm 6, vertreten durch Dr. Peter Bönsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Aufkündigung (Streitwert RAT S 310.000,- GGT S 6.000,-) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 7. Dezember 1988, GZ 21 R 394/88i-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 6. September 1988, GZ 10 C 247/88-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

In Abänderung des angefochtenen Urteils wird die Entscheidung der ersten Instanz wiederhergestellt.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.659,50 (darin S 514,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 13.245,- (darin S 1.957,50 Umsatzsteuer und S 1.500,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 1987 Alleineigentümer des Hauses Gstättnergasse 11 in der Salzburger Altstadt. Der Beklagte ist seit September 1972 Mieter eines ca. 23 m3 großen Geschäftslokales im Parterre dieses Hauses. Ursprünglich befand sich in diesem Geschäftslokal ein Friseurbetrieb, die danach folgende Mieterin betrieb eine Fleischhauerei; sie trennte das Lokal durch eine Zwischenwand und verwendete den vorderen Teil als Verkaufs- und den hinteren verkachelten Teil als Lager- und Kühlraum. Zu diesen baulichen Veränderungen haben die Rechtsvorgänger des Klägers finanziell beigetragen. Auch der Folgemieter betrieb in diesem Lokal eine Fleischhauerei. An diesen hat der Beklagte aus Anlaß seiner Anmietung ohne Wissen der Bestandgeber, S 250.000,- bezahlt; eine Gegenleistung hat er dafür nicht erhalten. Im Mietvertrag der Streitteile wurde ein wertgesicherter Pauschalmietzins von S 2.500,-

(incl. aller Betriebskosten) vereinbart und dem Mieter das Recht eingeräumt (Punkt V.), die Ausstattung des Geschäftslokales in entsprechender Form nach seinem Gutdünken vorzunehmen. Die Vermieter verzichteten auf das Recht, nach Endigung des Bestandverhältnisses, die Rückführung des Geschäftslokales in den ursprünglichen Zustand zu fordern. Nach Punkt VI. des Mietvertrages kann der Mieter bei Beendigung des Bestandverhältnisses keinen Ersatz für seine Investitionen fordern. Er ist aber verpflichtet, bei Beendigung des Bestandverhältnisses die fest eingebauten Investitionen in den Bestandräumen zu lassen; zu diesen gehören die gesamte Verfliesung, die Schaufenster, die Türen, der Gefrierraum, die elektrischen Leitungen samt der Schalttafel, die Gas-, Wasser- und Stromleitungen, der Strom- und Wasserzähler, das Telefon, soweit es nicht von der Post- und Telegraphenbehörde in Anspruch genommen wird. Für die Überlassung der Investitionen kann der Mieter keinerlei Entgelt fordern. Punkt VIII. berechtigt den Mieter, das Mietobjekt während der Vertragsdauer unterzuvermieten. Es wurde nicht vereinbart, daß der Beklagte als Mieter zu einer bestimmten gewerblichen oder geschäftlichen Tätigkeit verpflichtet ist. Der Beklagte hat im Bestandobjekt 1987 eine Fleischhauerei betrieben. In den letzten Jahren vor der Aufgabe dieses Betriebes ging das Geschäft schlecht. Ab Juni 1986 betrug der monatliche Pauschalzins S 5.506,71. Der Beklagte schloß mit Veronika V*** und Franz G*** am 14. Oktober 1987 mit Wirksamkeit vom 1. Dezember 1987 einen Untermietvertrag. Darin verpflichtete sich Helga V***, nach Ablauf von 7 Jahren den Mietgegenstand an Franz G*** allein zu übergeben und ihr Unterbestandverhältnis zum Beklagten aufzukündigen. Der Beklagte verpflichtete sich, diese Kündigung anzunehmen, Helga V*** aus dem Unterbestandverhältnis zu entlassen und gleichzeitig Franz G*** als alleinigen Untermieter anzuerkennen, ohne daß es eines neuerlichen Vertrags bedarf. Helga V*** und Franz G*** übernahmen

gleichzeitig die Solidarhaftung für alle aus dem Untermietvertrag entstehenden Verpflichtungen. Helga V*** sollte 7 Jahre lang allein ihren Betrieb im Bestandobjekt betreiben und dann das Bestandobjekt an Franz G*** übergeben. Vereinbart wurde ein monatlicher Pauschalunterbestandzins in Höhe des 1 1/2fachen Hauptmietzinses (= Pauschalmietzins + 50 %), in welchem gleich wie beim Hauptmietzins auch die anteilsmäßigen Betriebskosten, nicht aber die Kosten für Strom, Wasser, Telefon und Heizung enthalten sind.

Helga V*** hat dem Beklagten für die Überlassung der Bestandrechte S 350.000,- bezahlt, ohne eine Gegenleistung dafür zu erhalten. G*** verpflichtete sich bei Übernahme der Bestandrechte von Vockenhuber, ihr diesen Betrag zu refundieren. V*** betreibt seit 1. Dezember 1987 im Geschäftslokal eine Modeboutique. Sie ließ ohne Zustimmung des Klägers im Dezember 1987 die erwähnte Zwischenwand, die Verkachelung im hinteren Raum sowie einen Abluftkanal entfernen und hat damit wieder einen Verkaufsraum geschaffen. Durch diese baulichen Maßnahmen wurden die Substanz des Hauses nicht angegriffen. Die Baubehörde hat mit Bescheid vom 12. Jänner 1988 eine Baueinstellung verfügt.

Der Kläger stützt seine Aufkündigung auf die Tatbestände des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall, Abs 2 Z 4 und Abs 2 Z 7 MRG. Er brachte vor, daß das Geschäftslokal vereinbarungsgemäß nur als Fleischerei hätte benützt werden dürfen. Die Ermächtigung zu baulichen Veränderungen des Bestandobjektes habe sich nur auf eine Verschönerung im Rahmen eines Fleischhauerbetriebes bezogen. Die Umbauarbeiten der Unterbestandnehmerin hätten die Substanz des Bestandobjektes geschmälert. Es seien auch die wirtschaftlichen Interessen des Bestandgebers beeinträchtigt worden, weil durch die Umbauarbeiten der Rückstellungsanspruch des Vermieters nicht mehr erfüllt werden könne. Die Umbauarbeiten stellten daher auch einen nachteiligen Gebrauch des Bestandobjektes dar. Der Beklagte habe das Bestandobjekt zur Gänze weitervergeben und benötige es nicht mehr für sich selbst. Er habe für die Überlassung der Bestandrechte eine Ablöse von S 350.000,- kassiert.

Der Beklagte wendete dagegen ein, daß über den Widmungszweck des Bestandobjektes nichts vereinbart worden sei und auch keine Zusage vorliege, im Bestandobjekt nur eine Fleischhauerei zu betreiben. Die im Mietvertrag unter Punkt VI. übernommene Verpflichtung sei nur so zu verstehen, daß der Beklagte zugesagt habe, bei Endigung des Bestandverhältnisses die Verfliesung, das Pflaster und das Schaufenster so wie übernommen zu belassen bzw. wieder im Lokal zu installieren. Diese Zusage stehe zwischenzeitigen baulichen Veränderungen nicht entgegen. Die vorgenommenen Maßnahmen seien auch keineswegs substanzgefährdend. Die entfernte, nicht tragende Zwischenwand sei feucht und bröckelig gewesen und habe üblen Geruch verursacht. Durch die Entfernung dieser Mauer habe das Lokal einen höheren wirtschaftlichen Wert erhalten. V*** habe den Betrag von S 350.000,- als Abgeltung für die Aufgabe eines gutgehenden Unternehmens des Beklagten bezahlt. Der Beklagte habe durch die Untervermietung seinen Kundenstock verloren.

Das Erstgericht erklärte aufgrund des eingangs dargestellten Sachverhalts die Aufkündigung für rechtswirksam. Rechtlich folgerte es daraus, daß eine Untervermietung zu einem überhöhten Unterbestandzins vorliege. Die von V*** geleistete Ablöse von S 350.000,- sei (offenbar als Mietzinsvorauszahlung) auf die 7jährige Dauer des Unterbestandverhältnisses aufzuteilen. Dies ergebe mit der Leistung des 1 1/2fachen Unterbestandzinses eine unverhältnismäßige Gegenleistung.

Das Berufungsgericht erklärte in Abänderung dieses Urteil die Aufkündigung für rechtsunwirksam. Es äußerte die Ansicht, die Ablösezahlung von S 350.000,- dürfe nicht nur auf 7 Jahre aufgeteilt werden, sondern müsse, da neben V*** auch G*** auf

unbestimmte Zeit als Unterbestandnehmer Vertragspartner geworden sei, dementsprechend auch auf unbestimmte Zeit angerechnet werden. Sehe man eine 60 %ige Überschreitung des Hauptmietzinses als unzulässigen Unterbestandzins an, reiche die Zahlung von S 350.000,-, um dieses Ausmaß zu erhalten, nur für nicht ganz 9 Jahre aus. Eine unverhältnismäßige Gegenleistung liege daher nicht vor. Die restlichen Kündigungsgründe wurden in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht des Erstgerichtes als nicht gegeben angesehen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Urteiles der ersten Instanz. Die beklagte Partei beantragt, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG entspricht jenem des § 19 Abs 2 Z 10 zweiter Fall MG. Der Begriff der unverhältnismäßig hohen Gegenleistung ist in keinem der beiden Gesetze näher umschrieben und auch die Gesetzesmaterialien geben dazu keinen Aufschluß. Die Rechtsprechung im Anwendungsbereich des MG forderte regelmäßig ein krasses Mißverhältnis zwischen den Leistungen des Mieters (Mietzins und etwaige andere Leistungen) und jenen des Dritten, dem der Mietgegenstand überlassen wurde: dies wurde etwa bei Überschreitung des Hauptmietzinses um 100 % angenommen (MietSlg 23386 zB), aber bei einer solchen um 70 % verneint (vgl. MietSlg 27.380; zuletzt JBl 1987, 447 auch zum MRG) und bis zu 60 % als tolerierbar angesehen (MietSlg 23387). Auf einen gesetzlichen Bezugsmaßstab für die Relevanz der Äquivalenzstörung konnte sich freilich keine der dazu ergangenen Entscheidungen berufen. Ein solcher muß aber im Wege verfassungskonformer Analogie gesucht werden (vgl. Schilcher im Handbuch zum MRG, 50). Eine allgemeine Norm stellt § 934 ABGB dar, die zuletzt durch das KSchG 1979 mobilisiert und aufgewertet wurde (vgl. die Erläuterungen zur RV 425 Blg NR 15.GP, 33). Demnach muß auch bei der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit des für die Zurverfügungstellung des Mietgegenstandes an einen Dritten geforderten Entgelts ("Gegenleistung") an diese Norm angeknüpft werden. Ist das Unterbestandverhältnis auf bestimmte oder doch bestimmbare Zeit geschlossen worden, so bestehen wenig Schwierigkeiten, denn unter dieser Voraussetzung ist die für die Angemessenheitsprüfung des Entgelts unabdingbar notwendige Gegenüberstellung der in Beziehung zu setzenden Leistungen des Mieters und des Dritten, dem der Mietgegenstand überlassen wurde, leicht möglich. Hier aber liegt - wie schon das Berufungsgericht richtig erkannt hat - eine Überlassung des Mietgegenstandes durch den beklagten Mieter an zwei Mit-Untermieter auf unbestimmte Zeit vor, wofür der Beklagte neben dem monatlich zu entrichtenden Pauschal-Untermietzins (inklusive Betriebskosten) in Höhe von jeweils 150 % des von ihm dem klagenden Vermieter zu zahlenden Pauschalmietzinses (inklusive Betriebskosten) auch noch eine einmalige Zahlung in Höhe von S 350.000,-, der keine andere Gegenleistung als die der Überlassung der Bestandrechte zuzuordnen ist, erhalten hat. Der Betrag von S 350.000,- ist in Anbetracht der unbestimmten Dauer des Unterbestandverhältnisses nicht auf bestimmte Zeiteinheiten des Unterbestandverhältnisses aufteilbar und daher auch nicht leicht mit den Leistungen des Beklagten, die er als Mieter zu erbringen hat, in eine dem Sinn des § 934 ABGB entsprechende, die Differenz der objektiven Werte ("gemeine Werte") offenlegende Beziehung zu bringen. Es muß deshalb auch nach einer Antwort auf die sich aufdrängende Frage gesucht werden, welche Dauer des Unterbestandverhältnisses in einem solchen Falle zum Zwecke einer sinnvollen Berechnung der Wertdifferenz zu veranschlagen ist. In erster Linie wird jene Dauer zugrunde zu legen sein, mit der der Mieter zur Zeit der Vereinbarung des Untermietverhältnisses nach den besonderen Umständen des Falles rechnen konnte. Ansonsten müßte eine fiktive Bestanddauer von fünf Jahren veranschlagt werden, von der das MRG in § 29 Abs 1 lit d allgemein - und im Abs 2 desselben Paragraphen speziell - offenbar empirisch ausgeht. Hier muß jedoch deshalb eine fünf Jahre überschreitende Dauer des Unterbestandverhältnisses veranschlagt werden, weil die Mit-Untermieterin Helga V*** spätestens 7 Jahre nach Beginn des Vertragsverhältnisses dem Mit-Untermieter Franz G*** den Mietgegenstand allein überlassen und aus dem Unterbestandverhältnis ausscheiden sollte (Punkt VII des Untermietvertrages). Damit muß aber jedenfalls eine Zeit von sieben Jahren als Grundlage für die Berechnung der Wertdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung angenommen werden. Zur Zeit des Vertragsschlusses zwischen dem beklagten Mieter und den beiden Untermietern betrug der Pauschalmietzins, den der Beklagte dem Kläger monatlich zu zahlen hatte, S 5.506,71. Demgemäß entfiel auf die beiden Untermieter ein Pauschal-Untermietzins von monatlich S 8.260,06. Teilt man die zusätzliche einmalige Zahlung der Untermieter in Höhe von S 350.000,- auf 7 Jahre auf, so entfällt auf jedes Monat S 4.166,66 (6 periodisch), so daß der monatlichen Leistung des beklagten Mieters an den klagenden Vermieter in Höhe von S 5.506,71 eine monatliche Zahlung der Untermieter von S 12.426,73, oder, auf die veranschlagte Dauer des Unterbestandverhältnisses berechnet, einer Leistung des beklagten Mieters von insgesamt S 462.563,64 eine Gegenleistung der Untermieter von insgesamt S 1,043.845,46, gegenübersteht. Damit erweist sich eine Äquivalenzstörung im Sinne des § 934 ABGB und demnach auch eine "unverhältnismäßige hohe Gegenleistung" im Sinne des § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG. Der beklagte Mieter ist unter diesen Umständen in der Bewahrung seiner Bestandrechte an dem Mietgegenstand nicht mehr schutzwürdig (7 Ob 717/87). Es war deshalb in Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichtes das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen. Auf die übrigen geltend gemachten Kündigungsgründe ist bei dieser Rechtslage nicht mehr einzugehen.

Der Ausspruch über die Verfahrenskosten beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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